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4 StR 576/24

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES StR 576/24 URTEIL vom 22. Mai 2025 in der Strafsache gegen wegen Totschlags ECLI:DE:BGH:2025:220525U4STR576.24.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. Mai 2025, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Quentin,

Richter am Bundesgerichtshof Dr. Sturm, Dr. Maatsch, Dr. Scheuß, Richterin am Bundesgerichtshof Marks als beisitzende Richter,

Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof ‒ in der Verhandlung – Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof ‒ bei der Verkündung ‒

als Vertreter des Generalbundesanwalts,

Rechtsanwältin als Verteidigerin,

Rechtsanwalt als Vertreter des Nebenklägers M.

A.

,

Rechtsanwalt als Vertreter der Nebenklägerin R.

A.

Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

,

für Recht erkannt:

Die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 23. April 2024 werden verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Von Rechts wegen Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Hiergegen richtet sich die mit mehreren Verfahrensbeanstandungen und der Rüge der Verletzung materiellen Rechts geführte Revision des Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihrer auf die Sachrüge gestützten, vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision eine Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes. Beide Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

I.

Das Landgericht hat im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:

Zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten bestand seit längerer Zeit ein angespanntes Verhältnis. Hintergrund dessen war, dass der Angeklagte mit der geschiedenen Ehefrau des Geschädigten, mit der dieser ein gemeinsames Kind hatte, zusammenlebte und nach islamischem Recht verheiratet war. Es kam mehrfach zu Auseinandersetzungen zwischen beiden Männern, die Strafverfahren unter anderem wegen Körperverletzungsvorwürfen sowohl gegen den Angeklagten als auch den Geschädigten nach sich zogen.

Am 8. April 2022 wurde die Wohnung, in der die Schwester des Geschädigten mit ihrer Familie lebte, wegen eines gegen den Geschädigten bestehenden Verdachts durch Polizeibeamte durchsucht. Danach begann der Geschädigte, den Angeklagten unter anderem über soziale Medien zu provozieren und zu beleidigen. Dieser antwortete mit einer Textnachricht, die ebenfalls Beleidigungen enthielt. Im weiteren Verlauf des Abends kam es noch bis 2:13 Uhr zu wechselseitiger Kommunikation beider Männer über soziale Medien, durch das Übersenden von Nachrichten sowie durch Telefonate, in denen beide einander beleidigten und bedrohten. Der Geschädigte hielt dem Angeklagten unter anderem vor, dieser traue sich nicht, allein bei ihm zu erscheinen, sondern wolle „vier oder fünf Leute einsammeln und zu mir bringen“; wäre der Angeklagte „ein echter Mann“, so solle er vor ihn treten und er – der Geschädigte – werde ihm zeigen, „was Männlichkeit bedeutet“.

Durch die Kommunikation mit dem Geschädigten gereizt, beschloss der Angeklagte, der im Lauf des Abends Alkohol und Kokain konsumiert hatte,

schließlich, diesen zu töten. Er suchte um 3 Uhr nachts mit zwei unbekannten Begleitern die Wohnung der Schwester des Geschädigten auf, wo dieser sich aufhielt. Alle drei waren maskiert und mit Teleskopschlagstöcken bewaffnet. Der Angeklagte führte zudem Pfefferspray sowie ein Messer mit sich, mit dem er den Geschädigten töten wollte. In der Wohnung hielten sich neun Personen auf, die sich mit Ausnahme des Geschädigten alle bereits zu Bett begeben hatten. Der Geschädigte war noch wach und hielt sich im Wohnzimmer auf. Der Angeklagte und seine Begleiter brachen die Wohnungstür auf. Durch die lauten Geräusche wurde der im Zimmer gegenüber dem Wohnungseingang schlafende Schwager des Geschädigten, der Zeuge K. , wach und versuchte, die Tür zuzuhalten. Auch zwei weitere Familienmitglieder erwachten und begaben sich an ihre Zimmertüren, um nach der Ursache des Lärms zu sehen. Der Angeklagte und seine Begleiter konnten den Widerstand des K. überwinden und sich Zutritt zu der Wohnung verschaffen. Während die beiden unbekannten Männer auf den Zeugen K. einwirkten, suchte der Angeklagte zielgerichtet das Wohnzimmer auf. Dort sprühte er Pfefferspray in Richtung des Geschädigten, versetzte ihm mehrere Schläge mit dem Schlagstock und stach in Tötungsabsicht mehrfach mit dem Messer auf den Oberkörper des Geschädigten ein. Die Reihenfolge dieser Handlungen vermochte das Landgericht nicht festzustellen. Der Geschä- digte starb durch Verbluten infolge von Stichverletzungen in Lunge und Herz.

