7 Ni 17/15 (EP)
BUNDESPATENTGERICHT Ni 17/15 (EP) (Aktenzeichen)
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL An Verkündungs Statt zugestellt am
17. Februar 2017 …
In der Patentnichtigkeitssache …
BPatG 253 08.05
…
betreffend das europäische Patent 1 579 133 (DE 603 36 583)
hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 8. Dezember 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Rauch, der Richter Dipl.-Ing. Hildebrandt und Dipl.-Ing. Küest, der Richterin Dr. Schnurr sowie des Richters Dipl.-Ing. Univ. Richter für Recht erkannt:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand Die Klage richtet sich gegen den deutschen Teil des europäischen Patents 1 579 133, das aus der internationalen Anmeldung WO 2004/059198 vom 19. Dezember 2003 hervorgegangen ist und die Priorität der südafrikanischen Voranmeldung 2002/8635 vom 23. Dezember 2002 in Anspruch nimmt. Im Deutschen Patent- und Markenamt wird das Patent unter dem Aktenzeichen 603 36 583.3 geführt. Das Streitpatent ist in englischer Verfahrenssprache mit der Bezeichnung „Fluid Control Valve“ (Fluidsteuerventil) erteilt worden. Es umfasst zehn Ansprü- che, die alle mit der vorliegenden Klage angegriffen werden. Anspruch 1 mit darauf rückbezogenen Unteransprüchen 2 bis 8 stellt ein Rückschlagventil unter Schutz. Anspruch 9 betrifft ein Urinalventil, Anspruch 10 ein Urinal.
Die Patentansprüche 1, 2, 9 und 10 haben in der englischen Verfahrenssprache folgenden Wortlaut:
1. A non-return valve (3), comprising an inlet section (5) in the form of a self-supporting trough-shaped section and an outlet section, the outlet section being made of a flexible resilient material connected to the inlet section (5), whereby the outlet section comprises a flat flexible resilient strip (6) with a high inherent degree of flexibility, the strip (6) being connected with the inlet section (5) at its upper edge; and further comprising a component that is separate from the strip (6) providing a complementary surface against which the lower end of the flexible strip (6) may seal.
2. A non-return valve (3) as claimed in claim 1 characterised in that the complementary component is made as a mirror image to an identical construction.
9. A urinal valve (3) as claimed in claim 2.
10. A urinal including a valve (3) as claimed in claim 2.
Die deutsche Übersetzung lautet wie folgt:
1. Rückschlagventil (3) mit einem Einlassabschnitt (5) in Form eines selbsttragenden trogförmigen Abschnittes, und einem Auslassabschnitt, welcher Auslassabschnitt aus einem flexiblen, nachgiebigen, mit dem Einlassabschnitt (5) verbundenen Material hergestellt ist, wobei der Auslassabschnitt einen flachen, flexiblen, nachgiebigen Streifen (6) mit einem hohen inhärenten Grad von Flexibilität aufweist und der Streifen (6) an seinem oberen Ende mit dem Einlassabschnitt (5) verbunden ist; und wobei er ferner eine vom Streifen (6) getrennte Komponente aufweist, welche eine komplementäre Fläche schafft, gegen welche das untere Ende des flexiblen Streifens (6) abzudichten vermag.
2. Rückschlagventil (3) nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die komplementäre Komponente als Spiegelbild zu einer identischen Konstruktion hergestellt ist.
9. Urinalventil (3) wie in Anspruch 2 beansprucht.
10. Urinal mit einem Ventil (3) wie in Anspruch 2 beansprucht.
Wegen des Wortlauts der übrigen Ansprüche wird auf die Streitpatentschrift EP 1 579 133 B1 Bezug genommen.
Die Klägerin macht die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit, der unzulässigen Erweiterung und der unzureichenden Offenbarung (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a) bis c) EPÜ) geltend und stützt sich hierfür auf folgende Publikationen:
WR4 D1 D2 D3 D4 D5 WO 2004/059198 A1 US 3,835,857 US 5,193,585 JP H05-90063 U (Anlage WR10) mit englischer Übersetzung (Anlage WR10a) US 3,968,925 EP 1 174 549 A2 D6 US 3,451,419 D7 US 3,403,410 D8 US 6,318,397 D9 US 2002/0189675 A1 D10 US 6,401,266 B1 Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent 1 579 133 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen die Patentansprüche in der Fassung der mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2016 eingereichten, in der Reihenfolge ihrer Nummerierung gestellten Hilfsanträge 1 und 2 richtet, weiter hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen einen oder mehrere der Ansprüche 2 bis 8 in der erteilten Fassung, weiter hilfsweise in der Fassung des Hilfsantrags 1, weiter hilfsweise in der Fassung des Hilfsantrags 2 richtet.
Nach Meinung der Klägerin ist der Gegenstand des erteilten Patents gegenüber der ursprünglich eingereichten Anmeldung (vgl. WR4) insoweit erweitert, als dort weder in der Beschreibung noch in den Ansprüchen von einer vom Streifen „getrennten“ Komponente (vgl. erteilter Anspruch 1: „a component that is separate from the strip“) die Rede sei. Auch den Zeichnungen könne der Fachmann nicht unmittelbar und eindeutig entnehmen, dass der Streifen und die Komponente „getrennt“ sein sollen.
