AK 33/21
BUNDESGERICHTSHOF AK 33/21 BESCHLUSS vom 2. Juni 2021 in der Strafsache gegen wegen räuberischen Diebstahls u.a.
ECLI:DE:BGH:2021:020621BAK33.21.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschuldigten und ihrer Verteidiger am 2. Juni 2021 beschlossen:
Eine Haftprüfung durch den Senat nach den §§ 121, 122 StPO ist derzeit nicht veranlasst.
Gründe:
I.
Die Beschuldigte wurde am 10. Juli 2020 festgenommen und befand sich aufgrund eines Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Amtsgerichts Mei.
vom selben Tag wegen des dringenden Verdachts der gemeinschaftlichen gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung in zwei Fällen
(unten Taten 4 und 6), des Diebstahls, der Urkundenfälschung (unten Tat 7) und des räuberischen Diebstahls (unten Tat 5) in Untersuchungshaft. Mit Beschluss des Amtsgerichts Mei.
vom 15. Juli 2020 wurde der vorgenannte Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt.
Am 5. November 2020 wurde die Beschuldigte erneut festgenommen aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 4. November 2020. Gegenstand dieses Haftbefehls waren im Wesentlichen die Anschuldigungen im Haftbefehl vom 10. Juli 2020, allerdings rechtlich gewertet als jeweils in Tateinheit stehend mit der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, sowie der Vorwurf der dazu tatmehrheitlichen mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung (unten Tat 1). Dieser erweiterte Haftbefehl wurde der Beschuldigten am 6. November 2020 verkündet und der vorherige Haftbefehl in der Fassung des Außervollzugsetzungsbeschlusses aufgehoben.
Am 21. April 2021 erließ der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs einen neuen Haftbefehl. Gegenstand dieses Haftbefehls ist neben den Anschuldigungen im Haftbefehl vom 4. November 2020 der Vorwurf der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in weiteren drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung (unten Tat 2) und in zwei Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (unten Taten 3 und 8), davon in einem Fall in weiterer Tateinheit mit Landfriedensbruch (unten Tat 8). Dieser erweiterte Haftbefehl wurde der Beschuldigten unter Aufhebung des vorherigen Haftbefehls am selben Tag verkündet.
Der Generalbundesanwalt beantragt festzustellen, dass eine Haftprüfung durch den Senat noch nicht ansteht, wohingegen die Beschuldigte die Aufhebung, hilfsweise Außervollzugsetzung des Haftbefehls vom 21. April 2021 erstrebt.
II.
Eine Haftprüfung nach den §§ 121, 122 StPO ist derzeit entgegen der Auffassung der Beschuldigten nicht veranlasst. Zwar befindet sie sich mittlerweile seit mehr als sechs Monaten in Untersuchungshaft. Im Hinblick auf die weiteren Vorwürfe im Haftbefehl vom 21. April 2021 ist jedoch eine neue Sechsmonatsfrist im Sinne des § 121 Abs. 1 StPO in Gang gesetzt worden, deren Lauf am 18. Februar 2021 begonnen hat und deren Ablauf somit noch nicht bevorsteht.
Gemäß § 121 Abs. 1 StPO darf der Vollzug der Untersuchungshaft "wegen derselben Tat" vor dem Erlass eines Urteils nur unter besonderen Voraussetzungen länger als sechs Monate aufrechterhalten werden. Der Begriff derselben Tat nach § 121 StPO ist mit Rücksicht auf den Schutzzweck der Norm, die das Beschleunigungsgebot in Haftsachen durchsetzen soll, weit auszulegen. Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschlüsse vom 6. April 2017 - AK 14/17, juris Rn. 6; vom 7. September 2017 - AK 42/17, NStZ-RR 2018, 10, 11; vom 16. Januar 2018 - AK 78/17, juris Rn. 11; vom 3. Februar 2021 - AK 50/20, juris Rn. 5; s. auch KK-StPO/Schultheis, 8. Aufl., § 121 Rn. 10 mwN) erfasst er alle Taten des Beschuldigten von dem Zeitpunkt an, zu dem sie - im Sinne eines dringenden Tatverdachts - bekannt geworden sind und in einen bestehenden Haftbefehl hätten aufgenommen werden können, und zwar unabhängig davon, ob sie Gegenstand desselben Verfahrens oder getrennter Verfahren sind. Somit löst es keine neue Haftprüfungsfrist gemäß § 121 Abs. 1 StPO aus, wenn vor Ablauf der Frist ein neuer Haftbefehl erlassen wird, der lediglich auf Tatvorwürfe gestützt bzw. durch sie erweitert wird, die schon bei Erlass des ersten Haftbefehls - im Sinne eines dringenden Tatverdachts - bekannt waren. Tragen dagegen die erst im Laufe der Ermittlungen bekannt gewordenen Tatvorwürfe für sich genommen den Erlass eines Haftbefehls und ergeht deswegen ein neuer oder erweiterter Haftbefehl, so wird dadurch ohne Anrechnung der bisherigen Haftdauer eine neue Sechsmonatsfrist in Gang gesetzt. Für den Fristbeginn ist dann der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem sich der Verdacht hinsichtlich der neuen Tatvorwürfe zu einem dringenden verdichtet hat, der neue bzw. erweiterte Haftbefehl mithin hätte erlassen werden können, nicht hingegen, wann die Staatsanwaltschaft ihn erwirkt hat. Dabei ist regelmäßig der Haftbefehl spätestens an dem auf die Beweisgewinnung folgenden Tag der veränderten Sachlage anzupassen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. April 2017 - AK 14/17, juris Rn. 8; vom 25. Juli 2019 - AK 34/19, NStZ 2019, 626 Rn. 8; vom 3. Februar 2021 - AK 50/20, juris Rn. 5).
Danach hat der Haftbefehl vom 21. April 2021 eine neue Sechsmonatsfrist eröffnet, deren Lauf an dem Tag begonnen hat, an welchem ein erweiterter Haftbefehl hätte erlassen werden können. Dieser hat neue selbständige Taten zum Gegenstand, die noch nicht Gegenstand des vorangegangenen Haftbefehls waren (unten 1.), erst im Laufe der nachfolgenden Ermittlungen bekannt geworden sind (unten 2.) und für sich genommen den Haftbefehlserlass rechtfertigen (unten 3.); zu einem dringenden Tatverdacht haben sich diese Vorwürfe erst am 18. Februar 2021 verdichtet (unten 4.).
1. Die Beschuldigte ist - über die Vorwürfe des ursprünglichen Haftbefehls hinaus - der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung in weiteren drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung (unten Tat 2) und in zwei Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (unten Taten 3 und 8), davon in einem Fall in weiterer Tateinheit mit Landfriedensbruch (unten Tat 8) verdächtig. Diese Taten sind im Verhältnis zu dem den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 4. November 2020 tragenden Vorwurf als andere Taten im Sinne des § 121 StPO zu werten. Dies folgt daraus, dass sie materiell-rechtlich zu diesen Taten im Verhältnis der Tatmehrheit stehen, so dass der Grundsatz Gültigkeit beansprucht, wonach sachlich-rechtlich selbständige Taten auch prozessual selbständig sind (BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, juris Rn. 47, in BGHSt 60, 308 ff. nicht abgedruckt). Diese Regel, von der abzuweichen vorliegend kein Anlass besteht, führt dazu, dass die zusätzlichen Tatvorwürfe in dem Haftbefehl vom 21. April 2021 hier auch als eigenständige Taten im Sinne des § 121 StPO zu bewerten sind. Der Senat braucht deshalb nicht zu entscheiden, inwieweit sich der Begriff derselben Tat nach § 121 StPO vom materiell-rechtlichen Begriff der Tateinheit und von dem der prozessualen Tat im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO unterscheidet. Insbesondere kann hier offenbleiben, ob immer dann, wenn materiell-rechtlich eine Tat vorliegt, dieselbe Tat im Sinne des § 121 StPO gegeben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Februar 2021 - AK 50/20, juris Rn. 7). Im Einzelnen:
a) Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen geht der Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 21. April 2021 im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt aus:
aa) Tat 1:
(1) Spätestens am 7. August 2018 fand sich in und um L. eine auf die Begehung politisch linksmotivierter Gewaltstraftaten ausgerichtete konspirative Personenvereinigung zusammen. Basierend auf einer von allen Mitgliedern geteilten militanten linksextremistischen Ideologie, die den bestehenden demokratischen Rechtsstaat mit seiner Garantie einer freien politischen Meinungsäußerung und dem staatlichen Gewaltmonopol ablehnt, war und ist das Ziel der Vereinigung, tatsächliche oder mutmaßliche Angehörige der "rechten Szene" organisiert und planvoll anzugreifen. Bei diesen Überfällen sollen die Tatopfer durch eine Überzahl von Angreifern unter Einsatz mitgeführter Schlagwerkzeuge erheblich verletzt werden und ihr Eigentum soll zerstört werden. Zur Erhöhung der Schlagkraft ihrer Gruppierung und zur Absicherung des Taterfolgs sind die in der gewaltbereiten linksextremistischen Szene überregional vernetzten Vereinigungsmitglieder in der Lage, weitere Personen als Mittäter ihrer Straftaten zu mobilisieren, die ihre linksextremistisch-antifaschistische Einstellung teilen und zu denen ein so gefestigtes Vertrauensverhältnis besteht, dass sie wegen der Beteiligung solcher Unterstützungskräfte weder Defizite bei der Tatbegehung noch eine Entdeckung der eigenen Tatbeteiligung befürchten müssen.
