Paragraphen in 11 W (pat) 22/17
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BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 22/17 Verkündet am 30. Januar 2020
…
BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
ECLI:DE:BPatG:2020:300120B11Wpat22.17.0 betreffend das Patent 10 2011 010 295 hat der 11. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. Januar 2020 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr.-Ing. Höchst sowie der Richter Eisenrauch, Dr.-Ing. Fritze und Dr.-Ing. Schwenke beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe I.
Gegen das am 4. Februar 2011 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldete und am 8. November 2012 veröffentlichte Patent DE 10 2011 010 295 mit der Bezeichnung
„Verfahren zur Herstellung eines Karosseriebauteiles aus Stahl“
wurde Einspruch erhoben.
Die Patentabteilung 24 des Deutschen Patent- und Markenamts hat das Patent durch Beschluss vom 23. März 2017 daraufhin widerrufen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin. Sie ist der Auffassung, der Widerruf sei unbegründet. Der Gegenstand des Streitpatents sei weder neuheitsschädlich vorweggenommen noch lege ihn der Stand der Technik dem Fachmann nahe.
Die Beschwerdeführerin verteidigt das Patent nach ihrem Hauptantrag auf der Grundlage des erteilten Patentanspruchs, der mit hinzugefügten Gliederungszeichen wie folgt lautet:
Verfahren zur Herstellung eines Karosseriebauteiles aus Stahl, 2 wobei eine Platine aus Stahlblech in einem ersten Verfahrensschritt auf Austenitisierungstemperatur erwärmt wird, 3 in einem zweiten Verfahrensschritt zu einem Formteil warmumgeformt und gehärtet wird, 3.1 so dass ein überwiegend martensitisches Gefüge des Werkstoffs gebildet wird und 3.2 das Formteil eine Festigkeit von über 1300 N/mm² hat,
dadurch gekennzeichnet, dass
4.1 anschließend in einem oder mehreren, crashgerecht ausgelegten Teilbereichen des gehärteten Formteiles
4.2 Zonen mit einer Bruchdehnung über 10% und damit mit duktilen Eigenschaften
4.3 durch Erwärmung mittels Laserstrahls 4.4 auf eine Temperatur von über 500°C erzeugt werden, 5.1 wobei das Gefüge in diesem zumindest einem Teilbereich in ein ferritisch-perlitisches Gefüge 5.2 mit einer Festigkeit von unter 850 N/mm² umgewandelt wird.
Des Weiteren verteidigt die Patentinhaberin ihr Patent nach zwei Hilfsanträgen auf der Grundlage wie folgt geänderter Patentansprüche.
Nach dem Hilfsantrag 1 lautet der einzige Patentanspruch 1:
Verfahren zur Herstellung eines Karosseriebauteiles aus Stahl, 2 wobei eine Platine aus Stahlblech in einem ersten Verfahrensschritt auf Austenitisierungstemperatur erwärmt wird, 3 in einem zweiten Verfahrensschritt zu einem Formteil warmumgeformt und gehärtet wird, 3.1 so dass ein überwiegend martensitisches Gefüge des Werkstoffs gebildet wird und 3.2 das Formteil eine Festigkeit von über 1300 N/mm² hat,
dadurch gekennzeichnet, dass H1 4 in der Entwicklungsphase des Karosseriebauteils große oder kleine Bereiche in komplexen Bauteil-Geometrien entwickelt und ausgelegt werden und dass H1 4.1 anschließend an das Presshärten in dem einem oder den mehreren, crashgerecht ausgelegten Teilbereichen des gehärteten Formteiles
4.2 Zonen mit einer Bruchdehnung über 10% und damit mit duktilen Eigenschaften
4.3 durch Erwärmung mittels Laserstrahls 4.4 auf eine Temperatur von über 500°C erzeugt werden, 5.1 wobei das Gefüge in diesem zumindest einem Teilbereich in ein ferritischperlitisches Gefüge 5.2 mit einer Festigkeit von unter 850 N/mm² umgewandelt wird.
