Paragraphen in 21 W (pat) 36/09
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BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 36/09 Verkündet am 15. Oktober 2013
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend die Patentanmeldung 10 2004 004 280.2-34 …
hat der 21. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. Oktober 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Häußler sowie der Richterin Hartlieb, der Richter Dipl.-Ing. Veit und Dipl.-Ing. Schmidt-Bilkenroth BPatG 154 05.11 beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 01 R des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. Dezember 2008 aufgehoben und das Patent 10 2004 004 280 erteilt.
Bezeichnung: „Verfahren zur Diagnose von Batterien“
Anmeldetag:
27. Januar 2004.
Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:
- Patentansprüche 1 bis 10, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 15. Oktober 2013
- Beschreibung, Seiten 1, 1a, 1b, 2 bis 8, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 15. Oktober 2013
- 1 Blatt Zeichnungen Figuren 1 bis 2, vom Anmeldetag.
Gründe I
Die Patentanmeldung mit dem Aktenzeichen 10 2004 004 280 wurde am 27. Januar 2004 mit der Bezeichnung „Verfahren zur Diagnose von Batterien“ beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht. Die Offenlegung erfolgte am 18. August 2005.
Im Prüfungsverfahren sind die Druckschriften D1 DE 29 13 900 C2 D2 EP 1 081 499 B1 D3 DE 100 12 964 A1 D4 DE 103 28 721 A1 in Betracht gezogen worden.
In der Beschreibung der Anmeldung sind noch die Druckschriften D5 DE 199 36 542 C2 D6 DE 100 56 971 A1 D7 DE 100 36 341 A1 D8 DE 101 18 916 A1 genannt.
Mit Beschluss vom 22. Dezember 2008 hat die Prüfungsstelle für Klasse G 01 R die Anmeldung zurückgewiesen. In der Begründung ist ausgeführt, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 aus der Druckschrift D3 bekannt und somit nicht neu sei.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, die beantragt,
den angegriffenen Beschluss vom 22. Dezember 2008 aufzuheben und das Patent zu erteilen auf der Grundlage folgender Unterlagen:
- Patentansprüche 1 bis 10, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 15. Oktober 2013
- Beschreibung, Seiten 1, 1a, 1b, 2 bis 8, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 15. Oktober 2013
- 1 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 und 2, vom Anmeldetag.
Der mit Gliederungspunkten versehene, ansonsten wörtlich wiedergegebene Patentanspruch 1 lautet:
M0 Verfahren zur Diagnose von Batterien (8), M1 bei dem der Funktionszustand einer Batterie (8) anhand eines Vergleichs der Batterie (8) mit einem in einem neuronalen Netz (1) abgebildeten Batteriezustandsmodell bestimmt wird, M2 wobei das Batteriezustandsmodell im neuronalen Netz (1) mittels der Batteriekenngrößen einer neuen, voll funktionsfähigen Referenzbatterie (2) abgebildet wird, dadurch gekennzeichnet, M3 dass das neuronale Netz als leeres Netz in einem Steuergerät (7) vorliegt und M4 beim Anschließen der Batterie (8) selbständig und automatisch durch einen selbstlernenden Algorithmus anhand von Messwerten für die Batteriekenngrößen mit dem Einlernvorgang beginnt,
M5 wobei das die Referenzbatterie (2) repräsentierende Batteriezustandsmodell alterungsunabhängig abgebildet wird.
Wegen der abhängigen Patentansprüche 2 bis 10 und weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II
1. Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig und hat mit dem geänderten Patentbegehren Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur antragsgemäßen Erteilung des Patents, denn das Verfahren mit den im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen ist gegenüber dem Stand der Technik neu und ergibt sich für den Fachmann aus diesem nicht in naheliegender Weise.