Das genaue Datum der Gründung der Vereinigung, deren Umstände und die daran beteiligten Personen sind zwar bislang nicht bekannt. Im August 2018 gehörte dieser schon damals aus mindestens drei Mitgliedern bestehenden Vereinigung jedenfalls die Beschuldigte an, spätestens ab Januar 2019 agierte der Mitbeschuldigte G.
- der langjährige Partner und Verlobte der Beschuldigten - gemeinsam mit ihr und weiteren Personen in Umsetzung des Vereinigungsziels. Zumindest ab September 2019 beteiligten sich auch die Mitbeschuldigten R. , E.
und M. sowie - jedenfalls ab Dezember 2019 - die weiteren Mitbeschuldigten A. , Lö. , P. und D.
als Mitglieder an der Vereinigung.
(2) Die Beschuldigte beteiligte sich seit dem 7. August 2018 maßgeblich als Mitglied an dieser Vereinigung und war in Umsetzung des Vereinigungsziels an allen der Vereinigung bisher zuzurechnenden Straftaten beteiligt:
Der Beschuldigten kommt innerhalb der Vereinigung eine gewichtige Stellung zu. Sie fungierte in mindestens zwei Fällen als Kommandogeberin bei der Tatausführung vor Ort und stellte ihren Pkw als Fluchtfahrzeug zur Verfügung.
Zudem war sie durch ihre Aktivitäten zur Auskundschaftung künftiger Tatopfer maßgeblich an deren Zielauswahl beteiligt, so zuletzt Anfang Juni 2020 in L.
bei der Ausspähung des En.
, der zuvor in linksgerichteten Szenemedien als Rechtsextremist, Teilnehmer rechter Kampfsportveranstaltungen und Beteiligter eines schweren Landfriedensbruchs am 11. Januar 2016 in C. "geoutet" worden war. Sein Name und weitere persönliche Informationen wurden - ebenso wie Angaben zu weiteren Mittätern des überwiegend von Angehörigen der rechten Szene auf den Stadtteil C.
verübten Angriffs
(sogenannter "S.
") - auf einer im Internet veröffentlichten Liste
("Di. ") bekannt gemacht.
Am 3. Juni 2020 suchten die Beschuldigte und R. die Wohnanschrift des En.
in der F.
straße in L.
auf, um in Vorbereitung eines gewaltsamen Übergriffs dessen Wohnumfeld und tägliche Gewohnheiten aufzuklären. Dazu verschafften sie sich sowohl Zutritt zu dem Mehrfamilienhaus, in dem En.
wohnt, als auch zu zwei Nachbarhäusern
(Fr.
straße , Au.
straße ); ihr Aussehen veränderten sie durch das Wechseln der Oberbekleidung und der getragenen Brillen. Spätestens ab dem 4. Juni 2020 war auch der Mitbeschuldigte A. zumindest in Absprachen zum Fortgang der Ausspähung eingebunden. Am 5. Juni 2020 hielt sich die Beschuldigte in Fortsetzung der Aufklärung über längere Zeit im Nahbereich der Wohnung von En.
auf. Dabei verwendete sie verschiedene Oberbekleidungsstücke sowie eine Rothaar-Perücke, um so das Aussehen zu verändern und ihre Anwesenheit zu verschleiern. Am 6. Juni 2020 trafen sich die in L. wohnhaften Beschuldigten Eng. , A. und R. mit den aus B.
angereisten Mitbeschuldigten E.
und D.
, wobei sie auch den bevorstehenden Angriff auf En.
erörterten. Zur weiteren Verstärkung der Gruppe reiste am Abend des 7. Juni 2020 der Mitbeschuldigte M. , der seinerseits regelmäßig Kampfsport betreibt, von B. an und begab sich direkt zur Wohnanschrift der Beschuldigten. Von dem beabsichtigten Überfall nahm die Gruppe nur deshalb Abstand, weil ihre Kontaktperson K. , die am frühen Nachmittag des 8. Juni 2020 mit der Beobachtung der Wohnumgebung des En. betraut war, polizeiliche Abwehrmaßnahmen zum Schutz des Tatopfers bemerkt hatte.
Zum Zwecke der Ausspähung potentieller Opfer hatte sich die Beschuldigte Verkleidungsutensilien und weitere Gegenstände beschafft, um ihre Identität zu verschleiern und eine Wiedererkennung zu erschweren, darunter Perücken, verschiedene Brillen sowie einen nicht auf sie ausgestellten, aber nach Personalien und Foto passenden Personalausweis. Für Ausspähungs- und sonstige Einsätze entsprechend dem Vereinigungszweck verfügte die Beschuldigte über diverse Mobiltelefone und auf Falschpersonalien registrierte SIM-Karten, die sie in ihrer Wohnung vorhielt und - wie die Aufteilung auf verschiedenfarbige Tragetaschen und Beutel, teilweise zusammen mit Verkleidungsgegenständen und Schlagwerkzeugen zeigt - zum jederzeitigen kurzfristigen Gebrauch bei dem Vereinigungszweck dienenden Handlungen vorgesehen hatte.
bb) Tat 2:
In Vorbereitung eines von den Vereinigungsmitgliedern beabsichtigten Angriffs auf den späteren Geschädigten Sch. - eine ebenfalls der rechten Szene zugehörige, an dem sogenannten "S.
" beteiligte und auf der Liste "Di.
" bekannt gemachte Person - spähte die Beschuldigte am 7. August 2018 die Wohnumgebung und Lebensgewohnheiten des Geschädigten Sch. aus. Als Beifahrerin in einem von einem bisher unbekannten Beteiligten gesteuerten Fahrzeug fertigte sie aus dem Auto heraus zwischen 18:29 Uhr und 19:03 Uhr mindestens fünf Fotografien, die - neben der Anfahrt zu dem Ort - den Nahbereich des Sportplatzes, auf dem der Geschädigte Sch. regelmäßig Fußball spielt, sowie dessen Weg dorthin zeigen. Die so gewonnenen Erkenntnisse zu den örtlichen Gegebenheiten der Umgebung des
(künftigen) Tatorts teilte die Beschuldigte zur weiteren Planung des Angriffs mit weiteren Vereinigungsmitgliedern, darunter den zur unmittelbaren Tatausführung vorgesehenen Mittätern, wodurch sie - wie von ihr beabsichtigt - die "erfolgreiche" Ausführung des Überfalls jedenfalls erleichterte. Dabei entsprach es ihrer Kenntnis und ihrem Willen, dass das Tatopfer durch die beabsichtigte Attacke einer Überzahl von Angreifern auch unter Einsatz von Schlagwerkzeugen mit massiven, gegen Kopf und Oberkörper gerichteten Gewalteinwirkungen erhebliche, bis hin zu potentiell lebensbedrohlichen Verletzungen davontragen würde.
