XIII ZB 48/20
BUNDESGERICHTSHOF XIII ZB 48/20 BESCHLUSS vom 14. Januar 2025 in der Rücküberstellungshaftsache ECLI:DE:BGH:2025:140125BXIIIZB48.20.0 Der XIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Januar 2025 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kirchhoff, die Richterin Dr. Roloff, den Richter Dr. Tolkmitt sowie die Richterinnen Dr. Picker und Dr. Holzinger beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Landgerichts Freiburg im Breisgau - 4. Zivilkammer - vom 20. Mai 2020 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Freiburg vom 6. September 2018 den Betroffenen im Zeitraum vom 6. September 2018 bis zum 15. Oktober 2018 in seinen Rechten verletzt hat.
Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Landkreis MainzBingen auferlegt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.
Gründe:
I. Der Betroffene, ein pakistanischer Staatsangehöriger, reiste 2018 in das Bundesgebiet ein. Seinen Asylantrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit bestandskräftigem Bescheid vom 1. März 2018 als unzulässig ab, da der Betroffene bereits in Italien um Asyl nachgesucht hatte. Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 6. September 2018 Rücküberstellungshaft bis zum 18. Oktober 2018 angeordnet. Die dagegen vom Betroffenen eingelegte Beschwerde, die nach seiner Abschiebung am 15. Oktober 2018 nur noch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung gerichtet war, hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.
II. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Haftantrag der beteiligten Behörde sei zulässig. Dieser enthalte die erforderlichen Darlegungen zur notwendigen Haftdauer. Die Behörde habe erschöpfend und auf den konkreten Fall bezogen dargelegt, dass die Rückführung nach Italien innerhalb von sechs Wochen möglich und durchführbar sei und zudem den frühestmöglichen Termin benannt.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Haftantrag war unzulässig.
a) Ein zulässiger Haftantrag der beteiligten Behörde ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zur zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungs- oder Überstellungsvoraussetzungen, zur Erforderlichkeit der Haft, zur Durchführbarkeit der Abschiebung oder Überstellung und zur notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Diese Darlegungen dürfen zwar knapp gehalten sein; sie müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte ansprechen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 15. September 2011 - V ZB 123/11, InfAuslR 2012, 25 Rn. 8; vom 12. November 2019 - XIII ZB 5/19, InfAuslR 2020, 165 Rn. 8; vom 14. Juli 2020 - XIII ZB 74/19, juris Rn. 7; vom 25. Oktober 2022 - XIII ZB 116/19, NVwZ 2023,
Rn. 7). Dazu müssen die Darlegungen auf den konkreten Fall bezogen sein und dürfen sich nicht in Leerformeln erschöpfen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10, FGPrax 2012, 82 Rn. 13; vom 25. Oktober 2022 - XIII ZB 116/19, NVwZ 2023, 1523 Rn. 7 mwN; vom 20. Dezember 2022 - XIII ZB 40/20, juris Rn. 7).
b) Diesen Anforderungen wird der Haftantrag, anders als das Beschwerdegericht gemeint hat, nicht gerecht. Die beteiligte Behörde hat darin zwar ausgeführt, es sei eine Haft von sechs Wochen erforderlich, weil innerhalb dieses Zeitraums die Flugabschiebung möglich und der früheste Termin für eine Flugabschiebung der 15. Oktober 2018 sei. Daraus wird indes nicht ersichtlich, warum kein früherer Flug gebucht werden konnte. Dies erscheint bei einem Flug nach Italien ohne Sicherheitsbegleitung im Herbst 2018 dermaßen unplausibel, dass eine nähere Erläuterung erforderlich gewesen wäre (vgl. aber auch BGH, Beschlüsse vom 18. Juli 2023 - XIII ZB 24/22, juris Rn.12, 13; vom 17. September 2024 - XIII ZB 23/22, juris Rn. 11: feststehender Flugtermin).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.
Kirchhoff Picker Roloff Tolkmitt Holzinger Vorinstanzen:
AG Freiburg, Entscheidung vom 06.09.2018 - 62 XIV 268/18B LG Freiburg, Entscheidung vom 20.05.2020 - 4 T 160/18 -