Nach dem Hilfsantrag 2 lautet der einzige Patentanspruch 1:
H2 1 Verfahren zur Herstellung einer B-Säule eines Kraftfahrzeuges aus Stahl, 2 wobei eine Platine aus Stahlblech in einem ersten Verfahrensschritt auf Austenitisierungstemperatur erwärmt wird,
in einem zweiten Verfahrensschritt zu einem Formteil warmumgeformt und gehärtet wird,
3.1 so dass ein überwiegend martensitisches Gefüge des Werkstoffs gebildet wird und
3.2 das Formteil eine Festigkeit von über 1300 N/mm² hat,
dadurch gekennzeichnet, dass H1 4 in der Entwicklungsphase des Karosseriebauteils große oder kleine Bereiche in komplexen Bauteil-Geometrien entwickelt und ausgelegt werden und dass H1 4.1 anschließend an das Presshärten in dem einem oder den mehreren, crashgerecht ausgelegten Teilbereichen des gehärteten Formteiles
4.2 Zonen mit einer Bruchdehnung über 10% und damit mit duktilen Eigenschaften
4.3 durch Erwärmung mittels Laserstrahls 4.4 auf eine Temperatur von über 500°C erzeugt werden, 5.1 wobei das Gefüge in diesem zumindest einem Teilbereich in ein ferritischperlitisches Gefüge 5.2 mit einer Festigkeit von unter 850 N/mm² umgewandelt wird.
Die Patentinhaberin stellt den Antrag,
- den Beschluss der Patentabteilung 24 des Deutschen Patentund Markenamtes vom 23. März 2017 aufzuheben und das Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten,
- hilfsweise unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses das Patent mit einer Fassung in der Reihenfolge der Hilfsanträge 1 und 2 aus dem Schriftsatz vom 7. März 2017 beschränkt aufrechtzuerhalten.
Die Einsprechende stellt den Antrag,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie macht mangelnde Patentfähigkeit geltend (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG) und stützt ihr Vorbringen auf die im Widerrufsbeschluss herangezogenen Druckschriften D2 EP 1 180 470 B1 und D3 ES 2 345 029 A1.
Zur Druckschrift D3 legt die Einsprechende eine englische Übersetzung der Beschreibung und Ansprüche, D3a, vor.
Weitere von den Beteiligten während der mündlichen Verhandlung diskutierte Druckschriften sind die bereits für die Beurteilung der Patentfähigkeit im Prüfungsverfahren in Betracht gezogene D1 DE 10 2008 044 523 A1 sowie aus dem Einspruchsverfahren die Publikation D4 Gasser, A., Meiners, W., Weisheit, A., Willenborg, E., Stollenwerk, J. und Wissenbach, K., (2010), „Maßgeschneiderte Oberflächen und Bauteile“, LTJ, 7: 47-53. doi: 10.1002/latj.201090061,
und die Druckschriften D5 EP 2 561 946 A1 und D12 US 2010/0016719 A1.
Zu den Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug auf die Akten genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Patentinhaberin ist unbegründet.
A. Das angegriffene Patent betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines Karosseriebauteiles aus Stahl, wobei eine Platine aus Stahlblech in einem ersten Verfahrensschritt auf Austenitisierungstemperatur erwärmt und in einem zweiten Verfahrensschritt zu einem Formteil warmumgeformt und gehärtet wird, so dass ein überwiegend martensitisches Gefüge des Werkstoffs gebildet wird und das Formteil eine Festigkeit von über 1300 N/mm² hat.
In den Abs. [0004] bis [0006] der Patentbeschreibung ist zum Stand der Technik - hier zusammengefasst - dargelegt, je nach Anwendungszweck sei es erwünscht, dass ein entsprechendes Karosseriebauteil nicht zur Gänze eine entsprechende hohe Festigkeit habe, sondern dass das Formteil in Teilbereichen duktile Eigenschaften hat, so dass das Bauteil insgesamt an bestimmte Crash-Strukturen angepasst werden könne. Ein solches Bauteil sei als A- und/oder B-Säule einer Kraftfahrzeug-Karosserie aus DE 10 2008 044 523 A1 bekannt und als B-Säule für ein Kraftfahrzeug aus EP 1 180 470 B1. Bei dem dort angewendeten Presshärteverfahren werde eine erwärmte Stahlplatine in einem Umformwerkzeug warm umgeformt und nur der Bereich des Bauteils, der die höhere Festigkeit aufweisen solle, entsprechend gehärtet, dagegen die Teilbereiche, die geringere Festigkeit aufweisen sollten, nicht. Insofern würden die Bereiche unterschiedlicher Festigkeit unterschiedlichen Abkühlverfahren unterworfen.
