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XIII ZA 2/25

BUNDESGERICHTSHOF XIII ZA 2/25 BESCHLUSS vom 20. Oktober 2025 in der Zurückweisungshaftsache ECLI:DE:BGH:2025:201025BXIIIZA2.25.0 Der XIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Oktober 2025 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Roloff, den Richter Dr. Tolkmitt, die Richterin Dr. Holzinger, den Richter Dr. Kochendörfer und die Richterin Pastohr beschlossen:

Der Antrag des Betroffenen auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die beabsichtigte Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 21. August 2025 wird abgelehnt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Der Antrag des Betroffenen auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das beabsichtigte Rechtsbeschwerdeverfahren ist zulässig (vgl. § 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 117 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2, § 78 Abs. 3 ZPO), aber unbegründet. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichenden Aussichten auf Erfolg (§ 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Im Streitfall stellen sich auch keine schwierigen Rechts- oder Tatsachenfragen, die unter Berücksichtigung der in Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3, Art. 19 Abs. 4 GG verbürgten Rechtsschutzgleichheit eine Gewährung von Verfahrenskostenhilfe auch ohne Erfolgsaussicht im engeren Sinne gebieten würden (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2025 - XIII ZB 18/25, juris Rn. 3 mwN; BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990 - 2 BvR 94/88, NJW 1991, 413, 414). Das Beschwerdegericht hat gegen den Betroffenen mit Recht Zurückweisungshaft nach § 15 Abs. 5 AufenthG angeordnet.

1. Die nach dieser Vorschrift erforderlichen Voraussetzungen sind erfüllt. Ein Ausländer soll gemäß § 15 Abs. 5 Satz 1 AufenthG zur Sicherung der Zurückweisung auf richterliche Anordnung in Haft genommen werden, wenn eine Zurückweisungsentscheidung ergangen ist und diese nicht unmittelbar vollzogen werden kann.

a) Der Betroffene ist bei dem Versuch der unerlaubten Einreise in das Bundesgebiet durch Beamte der beteiligten Behörde aufgehalten worden. Diese hat ihm mit Verfügung vom 5. Juli 2025 die Einreise gemäß § 15 Abs. 1 AufenthG verweigert. Von der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung oder Einreiseverweigerung und der darin getroffenen Bestimmung des Zielstaats haben die Haftgerichte vorbehaltlich - hier nicht gegebener - abweichender verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen oder offensichtlicher Unrichtigkeit auszugehen (vgl. nur BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2020 - XIII ZB 133/19, NVwZ 2021, 822 Rn. 8). Die Zurückweisung konnte auch nicht unmittelbar vollzogen werden, weil gegen den Betroffenen zwei Ersatzfreiheitsstrafen zu vollstrecken waren. Die Bundespolizei hatte die ihr vorliegenden, nach §§ 451, 456a Abs. 2 Satz 3, § 457 Abs. 2 Satz 1 StPO in Verbindung mit § 33 Abs. 1 StVollStrO erlassenen Vollstreckungshaftbefehle der Staatsanwaltschaften W und D gemäß § 33 Abs. 4 StVollstrO, § 39 Abs. 4 BPolG (vgl. Zeitler in BeckOK-StVollstrO, 16. Ed., § 33 Rn. 4, 6) zu vollziehen. Eine Verpflichtung der beteiligten Behörde, auf den staatlichen Strafvollstreckungsanspruch zu verzichten, bestand nicht. Eine solche kann auch nicht der Vorschrift des § 15 Abs. 5 AufenthG entnommen werden. Sinn und Zweck der Zurückweisungshaft, der darin besteht, die aufenthaltsrechtlich relevante Einreise des betroffenen Ausländers zu verhindern, steht dem vorhergehenden Vollzug einer Ersatzfreiheitsstrafe nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2014 - V ZB 77/14, BGHZ 203, 323 Rn. 7, zur Sicherungshaft).

b) Der Betroffene ist - wie das Beschwerdegericht zutreffend angenommen hat - nicht dadurch in das Bundesgebiet eingereist, dass er zum Zweck der Vollstreckung dieser Ersatzfreiheitsstrafen in eine inländische Justizvollzugsanstalt verbracht worden ist.

aa) Ein Ausländer ist nach § 13 Abs. 2 Satz 1 AufenthG an einer zugelassenen Grenzübergangsstelle zwar eingereist, wenn er die Grenze überschritten und die Grenzübergangsstelle passiert hat. Lassen die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden einen Ausländer vor der Entscheidung über die Zurückweisung oder während der Vorbereitung, Sicherung oder Durchführung dieser Maßnahme die Grenzübergangsstelle aber nur zu einem bestimmten vorübergehenden Zweck passieren, so liegt gemäß § 13 Abs. 2 Satz 2 AufenthG keine Einreise im Sinne des Satzes 1 vor, solange ihnen eine Kontrolle des Aufenthalts des Ausländers möglich bleibt (vgl. auch Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses vom 6. November 1996, BT-Drucks. 13/5986, S. 10). Diese Voraussetzungen sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insbesondere dann erfüllt, wenn der Betroffene im Inland in Zurückweisungshaft genommen wird (BGH, Beschluss vom 12. August 2018 - V ZB 162/17, NVwZ 2018, 1581 Rn. 17; siehe auch BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2000 - 1 C 25/99, BVerwGE 111, 284 [juris Rn. 17]). Das Gleiche muss ohne Weiteres auch für den Fall gelten, dass gegen den Betroffenen eine Ersatzfreiheitsstrafe in einer Justizvollzugsanstalt vollstreckt wird und die beteiligte Behörde währenddessen die Rückführung des Betroffenen organisiert. Auch dann lässt die zuständige Behörde den betroffenen Ausländer die Grenze nur zu einem bestimmten Zweck passieren und kann seinen Aufenthalt uneingeschränkt kontrollieren. Die gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 AufenthG angeordnete Fiktion der Nichteinreise wird demnach durch die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe nicht berührt.