Am 30. Oktober 2018 um 19:06 Uhr passten sodann mindestens fünf vermummte Personen entsprechend dem Vereinigungsziel und in Umsetzung ihres gemeinsamen, vorgefassten Tatplans den Sch. auf dem Weg zum Fuß- balltraining in unmittelbarer Nähe seiner Wohnadresse H. straße in W. , Ortsteil Kü. , ab. Nachdem der Geschädigte Sch. sein Grundstück verlassen hatte, rannten von hinten zwei Angreifer auf ihn zu. Einer der beiden brachte ihn durch einen Sprung in den Rücken zu Boden, hielt ihn fest und würgte ihn; der andere setzte sich auf seine Beine. Drei weitere Angreifer, die ihm entgegengekommen waren, traten und schlugen vielfach mit Fäusten und einem Teleskopschlagstock auf den Oberkörper, die Arme und Beine sowie den Kopf des am Boden liegenden Geschädigten ein. Die Angreifer versuchten dabei, dem Tatopfer die Jacke über den Kopf auszuziehen, wodurch ihn Tritte, Schläge und auch der Teleskopschlagstock unmittelbar auf der ungeschützten Haut trafen.
Mindestens einer der Täter trug dabei Quarzhandschuhe. Die Angreifer ließen erst von dem Geschädigten ab, als durch dessen Hilferufe ein Zeuge auf die Tat aufmerksam wurde, und rannten weg. Als sie an dem Zeugen vorbeiliefen, rief einer von ihnen über das Opfer: "Das ist ein Nazischwein!" oder "Scheiß Nazi!" Der Geschädigte Sch. erlitt, wie von den Angreifern beabsichtigt, durch die massive Gewalteinwirkung erhebliche Verletzungen: sieben stark blutende Riss- und Quetschwunden am Kopf, eine Prellung der Schädelkalotte, zwei Frakturen an der Lendenwirbelsäule sowie multiple Prellungen und Abschürfungen an Händen, Beinen, am Oberkörper und am Rücken. Er befand sich deshalb bis zum 5. November 2018 in stationärer Behandlung. Die Verletzungen waren aufgrund der Art und Weise ihrer Beibringung sowie angesichts ihrer Lokalisierung potentiell lebensbedrohlich.
cc) Tat 3:
Dem Vereinigungszweck entsprechend beteiligten sich mehrere Vereinigungsmitglieder, darunter die Beschuldigte und der Mitbeschuldigte G.
, am 8. Januar 2019 gegen 11:00 Uhr an einem Angriff auf den in der Bor.
Straße, Höhe Haus Nr. , in C. - nahe des
"At. " - mit der Reinigung von Dachrinnen beschäftigten und sich keines Angriffs versehenden Geschädigten N. . Die Auswahl des Tatopfers, den die Täter für einen "Nazi" hielten, erfolgte aufgrund der vom Geschä- digten getragenen Mütze eines in der rechten Szene beliebten Mode-Labels.
Die einschließlich der Beschuldigten und des Mitbeschuldigten G.
insgesamt fünf Angreifer trugen einheitlich schwarze Kleidung, schwarze Handschuhe und waren mit schwarzen Sturmhauben vermummt. Zunächst versetzte einer der Täter dem Geschädigten unvermittelt einen heftigen Faustschlag ins Gesicht. Anschließend brachten die Angreifer den Geschädigten mit Faustschlägen zu Boden und traten und schlugen - auch unter Verwendung eines Schlagwerkzeugs - weiter auf den am Boden liegenden Geschädigten ein, der dabei zeitweilig das Bewusstsein verlor. Währenddessen hielt die Beschuldigte mit einem großvolumigen Reizstoffsprühgerät umstehende Zeugen vom Eingreifen ab. Dabei äußerte sie sinngemäß, das Tatopfer sei ein "Nazi", der die Verletzungen "verdient" habe. Die Täter ließen erst von dem Geschädigten ab, als sich eine Straßenbahn näherte, und flüchteten in Richtung Me.
Straße.
Der Geschädigte N. erlitt eine Vielzahl teils klaffender und stark blutender Platzwunden im Gesicht und am Hinterkopf, multiple Mittelgesichtsfrakturen und eine Thoraxprellung; seine Zahnprothese zerbrach. Das Jochbein und die Knochen um das rechte Auge mussten mit Metallplatten fixiert werden; zwischenzeitlich drohte eine Netzhautablösung am rechten Auge. Der Geschädigte litt noch Wochen nach der Tat unter schweren Angstzuständen. Art und Weise der Verletzungshandlungen - Schläge und Tritte gegen den Kopf - waren geeignet, potentiell lebensgefährliche Verletzungen herbeizuführen; das Ausbleiben schwerwiegender Hirnblutungen oder Verletzungen des Hirngewebes ist angesichts der ausgeübten massiven Gewalteinwirkungen nur als glücklicher Umstand zu werten.
dd) Tat 4:
Am 19. Oktober 2019 gegen 00:15 Uhr überfiel die Beschuldigte gemeinsam mit den weiteren Vereinigungsmitgliedern G.
, M. und R. sowie weiteren noch unbekannten Tatbeteiligten das Lokal "Bu.
" in der Mü.
Straße in Ei. , nachdem der Mitbeschuldigte E.
und der gesondert Verfolgte Wo. am 27. September 2019 in Vorbereitung des Überfalls den Tatort ausgespäht hatten. Das "Bu.
" gilt als Treffpunkt für Angehörige der "rechten Szene" in Ei.
und wird von dem als Rechtsextremisten bekannten Ri. betrieben.
Zur Ausführung der Tat verschaffte sich am 19. Oktober 2019 kurz nach
00:00 Uhr eine 10- bis 15-köpfige Personengruppe unter Ausnutzung des Überraschungsmoments Zutritt zum Lokal. Die vermummten und maskierten Angreifer, darunter die Beschuldigte und der Mitbeschuldigte G.
, drangen mit Fäusten und mitgebrachten Schlagwerkzeugen auf den Wirt sowie die noch anwesenden fünf Gäste ein und versprühten mehrfach Reizgas oder Pfefferspray.
Die Beschuldigte sprühte mit einem großen Reizstoffsprühgerät in den hinteren Teil des Gastraums. Außerdem zerbrachen die Angreifer Gläser, Aschenbecher sowie anderes Inventar und zerstörten mehrere Fensterscheiben. Bei dem tumultartigen Geschehen wurden die Geschädigten, die sich teilweise zu wehren versuchten, unter anderem mit Schlagstock-Schlägen gegen den Kopf und Oberkörper misshandelt, zwei Gäste wurden auf diese Weise zu Boden gebracht. Währenddessen verblieben der Mitbeschuldigte R. und weitere vermummte Personen als Wachposten vor dem Lokal, um eine ungestörte Tatausführung zu gewährleisten. Der kampfsporterfahrene Mitbeschuldigte M. war ebenfalls vor Ort und bestärkte so die anderen Täter zumindest durch seine Anwesenheit. Nach dem Überfall zogen sich - auf Kommando der Beschuldigten - die Angreifer aus dem Lokal und die vor dem Eingang postierten Personen gemeinsam zu ihren in Tatortnähe geparkten Fahrzeugen, darunter der silberfarbene Pkw VW Golf der Beschuldigten, zurück und flüchteten.
Die Geschädigten erlitten aufgrund des eingesetzten Reizstoffs Augenreizungen; die Geschädigten Bo.
, Fi. , der zudem eine Kopfplatzwunde davontrug, und Le. , der eine blutende Gesichtsverletzung erlitt, wurden ambulant in der Notaufnahme des Klinikums Ei.
versorgt.
ee) Tat 5:
Zur Beschaffung von Tatwerkzeugen für einen weiteren Angriff auf den Geschädigten Ri. , der nach dem Plan der Vereinigungsmitglieder in der Nacht zum 14. Dezember 2019 ausgeführt werden sollte, entwendete die Beschuldigte am Nachmittag des 13. Dezember 2019 gegen 16:15 Uhr in einem Baumarkt in L. , Br.
Straße , zwei Schlosser-Hämmer. Die Hämmer steckte sie in ihre Tasche und passierte die Kassenzone des Marktes ohne zu bezahlen. Als sie darauf von einem Mitarbeiter des Sicherheitspersonals auf die mitgenommene Ware angesprochen wurde, versetzte sie diesem - auch in der Absicht, die als Tatwerkzeuge für den kommenden Überfall gedachten Hämmer zu behalten - mit beiden Händen einen Stoß in den Bauch. Als der Mitarbeiter nach ihr griff, riss sie sich los und flüchtete. Nach kurzer Verfolgung, während der die Beschuldigte wegen einer angeblichen Belästigung noch Passanten lautstark um Hilfe rief, wurde die Beschuldigte gestellt und zurück zum Baumarkt gebracht, wo die gestohlenen Hämmer im Wert von 37,98 Euro in ihrer Tasche gefunden wurden.
ff) Tat 6:
Obwohl die Beschuldigte am 13. Dezember 2019 bei dem räuberischen Diebstahl zur Beschaffung von Tatwerkzeugen auf frischer Tat betroffen und gegen sie Strafanzeige erstattet worden war, setzten die Beschuldigte und die Mitbeschuldigten G.