Gemäß dem Streitpatent besteht die Aufgabe, ein Karosseriebauteil, wie prinzipiell aus EP 1 180 470 B1 bekannt, mit einfacheren Verfahrensschritten herzustellen (Abs. [0007]).
Die Lösung nach dem angegriffenen Patent ist ein Verfahren mit den im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen.
B. Zur Auslegung des Patentanspruchs Zuständiger Durchschnittsfachmann, auf dessen Wissen und Können es insbesondere für die Auslegung des Wortlautes des Patentanspruchs und für die Interpretation des Standes der Technik ankommt, ist im vorliegenden Fall ein Hochschulabsolvent entweder der Werkstoff- oder Metallkunde oder des Maschinenbaus jeweils mit vertieften Kenntnissen der Umformtechnik, der über mehrjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Herstellung von Karosseriebauteilen aus Blechen und deren Wärmebehandlung verfügt.
Der Fachmann versteht unter dem Begriff Karosseriebauteil im Merkmal 1 hier jegliche Strukturelemente, die zum Aufbau - allgemein - einer Karosserie vorgesehen sind, unabhängig von der Anwendung (z.B. als Beplankung, Profilteil, Verstärkungsteil); ...aus Stahl zeigt ihm an, dass es sich um eine plastisch umformbare Eisen-Kohlenstofflegierung handelt; weitere Legierungselemente benennt das Patent nicht. Für das patentgemäße Verfahren ist die chemische Zusammensetzung des Stahls für den zu schützenden Gegenstand aber insoweit von Bedeutung, als, wie es aus Abs. [0001] der Beschreibung zu entnehmen ist, der Stahl härtbar sein muss. Der Fachmann kennt für die nach dem Patentanspruch vorgesehene Anwendung typische, niedrig legierte Stähle mit Bor und Mangan, z. B. 22MnB5, insbesondere aus der im Abs. [0005] der Streitpatentschrift erwähnten Druckschrift D1.
Merkmal H2 1 benennt anstelle von Merkmal 1 im erteilten Patentanspruch 1 konkret, dass das beanspruchte Verfahren die Herstellung einer B-Säule eines Kraftfahrzeuges bezweckt. Die B-Säule ist bekanntlich die Verbindung zwischen Fahrzeugboden und Fahrzeugdach in der Mitte der Fahrgastzelle.
Gemäß dem Merkmal 2, wobei eine Platine in einem ersten Verfahrensschritt auf Austenitisierungstemperatur erwärmt wird…, ist zunächst ein Zuschnitt aus einem nicht gebogenen Blech bereitzustellen. Der Anspruch stellt die Wahl der Parameter und Mittel für die Umwandlung des Gefüges der Platine in Austenit frei (bspw. den Ausgangszustand des Gefüges der Platine, die Aufheizrate, Temperatur, Haltezeit, ob die Erwärmung im Ofen oder im Umformwerkzeug erfolgt). In Zusammenhang mit dem Stand der Technik benennt das Patent als Austenitisierungstemperatur bspw. 930°C (vgl. Abs. [0002]).
Das Merkmal 3, wonach die nunmehr austenitisierte Platine ...in einem zweiten Verfahrensschritt zu einem Formteil warmumgeformt und gehärtet wird, besagt, dass die plastische Umformung oberhalb der Rekristallisationstemperatur des Stahlwerkstoffs vorzunehmen ist und die anschließende Abkühlung des Werkstücks so rasch zu erfolgen hat, dass Austenit in Martensit umgewandelt wird. Dabei bleibt offen, aus wieviel Martensit das resultierende Gefüge letztlich besteht. Auch, ob dieser Teilschritt unmittelbar aus der Austenitisierungswärme heraus, bspw. im Zuge einer kontinuierlichen Abkühlung des Formteils bereits im Werkzeug, durchgeführt wird oder nicht, ferner schreibt der Anspruch nicht vor, mit welchem Werkzeug und mit welchem Umformverfahren (Pressen, Schmieden, Tiefziehen, Presshärten…).
