VIII ZR 97/20
BUNDESGERICHTSHOF VIII ZR 97/20 BESCHLUSS vom 18. Januar 2022 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2022:180122BVIIIZR97.20.0 Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Januar 2022 durch die Richterin Dr. Fetzer als Vorsitzende, die Richter Dr. Schneider und Kosziol sowie die Richterinnen Dr. Liebert und Wiegand beschlossen:
Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen den Beschluss des Senats vom 9. November 2021 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Gründe: I.
Mit Beschluss vom 9. November 2021 hat der Senat die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 27. Februar 2020 zurückgewiesen. Der Senat hat eine Zulassung insbesondere auch im Hinblick auf die von der Klägerin für erforderlich gehaltene Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV abgelehnt und den Beschluss insoweit kurz begründet. Von einer weiteren Begründung hat der Senat nach § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen.
Gegen die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde richtet sich die Anhörungsrüge der Klägerin.
II.
Die gemäß § 321a Abs. 1 ZPO statthafte und innerhalb der Frist des § 321a Abs. 2 Satz 1 ZPO eingelegte Anhörungsrüge der Klägerin ist unbegründet und daher auf ihre Kosten zurückzuweisen.
1. Ohne Erfolg wendet sich die Anhörungsrüge dagegen, dass der Senat die Zulassung der Revision nicht deshalb für geboten gehalten hat, weil dem Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV die Frage zur Klärung vorzulegen wäre, ob das nationale Gericht in einem Zivilrechtsstreit über die Vollziehung eines privatrechtlichen Vertrags dem Klageantrag auch dann stattzugeben hätte, wenn es sich bei dem Vertrag um eine (bislang bei der Kommission nicht angemeldete) Beihilferegelung handelte und die auf dieser Grundlage zu gewährenden Einzelbeihilfen bislang noch nicht gewährt worden wären.
a) Es trifft - entgegen der in der Anhörungsrüge vertretenen Auffassung nicht zu, dass für den Senat insoweit entscheidend gewesen ist, dass der Gerichtshof die Annahme des Landgerichts, es liege eine Beihilfe (und keine Beihilferegelung) vor, in dem vorangegangenen, vom Landgericht initiierten Vorabentscheidungsverfahren nicht beanstandet hat. Der Senat hat die Nichtzulassung vielmehr damit begründet, dass die von der Klägerin aufgeworfene Frage nicht entscheidungserheblich und somit nicht klärungsbedürftig ist. Denn sie wäre nur dann relevant, wenn nicht eine Beihilfe, sondern eine Beihilferegelung vorläge. Das Berufungsgericht hat indes ohne zulassungsrelevanten Rechtsfehler aufgrund der von ihm im Einzelnen angeführten, wirtschaftlich zum Vorteil der Klägerin wirkenden Vertragskonditionen (asymmetrische Gestaltung der abgeschlossenen Verträge) nicht das Vorliegen einer bloßen Beihilferegelung, sondern die Gewährung einer Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1, Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV bejaht.
Der Senat hat entgegen dem Vorbringen in der Anhörungsrüge auch nicht verkannt, dass der Gerichtshof nicht entschieden hat und nicht zu entscheiden hatte, ob eine Beihilfe oder eine Beihilferegelung vorlag, weil das Landgericht in seinem Vorabentscheidungsersuchen die Gewährung einer Beihilfe zu Grunde gelegt hatte. Im Gegenteil hat der Senat in dem Beschluss vom 9. November 2021 ausdrücklich ausgeführt, dass der Gerichtshof das Vorliegen einer Beihilfe nach Art. 107 AEUV nicht eigenständig geprüft habe.
b) Unzutreffend rügt die Anhörungsrüge weiter, die Auffassung des Senats, wonach die von der Nichtzulassungsbeschwerde formulierte, oben genannte Frage für den vorliegenden Rechtsstreit nicht entscheidungserheblich und somit nicht klärungsbedürftig ist, weil das Berufungsgericht ohne zulassungsrelevante Rechtsfehler nicht von dem Vorliegen einer Beihilferegelung, sondern von einer Beihilfe ausgegangen ist, beruhe auf einem (weiteren) Gehörsverstoß. Der Senat hat das gesamte im Anhörungsverfahren als übergangen gerügte diesbezügliche Vorbringen der Klägerin in vollem Umfang zur Kenntnis genommen und umfassend geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet. Dass der Senat der Auffassung der Klägerin nicht folgt und davon ausgeht, dass das Berufungsgericht ohne zulassungsrelevante Rechtsfehler die Gewährung einer Beihilfe (und nicht das Vorliegen einer Behilferegelung) bejaht hat, begründet eine Gehörsverletzung nicht. Das Verfahrensgrundrecht des Art. 103 Abs. 1 GG schützt nicht davor, dass das Vorbringen einer Partei aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts unberücksichtigt bleibt oder dass das Gericht die Rechtsansicht einer Partei nicht teilt. Es verpflichtet ein Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht jedoch der von den Beteiligten vertretenen Ansicht zu folgen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 26. Januar 2021 - VIII ZA 6/20, juris Rn. 12, und vom 8. Dezember 2020 - VIII ZR 25/19, juris Rn. 11).