Den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit begründet die Klägerin damit, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu sei gegenüber den Entgegenhaltungen D1, D2, D3, D4, D8 und D9. Zudem sei er dem Fachmann ausgehend von D5 in Zusammenschau mit D3 bzw. ausgehend von D4 in Zusammenschau mit D1, D3 oder D5 nahegelegt gewesen. Auch die Merkmale der Unteransprüche 2 bis 6 seien nicht neu bzw. nicht erfinderisch. Die Gegenstände der nebengeordneten Ansprüche 9 und 10 seien nicht neu gegenüber D1.
Ferner meint die Klägerin, bei Anspruch 7 sei unklar, auf welche Weise ein mit Schlitzen versehenes Rohr ausgeführt werden müsse, damit es Teil einer Steuereinrichtung zur Verhinderung des Einwärtskollabierens des Streifens 6 sein könne. Daher sei Anspruch 7 – und wegen seiner Rückbeziehung auch Anspruch 8 – mangels Ausführbarkeit für nichtig zu erklären.
Der Senat hat den Parteien mit Schriftsatz vom 17. August 2016 einen frühen gerichtlichen Hinweis gemäß § 83 Abs. 1 PatG zukommen lassen. Darin wurde den Parteien bis zum 12. Oktober 2016 Gelegenheit zur Stellung sachdienlicher Anträge und zur Ergänzung des Vorbringens gegeben; ferner bis zum 17. November 2016 zur Erwiderung auf die Stellungnahme der jeweiligen Gegenseite.
Der Beklagte widerspricht der mit Eingabe der Klägerin vom 17. November 2016 vorgenommenen, auf der Geltendmachung des weiteren Nichtigkeitsgrunds der unzulässigen Erweiterung beruhenden Klageänderung. Außerdem hat er zunächst beantragt, den diesbezüglichen Vortrag sowie die Einführung der Entgegenhaltung D9 mit selbigem Schriftsatz als verspätet zurückzuweisen. Diesen Antrag hat er in der mündlichen Verhandlung fallen gelassen.
In der Sache widerspricht der Beklagte dem Vortrag der Klägerin in allen Punkten und verweist auf die - auf der Grundlage des Schweizer Anteils des vorliegenden Streitpatents ergangenen - Verletzungsurteile des Schweizerischen Bundespatentgerichts (Az. O2014_002) vom 25. Januar 2016 und des Schweizerischen Bundesgerichts (Az. 4A_131/2016) vom 3. Oktober 2016.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die beiderseits eingereichten Schriftsätze und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe Die Klage ist zulässig, jedoch in der Sache nicht erfolgreich. Das angegriffene Patent erweist sich in seiner erteilten Fassung als bestandsfähig.
I.
1. Bei der vorliegenden Erfindung geht es nach der Beschreibung in der Streitpatentschrift um ein Fluidsteuerventil, insbesondere um ein Ventil, das nur eine durch Schwerkraft hervorgerufene Strömung zulässt (Streitpatentschrift Absatz [0001]). Ventile dieser Art fänden besondere Anwendung, wenn eine Flüssigkeitsströmung in einer Richtung zugelassen und eine gasförmige Strömung in der entgegengesetzten Richtung verhindert werden solle, wie das bei Urinalen der Fall sei. Dort sei es notwendig, den Urin durch das Ventil in ein Abwassersystem fließen zu lassen und gleichzeitig den Rückstrom von übelriechendem Gas zu verhindern (Absatz [0002]). Verschiedene für diesen Zweck konstruierte Ventile mit Flüssigkeitssperren litten an bekannten Nachteilen wie etwa einem Flüssigkeitsverlust oder einer Verunreinigung der Flüssigkeiten und der Ablagerung von Feststoffen mit nachfolgender Verstopfung (Absatz [0003]). Aus den Druckschriften US 6,401,266 und NL 1015745C, die Abflussventile für Wasserfahrzeuge, insbesondere Motorboote, beträfen, sei die Verwendung eines abgeflachten, biegsamen und vorzugsweise elastischen Schlauches, der sich ausgehend von einem weiten Einlassabschnitt erstrecke, bekannt. Bei diesen Ventilen würden sich schwer entfernbare Ablagerungen an Krümmungen des abgeflachten Schlauches,
dort wo dieser am wenigsten elastisch sei, aufbauen. Dies könne dazu führen, dass das Ventil schließlich den Gasrückstrom nicht mehr verhindere (Absatz [0005]).
Weitere Ventile dieser Art seien aus den Dokumenten EP 1 174 549 (= D5), JP 49005434B und JP 5090063 U (= D3) bekannt (Absatz [0006]). Die geschilderten Nachteile seien bei in Urinalen eingesetzten Ventilen in hohem Maße unerwünscht. Solche Ventile seien ohnehin schwierig herzustellen (Absatz [0007]). Sie litten außerdem unter einem einwärts gerichteten longitudinalen Zusammenfallen bei zu hohen Druckunterschieden. Dafür gebe es keine einfachen Gegenmaßnahmen, wolle man das gewünschte sensible Ansprechverhalten im Betrieb nicht gefährden (Absatz [0008]).