Merkmal 3.1 besagt, dass ein überwiegend martensitisches Gefüge des Werkstoffs gebildet wird. Das Gefüge des Formteils enthält demnach größtenteils Martensit und zudem anteilig weitere Phasen - aus fachmännischer Sicht können das, je nach Stahl und Wärmebehandlungsverlauf, Restaustenit-, Ferrit-, Perlit- und Zwischenstufenphasen sowie Karbide sein. Der unbestimmte Begriff überwiegend schließt dabei nicht aus, dass nur noch vernachlässigbar geringe andere Phasenanteile außer Martensit vorhanden sind. Denn das folgende Merkmal 3.2, wonach das Formteil eine Festigkeit von über 1300 N/mm² hat, legt keine Obergrenze fest; es lässt somit zu, auch Bauteile für die nachfolgenden Wärmebehandlungsschritte vorzusehen, die nach dem Presshärten ein nahezu vollständig martensitisches Gefüge haben.
Merkmal H1 4, dass in der Entwicklungsphase des Karosseriebauteils große oder kleine Bereiche in komplexen Bauteil-Geometrien entwickelt und ausgelegt werden, bedeutet, dass die Festlegung der Bauteilform in jeglicher Hinsicht bereits in der Planungs- und Entwicklungsphase des Karosseriebauteils vor der Fertigung vom Konstrukteur vorgenommen wird.
Die Merkmale 4.1 und 4.2 - dadurch, dass anschließend in einem oder mehreren, crashgerecht ausgelegten Teilbereichen des gehärteten Formteiles Zonen mit einer Bruchdehnung über 10% und damit duktilen Eigenschaften erzeugt werden - legen fest, dass mit den dem Härten nachfolgenden Verfahrensschritten nicht auf das gesamte Bauteil eingewirkt werden soll, sondern nur auf einen oder mehrere für den Crashfall entsprechend auszuformende, geometrisch abgrenzbare Teilbereiche. Gemäß Abs. [0010] der Streitpatentschrift sind das beispielsweise Teilflächen einer B-Säule eines Kraftfahrzeugs. Konkrete Ausführungsbeispiele für dem Anspruchswortlaut gerecht werdende crashgerechte Auslegungen offenbart die Patentschrift nicht. Die Form, Ausdehnung und Anordnung der besagten Zonen sind also, außer, dass sie innerhalb der Teilbereiche des Bauteils liegen, beliebig. Der Fachmann wird davon ausgehen, dass es Bereiche sind, die im Crashfall hohen Belastungen ausgesetzt sind und dabei nicht brechen sollen. Der Begriff duktil bedeutet im vorliegenden Zusammenhang plastisch dehnbar, und zwar bis zum Bruch um mehr als 10% gegenüber der Ausgangslänge, wodurch ein Teil der Aufprallenergie als Verformungsenergie absorbiert werden kann.
Diese Eigenschaft ergibt sich gemäß den Merkmalen 4.3 und 4.4 infolge einer Erwärmung mittels Laserstrahls auf eine Temperatur von über 500°C. Der Anspruch schreibt also lediglich die Wärmequelle und die Untergrenze einer für eine erfolgreiche Verfahrensführung zu erreichende, oberhalb eines Mindestwerts liegende Temperatur vor. Zu den Verfahrensparametern, bspw. die Art der Laserstrahlquelle, ihrem Betriebsmodus, die Höhe der abgegebenen Leistung, die Fokussierung des Strahls, die Dauer seiner Einwirkung etc., enthält das Patent keine Angaben.
Merkmal H1 4.1 spezifiziert mit der Ergänzung anschließend an das Presshärten das beanspruchte Verfahren insoweit genauer, als die Wärmebehandlung mit dem Laser unmittelbar und ohne weitere Zwischenschritte nach dem Presshärten erfolgt.
Das Merkmal 5.1 - wobei das Gefüge in diesem zumindest einem [sic!] Teilbereich in ein ferritisch-perlitisches Gefüge umgewandelt wird - gibt an, dass die Wirkung der Beaufschlagung mit Laserstrahlung lokal begrenzt ist.