2. Die Anmeldung betrifft gemäß Beschreibung ein Verfahren zur Diagnose von Batterien (vgl. Offenlegungsschrift, Abs. [0001]). Gemäß Beschreibungseinleitung (Abs. [0002] - [0003]) muss für einen zuverlässigen Betrieb von elektrischen Verbrauchern insbesondere deren Energieversorgung kontinuierlich gewährleistet sein. Vor allem bei Kraftfahrzeugen muss aufgrund des zunehmenden Einsatzes sicherheitsrelevanter elektrischer Verbraucher - bspw. elektrohydraulischer Bremsen, Insassenrückhaltesysteme o. ä. - eine permanente Energieversorgung sichergestellt sein. Dies ist jedoch bei zur Energieversorgung eingesetzten Batterien problematisch, da übliche Batterien prinzipbedingt nur eine begrenzte Lebensdauer besitzen; demzufolge sind bereits eine Vielzahl von Diagnoseverfahren zur Bestimmung des Funktionszustands von Batterien bekannt, die durch messtechnische Erfassung und Auswertung bestimmter Batterieparameter den Alterungszustand der Batterie von Kraftfahrzeugen - wie bspw. in der DE 199 36 542 C2 beschrieben - oder den Ladezustand der Batterie (SOC; „State of Charge") - wie bspw. in der DE 100 56 971 A1 oder in der DE 100 36 341 A1 beschrieben - oder den Gesundheitszustand der Batterie (SOH; „State of Health") - wie bspw. in der DE 101 18 916 A1 beschrieben - ermitteln. Die bekannten Diagnoseverfahren sind allerdings aufgrund der Vielzahl der den Funktionszustand der Batterie beeinflussenden und oftmals nur schwer zu erfassenden oder als solche zu erkennenden Faktoren (bspw. Alterung, Abschlämmung, Sulfatierung und dgl.) ungenau und unzuverlässig. Falls der ermittelte Funktionszustand der Batterie als Grundlage für eine Entscheidung über den Batteriewechsel herangezogen wird, kann dies oftmals zu Fehldiagnosen führen; insbesondere können noch funktionsfähige Batterien irrtümlicherweise als defekt angezeigt und daraufhin ausgetauscht werden, während bereits entladene und damit defekte Batterien irrtümlicherweise als noch funktionsfähig angezeigt werden.
Gemäß Beschreibung liegt der Anmeldung daher die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Diagnose von Batterien anzugeben, durch das auf einfache Weise der Funktionszustand einer Batterie zuverlässig und mit geringen Kosten bereitgestellt wird (Abs. [0004]).
Als hier zuständiger Fachmann ist ein Elektroingenieur mit Erfahrung in der Entwicklung von Diagnose- und Überwachungsgeräten für Batterien anzusehen.
3. Die Patentansprüche 1 bis 10 sind zulässig, da ihre Merkmale in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen jeweils als zur Erfindung gehörend offenbart sind. Auch die sonstigen Unterlagen sind zulässig.
3.1 Die Merkmale M0-M2 des Patentanspruchs 1 gründen auf den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 10 und der Angabe auf S. 3 Z. 1-2 („… einer neuen voll funktionsfähigen (idealen) Batterie als Referenzbatterie …“) der ursprünglichen Beschreibung. Die Merkmale M3 und M4 leiten sich aus den Angaben auf S. 4 Z. 615 und S. 7 Z. 17-21 der ursprünglichen Beschreibung sowie den ursprünglichen Ansprüchen 7 und 8 ab. Das Merkmal M5 ist auf S. 7 Z. 11-17 der ursprünglichen Beschreibung offenbart.
3.2 Die Patentansprüche 2 bis 6 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 6. Der Patentanspruch 7 entspricht dem ursprünglichen Anspruch 9 und die Patentansprüche 8 bis 10 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 12 bis 14, wobei die Rückbezüge angepasst sind.
3.3 Die geltende Beschreibung ist in zulässiger Weise an das nunmehr vorliegende Patentbegehren angepasst.
4. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist im Hinblick auf den im Verfahren befindlichen Stand der Technik patentfähig.