Ausgehend hiervon macht es sich das Streitpatent zur Aufgabe, bei einem Ventil der genannten Art einige der aufgezeigten Nachteile zumindest bis zu einem gewissen Grad zu überwinden (Absatz [0009]).
2. Diese Aufgabe soll erfindungsgemäß durch das Erzeugnis gemäß Patentanspruch 1 gelöst werden. Die Merkmale dieses Anspruchs können in der englischen Verfahrenssprache bzw. in der deutschen Übersetzung wie folgt gegliedert werden:
1. 1.1 1.1.1
1.2 A non-return valve (3),
comprising an inlet section (5)
in the form of a selfsupporting troughshaped section and an outlet section,
Rückschlagventil (3)
mit einem Einlassabschnitt (5)
in Form eines selbsttragenden trogförmigen Abschnittes und einem Auslassabschnitt,
1.2.1
1.2.2 1.2.2.1 1.2.2.2
1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 being made of a flexible resilient material connected to the inlet section (5),
comprising a flat flexible resilient strip (6)
with a high inherent degree of flexibility,
being connected with the inlet section (5) at its upper edge; and further comprising a component that is separate from the strip (6) providing a complementary surface against which the lower end of the flexible strip (6) may seal.
der aus einem flexiblen, nachgiebigen, mit dem Einlassabschnitt (5) verbundenen Material hergestellt ist,
mit einem flachen, flexiblen, nachgiebigen Streifen (6),
der einen hohen inhärenten Grad von Flexibilität aufweist,
und der an seinem oberen Ende mit dem Einlassabschnitt (5) verbunden ist; und weiter umfassend eine Komponente,
welche von dem Streifen (6) getrennt ist welche eine komplementäre Fläche schafft,
gegen welche das untere Ende des flexiblen Streifens (6) abzudichten vermag.
3. Als zuständiger Durchschnittsfachmann, auf dessen Wissen und Können es insbesondere für die Auslegung der Merkmale des Streitpatents und für die Interpretation des Standes der Technik ankommt, ist im vorliegenden Fall ein Diplomingenieur (FH) der Fachrichtung Maschinenbau mit mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung und Konstruktion von Fluidventilen, insbesondere von Rückschlagventilen, anzusehen.
4. Dieser Fachmann geht bei den Merkmalen des Anspruchs 1 von folgendem Verständnis aus:
a) Gegenstand des Anspruchs 1 ist ein Rückschlagventil, d. h. ein Bauteil, welches die Strömung eines Fluids (Flüssigkeit, Gas) in nur einer Richtung zulässt (Merkmal 1). Auch wenn die in der Streitpatentschrift beschriebenen Ventile auf Grund ihrer räumlich vertikalen Orientierung eine Flüssigkeit allein auf Grund ihrer Schwerkraft passieren lassen (vgl. Beschreibung Absatz [0028]), so folgt daraus nicht, dass der Begriff „Rückschlagventil“ anspruchsgemäß nur in diesem Sinne zu verstehen ist. Vielmehr betrifft die Erfindung nach dem Einleitungssatz der Streitpatentschrift ganz allgemein ein Fluid-Steuerventil und lediglich „insbesondere“ („more particularly“) ein Ventil, das nur schwerkraftbedingte Strömungen zulässt (vgl. Beschreibung Absatz [0001]). Ebenso ist Anspruch 1 nicht auf Urinalventile beschränkt (siehe hierzu Anspruch 9).
b) Das Merkmal 1.1.1 („selbsttragender trogförmiger Abschnitt“) wird der Fachmann so verstehen, dass der Einlassabschnitt eine eigenständige formstabile Struktur aufweist, die die geometrische Form eines (Teil-)Abschnittes eines Troges, d. h. einer länglichen, U-förmigen Rinne, hat. Hierbei kommt es im Wesentlichen auf die nach unten zusammenlaufende Form eines Troges an (siehe Figur 1, Bezugszeichen 5). Der Trogabschnitt kann dabei offen bzw. hälftig oder auch – z. B. in Kombination mit einer spiegelbildlichen komplementären Komponente gemäß Anspruch 2 bzw. Figur 2 – geschlossen sein bzw. eine vollständige Trogform bilden. Diese Gestaltform ist im Anspruch generell und ohne jede Einschränkung beansprucht, d. h. unabhängig vom jeweiligen Zustand des Ventils, und muss somit auch dauerhaft vorhanden sein. Eine derartige Auslegung steht auch im Einklang mit der Beschreibung und den Ausführungsbeispielen. Hierbei erkennt der Fachmann nämlich, dass bei einem Zustandswechsel eine Formänderung primär im Auslassabschnitt, d. h. beim Streifen, der im Gegensatz zum Einlassabschnitt flexibel und nachgiebig ausgestaltet sein soll, stattfindet. Der Einlassabschnitt behält dabei aber immer seine Trogform bei und gibt im Anschlussbereich des Streifens auch die flache Form des an sich flexiblen Streifens vor.