Nach dem letzten Merkmal 5.2 - mit einer Festigkeit von unter 850 N/mm² - ist das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 dann erfolgreich durchgeführt worden, wenn die Festigkeit in den besagten Teilbereichen des Karosseriebauteils - also nicht die Festigkeit des gesamten Bauteils - weniger als 850 N/mm² beträgt.
C. Das angegriffene Patent erweist sich in jeder der verteidigten Fassungen mangels Neuheit der im jeweiligen Umfang beanspruchten Verfahren als nicht rechtsbeständig (§§ 1, 3 PatG).
Die Zulässigkeit der Patentansprüche nach dem Haupt- und den beiden Hilfsanträgen kann daher als gegeben unterstellt werden.
1. Das nach dem Hauptantrag beanspruchte Verfahren ist nicht mehr neu, denn die Druckschrift D3/D3a offenbart bereits ein damit identisches Verfahren zur Herstellung eines Karosseriebauteils aus Stahl.
Aus dem Vortrag der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung entnimmt der Senat im Wesentlichen, dass sie die Relevanz der Druckschrift D3/D3a infrage stellt, weil diese ein Fahrzeugkarosseriebauteil betreffe, welches aus einer Stahlplatine mit einer auf Silizium- und Aluminium basierten Beschichtung erhalten wird.
Das Vorbringen überzeugt nicht, weil es für das hier beanspruchte Verfahren nicht darauf ankommt, ob der Stahl, aus dem die Platine besteht, beschichtet ist oder nicht. Wohl wirkt sich die Beschaffenheit der Oberfläche der Platine auf das Ankopplungsverhalten der Laserstrahlung aus, jedoch ist nicht erkennbar und auch nicht vorgetragen worden, ob und inwieweit dadurch die Vorgänge bei der Gefügeumwandlung im Werkstück nennenswert beeinflusst werden.
Gegenstand der Druckschrift D3/D3a ist, wie es nach dem Sinngehalt auch das Merkmal 1 im Patentanspruch 1 vorsieht, ein Verfahren zur Herstellung eines Karosseriebauteils (vgl. S. 8, Zeilen 1 und 2: „method for the manufacture of a structural component of a vehicle, such as an automotive vehicle“), wobei eine Platine aus Stahlblech zunächst einem Warmpressen unterzogen wird (vgl. S. 8, Z. 2 bis 5 „starting from a steel sheet or plate…subjecting the plate to a prior hot stamping formation operation“).
In Übereinstimmung mit dem Merkmal 2 des patentgemäßen Verfahrens offenbart die Druckschrift D3/D3a, dass beim Warmpressen beispielsweise einer 22MnB5Platine deren ferritisch-perlitisches Gefüge mittels einer gezielten Wärmebehandlung in Austenit umgewandelt wird (vgl. S. 1, Z. 22 bis 25: „the microstructure of 22MnB5 steel plate …is …converted …from ferrite-perlite to austenite by means of a specific heat treatment“).
In weiterer Übereinstimmung mit den Merkmalen 3, 3.1 und 3.2 folgen dort - ebenfalls im zweiten Schritt - die Warmumformung zu einem Formteil und dessen Härten, so dass ein überwiegend martensitisches Gefüge des Werkstoffs gebildet wird (vgl. S. 1, Z. 24 bis 26: „in two steps...followed by a martensitic phase transformation during cooling“) und das Formteil eine Festigkeit zwischen 1200 und 1600 MPa - demnach, wie es der Patentanspruch 1 verlangt, auch von über 1300 N/mm² erhält (vgl. S. 3, Z. 32 bis 34: „the finished component… tensile strength is comprised between 1200 MPa and 1600 MPa.“
Der von der Patentinhaberin gesehene Unterschied, wonach das Formteil gemäß der Druckschrift D3/D3a nach dem Härten zwar ein vollständig aber kein überwiegend martensitisches Gefüge habe, besteht für einen Fachmann offenkundig nicht. Wenn das ausweislich dem Patentanspruch 1 überwiegend martensitische Gefüge Festigkeiten des patentgemäß erzeugten Formteils von über 1300 N/mm² bedingt, dann muss dieses Merkmal für das Gefüge des aus Druckschrift D3/D3a bekannten Formteils ebenso zutreffen. Denn es wurde mit den patentgemäß vorgesehenen Mitteln und in gleicher Weise, wie es das Streitpatent vorsieht, erzeugt und weist im Ergebnis damit übereinstimmende Festigkeiten eines nicht vollständig, sondern überwiegend martensitischen Gefüges auf.