, A. , Lö. , P. und E. sowie mindestens ein weiterer unbekannter Mittäter noch in der folgenden Nacht ihren Plan um, den Geschädigten Ri. erneut gemeinschaftlich anzugreifen. Dazu begaben sie sich in zwei Fahrzeugen, die sie zuvor zur Verhinderung einer Identifizierung mit gestohlenen Kennzeichen versehen hatten, zur Wohnanschrift des Geschädigten Ri. in der He.
straße in Ei.
. Dort lauerten sie am 14. Dezember 2019 gegen 03:15 Uhr dem Geschädigten Ri. auf, als er von den weiteren Geschädigten Schw. , Ac.
und An. im Pkw des Schw. von der Gaststätte "Bu.
" nach Hause gebracht wurde.
Den genauen Zeitpunkt und die Umstände der Heimkehr des Geschädigten Ri. in der Tatnacht hatten die Beschuldigten zuvor unter Beteiligung des aus B. gesondert angereisten Mitbeschuldigten D.
ausgespäht, der auch den Mitbeschuldigten G.
zum Tatort nach Ei.
mitgebracht hatte. Um den Aufbruch des Geschädigten vom Lokal "Bu. " nicht zu verpassen, patrouillierte der Mitbeschuldigte D.
mit einem Pkw Smart Fortwo, amtliches Kennzeichen
, zunächst im unmittelbaren Nahbereich des Lokals "Bu.
" mehrfach die Mü.
Straße entlang und folgte schließlich um 03:12 Uhr dem Pkw des Geschädigten Schw. in geringem Abstand. Das Fahrzeug war dem D.
zuvor zu diesem Zweck von dem ebenfalls in B. wohnenden Mitbeschuldigten M. überlassen worden. Zur Abstimmung untereinander, insbesondere zur Weitergabe der Beobachtungen des Mitbeschuldigten D.
und zur Festlegung des unmittelbaren Tatbeginns,
nutzten die Beschuldigten zu diesem Zweck vorbereitete und nur für diesen Einsatz bestimmte "Aktionstelefone", wobei die Beschuldigte und der Mitbeschuldigte A. die fortlaufenden Absprachen koordinierten.
Nachdem der Geschädigte Ri. von seinen Begleitern gegen 03:15 Uhr nahe seiner Wohnanschrift abgesetzt worden war, griffen die Beschuldigte und die Mitbeschuldigten G.
, A. , Lö. , P. und E. sowie der unbekannte Mittäter maskiert und mit verschiedenen Schlagwerkzeugen
- Stangen, Schlagstöcken, einem Hammer und einem Radschlüssel - bewaffnet den Geschädigten Ri. gemeinsam an. Die Beschuldigte, die auch in diesem Fall den Angriff anführte, setzte ein großes Reizstoffsprühgerät gegen den Geschädigten Ri. ein; weitere Angreifer drangen mit Faustschlägen und den mitgeführten Hiebwaffen auf ihn ein.
Ri. konnte den Angriff durch Versprü- hen von Pfefferspray und die Androhung abwehren, ein mitgeführtes Teppichmesser einzusetzen, so dass er selbst nicht verletzt wurde. Die Geschädigten Schw. , Ac.
und An. hatten derweil ihr Fahrzeug angehalten und verlassen, um Ri. beizustehen, flüchteten aber, als die Angreifer sich nunmehr ihnen zuwandten, wieder in den Pkw des Schw. . Da sich das Fahrzeug zunächst nicht starten ließ, gelang es den Beschuldigten, den Pkw mit ihren Stangen und Teleskopschlagstöcken erheblich zu beschädigen. Sie zertrümmerten Scheiben sowie Außenspiegel und zerbeulten Türen und Kotflügel. Durch die geschaffenen Öffnungen und zwei halb geöffnete Fahrzeugtüren versprühten die Täter Reizstoff in das Fahrzeuginnere und schlugen mit Fäusten sowie Schlagwerkzeugen vielfach auf die wehrlos in dem Fahrzeug festsitzenden Geschädigten ein. Erst als der Geschädigte Schw. den Pkw starten konnte, ließen die Angreifer von ihnen ab und flüchteten in ihren eigenen Fahrzeugen.
Die Geschädigten erlitten Augen- und Hautreizungen; die Geschädigten Schw. , An. und Ac.
wurden deshalb sowie wegen weiterer Verletzungen im Ei.
Klinikum notärztlich versorgt: der Geschädigte Schw. wegen zweier Kopfplatzwunden und einer Schnittwunde an der Ohrmuschel sowie einer Ellenbogenprellung; der Geschädigte An. erlitt multiple Schürfwunden und Prellungen an Händen, Knien und Ellenbogen, der Zeuge Ac. trug eine sternförmig ausgefranste Kopfplatzwunde und eine Fingerprellung davon.
gg) Tat 7:
Nach der Tat flüchteten die Beschuldigten und der unbekannte Mittäter in zwei Fahrzeugen in Richtung Autobahn A durch das Ei.
Stadtgebiet,
wobei sie von mehreren Streifenwagen verfolgt wurden. Das Fahrzeug der Beschuldigten und des Mitbeschuldigten A. , der von der Beschuldigten regelmäßig genutzte Pkw VW Golf, wurde nach kurzer Verfolgung noch in Ei.
gestoppt. An diesem Fahrzeug hatten die Beschuldigten, um ihre Tatbeteiligung zu verschleiern, die - wie sie wussten - zuvor gestohlenen Kennzeichentafeln angebracht; die Original-Kennzeichen des auf die Mutter der Beschuldigten zugelassenen Pkw lagen noch auf der Rücksitzbank.
hh) Tat 8:
Am Abend des 15. Februar 2020 überfiel am Bahnhof in W. eine aus etwa 15 bis 20 Personen bestehende Angreifergruppe, der die Beschuldigten R. und M. angehörten, gemäß einem zuvor abgestimmten gemeinsamen Tatplan sechs dem äußeren Anschein der "rechten Szene" zugehörige Personen, die sich auf dem Rückweg von einer Gedenkveranstaltung in Dr.
anlässlich des 75. Jahrestags der Bombardierung der Stadt befanden.
Um den Ablauf des Tages, einschließlich eines - zu diesem Zeitpunkt noch nicht näher konkretisierten, aber schon fest beabsichtigten - gewaltsamen Übergriffs auf Teilnehmer der Dr.
Demonstration zu planen und um sich zu den Einzelheiten mit weiteren Mittätern abzustimmen, hatten sich die Mitbeschuldigten G.
, R. und M. am Vormittag des 15. Februar 2020 in L.
mit weiteren Personen an einem zuvor verabredeten Sammelplatz in der Ha.
straße getroffen. Nach Festlegung der den einzelnen Tätergruppen im Verlauf des 15. Februar 2020 obliegenden Rollen verteilten sie sich auf die am Sammelplatz wartenden Fahrzeuge - darunter auch den Pkw VW Golf der Beschuldigten, den diese in Kenntnis des Verwendungszwecks zur Verfügung gestellt hatte.
Nach dem Ende der Demonstration in Dr. trat ein Großteil der Veranstaltungsteilnehmer - darunter die späteren Geschädigten Hel. , Led. ,
Z. und Ka. mit ihren Begleitern Schwe. und Ac.
- die Heimreise mit der Bahn an, wobei die Geschädigten Z. und Hel. äußerlich anhand ihrer Bekleidung und der von Z. mitgeführten "Reichskriegsflagge" der rechten Szene zuzuordnen waren. Aus diesem Grund waren sie von der Beschuldigten und dem Mitbeschuldigen G.
, die sich anlässlich der Veranstal- tung ebenfalls in Dr. aufgehalten hatten, und ihren Mittätern als spätere Tatopfer des am Vormittag abgestimmten Überfalls ausgewählt worden. Dem Tatplan entsprechend überwachten die Beschuldigte und der Mitbeschuldigte G.
zur Absicherung des bevorstehenden Angriffs die Rückreise der Geschädigten sowie ihrer Begleiter vom Dr.