2. Die Anhörungsrüge hat auch keinen Erfolg, soweit sie sich darauf bezieht, dass der Senat die Revision nicht auf Grund des Vorbringens der Klägerin zugelassen hat, eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union sei im Hinblick darauf geboten, dass das Berufungsgericht bei der Bejahung einer Beihilfegewährung im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV von dem durch den Gerichtshof geprägten Begriff der Begünstigung abweiche, indem es bei unterstellter Marktüblichkeit der Kaufpreise allein wegen der asymmetrischen Vertragsgestaltung eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV bejahe. Der Senat hat bei der Beurteilung, ob insoweit die Voraussetzungen einer Zulassung vorliegen, das gesamte Vorbringen der Klägerin hierzu berücksichtigt und gewürdigt, dieses aber nicht für durchgreifend erachtet.
a) Die Klägerin hat eine Abweichung von der Rechtsprechung des Gerichtshofs zwar behauptet, jedoch nicht hinreichend dargelegt (zu den Darlegungsanforderungen vgl. Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2021 - VIII ZB 83/20, juris Rn. 13 mwN). Insbesondere ergibt sich aus ihrem Vorbringen die Aufstellung eines von einem Rechtssatz des Gerichtshofs abweichenden abstrakten Rechtssatzes nicht. Denn zum einen hat das Berufungsgericht die grundlegende Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Beihilferecht im Blick gehabt und bei seiner Entscheidung berücksichtigt sowie auf dieser Grundlage für die konkrete Fallgestaltung entschieden, dass hier eine Beihilfe auch bei einem unterstellt marktüblichen Preis wegen der zugunsten der Klägerin erfolgten asymmetrischen Vertragsgestaltung vorlag. Zum anderen hat die Nichtzulassungsbeschwerde auch nicht dargelegt, dass dem ein abstrakter Rechtssatz des Gerichthofs entgegensteht. Sie hat insbesondere nicht einen Rechtssatz des Gerichtshofs aufgezeigt, wonach eine Beihilfe grundsätzlich nur bei einem marktunüblichen Preis vorliegen kann, nicht jedoch - trotz marktüblichen Preises - bei asymmetrischen, (wirtschaftlich) zum Vorteil des Begünstigenden wirkenden Vertragsbedingungen. Eine Einengung des Beihilfebegriffs allein auf den Preis ist der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht zu entnehmen, insbesondere auch nicht den von der Nichtzulassungsbeschwerde für maßgeblich gehaltenen, sich auf die Marktüblichkeit des Preises und die Erforderlichkeit einer komplexen wirtschaftlichen Beurteilung beziehenden Entscheidungen.
Der Senat hat insbesondere auch das in der Anhörungsrüge in diesem Zusammenhang in Bezug genommene Vorbringen der Klägerin, das Berufungsgericht habe entgegen den Vorgaben des Gerichtshofs die gebotene komplexe wirtschaftliche Beurteilung unterlassen und lediglich eine juristische Betrachtung der Vertragsbedingungen vorgenommen, ohne deren wirtschaftliche Relevanz zu prüfen, und es habe ohne die erforderliche Sachkunde sowie ohne die gebotene Sachverhaltsaufklärung entschieden, vollständig zur Kenntnis genommen und geprüft, jedoch nicht für durchgreifend erachtet.
b) Unzutreffend wendet sich die Anhörungsrüge in diesem Zusammenhang auch dagegen, dass der Senat die Revision insoweit nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat.
