• Suche
  • Impressum

caselaw.de²

  • caselaw.de²

  • Suche
  • Impressum

  • Suche
  • Filter
  • Ergebnis
  • Entscheidung
Entscheidung
Paragraphen
Original
Teilen

3 StR 78/13

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES StR 78/13 URTEIL vom 28. Mai 2013 in der Strafsache gegen wegen versuchten Totschlags u.a.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Mai 2013, an der teilgenommen haben:

Präsident des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Tolksdorf als Vorsitzender,

die Richter am Bundesgerichtshof Hubert, Dr. Schäfer, Gericke, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Spaniol als beisitzende Richter,

Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten,

Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 29. November 2012 wird verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen Gründe: 1 Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu der Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts griff der Angeklagte nach einem Streit in einer Diskothek zusammen mit drei anderen den Geschädigten an. Dabei hielt er ein Messer in der Hand, um auf diesen einzustechen. Dass solche Stiche lebensgefährlich sein können und der Geschädigte deshalb auch zu Tode kommen könnte, nahm er billigend in Kauf. Zunächst versetzte er ihm einen vierzehn Zentimeter langen Schnitt vom Ohr bis zum Mundwinkel. Während seine Mittäter nun auf den Geschädigten einschlugen und -traten, lauerte der Angeklagte mit dem Messer, das er in der erhobenen Faust hielt, auf eine Gelegenheit, nochmals zuzustechen, was ihm erst gelang, als der Angegriffene sich seitlich wegdrehte, um zu entkommen. Mit heftigen bis über den Kopf geführten Ausholbewegungen stach der Angeklagte fünf Mal in Richtung des Oberkörpers des nur mit einem Muskelshirt bekleideten Geschädigten, auch noch, als dieser im Weglaufen strauchelte und zur Seite fiel. Er traf ihn zweimal und fügte ihm mittig im Rücken im Bereich der oberen Brustwirbel und linksseitig im vorderen Brustbereich jeweils zweieinhalb Zentimeter lange, nicht tiefgehende Hautdurchtrennungen zu, die nicht lebensgefährlich waren. Der vordere Stich hätte aber bei tieferem Stichkanal naheliegend das Herz, der hintere die Lunge treffen und zum Tode führen können. Nach dem letzten Stich war dem Angeklagten klar, dass er seinen Gegner, der "halb am Boden" lag, nun so verletzt hatte, dass er möglicherweise nicht überleben würde. Nun lief er davon.

2. Die Überprüfung des Urteils deckt aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen keinen Rechtsfehler zulasten des Angeklagten auf. Der näheren Erörterung bedarf nur Folgendes:

a) Die Beweiswürdigung, auf die das Landgericht seine Überzeugung, der Angeklagte habe mit bedingtem Tötungsvorsatz zugestochen, gründet, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

aa) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit ihm abfindet. Da die Schuldformen des bedingten Vorsatzes und der bewussten Fahrlässigkeit im Grenzbereich eng beieinander liegen, müssen vor der Annahme bedingten Vorsatzes beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Willensals auch das Wissenselement, umfassend geprüft und gegebenenfalls durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar

- 3 StR 533/09, NStZ-RR 2010, 144, 145). Hierzu bedarf es einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalls, in die die objektive Gefährlichkeit der Gewalthandlung, aber auch die konkrete Angriffsweise des Täters, seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motive mit einzubeziehen sind (vgl. etwa BGH, Urteile vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11, NJW 2012, 1524, 1525; vom 23. Februar 2012 - 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444; vom 27. August 2009 - 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372).

Überzeugt sich der Tatrichter auf der Grundlage dieser Gesamtbewertung vom Vorliegen des bedingten Tötungsvorsatzes, so hat dies das Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen; denn die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§ 261 StPO). Es obliegt ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Gleichermaßen ist es Sache des Tatrichters, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen be- und entlastenden Indizien in der Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses zu bewerten. Ist diese Bewertung nach den dargestellten rechtlichen Maßstäben vertretbar, so kann das Revisionsgericht nicht auf der Grundlage einer abweichenden Beurteilung der Bedeutung einer Indiztatsache in die Überzeugungsbildung des Tatrichters eingreifen (BGH, Urteil vom 20. September 2012 - 3 StR 140/12, NStZ-RR 2013, 75, 77). Vielmehr ist die revisionsgerichtliche Überprüfung darauf beschränkt, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2010 - 3 StR 364/10, NStZ-RR 2011, 73, 74).

bb) Daran gemessen unterliegt die Beweiswürdigung keiner rechtlichen Beanstandung. Auch wenn die dem Geschädigten zugefügten Verletzungen nicht lebensbedrohlich waren, hat die Strafkammer das Geschehen doch wegen der konkreten Angriffsweise rechtsfehlerfrei als objektiv gefährliche Gewalthandlung gewertet. Dabei hat sie berücksichtigt, dass der Angeklagte fünf Mal weit ausholend und zielgerichtet in Richtung des Oberkörpers des Geschädigten gestochen und sein Opfer so getroffen hat, dass die Stiche bei tiefergehendem Eindringen dorsal einen Lungenflügel und brustseitig das Herz geöffnet hätten. Schließlich hat das Landgericht auch geprüft, ob in der Alkoholisierung, psychischen Verfassung oder Persönlichkeit des Angeklagten Gründe zu finden sind, die gegen den sich indiziell aus dem objektiven Vorgehen ergebenden Tötungswillen sprechen, und dies rechtsfehlerfrei verneint. Insbesondere unterliegt auch die Begründung, weshalb die Strafkammer entgegen der Auffassung des psychiatrischen Sachverständigen nicht von einem Affekt ausgegangen ist, rechtlich keiner Beanstandung.