4.1 Als nächstkommender Stand der Technik werden die Druckschriften D2 und D3 angesehen.
Die Druckschrift D2 zeigt eine Vorrichtung zum Schätzen des Ladungszustands (state of charge, SOC) einer Batterie unter Verwendung eines Batteriemodells sowie ein Verfahren zum Schätzen des Abnutzungszustands (degraded state, batterie condition) der Batterie (Anspr. 1 u. 6, Abs. [0001], Fig. 1 u. 2, Abs. [0025] - [0044]) [= Merkmal M0]. Mit Hilfe des Batteriemodells wird eine Batteriespannung geschätzt (Vest: estimated voltage) und mit einer gemessenen Batteriespannung (Vmes: measured voltage) verglichen (comparator 24). Das Vergleichsergebnis wird zur Korrektur des geschätzten Ladungszustands verwendet (SOC correction calculating means 26). Das Batteriemodell beinhaltet eine Pseudo-Ladezustands-Schätzeinrichtung (pseudo-SOC-estimating means 14), eine Einrichtung zum Schätzen einer elektromotorischen Kraft (electromotive force [Voc] estimating means 16; open voltage Voc of the batterie), eine Spannungsänderungsschätzeinrichtung (voltage change [Vr] estimating means 18) sowie eine dynamische Spannungsänderungsschätzeinrichtung (dynamic voltage change [Vdyn] estimating means 20); vgl. Fig. 1 u. Abs. [0032]. Ein Teil des Batteriezustandsmodells, die dynamische Spannungsänderungsschätzeinrichtung (20), kann durch ein neuronales Netzwerk gebildet werden (Anspr. 5, Fig. 5, Abs. [0048] - [0055]) [= Teil des Merkmals M1 (Vergleich der Batterie mit einem Batteriemodell; Teil des Batteriemodells in einem neuronalen Netz abgebildet)].
Im Unterschied zu den Merkmalen M3 und M4 des beanspruchten Verfahrens nach Patentanspruch 1 liegt das neuronale Netz der Vorrichtung der D2 nicht in einem Steuergerät vor, sondern in einer Einrichtung zum Schätzen des Ladungszustands (state of charge, SOC) einer Batterie. Dieses neuronale Netz liegt auch nicht als leeres Netz vor, das beim Anschließen der Batterie selbständig und automatisch anhand von Messwerten für die Batteriekenngrößen mit dem Einlernvorgang beginnt, sondern es wird zur Initialisierung mit Lerndaten (teacher data), die die chemischen Reaktionen innerhalb der Batterie nachbilden, beaufschlagt (Abs. [0054]). Während des Trainings des neuronalen Netzes wird dann der Funktionstyp zur Berechnung des Schätzwertes der dynamischen Spannungsänderung Vdyn bestimmt (Abs. [0052]).
Aus der Druckschrift D3 ist eine Vorrichtung und ein Verfahren zum Betreiben eines wiederaufladbaren Speichers für elektrische Energie, bspw. ein elektrochemischer Akkumulator (= Batterie), bekannt (vgl. Anspr. 1 u. 18, Abs. [0020]). Bei der bekannten Vorrichtung handelt es sich um ein Ladesystem, das u. a. ein kombiniertes Steuer- und Vorhersage-Modul 16 aufweist, um anhand von verfügbaren Daten bezüglich der Historie und Gegenwart eines Speichers 10 (= Batterie) Prognosen über den gegenwärtigen Zustand und zukünftige Zustände des Speichers zu erstellen (= Diagnose; Fig. 1 u. 4, Abs. [0016]) [= Merkmal M0]. Für die Zustandsprognose wird als Akkumulatormodell (= Batteriezustandsmodell) ein selbstlernendes Modell benutzt (Abs. [0023]), welches auf einer Neuro-Fuzzy-Logik 20 unter Verwendung eines oder mehrerer neuronaler Netze (Fig. 3, Sp. 3 Z. 46-51) basiert [= Teil des Merkmals M1 (in einem neuronalen Netz abgebildetes Batteriezustandsmodell)]. Bei der Inbetriebnahme des Speichers wird das Steuer- und Vorhersage-Modul 16 mit Daten - bspw. elektrischen Kenndaten - initialisiert, die bei der Fertigung des Speichers 10 ermittelt wurden und den Zustand des Speichers vor der Inbetriebnahme beschreiben (= Batteriekenngrößen einer neuen, voll funktionsfähigen Referenzbatterie; Sp. 2 Z. 47-51, Sp. 4 Z. 39-54) [= Merkmal M2]. Im Betrieb sammelt das Steuer- und Vorhersage-Modul 16 über ein Datenerfassungsmodul 22 fortlaufend aktuelle Messdaten des Energiespeichers 10. Dies soll der Aktualisierung der Zustandsprognosen (Sp. 2 Z. 51-60) bzw. der Verbesserung der Vorhersagegenauigkeit (Sp. 4 Z. 55-68) dienen. Das Modell des Speichers wird dadurch mit zunehmender Betriebsdauer genauer (Abs. [0018] u. Sp. 4 Z. 66-68). Es findet somit ein kontinuierlicher - zumindest impliziter – Vergleich der Batterie während des realen Betriebs mit dem jeweils aktuellen Batteriezustandsmodell statt, um den aktuellen und künftigen Funktionszustand der Batterie zu bestimmen [= restlicher Teil des Merkmals M1].