c) Gemäß Merkmal 1.2.1 besteht der Auslassabschnitt aus einem Material, das sowohl flexibel als auch nachgiebig („flexible resilient material“) ist, d. h. es hat die Eigenschaft, bei Krafteinwirkung in Richtung dieser Kraft elastisch nachzugeben und nach der Krafteinwirkung wieder in seine ursprüngliche Form zurückzukehren.
d) Aus diesem Material ist nach Merkmal 1.2.2 ein flacher Streifen gebildet, wobei dieser keine Verwölbung („flach“ i. S. v. „eben“) und bezogen auf seine Länge (in Längs- bzw. Strömungsrichtung des Ventils gesehen) eine geringe Breite aufweist. Die Orientierung des Streifens in Längs- bzw. Strömungsrichtung des Ventils ergibt sich hierbei auch aus dem Anspruchswortlaut, da der Streifen mit dem oberen Ende, d. h. mit der kurzen Breitseite, mit dem Einlassabschnitt verbunden ist (siehe Merkmal 1.2.2.2).
e) Das hierauf bezogene Merkmal 1.2.2.1 bringt in Verbindung mit dem bereits erwähnten Merkmal 1.2.1 die erhöhte Anforderung an die dem Streifen innewohnende Flexibilität zum Ausdruck. Laut Streitpatentschrift, Absatz [0022], erster Satz, sollen die Streifen nämlich die „notwendige Sensitivität“ des Ventils bewerkstelligen. Somit entnimmt der Fachmann diesem Merkmal die Anweisung, für den Streifen ein ausreichend flexibles Material auszusuchen, so dass der Streifen auch bei geringen Flüssigkeitsmengen nachgibt und das Ventil sich somit öffnet. Daran anschließend soll sich das Ventil auf Grund seiner Materialeigenschaften wieder schließen und dadurch eine Fluid-Rückströmung verhindern können. Es kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob dieser Schließeffekt allein durch das Streifenmaterial bewirkt wird oder sich in Zusammenhang mit anderen Wirkmechanismen ergibt (z. B. durch eine auf Grund der Befeuchtung der Streifen erzeugte Adhäsionskraft oder gemäß Absatz [0028] durch einen beim Durchströmen des Streifens zwischen der Außen- und Innenseite der Streifen erzeugten Druckunterschied).
Eine nähere Festlegung auf ein bestimmtes Material enthält der Anspruchswortlaut ebenso wenig wie auf ein bestimmtes (Mindest-) Maß an Flexibilität. Abzustellen ist vielmehr auf die Material- und Formeigenschaften des Streifens im jeweiligen Anwendungsfall, wobei lediglich gewährleistet sein muss, dass der Streifen schon bei geringer Druckbelastung öffnet und anschließend wieder sicher schließt und abdichtet.
f) Schließlich weist das Rückschlagventil eine weitere, von dem Streifen (6) getrennte Komponente auf (Merkmale 1.3, 1.3.1). Dies schließt nicht aus, dass der Streifen (6) und die weitere Komponente mittelbar verbunden sind, etwa durch die Verbindung des oberen Streifenendes mit dem Einlassabschnitt (Merkmal 1.2.2.2), der seinerseits (durch Spritzguss oder Verklebung, siehe Streitpatentschrift, Absatz [0020]) mit der weiteren Komponente verbunden sein kann. Entscheidend ist vielmehr, dass der Streifen (6) selbst über seine gesamte Fläche von der weiteren Komponente getrennt, d. h. nicht unmittelbar mit ihr verbunden ist.
g) Die weitere Komponente schafft eine komplementäre Oberfläche zum Streifen (Merkmal 1.3.2), gegen welche das untere Ende des flexiblen Streifens abdichtet (Merkmal 1.3.3). Im Unterschied zu dem in Merkmal 1.2.2.2 genannten oberen Ende, bei dem es sich um eine obere Kante („upper edge“) des Streifens handelt, ist mit dem unteren Ende („lower end“) kein genau definierter Bereich gemeint. Vielmehr handelt es sich um einen unterhalb der oberen Kante, im unteren Bereich des Streifens liegenden, durch die untere Kante und die seitlichen Kanten begrenzten flächigen Bereich, durch den die erforderliche Abdichtung bewerkstelligt werden soll.
II.
Der Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung liegt nicht vor.
1. Diesen Nichtigkeitsgrund hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 17. November 2016 und somit erst nach Ablauf der in dem frühen gerichtlichen Senatshinweis vom 17. August 2016 gesetzten, bis zum 12. Oktober 2016 laufenden Frist zur abschließenden Stellungnahme geltend gemacht. Obwohl es sich hierbei nicht um eine Reaktion auf gegnerisches Vorbringen gehandelt hat, scheidet eine Zurückweisung des Vorbringens als verspätet aus, weil die Berücksichtigung des neuen Vortrags keine Vertagung der anberaumten mündlichen Verhandlung erforderlich gemacht hat (§ 83 Abs. 4 Nr. 1 PatG).
Es handelt sich bei der Geltendmachung des zusätzlichen Nichtigkeitsgrundes im Übrigen um eine Klageänderung, die als sachdienlich und daher gemäß § 99 Abs. 1 PatG i. V. m § 263 ZPO als zulässig anzusehen ist, weil dadurch die Erhebung einer weiteren, auf diesen Nichtigkeitsgrund gestützten Klage vermieden werden kann.