Hauptbahnhof im Regionalexpress der Deutschen Bahn Richtung W. . Dazu verblieb die Beschuldigte während der Fahrt in Sichtweite der Geschädigten und gab von dort telefonisch fortlaufend den Standort und das Vorankommen des Zuges an die zum späteren Tatort nach W. beorderten, zur unmittelbaren Tatausführung vorgesehenen Mittäter durch. Der Mitbeschuldigte G.
durchstreifte zu Beginn der Fahrt sichernd die Zugteile und verfolgte am Haltepunkt in W. an einer geöffneten Wagentür den Ausstieg der Fahrgäste.
Absprachegemäß und in fortwährender Abstimmung mit den als Späher im sich nähernden Regionalzug aus Dr.
postierten Personen lauerten die Angreifer gegen 19:30 Uhr am W.
Bahnhof - inzwischen dunkel gekleidet,
mit Sturmhauben und Kapuzen vermummt sowie mit Teleskopschlagstöcken,
Bierflaschen und Reizgassprühgeräten bewaffnet - an einer vom Bahnsteig nicht einsehbaren Ecke des Bahnhofsgebäudes den als Tatopfern ausersehenen Personen auf, als diese den Zug verließen und sich - sich keines Angriffs versehend - auf dem Bahnsteig in Richtung einer Fußgängerunterführung bewegten.
Als sie den Hinterhalt der ihnen zahlenmäßig überlegenen Angreifergruppe bemerkten, versuchten sie zu fliehen. Dabei wurden sie von den Angreifern verfolgt,
die ihnen mit meist gezielt gegen den Kopf eingesetzten Schlagwerkzeugen und Pfefferspray nachsetzten. Während ihre Begleiter Schwe. und Ac.
unverletzt fliehen konnten, wurden die Geschädigten Z. , Hel. , Led. und Ka. mit vielfachen Schlagstock- und Faustschlägen zu Boden gebracht, wo die Täter weiter auf die bereits blutenden Geschädigten mit Tritten gegen den Kopf - die mit Rufen "Bleib liegen, Du Nazi!" unterlegt waren - und unter wiederholtem Einsatz der mitgeführten Teleskopschlagstöcke einwirkten.
Die Geschädigten Z. , Hel. , Led. und Ka. erlitten jeweils multiple Prellungen, Hautabschürfungen und mehrere behandlungsbedürftige Kopfplatzwunden, die im Krankenhaus W. ambulant chirurgisch mit Klammernähten versorgt wurden. Angesichts Lokalisation und Intensität der Beibringung handelte es sich dabei bei den Geschädigten Ka. , Led. und Z. um potentiell lebensbedrohliche Verletzungen.
b) Der dringende Tatverdacht (§ 112 Abs. 1 Satz 1 StPO) hinsichtlich der Taten 2, 3 und 8 beruht auf Folgendem:
aa) Die Abläufe der einzelnen Taten und ihre Folgen ergeben sich aus den jeweiligen polizeilichen Ermittlungen und werden insbesondere belegt durch Zeugenaussagen, Arztberichte und Gutachten sowie die Auswertung von Videoaufnahmen und Asservaten.
bb) Belege für die Mitwirkung sämtlicher Mitbeschuldigter, insbesondere der Beschuldigten Eng. , an diesen Straftaten und Betätigungshandlungen für die Vereinigung ergeben sich aus den zwischenzeitlich gewonnenen Erkenntnissen, aus den zu den Einzelvorgängen zuvor jeweils durchgeführten polizeilichen Ermittlungen und aus Erkenntnissen aus dem unter dem Aktenzeichen 2 BJs geführten Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof gegen den Mitbeschuldigten M. und andere. Im Einzelnen:
(1) Die Beteiligung der Beschuldigten an der Vorbereitung des gewaltsamen Angriffs auf den Geschädigten Sch. durch die Aufklärung seines Wohn- umfelds (Tat 2) ergibt sich aus Bildern dieses Späheinsatzes, die die Beschuldigte in ihrer Wohnung auf einer dort am 10. Juni 2020 sichergestellten SD-Karte aufbewahrte. Dabei handelt es sich um fünf vom Beifahrersitz eines Pkw Ford Tourneo Connect aus aufgenommene Fotos, die am 7. August 2018 in der Zeit von 18:29:58 Uhr bis 19:03:47 Uhr mit einer Kamera desselben Typs gefertigt wurden, wie sie im September 2018 von der Beschuldigten und dem Mitbeschuldigten G.
während eines gemeinsamen Urlaubs in Al. verwendet wurde. Die ersten drei Bilder zeigen die Anfahrt zum Tatort auf der Bundesstraße von L. kommend; die Bilder 4 und 5 wurden um 18:58:35 Uhr bzw.
19:03:47 Uhr direkt im W.
Ortsteil Kü. aufgenommen. Der Aufnahmezeitpunkt der Bilder korrespondiert sowohl nach dem Wochentag - Dienstag - als auch nach der Tageszeit - am Abend um etwa 19:00 Uhr - mit der späteren Ausführung des Überfalls auf den Geschädigten Sch. zwölf Wochen später. Zudem stehen die fotografierten Örtlichkeiten unmittelbar mit der späteren Tat in Zusammenhang; auf einem der Bilder ist sogar ein Trainingskamerad des Geschädigten Sch. zu erkennen. Die auf den Bildern 4 und 5 aufgenommenen Stellen liegen,
wie auch der Tatort vom 30. Oktober 2018 selbst, am Ortsrand ohne erkennbaren Bezug zu Zielen für auswärtige Besucher, die eine Anwesenheit, zumal in den Abendstunden, nachvollziehbar erscheinen lassen könnten.
Der Geschädigte Sch. entspricht aufgrund seiner politischen Orientierung wie auch seiner Beteiligung an dem schweren Landfriedensbruch im Januar 2016 in C. , die vor der Tat Gegenstand verschiedener linksgerichteter Internetveröffentlichungen war, dem Zielspektrum der Vereinigung.
(2) Der Verdacht, dass es sich bei dem Überfall auf den Geschädigten N. am 8. Januar 2019 (Tat 3) um eine Tat handelt, an der Mitglieder der Vereinigung - darunter die Beschuldigte und der Mitbeschuldigte G.
- in Umsetzung des Vereinigungszwecks beteiligt waren, ergibt sich aus am 15. Februar 2020 im Pkw Smart Fortwo des Mitbeschuldigten M. geführten und überwachten Gesprächen.
(a) Die weiteren Ermittlungen haben ergeben, dass es sich bei dem zunächst vermeintlich als Ne. identifizierten Gesprächsteilnehmer am
15. Februar 2020 (Sprecher "u. "), der neben den Mitbeschuldigten M. und R. auf der Gesprächsaufzeichnung zu hören ist, tatsächlich um den Mitbeschuldigten G.
handelt.
(aa) Insbesondere identifizierten drei Vollzugsbeamte der Justizvollzugsanstalt Ca.
, in der sich der Mitbeschuldigte G.
von Februar bis September 2019 in Strafhaft befand, diesen nach Anhören der aus dem Fahrzeug gewonnenen Gesprächsaufzeichnung als den Sprecher "u. ", während Beamte des Landeskriminalamts Sa. , die am 5. November 2020 anlässlich der Durchsuchung seiner Wohnung mit Ne. gesprochen hatten, den Mitbeschuldigten Ne. nicht als Sprecher "u. " auf der Aufzeichnung vom
15. Februar 2020 wiederzuerkennen vermochten.
(bb) Ferner umschreibt der Sprecher "u. " vor dem Einsteigen in das Auto den Zielort gegenüber dem Fahrzeugführer M. mit den Worten, sie müssten "jetzt zu Mi. ". Nach einigen Minuten Fahrt erläutert er auf M. s Nachfrage nach der Anschrift "Wo ich früher gewohnt habe" und nochmals, als M. sich offenbar verfahren hat: "Wir müssen zu mir, in meine alte Wohnung". Das Fahrzeug kommt anschließend in der Ha. straße auf Höhe der Hausnummer zum Stehen. Unter der Adresse Ha. straße war seit dem 15. Februar 2020 der Mitbeschuldigte A. gemeldet, dessen Spitzname "Mi. " lautet. Vormieter des Mitbeschuldigten A. in der Wohnung Ha. straße war zwar Ne. . Dieser war jedoch spätestens Mitte des Jahres 2019 zu seiner Lebensgefährtin in die R. straße verzogen. Tatsächlich nutzte der Mitbeschuldigte G.
nach seiner Haftentlassung am 18. September 2019 die Wohnung in der Ha. straße als zeitweiligen dauerhaften Aufenthalt. Dies ergibt sich aus Fotos, die von Negativen aus der Habe der Beschuldigten entwickelt wurden und die Beschuldigte und den Mitbeschuldigten G.
in der Wohnung Ha. straße zeigen. Zwar kann das Aufnahmedatum der Bilder nicht bestimmt werden. Jedoch lässt die auf den Bildern erkennbar spärliche Möblierung im Vergleich zur Nutzung der Wohnung im Juni 2020, als dort beim Mitbeschuldigten A. durchsucht wurde, auf einen vor dem Einzug A. s liegenden Aufnahmezeitpunkt schließen. Der unaufgeräumte Zustand der Wohnung mit verstreuten Bekleidungs- und persönlichen Gegenständen sowie die Benutzung des einzigen Bettes der Einzimmerwohnung durch die Beschuldigte und den Mitbeschuldigten G.
sprechen für eine längerfristige alleinige Nutzung der Wohnung - gerade nicht als Besucher oder bloße Mitbewohner.