Das Landgericht hat die Tat als Totschlag gewertet. Eine Verurteilung wegen eines heimtückisch begangenen Mordes hat es abgelehnt. Es stehe weder fest, dass der Geschädigte bereits an der Tür durch Messerstiche überrascht wurde noch dass er den Angriff, als er sich im Wohnzimmer befand, nicht mitbekommen habe, demnach durch den Messerangriff im Bereich des Wohnzimmers überrascht und damit arg- und wehrlos oder die Zeitspanne zu kurz gewesen wäre, sich effektiv zu verteidigen. Aufgrund des zeitlichen Abstands zwischen dem durch den K. noch verzögerten Eindringen in die Wohnung und dem Angriff im Wohnzimmer sei dem Geschädigten genug Zeit verblieben, sich entweder zu bewaffnen oder über den Gartenausgang in der Küche zu fliehen.

Auch ein Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit sei zu verneinen, zumal der Angeklagte aufgrund der Dauer des Angriffs und des verursachten Lärms nicht davon ausgehen konnte, auf einen arg- und wehrlosen Geschädigten zu treffen.

II.

Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.

1. Den Verfahrensrügen bleibt aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts der Erfolg versagt. Lediglich ergänzend bemerkt der Senat hierzu das Folgende:

a) Soweit die Revision die Ablehnung des unter anderem auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Rekonstruktion des Tathergangs und zu dessen fallanalytischer Bewertung gerichteten Beweisantrags vom 27. Februar 2024 als Verstoß gegen § 244 Abs. 3 und 4 StPO beanstandet, ist diese Rüge gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO bereits unzulässig. Denn der Beschwerdeführer hat die in dem Beweisantrag zur Dokumentation der Spurenlage benannten Unterlagen seiner Rüge nicht beigefügt. Auf die vom Generalbundesanwalt zutreffend angeführte Rechtsprechung, wonach deren Wiedergabe an anderer Stelle der Revisionsbegründung nicht genügen würde, sofern – wie hier –

in dem Rügevortrag darauf nicht ausdrücklich Bezug genommen wird (BGH, Beschluss vom 27. September 2022 – 5 StR 223/22), kommt es dabei nicht einmal an, weil ein Teil der im Beweisantrag aufgezählten Beweismittel überhaupt nicht,

also auch nicht in der Begründung einer der anderen Rügen, sicher identifizierbar vorliegt (so beispielsweise die „Asservate (Liste Seite 399 ff)“, die „Fotos S. 665 ff“ und „die von Rbe G. im Auftrag der SV Dr. B.

am 14.04.

gefertigten Fotos“). Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, anhand der Akte zu ermitteln, ob die in einem Beweisantrag (unter Angabe von Seitenzahlen) bezeichneten Dokumente identisch mit solchen sein könnten, die in der Revisionsbegründung zu anderen Rügen vorgelegt worden sind.

b) Die Verfahrensbeanstandung, das Landgericht habe den auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsachen, dass die dem Geschädigten zugefügten Stichverletzungen mit der linken Hand ausgeführt worden sind und ein Rechtshänder sie nicht auf die stattgehabte Art und Weise hätte ausführen können, gerichteten Beweisantrag nicht beschieden und ein solches Gutachten nicht eingeholt und hierdurch gegen § 244 Abs. 3, 4 und 6 StPO verstoßen, ist ebenfalls unzulässig und wäre im Übrigen auch unbegründet.