Entgegen der Auffassung der Patentinhaberin unterscheidet sich das Verfahren gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag auch in keinem anderen Merkmal von dem aus Druckschrift D3/D3a bekannten Verfahren.
Ebenso wie streitpatentgemäß sind dort die für die Laserstrahlbehandlung vorgesehenen Teilbereiche des Karosseriebauteils im Sinne des Merkmals 4.1 crashgerecht ausgelegt. Der Fachmann entnimmt dies den in der Druckschrift D3 in die Papierebene projizierten Darstellungen der dreidimensionalen Gestalt eines Karosseriebauteils für ein Fahrzeug ohne weiteres. Als ein oder mehrere Teilbereiche anzusprechende Abschnitte sind in der Zeichnung ihrer Form, Größe und Anordnung nach eindeutig von den angrenzenden, ersichtlich nahezu unverformten Seitenflächen in den Figuren unterscheidbar und zudem als solche beschrieben (in D3a, S. 4, Z. 24 bis 27, „Fig. 1 depicts in a central reinforcement of an automobile vehicle which comprises… one localized zone…indicated in the form of shading…“, sowie auf S. 5, Z. 5 bis 7, „Fig. 2 the central reinforcement…of four localized zones…“). Dies betrifft zum einen die quer zur Längsachse des Bauteils in dessen Einbaulage deutlich zur Fahrzeuginnenseite hin gekrümmten Flanken, die der Front- und Rückseite des Fahrzeugs zugewandt sind, und zum anderen den Fußund Kopfbereich. Für den Fachmann bedarf es keiner ausdrücklichen Erwähnung, dass sie schon aufgrund ihrer spezifischen Gestalt die Struktur des Bauteils im Falle eines Crashs verstärken.
Wenigstens Teilflächen in den durch Schraffur angedeuteten Bereichen (S. 4, Z. 31: „at least part of the surface of the shaded zone“) werden dort anschließend an das Presshärten des Bauteils (S. 4, Z. 31: „after hot stamping the component“) mittels Laser bestrahlt (S. 4, Z. 32: „irradiating it with a diode laser“). Dabei wird eine Temperatur zwischen 400°C und 900°C erreicht (S. 4, Z. 34: „reaching a temperature between 400° und 900°C“), so dass insoweit auch die Maßgabe des Patentanspruchs über 500°C erfüllt ist.
Bei einem der in Druckschrift D3/D3a offenbarten Versuche, wo mit Laserbestrahlung (S. 6, Z. 7: „…using a laser format…“) Temperaturen zwischen 650°C und 680°C erreicht wurden (S. 7, Z. 6 und 7: „…reaching temperature between 650°C and 680°C…“), ergab sich ein Dehnwert von 11% in der wärmebehandelten Zone (S. 7, Z. 9 bis 12: „…obtaining… an… A80 value of 11% in the treated zone of the component.“). Das aus der Druckschrift D3/D3a bekannte Verfahren nimmt somit die im erteilten Patentanspruch 1 angegebenen Merkmale 4.2, 4.3 und 4.4 gleichfalls vorweg.
Dies gilt auch für die verbleibenden Merkmale 5.1 und 5.2, denn mit dem aus Druckschrift D3/D3a bekannten Vorgehen wird in den warmpressgehärteten und nachträglich mit Laserstrahlung wärmebehandelten Zonen innerhalb von Teilbereichen des Karosseriebauteils das Härtungsgefüge in ein hauptsächlich oder gänzlich ferritisch-perlitisches Gefüge umgewandelt (S. 3, Z. 7 bis 9: „… the microstructure is mostly or entirely made up of ferrite, perlite, tempered martensite or a mixture of any of the foregoing.“). Die Gefüge in der behandelten Zone des Bauteils erhalten mit MPa letztlich auch eine mit dem patentgemäßen Verfahren angestrebte Festigkeit unterhalb des Grenzwerts von 850 N/mm².