Das Steuer- und Vorhersage-Modul 16 dient zwar zur Steuerung (= Steuergerät) des Lademoduls 14 für den wiederaufladbaren Speicher 10 (Fig. 1, Abs. [0016]). Bei der in ihm enthaltenen Neuro-Fuzzy-Logik 20 liegt das neuronale Netz jedoch nicht als leeres Netz vor, welches beim Anschließen der Batterie selbständig und automatisch durch einen selbstlernenden Algorithmus anhand von Messwerten für die Batteriekenngrößen mit dem Einlernvorgang beginnt, wie in den Merkmalen M3 und M4 beansprucht. Vielmehr wird die Neuro-Fuzzy-Logik 20 zur Einstellung ihrer Parameter mit Daten trainiert, die bei der Fertigung des Energiespeichers 10, vor dessen Inbetriebnahme, ermittelt wurden (Abs. [0024], [0029]). Zusätzlich wird zudem eine Startkonfiguration der Neuro-Fuzzy-Logik 20 voreingestellt (Sp. 4 Z. 54-55). Des Weiteren kann die Ermittlung der initialen Parameter der Neuro-Fuzzy-Logik 20 auch extern erfolgen und dann in die Laderegelung (Steuer- und Vorhersage-Modul 16) übertragen werden (Abs. [0030]).
Das Akkumulatormodell (= Batteriezustandsmodell) der aus der Druckschrift D3 bekannten Vorrichtung wird auch nicht wie im Merkmal M5 beansprucht alterungsunabhängig abgebildet. Vielmehr handelt es sich bei dem in der Neuro-Fuzzy-Logik 20 implementierten Akkumulatormodell um ein adaptives Modell, welches fortlaufend anhand der im Betrieb erfassten Messdaten optimiert wird (Abs. [0018]).
Für den Fachmann ergibt sich aus den Druckschriften D2 und D3 daher keine Anregung, gemäß den Merkmalen M3 und M4 das neuronale Netz für das Batteriezustandsmodell als leeres Netz vorzusehen, welches beim Anschließen der Batterie selbständig und automatisch durch einen selbstlernenden Algorithmus anhand von Messwerten für die Batteriekenngrößen mit dem Einlernvorgang beginnt. Diese Vorgehensweise ist dem Fachmann auch nicht durch sein allgemeines Fachwissen nahegelegt.
4.2 Die übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften zeigen keine Batteriemodelle, die in einem neuronalen Netz implementiert sind. Sie liegen daher weiter ab und können – wie sich der Senat überzeugt hat – ebenfalls die Patentfähigkeit des Patentanspruchs 1 nicht in Frage stellen.
5. Die Unteransprüche 2 bis 10 betreffen vorteilhafte Ausgestaltungen des Gegenstands des Patentanspruchs 1.
Schließlich erfüllen auch die übrigen Unterlagen insgesamt die an sie zu stellenden Anforderungen.
Dr. Häußler Hartlieb Veit Schmidt-Bilkenroth Pü
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