b) Auch die Feststellung, dass ein beendeter Versuch des Tötungsdelikts vorliegt, findet in der Beweiswürdigung noch eine ausreichende Stütze.

aa) Nach ständiger Rechtsprechung kommt es für die Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch auf das Vorstellungsbild des Täters nach Abschluss der letzten von ihm vorgenommenen Ausführungshandlung an (sogenannter Rücktrittshorizont). Bei einem Tötungsversuch liegt demnach ein beendeter Versuch vor, wenn der Täter den Eintritt des Todes bereits für möglich hält oder sich - namentlich nach besonders schweren Gewalthandlungen, die zu schweren Verletzungen geführt haben - keine Vorstellungen über die Folgen seines Handelns macht (BGH, Urteile vom 22. September

- 3 StR 256/05, NStZ-RR 2006, 6; vom 8. Dezember 2010 - 2 StR 536/10, NStZ 2011, 209; vom 1. Dezember 2011 - 3 StR 337/11, BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch, beendeter 14). Dagegen ist ein unbeendeter Versuch anzunehmen, wenn der Täter noch nicht mit dem Eintritt des Todes rechnet, seine Herbeiführung aber weiterhin für möglich hält (BGH, Beschluss vom 9. August 2011 - 4 StR 367/11, StV 2012, 15).

bb) Nach den Feststellungen des Landgerichts erkannte der Angeklagte nach der letzten Ausführungshandlung, dass der Geschädigte die Stiche möglicherweise nicht überleben würde. Dazu wird zwar nicht bei der Beweiswürdigung, aber bei der rechtlichen Würdigung ausgeführt, dass bei "Einwirkungen der hier gegebenen Art, nämlich gezielten und wuchtigen Stichen in die Herzund Lungenregion eines Menschen", die Möglichkeit des Versterbens des Opfers auf der Hand liege. Damit lässt sich den Urteilsausführungen noch hinreichend entnehmen, auf welche Tatsachen und Schlussfolgerungen das Landgericht seine Überzeugung stützt. Dass der Angeklagte den Umstand, dass er dem Geschädigten eher oberflächliche, keinesfalls lebensgefährliche Stiche zugefügt hatte, alsbald erkannt und seinen Irrtum hinsichtlich eines möglichen Eintritts des Todes beim Weglaufen korrigiert hätte (vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 - 3 StR 337/11, BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch,

beendeter 14), findet in den Feststellungen keine Stütze. Vielmehr liegt dies nach dem festgestellten Sachverhalt so fern, dass nähere - dies ausdrücklich ausschließende - Ausführungen hierzu im Urteil nicht veranlasst waren. Dies gilt umso mehr, als der stark blutende Geschädigte zu dem Zeitpunkt, als der Angeklagte den Tatort verließ, ins Straucheln geraten war und jedenfalls "halb am Boden" lag.

Tolksdorf Hubert RiBGH Gericke ist im Urlaub und daher gehindert zu unterzeichnen.

Tolksdorf Spaniol Schäfer

Wir stellen das Dokument etwas schmaler dar, um die Lesbarkeit zu erhöhen.

Bitte nutzen Sie nur das Original für den Druck des Dokuments.

Werbung

Urheber dieses Dokuments ist der Bundesgerichtshof. Nach § 5 UrhG geniessen Entscheidungen und Gesetze keinen urheberrechtlichen Schutz. Auflagen des Gerichts können aber die kommerzielle Verwertung einschränken. In Anlehnung an Creative Commons Lizenzen ist die Nutzung mit einer CC BY-NC-SA 3.0 DE Lizenz vergleichbar. Bitte beachten Sie, dass diese Entscheidung urheberrechtlich geschützte Abbildungen enthalten kann. Vor einer Nutzung - über die reine Wiedergabe der Entscheidung hinaus - sind in solchen Fällen entsprechende Nutzungsrechte bei den jeweiligen Rechteinhabern einzuholen.

▲ Anfang

Paragraphen in 3 StR 78/13

Sortiert nach der Häufigkeit
Häufigkeit Paragraph
1 261 StPO

Die aufgeführten Paragraphen wurden durch eine ausgeklügelte Software ermittelt.

Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass dabei auch falsche Kombinationen aus Paragraph und Gesetz ermittelt werden können.

Sollte ein Gesetz in Gänze übersehen worden sein, dann teilen Sie uns diesen Umstand bitte mit.

Sortiert nach dem Alphabet
Häufigkeit Paragraph
1 261 StPO

Original von 3 StR 78/13

Der nachfolgende Link führt Sie zum originalen Dokument. Aufgrund der technischen Natur des Internets ist es möglich, dass der Link zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr gültig ist. Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass wir nicht alle Links einer ständigen Prüfung unterziehen können.

Öffnen

Bitte nutzen Sie möglichst das Original für den Druck des Dokuments.

Teilen von 3 StR 78/13

Wenn Sie in einer E-Mail auf diese Entscheidung hinweisen möchten, dann können Sie diese komfortabel erstellen lassen, wenn Ihr Mail-Programm diese Option unterstützt. Alternativ können Sie den nachfolgenden Link in Ihre E-Mails und Webseiten einbauen:

Bitte nutzen Sie den Link in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Google+.

Das ist ein wirksames Mittel um mehr Menschen auf unsere Dienste aufmerksam zu machen.

Eine Dienstleistung von caselaw.de | Diese Datensammlung unterliegt der Creative Commons Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 DE | Impressum