bb) Diese Regelung steht auch zweifelsfrei mit dem Unionsrecht in Einklang. Bei der hier in Rede stehenden Zurückweisung eines Betroffenen an einer Außengrenze ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Art. 15 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 vom 24. Dezember 2008, nachfolgend: Rückführungsrichtlinie) auf die Zurückweisungshaft nicht anwendbar, weil Deutschland mit der Einführung und Beibehaltung der Zurückweisungshaft nach § 15 Abs. 5 AufenthG und des Transitaufenthalts gemäß § 15 Abs. 6 AufenthG für die Fälle der unerlaubten Einreise auf dem Luft-, See- oder Landweg ein Sonderregime eingeführt hat, das die Haftanordnung nicht vom Vorliegen von Haftgründen abhängig macht. Das ist nach Art. 2 Abs. 2 Rückführungsrichtlinie zulässig (BGH, Beschlüsse vom 20. September 2017 - V ZB 118/17, NVwZ 2018, 349 Rn. 12; vom 10. März 2016 - V ZB 188/14, NVwZ-RR 2016, 518 Rn. 5, 9; siehe auch Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex vom 12. April 2011, BT-Drucks. 17/5470, S. 23). Die Nichteinreisefiktion des § 13 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ist unabdingbare Voraussetzung für das vom Gesetzgeber in § 15 Abs. 5 AufenthG vorgesehene Regelungskonzept und daher ebenfalls von der Öffnungsklausel gemäß Art. 2 Abs. 2 Rückführungsrichtlinie gedeckt (vgl. BGH, Beschluss vom 12. April 2018 - V ZB 162/17, NVwZ 2018, 1581 Rn. 14, 17; ganz h.M., Dollinger in BeckOK AuslR, 45. Ed. [1.10.2024], § 13 AufenthG Rn. 22; Kolber in Bergmann/Dienelt, 15. Aufl., § 13 AufenthG Rn. 15; Fränkel in NK-AuslR, 3. Aufl., § 15 AufenthG Rn. 1; offen gelassen bei Huber/Nestler/Vogt in Huber/Mantel, 4. Aufl., § 13 Rn. 20; a.A. Funke-Kaiser in GK-AufenthG, 124. Lieferung, § 13 AufenthG Rn. 60, § 15 AufenthG Rn. 22, vgl. dazu indes BGH, Beschluss vom 19. Januar 2010 - StB 27/09, BGHSt 54, 275 [juris Rn. 96 bis 100 mwN]; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 29. September 2022 - 1 BvR 2380/21, 1 BvR 2449/21, BVerfGE 163, 107 Rn. 86, 94).

c) Die Zurückweisungshaft setzt, wenn der Betroffene - wie hier - an einer Außengrenze zurückgewiesen worden ist, keinen Haftgrund voraus (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 18. Juni 2017 - V ZB 127/16, InfAuslR 2017, 345 Rn. 10; zur Zurückweisung an Binnengrenzen vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2020 - XIII ZB 81/19, NVwZ 2021, 262 Rn. 12 und 14 mwN; EuGH, Beschluss vom 21. September 2023 - C-143/22, NVwZ 2023, 1649 Rn. 34 bis 37 - Association Avocats pour la défénse des droits des étrangers).

2. Der Senat hat die vom Betroffenen mit der Antragsschrift vorgebrachten Einwände gegen die Haftanordnung geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass das Beschwerdegericht die Grundsätze des fairen Verfahrens verletzt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2025 - XIII ZB 24/24, juris Rn. 18). § 62d AufenthG findet auf die Zurückweisungshaft keine Anwendung (BGH, Beschluss vom 29. Oktober 2024 - XIII ZB 76/24, NVwZ 2025, 278 Rn. 8 ff.). Dem Betroffenen ist ausweislich der Gerichtsakte die Ladung zum Termin zur persönlichen Anhörung vom 21. August 2025 bereits am 18. August 2025 und damit rechtzeitig zugestellt worden. Nach dem Inhalt des Protokolls der persönlichen Anhörung vor dem Beschwerdegericht war die Verständigung mit dem Betroffenen sichergestellt.

3. Auch von Amts wegen zu berücksichtigende Gesichtspunkte rechtfertigen keine andere Beurteilung. Insbesondere ist wegen der laufenden Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe von insgesamt 127 Tagen die Dauer der zulässigerweise parallel zur Strafhaft angeordneten Zurückweisungshaft (BGH, Beschlüsse vom 4. Dezember 2014 - V ZB 77/14, BGHZ 203, 323 Rn. 7; vom

26. März 2024 - XIII ZB 30/22, juris Rn. 19), unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht zu beanstanden (§ 15 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 62 Abs. 4 AufenthG).

Roloff Kochendörfer Tolkmitt Holzinger Pastohr Vorinstanzen: AG Dortmund, Entscheidung vom 05.07.2025 - 890 XIV(B) 26/25 LG Dortmund, Entscheidung vom 21.08.2025 - 9 T 316/25 -

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Sortiert nach der Häufigkeit
Häufigkeit Paragraph
10 15 AufenthG
7 13 AufenthG
2 62 AufenthG
2 76 FamFG
2 33 StVollstrO
1 39 BPolG
1 15 EG
1 3 GG
1 19 GG
1 20 GG
1 451 StPO
1 456 StPO
1 457 StPO
1 78 ZPO
1 114 ZPO
1 117 ZPO

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