Auch der Hausmeister hatte den Eindruck, der Mitbeschuldigte Ne. habe die Wohnung im Jahr 2019 nicht selbst genutzt, sondern untervermietet gehabt.
Darüber hinaus spricht für die damalige Nutzung der Wohnung durch den Mitbeschuldigten G.
der von dessen E-Mail-Adresse geführte Mail-Verkehr mit der für die Wohnung Ha.
straße zuständigen Hausverwaltung " I.
", in dem sich der Mitbeschuldigte G.
unter dem Namen seiner Mutter R. G.
ab dem 6. September 2019 - kurz vor seiner Entlassung aus der Haft - um diese Wohnung bemühte.
Ne. hatte seinerseits R. G.
als Nachmieterin der Wohnung vorgeschlagen, die allerdings tatsächlich bereits zum 30. Juli 2019 mit ihren anderen Kindern eine neue Wohnung in Pe.
bezogen hatte. Unter dem 6. Dezember 2019 leitete der Mitbeschuldigte G.
, wiederum von seiner E-Mail-Adresse
, den Abschluss eines Mietverhältnisses mit der Hausverwaltung " " betreffende Dokumente an den Mitbeschuldigten A.
weiter, der die Wohnung dann tatsächlich zum 15. Februar 2020 übernahm.
(cc) Schließlich spricht der Austausch mit dem Mitbeschuldigten M.
über eigene Erfahrungen in der Haft in dem aufgezeichneten Gespräch vom
15. Februar 2020 dafür, dass es sich bei dem Sprecher "u. " um den Mitbeschuldigten G.
handelte.
55
(b) Inhaltlich berichtete der Mitbeschuldigte G.
("u. ") in dem überwachten Gespräch den Mitbeschuldigten M. und R. über die Tat vom
8. Januar 2019 ("Auf.
") und die in dem Ermittlungsverfahren gegen einen Verdächtigen "Y.
" zusammengetragenen Verdachtsmomente. Der Mitbeschuldigte G.
stellte klar, dass dieser Verdächtige gerade "nicht dabei" gewesen sei und räumt seine eigene unmittelbare Tatbeteiligung ein: "Das waren wir, er hat überhaupt nix damit zu tun". Mit der ohne weitere Differenzierung verwendeten Formulierung "wir" schließt er sich selbst in die den Überfall vor Ort ausführende Tätergruppe ein und übernimmt gegenüber seinen gleichgesinnten und mit ihm vertrauten Zuhörern eigene Verantwortung für die Tatausführung. Er verfügt über Täterwissen insoweit, als er die Anwesenheit einer anderen, von den Ermittlungsbehörden verdächtigten Person am Tatort ausdrücklich ausschließt.
Zudem ordnet der Mitbeschuldigte G.
den Überfall auf den Geschädigten N. ("Kan.
") am 8. Januar 2019 einem Personenverband zu, dem auch er sich zugehörig fühlt und nimmt eine klare Abgrenzung zu anderen von den Ermittlungsbehörden beschuldigten Szeneangehörigen vor.
56
(c) Dass neben dem Mitbeschuldigten G.
auch die Beschuldigte an dem Überfall vom 8. Januar 2019 beteiligt war, ergibt sich neben der engen persönlichen Bindung der beiden insbesondere aus Zeugenaussagen. Die von den Zeugen beschriebenen Handlungen der weiblichen Tatbeteiligten - die Abwehr hilfsbereiter Personen mittels eines Reizstoffsprühgeräts und die Rechtfertigung mit der (angeblichen) politischen Orientierung des Opfers - entsprechen dem Tatziel und den Tatbeiträgen der Beschuldigten bei den späteren Überfällen am 19. Oktober und 14. Dezember 2019 in Ei. , an denen der Mitbeschuldigte G.
ebenfalls unmittelbar beteiligt war.
(3) Der dringende Verdacht, dass die Beschuldigte gemeinsam mit dem Mitbeschuldigten G.
unmittelbar vor dem Überfall in W.
am
15. Februar 2020 (Tat 8) die späteren Geschädigten auf ihrer Rückfahrt mit der Bahn von Dr.
nach W. überwachte, ergibt sich aus der automatischen Videoaufzeichnung im Regionalexpress
; der spätere Ausstieg der Beschuldigten gegen 19:50 Uhr in L. ist durch Videoaufzeichnungen der dort anwesenden Bundespolizeikräfte dokumentiert, wobei beide Beschuldigten offensichtlich darauf bedacht waren, nicht von den Kameras erfasst zu werden. Der Überfall auf dem gegnerischen politischen Lager zugehörige Tatopfer im Nachgang entsprechender Demonstrationsveranstaltungen entspricht zudem bereits früher von dem Mitbeschuldigten G.
gezeigtem Verhalten, als er gemeinsam mit noch zwei unbekannten Mittätern am 15. Januar 2015 nach einer Demonstration in L. auf dem Heimweg befindliche Veranstaltungsteilnehmer angegriffen und erheblich verletzt hatte.
58 Die Absprachen der Mitbeschuldigten G.
, R. und M. am Vormittag des 15. Februar 2020 zum Ablauf einer für diesen Tag mit weiteren Mittätern geplanten Gewalttat ergeben sich aus im Pkw des M. geführten und überwachten Gesprächen. So begaben sich die Genannten ab 10:12 Uhr zu einem zuvor vereinbarten Sammelpunkt in der Ha. straße in L. . Dort sollten weitere Personen getroffen und das Auto gewechselt werden. Nach dem Aussteigen am Treffpunkt in der Ha. straße erörterten die Beschuldigten beim Entladen ihres Gepäcks aus dem Kofferraum des Smart die von ihnen - erkennbar zu einer sich anschließenden Straftat - mitgeführte Wechselkleidung sowie Vermummung und besprachen die Anzahl der mitgebrachten Reizstoffsprühgeräte. Weiterer Gesprächsgegenstand war die beabsichtigte Einteilung (der Tatbeteiligten) in sogenannte "Bezugsgruppen", naheliegend um einen reibungslosen Tatablauf mit klaren Verantwortlichkeiten und vor Ort eine bessere Orientierung der Vielzahl von Beteiligten zu gewährleisten.
59
(4) Die Ausspähung des En.
durch die Beschuldigte und den Mitbeschuldigten R. am 3. und 5. Juni 2020 ergibt sich aus in dem Ermittlungsverfahren 431 Js der Staatsanwaltschaft Mei.
gewonnenen Observationsergebnissen. Die Beteiligung des Beschuldigten A. folgt aus Asservaten- und Verkehrsdatenauswertungen, die dessen Kommunikation jedenfalls mit der Beschuldigten am 4. Juni 2020 belegen, welche wiederum über nur zu diesem Zweck eingesetzte "Aktionstelefone" abgewickelt wurde. Dabei korrespondieren die Kommunikationszeiten am 4. Juni 2020 (Donnerstag) von
12:44 Uhr bis 14:09 Uhr mit dem Zeitpunkt des eigenen Aufklärungseinsatzes der Beschuldigten am folgenden Tag, als sie sich von etwa 13:30 Uhr bis
15:00 Uhr an einer der Wohnanschrift des En.
nahegelegenen Straßenbahnhaltestelle aufhielt, um mögliche Rückkehroptionen des En.
nach seiner schriftlichen Examensprüfung - die am 8. Juni 2020 (Montag) um
13:35 Uhr endete - auszukundschaften.
