Paragraphen in XII ZB 627/24
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| 2 | 74 | FamFG |
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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 627/24 vom 24. September 2025 in der Betreuungssache ECLI:DE:BGH:2025:240925BXIIZB627.24.0 Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. September 2025 durch den Vorsitzenden Richter Guhling, die Richter Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger und Dr. Botur und die Richterin Dr. Pernice beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Regensburg vom 13. Dezember 2024 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen. Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.
Gründe: I.
Die Betroffene wendet sich gegen die Aufhebung der für sie eingerichteten Betreuung.
Für die Betroffene wurde im März 2017 ein Betreuer mit umfassendem Aufgabenkreis bestellt. Im Dezember 2023 hat das Amtsgericht ein Verfahren zur Verlängerung der Betreuung eingeleitet und ein Sachverständigengutachten zur Frage der medizinischen Voraussetzungen der Betreuungsverlängerung und der Einschränkung oder Aufhebung der Betreuung eingeholt. Da der Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt ist, die Betroffene sei trotz ihrer Alkoholabhängigkeit sowie einer histrionischen Persönlichkeitsstörung im Stande, ausreichende Vollmachten an Vertrauenspersonen zu erteilen, weshalb die Betreuung nicht zwingend erforderlich sei, hat das Amtsgericht nach Anhörung der Betroffenen die Betreuung aufgehoben. Gegen diese Entscheidung hat die Betroffene Beschwerde eingelegt. Mit ihrer Beschwerdebegründung hat sie ein vom 7. Oktober 2024 datierendes Gutachten des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie und Forensische Psychiatrie S. vorgelegt, wonach sie unter Alkoholabhängigkeit sowie einer mittelgradigen Depression leide und eine Fortführung der Betreuung empfohlen werde.
Das Landgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung Folgendes ausgeführt:
Die Betreuung sei aufzuheben, weil die Voraussetzungen hierfür nicht mehr vorlägen. Die sowohl vom gerichtlich bestellten Sachverständigen als auch im Privatgutachten attestierte Diagnose einer Alkoholabhängigkeit rechtfertige eine Verlängerung der Betreuung nicht. Soweit bei der Betroffenen nach dem eingeholten Sachverständigengutachten auch eine histrionische Persönlichkeitsstörung vorliege, sei sie jedoch nicht darin beeinträchtigt, ihre rechtlichen Angelegenheiten selbständig zu regeln. Soweit in dem im Beschwerdeverfahren vorgelegten Privatgutachten eine chronifizierte Depression von mittelgradigem Ausmaß attestiert werde, sei festzustellen, dass der gerichtlich bestellte Sachverständige im Rahmen des Anhörungstermins ausgeführt habe, aufgrund seiner Untersuchung hätten sich keine Anhaltspunkte für eine Depression gezeigt. In der Gesamtschau aller zur Verfügung stehenden Unterlagen erscheine die Diagnose einer mittel- oder schwergradigen Depression auch unter Berücksichtigung der diesbezüglichen Ausführungen im Privatgutachten nicht nachvollziehbar und nicht überzeugend. Selbst wenn man aber vom Vorliegen einer mittelgradigen Depression ausgehen sollte, liege jedenfalls keine Kausalität zwischen einer solchen Erkrankung und einer Unfähigkeit der Betroffenen zur Regelung rechtlicher Angelegenheiten vor.
Denn in dem Privatgutachten sei hierzu ausgeführt, dass die Betroffene bedingt durch die Diagnose einer mittelgradigen chronischen Depression nicht mehr in der Lage sei, lebenswichtige Alltagsvorgänge zu erfassen und zu verrichten. Hierunter seien jedoch tatsächliche Alltagsvorgänge, wie das Einkaufen oder das Fahren zum Arzt, zu verstehen und nicht die Erledigung rechtlicher Angelegenheiten. Zudem werde in dem Privatgutachten die Fortführung der Betreuung lediglich empfohlen. Eine weitere Betreuung sei auch deshalb nicht erforderlich, da der Betroffenen andere Hilfen zur Verfügung stünden, die sie trotz ihrer Erkrankung vorrangig nutzen könne und auch genutzt habe.