2. Der Klägerin ist zwar darin Recht zu geben, dass in den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen an keiner Stelle ausdrücklich von einer von dem Streifen (6) getrennten Komponente (Merkmal 1.3.1) die Rede ist. In Bezug auf das Ausführungsbeispiel gemäß Figur 2 wird vielmehr darauf abgestellt, dass die beiden spiegelbildlichen Komponenten zumindest im Bereich des trogförmigen Abschnitts miteinander verbunden sind (vgl. Druckschrift WR4, Seite 4, Zeilen 9 f: „…it is preferred that the valve consists of two components (4) secured together along at least the trough-shaped sections (5)…”).
Im Umkehrschluss ergibt sich für den Fachmann jedoch aus dieser Beschreibungsstelle ohne weiteres, dass die beiden Komponenten - entsprechend der Darstellung in Figur 2 – im Bereich ihrer Streifen nicht miteinander verbunden sein müssen. Auf diese Interpretation wird der Fachmann auch deshalb hingelenkt, weil es der Erfindung vor allem darauf ankommt, der zwischen den Streifen befindlichen seitlichen Strömung freien Austritt zu ermöglichen und dadurch Ablagerungen zu vermeiden (siehe WR4, Seite 4, Zeilen 25 bis 28). Somit konnte der Fachmann das Merkmal 1.3.1 den Anmeldungsunterlagen zwar nicht wörtlich, jedoch der Sache nach unmittelbar und eindeutig entnehmen.
III.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 in seiner erteilten Fassung wird von keiner der seitens der Klägerin als neuheitsschädlich bezeichneten Druckschriften mit allen seinen Merkmalen vorweggenommen, weshalb er als neu anzusehen ist.
1. Die Entgegenhaltung D1 zeigt in den Figuren 2 und 3 zwei baugleiche Rückschlagventile (Lüftungsnippel 59 sowie Ventil beim Schlauchanschluss 45) bei einem Urinbeutel, die primär ein Auslaufen des Beutelinhalts in Horizontallage verhindern sollen. Hierzu sind um einen Schlauchstutzen 45, der als (nicht trogförmiger) Einlassabschnitt angesehen werden kann, zwei elastische Teile 47 und 48 gewickelt, deren Endstücke als Klappen 66 und 67 fungieren, d. h. den Urin nur in einer Richtung durchlassen (siehe D1, Spalte 6, Zeilen 10 bis 24). Dieses Ventil erfüllt zumindest nicht das Merkmal 1.2.2, da die Klappe 66 (oder 67) auf Grund ihrer gewölbten Fächerform weder eine flache noch eine streifenförmige Form aufweist (vgl. D1, Figuren 2 und 3).
2. Die Schrift D2 offenbart ein als „Entenschnabel“ bezeichnetes Ventil, das von einem Fluid axial über einen Einlass 2 durch einen röhrenförmigen Elastomerkörper (Spalte 4, Zeilen 5 f: „elastomeric tubular body“) und einen Auslass 3 durchströmt wird. Den verschiedenen Ausführungsformen liegt dabei die Aufgabe zu Grunde, das Ansprechverhalten des Ventils in Bezug auf Schließkraft/Öffnungsdruck anpassen zu können (siehe Spalte 2, Zeilen 8 bis 13). Hierzu weist der Elastomerkörper generell zwei gegenüberliegende Rippen auf, durch die der Elastomerkörper mit Hilfe weiterer Maßnahmen, z. B. über eingeschobene Federstangen, gestützt und die Vorspannung auf den Schließspalt eingestellt wird (siehe z. B. Figur 1, Bezugszeichen 9 bis 15, sowie Ansprüche 1.b und 6).
Somit mag der Einlassabschnitt 4 des in der Schrift D2 gelehrten Ventils zwar die Form eines trogförmigen Abschnitts aufweisen, jedoch ist er nicht selbsttragend im Sinne des Merkmals 1.1.1. Dies gilt auch für das Ausführungsbeispiel gemäß Figur 4, bei der die Lippendichtung in der Weise ausgeführt ist, dass sich eine lange Dichtlippe 29 über eine kurze Dichtlippe 28 zur Abdichtung des Spalts 24 legt (siehe Spalte 4, Zeilen 52 bis 56: „The long lip 29 drapes over the slit 24 and over the short lip 28“). Der Klägerin kann lediglich insoweit zugestimmt werden, als in der Figur 4 keine separaten Spann- bzw. Stützmittel in den seitlichen Verstärkungsrippen des Elastomerkörpers dargestellt sind. Dies liegt jedoch daran, dass in dieser Zeichnung offenbar nur die Lippendichtung in der speziellen Ausführungsform hervorgehoben werden soll, während „standardmäßige“ Ausgestaltungsdetails nicht mehr dargestellt sind. Diesbezüglich wird allerdings in D2 (Spalte 2, Zeilen 49 bis 66, ab Zeile 60) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auch diese Ausgestaltung (vgl. Zeilen 55 bis 57) zwei Rippen entlang des sich (trogförmig) annähernden Bereiches des röhrenförmigen Körpers aufweist, in deren Hohlräumen Stützmittel für den Elastomerkörper positioniert sind (vgl. Zeilen 64 bis 66: „a void … in which means for supporting the elastomeric body are positioned“). Dieser Sachverhalt ergibt sich außerdem noch aus einem Vergleich der Figuren 5 und 6, die beide das gleiche Ausführungsbeipiel betreffen, wobei die Stützmittel (Spannstange 21) jedoch nur in einem Schnitt der Figur 6 dargestellt sind.