Einer Rechtssache kommt zwar unter anderem dann grundsätzliche Bedeutung zu, wenn sich eine entscheidungserhebliche und der einheitlichen Auslegung bedürfende Frage des Unionsrechts stellt und in dem künftigen Revisionsverfahren deshalb voraussichtlich ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof nach Art. 267 Abs. 3 AEUV erforderlich sein wird (BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 2015 - 1 BvR 1320/14, juris Rn. 13 mwN), was auch dann der Fall ist, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht in seiner Entscheidung von der Rechtsprechung des Gerichtshofs abweichen möchte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 2015 - 1 BvR 1320/14, aaO Rn. 15; BVerfG, NJW 1988, 1459, 1462 [zu Art. 177 Abs. 3 EWGV]). Insofern könnte eine Divergenz zwischen der Entscheidung des Berufungsgerichts und der Rechtsprechung des Gerichtshofs zugleich im Revisionsverfahren zu einer Vorlagepflicht führen und damit eine Grundsatzbedeutung begründen, sofern das Revisionsgericht die vom Gerichtshof abweichende Auffassung des Berufungsgerichts teilte, wobei eine Zulassung der Revision in diesem Fall ohnehin bereits wegen Divergenz geboten wäre. Eine solche Fallgestaltung liegt jedoch nicht vor, weil sich - wie ausgeführt die behauptete Abweichung von dem durch den Gerichtshof geprägten Begriff der Begünstigung aus dem Vorbringen der Klägerin und den von ihr in Bezug genommenen Entscheidungen nicht ergibt.
Eine Vorlagepflicht wegen einer diesbezüglichen ungeklärten und klärungsbedürftigen, entscheidungserheblichen Frage der Auslegung des Unionsrechts ist - was der Senat auf Grundlage des gesamten Vorbringens der Klägerin umfassend geprüft hat - von der Klägerin ebenfalls nicht dargelegt. Auch ansonsten hat die Klägerin in der Beschwerde die Voraussetzungen einer Zulassung wegen Grundsatzbedeutung nicht aufgezeigt, woran auch die Auffassung der Klägerin in der Anhörungsrüge, Grundsatzbedeutung der Rechtssache bestehe wegen eines hier vorliegenden "Komplexes voneinander abhängiger und mit dem zu entscheidenden Sachverhalt zusammenhängender Rechtsfragen", nichts ändert.
3. Die Anhörungsrüge bleibt zudem ohne Erfolg, soweit sie weitere in der Nichtzulassungsbeschwerde vorgebrachte Rügen in Bezug nimmt oder wiederholt und einen Gehörsverstoß insbesondere daraus ableitet, dass die dortigen Rügen zur Zulassung hätten führen müssen, der Senat sie aber nicht für beachtlich gehalten habe. Der Senat hat sämtliche dort genannten Rügen und das gesamte Vorbringen der Klägerin umfassend berücksichtigt und gewürdigt, einen Zulassungsgrund indes nicht für gegeben erachtet. Er hat insoweit gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 ZPO von einer weiteren Begründung abgesehen. Weder ergibt sich aus der zu diesen Rügen fehlenden näheren Begründung der Nichtzulassung ein Gehörsverstoß des Senats noch daraus, dass er seinen Zurückweisungsbeschluss zu anderen Aspekten, insbesondere zur nicht bestehenden Vorlagepflicht nach Art. 267 AEUV, kurz begründet hat. Ein Gehörsverstoß ist zudem nicht daraus abzuleiten, dass die gerügten Verfahrensfehler des Berufungsgerichts nach Auffassung der Klägerin schwerwiegend und offensichtlich seien, dessen Entscheidung evident fehlerhaft und die Zulassung zwingend sei. Denn es stellt keinen Gehörsverstoß dar, dass der Senat der Rechtsauffassung einer Partei zum Bestehen von Zulassungsgründen nicht folgt, auch wenn diese die Zulassung für zwingend und ihre eigene Rechtsauffassung für offensichtlich und eindeutig zutreffend hält.
4. Die sonstigen von der Anhörungsrüge erhobenen Rügen, insbesondere aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, greifen aus den vorgenannten Gründen ebenfalls nicht durch. Der Senat hat namentlich nicht die Rollenzuweisung nationaler und europäischer Gerichte verkannt. Es liegt eine umfangreiche Rechtsprechung des Gerichtshofs vor, die sich mit den Voraussetzungen einer Beihilfe befasst und den rechtlichen Rahmen für die vom Berufungsgericht vorgenommene Beurteilung des vorliegenden Falles absteckt.
5. Von einer weiteren Begründung wird nach § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen, der im Anwendungsbereich des § 321a Abs. 4 Satz 5 ZPO entsprechend gilt (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Februar 2020 - VIII ZR 353/18, juris Rn. 9 mwN).
Dr. Fetzer Dr. Liebert Dr. Schneider Wiegand Kosziol Vorinstanzen: LG Münster, Entscheidung vom 21.06.2018 - 11 O 334/12 OLG Hamm, Entscheidung vom 27.02.2020 - I-2 U 131/18 -