2. Diese Entscheidung hält bereits der Verfahrensrüge der Rechtsbeschwerde nicht Stand. Diese beanstandet zu Recht, dass das Beschwerdegericht sich inhaltlich nicht ausreichend mit dem Privatgutachten befasst hat.
a) Erhebt ein Verfahrensbeteiligter Einwendungen gegen das Gutachten eines gerichtlichen Sachverständigen, hat der Tatrichter diese zu berücksichtigen. Dabei ist er auch verpflichtet, sich mit einem vorgelegten Privatgutachten auseinanderzusetzen und auf die weitere Aufklärung des Sachverhalts hinzuwirken, wenn sich aus dem Privatgutachten ein Widerspruch zum Gerichtsgutachten ergeben kann. Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen hat er von Amts wegen nachzugehen. Das Gericht ist gehalten, sich mit den Streitpunkten zwischen dem gerichtlichen Sachverständigengutachten und dem Privatgutachten sorgfältig und kritisch auseinanderzusetzen und die Streitpunkte zu würdigen. Insbesondere hat es zu begründen, warum es einem von ihnen den Vorzug gibt (Senatsbeschluss vom 22. Juni 2022 - XII ZB 544/21 - FamRZ 2022, 1556 Rn. 18 mwN).
Dabei entscheidet der Tatrichter über Art und Umfang seiner Ermittlungen grundsätzlich nach pflichtgemäßem Ermessen. Dem Rechtsbeschwerdegericht obliegt lediglich die Kontrolle auf Rechtsfehler, insbesondere die Prüfung, ob die Tatsachengerichte alle maßgeblichen Gesichtspunkte in Betracht gezogen haben und die Würdigung auf einer ausreichenden Sachaufklärung beruht (Senatsbeschluss vom 22. Juni 2022 - XII ZB 544/21 - FamRZ 2022, 1556 Rn. 19 mwN).
b) Diesen Maßstäben genügt die angefochtene Entscheidung nicht.
Das Beschwerdegericht hat seine Überzeugung von der Art der Erkrankung der Betroffenen und der damit verbundenen fehlenden Betreuungsbedürftigkeit im Wesentlichen auf das bereits im amtsgerichtlichen Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten gestützt, in dem der Gutachter zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Betroffene an einer Alkoholabhängigkeit sowie einer histrionischen Persönlichkeitsstörung leide. In dem von der Betroffenen vorgelegten Privatgutachten, das sich auf eine umfassende Exploration der Betroffenen stützt, kommt der Gutachter hingegen zu dem Ergebnis, dass bei der Betroffenen eine chronifizierte Depression sowie eine Delta-Alkoholabhängigkeit vorliege und deshalb die medizinischen Voraussetzungen für eine Betreuung gegeben seien. Damit weicht das Privatgutachten sowohl bei der Diagnose der Erkrankung der Betroffenen als auch bei der Frage der Betreuungsbedürftigkeit erheblich von der Beurteilung des gerichtlich bestellten Gutachters ab.
Diesen Widerspruch hat das Beschwerdegericht nicht ausreichend aufgeklärt. Dazu hätte jedoch insbesondere deshalb Anlass bestanden, weil sich das schriftliche Gerichtsgutachten mit der Frage einer Depression nicht befasst und sich der Gerichtsgutachter lediglich im Rahmen seiner Anhörung vor dem Amtsgericht dahingehend geäußert hat, dass er aufgrund seiner Untersuchung keine Anhaltspunkte für eine Depression gesehen habe. Die in dem Privatgutachten gestellte Diagnose einer Depression beruht hingegen auf einer umfangreichen und auf diese Erkrankung bezogenen Testung der Betroffenen. Unter diesen Umständen genügt es zur Begründung, warum dem Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen zu folgen ist, nicht, nur darauf zu verweisen, die Diagnose einer mittel- oder schwergradigen Depression sei auch unter Berücksichtigung der diesbezüglichen Ausführungen im Privatgutachten nicht nachvollziehbar und nicht überzeugend. Das Beschwerdegericht wäre vielmehr gehalten gewesen, dem gerichtlich bestellten Sachverständigen das vorgelegte Privatgutachten zur Kenntnis zu geben und ihn dazu anzuhören oder eine ergänzende Stellungnahme einzuholen.
c) Insofern rügt die Rechtsbeschwerde ebenfalls zu Recht, dass das Landgericht nicht ausreichend begründet hat, weshalb es trotz der durch das Privatgutachten neu eingebrachten medizinischen Standpunkte nicht auf eine weitere Aufklärung des Sachverhalts durch erneute Anhörung der Betroffenen im Beschwerdeverfahren hingewirkt hat.
3. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben und die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen, weil diese noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG).
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Guhling Botur Günter Pernice Nedden-Boeger Vorinstanzen: AG Regensburg, Entscheidung vom 23.09.2024 - XVII 2429/16 (2) LG Regensburg, Entscheidung vom 13.12.2024 - 53 T 324/24 -
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