Neben dem fehlenden Merkmal 1.1.1 kann noch ein weiterer Unterschied in dem Merkmal 1.2.2 gesehen werden. So erfolgt bei D2 die Abdichtung beim Auslassabschnitt durch quer zur Strömungsrichtung angeordnete Lippen 7/8, 28/29 oder 33/34. Damit entsprechen die Lippen, auch wenn diese als am oberen Bereich des Elastomerkörpers 4 in Querrichtung angebrachte Streifen angesehen werden, nicht dem streitpatentgemäßen Streifen, der mit seinem („oberen“) Ende am Einlassabschnitt befestigt ist und sich hauptsächlich in Strömungs- bzw. Längsrichtung des Ventils erstreckt (Merkmal 1.2.2 i. V. m. Merkmal 1.2.2.2, siehe auch oben I.4.d).
3. Auch die japanische Schrift D3 ist – entgegen der vorläufigen Einschätzung im frühen gerichtlichen Hinweis – nicht als neuheitsschädlich anzusehen. Zwar zeigt der dort offenbarte Ventilkörper in seinem geschlossenen Betriebszustand (vgl. Anlage WR10, Figuren 2 und 4) einen trogförmigen Einlassabschnitt 28, nicht jedoch in seinem geöffneten Zustand (vgl. WR10, Figuren 1 und 3). Er weist dann eine zylindrische Form auf, wie überhaupt die Form des Ventils in D3 insgesamt als zylindrisch beschrieben wird, ohne jeglichen Hinweis auf eine davon abweichende Ausgestaltung des Einlassabschnitts (siehe WR10a, Absatz [0003]: „…a flexible valve body 52 is formed in a cylindrical shape,…“).
Dabei kommt es im Gegensatz zum Streitpatent, bei dem zwischen dem selbsttragenden trogförmigen Einlassabschnitt und dem aus einem flexiblen, nachgiebigen Streifen (in Zusammenspiel mit der komplementären Fläche) gebildeten Auslassabschnitt unterschieden wird, nicht auf eine selbsttragende bzw. formstabile Trogform an. Bei dem Ventil der Entgegenhaltung D3 steht nämlich die Flexibilität des gesamten Ventilkörpers 12 im Vordergrund, wobei der flexible Einlassabschnitt 28 druckabhängig entweder eine zylindrische Form oder eine trogförmige Gestalt annehmen kann (siehe hierzu Absatz [0012] i. V. m. Absatz [0009]). Hieraus wird deutlich, dass der in D3 gezeigte flexible Einlassabschnitt, der nur im geschlossenen Zustand unter Ausnutzung seiner flexiblen Materialeigenschaften und unter Druck eine trogförmige Gestalt annimmt, nicht dem streitpatentgemäßen Einlassabschnitt, der gemäß Merkmal 1.1.1 dauerhaft die Form eines selbsttragenden trogförmigen Abschnittes aufweisen soll, entspricht.
Aus diesem Grund können auch die von der Klägerin vorgebrachten, aus dem Gesamtzusammenhang losgelösten Argumente letztlich nicht überzeugen. Der Klägerin zufolge kann der Ventilkörper bzw. Einlassabschnitt gemäß D3 auf Grund seiner konkreten Ausgestaltung „von selbst stehen“ und des Weiteren auch wieder selbstständig von der zylindrischen Form in die Trogform des geschlossenen Zustands zurückkehren, so dass sowohl die Merkmale „selbsttragend“ als auch „trogförmiger Abschnitt“ gegeben seien. Eine derartige punktuelle Betrachtung wird jedoch dem beanspruchten Gegenstand nicht gerecht, da die Auslegung der Merkmale unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs in der Weise zu erfolgen hat, dass den verwendeten Begriffen der Sinngehalt gegeben werden muss, wie er sich dem Fachmann im Lichte der gesamten Offenbarung bzw. im Hinblick auf den beabsichtigten Zweck ergibt. Unter Zugrundelegung der Ausle- gung gemäß oben I.4.b unterscheidet sich daher der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents vom Gegenstand der Entgegenhaltung D3 hinsichtlich des Merkmals 1.1.1.
4. Der Entgegenhaltung D4 liegt ebenfalls das streitpatentgemäße Problem zu Grunde, mittels eines Rückschlagventils den Rückfluss von Urin oder auch Luft zu verhindern (vgl. D4, Spalte 1, Zeilen 8 bis 10). Dabei offenbart D4 allerdings entsprechend den Figuren 2 und 3 ein kreisrundes, nicht streifenförmiges Ventilelement 32 (d. h. es fehlt Merkmal 1.2.2) und es geht daraus auch keine (weitere) Komponente im Sinne der Merkmale 1.3 ff. hervor; eine solche ist auch nicht erforderlich, da bei D4 das Ventilelement 32 bereits mit dem Einlassabschnitt 20, 30 zusammenwirkt.