Dass jedenfalls bei Gelegenheit der Zusammentreffen der Beschuldigten am 6. Juni 2020 (Samstag) auch Planungen zum Überfall auf En.
vorangetrieben wurden, legt schon die zeitliche Nähe zu den vorangegangenen Späheinsätzen der Beschuldigten und des Mitbeschuldigten R. am 3. und
5. Juni 2020 nahe. Ebenso wie der Geschädigte Sch. fällt En.
wegen seiner Beteiligung am sogenannten "S.
" in das Zielspektrum der Vereinigung. So versuchte der Mitbeschuldigte G.
während seiner Inhaftierung in der Justizvollzugsanstalt Re.
vom
19. Oktober 2016 bis 29. November 2017 Beteiligte des sogenannten "S.
" zu identifizieren. Passend zu sich offenbar am Wochenende
6./7. Juni 2020 der Vollendung nähernden Tatvorbereitungen reiste am Sonntagabend der Mitbeschuldigte M. aus B. an und begab sich direkt zur Wohnanschrift der Beschuldigten - naheliegend um die bereits in L. versammelte Tätergruppe aufgrund seiner Kampfsportfertigkeiten bei dem bevorstehenden Angriff auf das seinerseits kampfsporterfahrene Tatopfer zu unterstützen.
Dass die Vereinigungsmitglieder am Montag, den 8. Juni 2020, alle gegen En. gerichteten Maßnahmen abbrachen, ergibt sich aus Observationserkenntnissen und Verkehrsdatenerhebungen von diesem Tag. So deckte die am Mittag und frühen Nachmittag des 8. Juni 2020 zwischen dem Mitbeschuldigten A. und drei weiteren Vereinigungsmitgliedern über zu diesem Zweck vorgehaltene "Aktionstelefone" geführte Kommunikation wiederum den Zeitraum ab, in dem die schriftliche Examensprüfung des En.
beendet war und dieser sich zurück an seine Wohnanschrift begab. Die zur Absicherung des En. umgesetzten polizeilichen Gefahrenabwehrmaßnahmen wurden von der Kontaktperson der Vereinigungsmitglieder K. bemerkt,
die am frühen Nachmittag des 8. Juni 2020 zur fortgesetzten Überwachung von En. s Wohnanschrift in der F. straße den Nahbereich der Adresse bestreifte. Dabei hatte sie zwischen 14:11 Uhr und 14:14 Uhr auch die F.
straße passiert, wo schon vor der Ankunft des En.
um
14:09 Uhr ein Streifenwagen eingetroffen war. Anschließend sprach K. um 14:15 Uhr in einer nahegelegenen Parkanlage unter einem Vorwand noch eine zivile Observationsbeamtin an, um die wahrgenommene Polizeipräsenz weiter aufzuklären. Unmittelbar darauf - um 14:20 Uhr - endete die Kommunikation zwischen den Vereinigungsmitgliedern über ihre "Aktionshandys" und der Mitbeschuldigte M. fuhr - nachdem er sich am Nachmittag mit der Beschuldigten getroffen hatte - schon am frühen Abend des 8. Juni 2020 wieder zurück nach B. .
cc) Der dringende Verdacht, dass die vorgenannten Taten der Beschuldigten und die Ausspähung des En.
im Juni 2020 Betätigungshandlungen desselben, seit August 2018 bestehenden und damit auf Dauer angelegten Personenzusammenschlusses sind, ergibt sich bereits aus der Mehrzahl der gemeinschaftlich begangenen Taten mit wiederkehrenden Verhaltensmustern; die Vorbereitung und Ausführung der einzelnen Überfälle belegen ein organisiertes, arbeitsteiliges Vorgehen durch eine - jedenfalls im Kern - miteinander vertraute und aufeinander eingespielte Tätergruppierung.
(1) Die innere Verbindung der beschuldigten Vereinigungsmitglieder beruht auf einer gemeinsamen militant-linksextremistischen Tatmotivation. Bei den Beschuldigten handelt es sich um aktive und polizeibekannte Linksextremisten, die - mit Ausnahme der Beschuldigten - bereits durch politisch motivierte Straftaten aufgefallen sind und insbesondere bei unfriedlich verlaufenden Demonstrationen, namentlich gegen politisch rechtsmotivierte Aufmärsche, festgestellt wurden.
64 Bei dem Mitbeschuldigten G.
manifestiert sich die linksextremistisch-antifaschistische Einstellung seit Jahren in der Begehung von Straftaten. So verurteilte ihn das Amtsgericht L. 2015 und 2017 wegen politisch motivierter Gewalttaten gegen Personen und Sachen im Zusammenhang mit eskalierten Demonstrationsveranstaltungen zu jeweils unbewährten Freiheitsstrafen. In einem Interview für das linksgerichtete Online-Portal "Su.
" rechtfertigt er Gewalt gegen politisch anders Denkende - konkret die oben bereits erwähnte Tat gegen Teilnehmer einer Demonstration, darunter auch eine Frau, die zu der Verurteilung im Jahr 2015 führte: "Vielleicht solltet ihr das mit der Frau nicht erzählen ... andererseits ist es vielleicht auch gut zu betonen, dass es keine Frage des Geschlechts ist, ob rassistische Hetze beantwortet wird". Für den Mitbeschuldigten M. belegen in dem Ermittlungsverfahren 2 BJs bekannt gewordene eigene Äußerungen seine militante Einstellung sowohl gegen Vertreter des politischen Gegners als auch gegenüber der Polizei.
Die beschuldigten Vereinigungsmitglieder eint demnach eine gemeinsame militant-linksextremistische Weltanschauung, die sich mit den Schwerpunkten Antifaschismus und Antirepression gegen die bestehende rechtsstaatliche Ordnung, insbesondere ihre Garantie von freier Meinungsäußerung und politischer Betätigung bis zur Grenze des Verbotenen, und gegen das staatliche Gewaltmonopol richtet. Aus Sicht der Beschuldigten gilt es, auch unter Einsatz von Gewalt gegen Personen, den politischen Gegner - "Nazis" und Rechtsextremisten, aber auch staatliche Institutionen wie die Polizei zu bekämpfen, deren Angehörige nach Bewertung der Beschuldigten gegen "Rechte" nicht mit der nötigen Härte vorgehen oder diesen selbst zugehören. Innerhalb der von den Beschuldigten gebilligten und für "gerecht" gehaltenen Militanz und auf der Grundlage ihrer linksextremistisch-antifaschistischen Einstellung richteten sich die verfahrensgegenständlichen Taten und Vorbereitungshandlungen gegen bekannte oder in der "linken" Szene bekannt gemachte Rechtsextremisten bzw. der "rechten" Szene zugehörige Personen oder, wie im Fall des Geschädigten N. , gegen Menschen, die die Beschuldigten als solche ansahen.
(2) Dabei grenzen sich die Vereinigungsmitglieder als Gruppe in für außenstehende Dritte deutlich wahrnehmbarer Weise nach ihrer Zielsetzung, vor allem aber im Hinblick auf deren gewaltsame Umsetzung, von anderen linksradikalen Gruppen in C.
ab, wobei sie ihr - von politisch gleichgesinnten Umfeldpersonen teils negativ beurteiltes - Handeln wiederholt gegen Kritik von außen verteidigen und sich und die eigenen Praktiken anderen Szeneangehörigen überlegen wähnen.