2. Die nach den Hilfsanträgen 1 und 2 beanspruchten Verfahren sind ebenfalls nicht mehr neu.
Das zusätzlich jeweils in den Patentanspruch 1 nach beiden Hilfsanträgen aufgenommene Merkmal H1 4 sieht vor, dass in der Entwicklungsphase des Karosseriebauteils große oder kleine Bereiche in komplexen Bauteil-Geometrien entwickelt und ausgelegt werden.
Dieses Merkmal fügt dem nach dem Hauptantrag beanspruchten Verfahren nichts Neues hinzu, denn die weiterhin bestehenden Vorgaben durch die Merkmale 2 und 3, wonach das Formteil ausgehend von einer Platine in einem einzigen Presshärtevorgang erzeugt werden soll, erfordern schon zwangsläufig die Festlegung der Bauteilform in jeglicher Hinsicht bereits in der Planungs- und Entwicklungsphase des Karosseriebauteils vor der Fertigung. Dies kann auch bei dem aus Druckschrift D3/D3a bekannten ebenfalls insoweit übereinstimmenden Verfahren nicht anders sein.
Merkmal H1 4.1 nach den Hilfsanträgen 1 und 2 vermag mit der Ergänzung „anschließend an das Presshärten“ ebenfalls nicht die Neuheit des beanspruchten Verfahrens zu begründen, denn Druckschrift D3/D3a lehrt dieses Vorgehen auch bereits für das dortige Verfahren. Die Mikrostruktur der Stahlplatine wird bei dem auf dem Gebiet der Formgebung von Fahrzeugbauteilen weit verbreiteten Presshärten typischerweise in zwei Schritten umgewandelt vom Ferrit-Perlit zum Austenit, gefolgt von der martensitischen Phasenumwandlung während des Abkühlens in der Einsenkpresse (S. 1, Z. 18 bis 26: „the use of hot stamping method… is widespread… a homogeneous change in the microstructure of the starting metal material and forming the desited part are achieved simultaniously during this method…during cooling in the stamping press“.). Die selektive Wärmebehandlung erfolgt sodann auch dort - ohne dass weitere Zwischenschritte erwähnt werden - anschließend an das Presshärten (S. 4, Z. 31 und 32, „…after hot stamping the component…“).
Merkmal H2 1 im Patentanspruch 1 nach dem Hilfsantrag 2 benennt anstelle von Merkmal 1 im erteilten Patentanspruch 1 nunmehr konkret, dass das beanspruchte Verfahren die Herstellung einer B-Säule eines Kraftfahrzeuges bezweckt.
Die Druckschrift D3/D3a offenbart dieses Merkmal ebenfalls neuheitsschädlich, nämlich in den Figuren 1 und 2, die der Beschreibung auf S. 4, Z. 2 und 3 und 6 bis 11 zufolge jeweils eine Aufsicht auf eine B-Säule eines Automobils zeigen („a central reinforcement of an automotive vehicle…plan view of…“).
3. Aufgrund der bereits fehlenden Neuheit erübrigt es sich zu beurteilen, ob - wie die Einsprechende außerdem noch vertreten hat - der Stand der Technik, den die Druckschriften D2 und D3/D3a zusammen offenbaren, das Verfahren nach dem angegriffenen Patent dem Fachmann nahelegt oder nicht. Ausführungen zu den Dokumenten D1, D4 und D5 sind ebenfalls entbehrlich.
4. Letztlich kann der Senat bei dieser Sachlage auch von einer Stellungnahme zu der Rüge der Patentinhaberin absehen, der Einsprechendenvortrag zu der im Einspruchsverfahren zusammen mit anderen Entgegenhaltungen nachgereichten Druckschrift D12 sei verspätet und daher nicht zu berücksichtigen.
III.
Rechtsmittelbelehrung Dieser Beschluss kann mit der Rechtsbeschwerde nur dann angefochten werden, wenn einer der in § 100 Absatz 3 PatG aufgeführten Mängel des Verfahrens gerügt wird. Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.
Dr. Höchst Eisenrauch Dr. Fritze Dr. Schwenke Fa
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