5. Die Schrift D8 offenbart in den Figuren 1 bis 3 ein Boden-Entwässerungsventil mit streifenförmigen Ventilelementen 105. Diese wirken jedoch mit dem Einlassabschnitt zusammen; eine weitere Komponente mit den Merkmalen 1.3 ff. ist (wie schon bei D4) nicht vorhanden.
6. Der Schrift D9 sind verschiedene Ausführungsformen von Rückschlagventilen zur Bodenentwässerung entnehmbar, wobei hier dieselbe Problemstellung wie beim Streitpatent zu Grunde liegt (siehe Absatz [0006], zweite Hälfte). In den Figuren 10A und 10B wird dabei ein „collapsible, flexible one-way-valve“ und damit ein sog. „sheath-valve“ offenbart. Dabei handelt es sich um ein Rückschlagventil, das einen hülsen- bzw. schlauchförmigen Grundkörper aus einem flexiblen Material aufweist und im zusammengeklappten Zustand abdichten kann. Im Gegensatz zu vollständig flexiblen „sheath valves“ gemäß D9, Absatz [0013], weist das Ventil nach Figur 10B einen Abschnitt 604 aus einem steifen Material auf („substantially rigid portion 604“). Dieser Abschnitt entspricht der komplementären Komponente des Streitpatents und wirkt im Auslassabschnitt mit einem flexiblen Abschnitt 605 zur Abdichtung zusammen (siehe D9, Absatz [0056]); für eine bessere Abdichtung kann, d. h. muss aber nicht, der steife Abschnitt 604 Rippen aufweisen (siehe Absatz [0057)].
Damit entnimmt der Fachmann der Figur 10B in Verbindung mit der Beschreibung sowie in Zusammenschau mit der perspektivischen Darstellung in der Figur 10E einen Auslassabschnitt mit einem flachen, flexiblen Streifen mit den Merkmalen 1.2 ff., 1.3, 1.3.2 und 1.3.3; bezüglich des Merkmals 1.3.1 findet er jedoch keinen Hinweis. So handelt es sich bei der Figur 10B um eine Schnittdarstellung durch die Ventilmitte, die keine Aussage darüber zulässt, ob der flexible Streifen 605 an seinen beiden äußeren Längskanten mit dem steifen Bereich 604 verbunden oder davon getrennt ist. Die von der Klägerin herangezogene Textpassage in D9, Absatz [0056], wonach „der steife Abschnitt 604 … aus separaten und unterschiedlichen Teilen zusammengesetzt ist“, gibt insoweit jedenfalls keinen Hinweis. Diese Textpassage betrifft nämlich nur den Zusammenbau bzw. die Herstellung des Ventils, nicht aber den Zustand nach dessen Montage. Hier mag vielmehr die Argumentation der Beklagten zu überzeugen, demnach es sich bei „sheath valves“ von der Bauweise her gesehen um umlaufend geschlossene Ventile handelt, so dass der Fachmann ohne einen entsprechenden, hiervon abweichenden Hinweis auch bei dem Ventil gemäß Figur 10B von einer solchen Bauweise ausgehen wird.
Da somit die Druckschrift D9 dem Fachmann keinen klaren Hinweis auf eine Ausführungsform, bei der der Streifen 605 von der komplementären Fläche 604 getrennt ist, gibt, fehlt bei ihr das Merkmal 1.3.1.
IV.
Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung war der Gegenstand des Anspruchs 1 in seiner erteilten Fassung dem Fachmann am Prioritätstag durch den vorliegenden Stand der Technik auch nicht nahegelegt.
Der Grundgedanke der streitpatentgemäßen Erfindung ist in der Kombination der Merkmale 1.2.2.1 und 1.3.1 zu sehen. Durch die getrennte Ausgestaltung von Streifen und komplementärer Fläche wird eine gute Selbstreinigung erzielt bzw. eine Ablagerung, z. B. an den Kanten, verhindert. Darüber hinaus wird durch eine entsprechende Materialauswahl eine einfache, sensitive Funktion gewährleistet, die einerseits beim Öffnen des Ventils ein sensibles Ansprechen und andererseits beim Schließen ein sicheres Abdichten durch leichtes Aneinanderlegen gewährleistet.
1. Die in D5 gezeigte Vorrichtung stellt im Hinblick auf ihren Einsatz als Urinalventil den nächstliegenden Stand der Technik dar. Zwar wird auch dort die eigenelastische Ausgestaltung der Streifen ausgenutzt (vgl. D5, Absatz [0010], letzter Satz, und Patentanspruch 1); jedoch wird sie anders umgesetzt. So wird bei D5 die Verbindung der beiden Streifen 6 an den Kanten 10 als funktionswesentlich für die Erzeugung der elastischen Zuhalte-und Rückstellkräfte hervorgehoben (siehe Figuren 4 bis 6 sowie insbesondere Beschreibung, Spalte 5, Zeilen 25 bis 46, und Patentanspruch 2). Bereits deshalb war der Fachmann nicht veranlasst, die beiden Streifen 6 getrennt voneinander auszuführen, vielmehr wurde er davon sogar abgehalten. Dies gilt auch im Hinblick auf eine flache Ausführung der Streifen, nachdem D5 ausdrücklich auf eine geknickte Ausführung hinweist (vgl. Figuren 1, 2, 8, 9, Anspruch 3, sowie Spalte 3, Zeilen 15 bis 21).