(3) Der dringende Verdacht, dass die Vereinigung bereits im August 2018 aus mehr als nur zwei Personen bestand, folgt aus der Ausführung der durch die Ausspähungsfahrt der Beschuldigten und ihres unbekannten Mittäters vorbereiteten Tat am 30. Oktober 2018 durch mehrere koordiniert und abgestimmt handelnde Angreifer in Übereinstimmung mit den von der Beschuldigten gelieferten Aufklärungsergebnissen. Bei lebensnaher Betrachtung muss der Überfall zum Zeitpunkt der Ausspähung im August bereits beabsichtigt gewesen sein. Dass bis zur Umsetzung noch einige Wochen vergingen, dürfte daran gelegen haben, dass der Geschädigte Sch. zuvor über Wochen nur unregelmäßig Fußball gespielt hatte. Der Ende Oktober zeitnah nach Wiederaufnahme seiner regelmäßigen Trainingseinheiten auf dem Weg zum Fußballtraining ausgeführte Angriff spricht zudem für weitere, der Tatbegehung vorangegangene Ausspähungshandlungen. Solche wiederholte personal- und zeitintensive Ausforschungen erhärten die Annahme, dass es sich bei der spätestens Anfang August 2018 unter Mitwirkung der Beschuldigten begonnenen Tatvorbereitung und Organisation des Überfalls auf den Geschädigten Sch. um die Betätigung für eine bereits bestehende, mindestens drei Personen umfassende Vereinigung handelte.
c) Danach hat sich die Beschuldigte im Hinblick auf die Taten 2, 3 und 8 mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung in weiteren drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung (Tat 2) und in zwei Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Taten 3 und 8), davon in einem Fall in weiterer Tateinheit mit Landfriedensbruch (Tat 8) gemäß § 125 Abs. 1 Nr. 1, § 129 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2 bis 5, § 25 Abs. 2, § 27 Abs. 1, §§ 52, 53 StGB schuldig gemacht.
d) Die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof ergibt sich aus § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2, § 74a Abs. 1 Nr. 4 GVG in Verbindung mit § 129 Abs. 1 StGB. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen in dem Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 21. April 2021 Bezug genommen.
2. Jedenfalls soweit es die im Haftbefehl vom 21. April 2021 neu hinzugetretenen Vorwürfe zu Taten 3 und 8 betrifft, hat sich ein dringender Tatverdacht erst nach Erlass des ursprünglichen Haftbefehls vom 4. November 2020 ergeben:
a) Der im Zeitpunkt des Erlasses des (ersten) Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 4. November 2020 bestehende Verdacht,
dass es sich bei dem Überfall auf den Geschädigten N. (Tat 3) um eine Tat handelt, an der Vereinigungsmitglieder und unter ihnen möglicherweise auch die Beschuldigte beteiligt waren, hat sich erstmals mit der Identifizierung des Mitbeschuldigten G.
als Sprecher "u. " auf der Fahrzeuginnenraumüberwachung vom 15. Februar 2020 zu einem dringenden Tatverdacht im Sinne des
§ 112 Abs. 1 Satz 1 StPO verdichtet. Maßgeblich für die Identifizierung waren
- wie oben ausgeführt neben anderem - Erkenntnisse aus Vernehmungen von Justizvollzugsbeamten am 16./17. Februar 2021, so dass ab diesem Zeitpunkt ein neuer auf diese Tat gestützter Haftbefehl gegen die Beschuldigte hätte erlassen werden können.
b) Gleiches gilt im Ergebnis für den Überfall auf die Geschädigten Z. ,
Hel. , Led. und Ka. (Tat 8); auch insoweit ergab sich erst aus der Identifizierung des Mitbeschuldigten G.
am 16./17. Februar 2021 als Sprecher
"u. " auf der tatzeitnah gewonnenen Fahrzeuginnenraumüberwachung unter Berücksichtigung der oben dargelegten weiteren Erkenntnisse ein dringender Tatverdacht auch für eine Beteiligung der Beschuldigten.
c) Demgegenüber ergab sich betreffend den Überfall auf den Geschädigten Sch. ein dringender Tatverdacht bezüglich einer Beteiligung der Beschuldigten bereits zu einem weitaus früheren Zeitpunkt, nämlich bei Auswertung der im Rahmen der Durchsuchung vom 10. Juni 2020 sichergestellten Beweismittel.
3. Die Taten 3 und 8 rechtfertigen für sich genommen den Erlass eines Haftbefehls.
a) Bei der Beschuldigten besteht, selbst wenn nur die beiden neu hinzugetretenen Tatvorwürfe Berücksichtigung finden, der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Angesichts der der Beschuldigten vorgeworfenen Taten, ihrer Lebensverhältnisse und ihres Verhaltens nach der Tatbegehung ist es überwiegend wahrscheinlich, dass sie sich der Strafverfolgung entziehen wird.
aa) Die Beschuldigte hat im Falle einer Verurteilung wegen der ihr neuerlich vorgeworfenen Taten mit einer erheblichen, nicht mehr aussetzungsfähigen Freiheitsstrafe zu rechnen. Zwar ist sie nicht vorbestraft. Sie hat ihre Betätigung jedoch trotz wiederholter strafprozessualer Maßnahmen und in Kenntnis der gegen sie gerichteten Ermittlungen fortgesetzt. Unbeeindruckt von der Entdeckung ihrer Beschaffungstat am 13. Dezember 2019 und ihrer vorläufigen Festnahme nach dem Überfall am 14. Dezember 2019 hat die Beschuldigte ihr Wirken im Sinne des Vereinigungsziels zu keiner Zeit aufgegeben, sondern sich vielmehr aktiv an der Vorbereitung und Umsetzung einer weiteren dieser Zweckrichtung entsprechenden Gewalttat (Tat 8) beteiligt. Im Juni 2020 war es nur polizeilichem Eingreifen zu verdanken, dass der maßgeblich von der Beschuldigten ausgespähte En.
nicht in ähnlicher Weise wie der nur wegen seiner Mütze massiv verletzte Geschädigte N. zum Opfer eines schwerwiegenden körperlichen Angriffs wurde. Bei einer Verurteilung wird in der Strafzumessung neben ihrer herausgehobenen Stellung in der Vereinigung und ihrer wiederholten Tatbeteiligung zu berücksichtigen sein, dass die überwiegend detailliert geplanten und vorbereiteten Überfälle ein hohes Maß an krimineller Energie offenbarten.
bb) Demgegenüber verfügt die Beschuldigte nicht über ausreichend starke soziale Bindungen, die geeignet wären, dem dargestellten Fluchtanreiz nachhaltig entgegenzuwirken. Die Beschuldigte ist Studentin und ging vor ihrer Festnahme am 5. November 2020 nur einer geringfügigen Beschäftigung nach; ihre Wohnung wird im Wesentlichen von ihrer Mutter finanziert. Der langjährige Lebensgefährte und Verlobte der Beschuldigten, der Mitbeschuldigte G. , ist seinerseits untergetaucht und seit Juni 2020 unbekannten Aufenthalts. Hierbei wird nicht verkannt, dass die Beschuldigte ein sehr enges Verhältnis zu ihrer Mutter und eine enge Beziehung wohl auch zu ihrer Großmutter und ihrem Vater hat. Diese Bindungen haben sie jedoch auch nicht davon abgehalten, in zwei Fällen (Taten 3 und 8) massive Straftaten - so jedenfalls der einen dringenden Tatverdacht begründende gegenwärtige Ermittlungsstand - zu begehen.
b) Schließlich steht die Anordnung der Untersuchungshaft unter Berücksichtigung der der Beschuldigten nunmehr zur Last liegenden weiteren Taten
- 33 78 nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Fall der Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 112 Abs. 1 Satz 2, § 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Insoweit hat der Senat auch berücksichtigt, dass dem in Haftsachen allgemein geltenden Beschleunigungsgebot besondere Bedeutung zukommen kann, falls sich - wie hier - die Haftdauer insgesamt verlängert, weil während des Vollzugs der Untersuchungshaft eine neue Sechsmonatsfrist in Gang gesetzt worden ist und eine Haftprüfung nach den §§ 121, 122 StPO deshalb nicht stattfindet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. April 2017 - AK 14/17, juris Rn. 37; vom 7. September 2017 - AK 42/17, juris Rn. 47). Dem steht jedoch das Gewicht der der Beschuldigten angelasteten Taten sowie der Umfang und die Komplexität der Ermittlungen entgegen.
Auch die mit Verteidigerschriftsatz vom 31. Mai 2021 vorgebrachten, den Vollzug der Untersuchungshaft betreffenden Umstände rechtfertigen in der Sache keine andere Entscheidung.
4. Der Ablauf der durch den Haftbefehl vom 21. April 2021 in Gang gesetzten Sechsmonatsfrist steht noch nicht bevor. Dieser wird erst mit dem 17. August 2021 eintreten. Nach dem oben Dargelegten ist für den Fristbeginn der Zeitpunkt maßgebend, zu dem sich die einen neuen Haftbefehl rechtfertigenden Ermitt- lungsergebnisse zu einem dringenden Tatverdacht verdichtet haben. Dieser Zeitpunkt ist nach den aufgezeigten Anforderungen der Rechtsprechung hier mit dem 18. Februar 2021 gegeben.
Schäfer Paul Kreicker