Um von dem Offenbarungsgehalt der Schrift D5 zum Gegenstand des Streitpatents zu gelangen, hätte sich der Fachmann von der wesentlichen Funktionsweise des Ausgangsgegenstandes abkehren müssen, wofür es eindeutiger Anregungen oder Hinweise in der Entgegenhaltung selbst oder im sonstigen Stand der Technik bedurft hätte. So hätte es eines konkreten Anlasses für den Fachmann bedurft, bei der Suche nach alternativen Ausgestaltungen – entsprechend der von der Klägerin vertretenen Auffassung – die Druckschrift D3 heranzuziehen und Schlitze an den (funktionswesentlichen) Verbindungskanten vorzusehen. Ein solcher Anlass ist jedoch nicht ersichtlich, weshalb der Fachmann die beiden Druckschriften nicht miteinander kombiniert hätte.
2. Bei der Entgegenhaltung D4 fehlt bereits eine komplementäre Komponente im streitpatentgemäßen Sinn. Zwar mag das Vorsehen eines streifenförmigen anstelle eines kreisförmigen Klappenelements trivial sein bzw. im fachmännischen Ermessen liegen. Eine Veranlassung dahingehend, ausgehend von D4 eine zusätzliche Komponente auf der gegenüberliegenden Seite der Dichtklappe 32 vorzusehen, ist jedoch nicht erkennbar.
3. Bei dem Rückschlagventil gemäß dem Ausführungsbeispiel der Figuren 10A und 10B der Entgegenhaltung D9 ist – entgegen Anspruch 1 des Streitpatents – der flexible (Dicht-)Streifen von der komplementären Komponente nicht getrennt. Wie diesbezüglich bereits im Neuheitsvergleich unter III.6 ausgeführt ist, handelt es sich bei den Ausführungsbeispielen der Figuren 10 um sog. Schlauch- bzw. Hülsenventile („sheath valves“), bei denen die flexiblen (Dicht-)Abschnitte zur Abdichtung in die zusammengeklappte Positionen elastisch vorgespannt sind (siehe Absatz 55: „…flexible portions that are biased to a collapsed position“). Weder der Schrift D9 noch dem weiteren Stand der Technik sind Hinweise entnehmbar, warum der Fachmann bei einer Ausführungsform entsprechend D9, Figur 10B, von der bei Hülsenventilen üblichen geschlossenen Bauweise, die zudem im Hinblick auf die Dichtfunktion als funktionell erforderlich hervorgehoben wird, abgehen sollte. Damit war der Anspruchsgegenstand auch ausgehend von D9 dem Fachmann am Prioriätstag nicht nahegelegt.
V.
Da somit der Patentanspruch 1 des Streitpatents in seiner erteilten Fassung bestandskräftig ist, kommt es auf die Hilfsanträge des Beklagten nicht an. Die unmittelbar oder mittelbar auf Anspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 8 werden von dessen Bestandskraft mitgetragen.
Die Nichtigkeit der Ansprüche 7 und 8 kann auch nicht auf den von der Klägerin diesbezüglich geltend gemachten Nichtigkeitsgrund der mangelnden Ausführbarkeit gestützt werden. Der Fachmann ist zu einer Ausgestaltung entsprechend Anspruch 7 – d. h. mit einem an einem Ende mit einem Flansch versehenen Rohr mit Schlitzen – ohne weiteres in der Lage, wobei diese Ausführungsform in Figur 4 der Streitpatentschrift gezeigt und in Absatz [0022] beschrieben ist. Dies gilt unabhän- gig davon, ob bzw. inwieweit dieses Rohr, das auf Grund des Rückbezugs von Anspruch 7 auf Anspruch 6 als „Steuereinrichtung“ fungieren soll (oder zumindest als Teil einer solchen), bzw. die darin angebrachten Schlitze, ein Einwärtskollabieren der Streifen (6) ihrer Länge nach verhindern können. Es handelt sich insofern um eine Frage der Tauglichkeit dieser Steuereinrichtung, nicht jedoch der Ausführbarkeit des Anspruchs 7. Entsprechendes gilt für die Ausführungsform mit einander gegenüberliegend angeordneten, nach außen gerichteten Rippen (11) gemäß Anspruch 8. Auch die Verwirklichung dieser Ausgestaltung stellt den Fachmann vor keine besonderen Schwierigkeiten.
VI.
Da – wie zuvor ausgeführt – auch Anspruch 2 des Streitpatents Bestand hat, gilt dies auch für ein Urinalventil und ein Urinal gemäß den nebengeordneten Ansprüchen 9 und 10, die jeweils auf ein Rückschlagventil gemäß Anspruch 2 rückbezogen sind.
VII.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.
VIII.
Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.
Die Berufungsschrift muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht werden. Die Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufungsfrist kann nicht verlängert werden.
Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
Rauch Hildebrandt Küest Dr. Schnurr Richter Pr