aa) Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, genügt auch diese Verfahrensrüge nicht den Darlegungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, weil der Beschwerdeführer nicht vorgetragen hat, dass – ausweislich der unwidersprochen gebliebenen Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft – die rechtsmedizinische Sachverständige sich in der Hauptverhandlung zu der Frage geäußert und angegeben hat, dass anhand des Verletzungsbildes und der Gesamtumstände des Tatgeschehens keine sichere Aussage darüber getroffen werden könne, ob der Täter Rechts- oder Linkshänder gewesen sei. Der Beschwerdeführer hat somit die hier gebotene Auseinandersetzung mit den Umständen unterlassen, die gegen die Richtigkeit des Revisionsvorbringens sprechen (vgl. BGH, Urteil vom 2. März 2023 – 4 StR 298/22 Rn. 12 mwN).

bb) Die Rüge wäre überdies unbegründet. Ein Verstoß gegen § 244 Abs. 3, 4 und 6 StPO ist schon deshalb nicht gegeben, weil es sich bei dem rügegegenständlichen Antrag nicht um einen Beweisantrag im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO handelte.

(1) Ein solcher Beweisantrag setzt die Behauptung einer bestimmten Beweistatsache voraus. Dies erfordert, dass der tatsächliche Vorgang oder der Zustand bezeichnet wird, der mit dem benannten Beweismittel unmittelbar belegt werden kann. Nicht ausreichend ist die Benennung eines Beweisziels, also der Folgerung, die das Gericht nach Auffassung des Antragstellers aus von ihm nicht näher umschriebenen tatsächlichen Vorgängen oder Zuständen ziehen soll. Ob der Antragsteller eine hinreichend konkrete Beweisbehauptung aufstellt, ist gegebenenfalls durch Auslegung zu ermitteln. Hierbei dürfen keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Dies gilt insbesondere für einen Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens; denn insoweit ist der Antragsteller vielfach nicht in der Lage, die seinem Beweisziel zugrundeliegenden Vorgänge oder Zustände exakt zu bezeichnen (vgl. zum Ganzen BGH, Beschlüsse vom 30. Oktober 2024 – 1 StR 338/24; vom 10. Januar 2024 – 6 StR 276/23 Rn. 13 mwN).

(2) Danach ist hier nur ein Beweisziel benannt, denn die Erkenntnis, dass die Stichverletzungen dem Geschädigten mit der linken Hand durch einen Linkshänder beigebracht worden sein müssen, könnte ein rechtsmedizinischer Sach- verständiger allenfalls aus einer wertenden Gesamtschau der von ihm selbst ermittelbaren oder ihm aus sonstigen Quellen verfügbaren Anknüpfungs- und Befundtatsachen, namentlich Lage und Gestalt der Stichkanäle sowie gegebenenfalls der Positionen von Täter und Opfer zueinander, schlussfolgern. Derartige Anknüpfungstatsachen sind auch nicht in der Begründung des Beweisantrags benannt, die sich vielmehr in der Behauptung erschöpft, dass der Angeklagte Rechtshänder sei und eine Zeugin ausgesagt habe, dass der Täter mit der linken Hand zugestochen habe (vgl. zur Konkretisierung eines Beweisantrags anhand seiner Begründung BGH, Beschluss vom 27. März 2024 – 4 StR 433/23, NStZ 2024, 628, 629; Urteil vom 9. Juli 2015 – 3 StR 516/14, NStZ 2016, 116 f.).

cc) Eine diesbezügliche Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO) hat der Beschwerdeführer nicht erhoben und sie wäre im Übrigen ebenfalls erfolglos. Das Landgericht musste sich angesichts der Angaben der rechtsmedizinischen Sachverständigen in der Hauptverhandlung zu keinem weiter gehenden Sachverständigenbeweis gedrängt sehen.

2. Die sachlich-rechtliche Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und zum Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Auch die Anordnung der Einziehung des Teleskopschlagstocks hat Bestand. Zwar hat das Landgericht weder ausdrücklich festgestellt, dass der Schlagstock dem Angeklagten gehört, noch seine Einziehungsentscheidung über die Nennung des § 74 StGB in der Liste der angewendeten Strafvorschriften hinaus begründet. Das ihm gemäß § 74 StGB, § 54 Abs. 2 WaffG zustehende Ermessen hat es damit, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausführt, nicht erkennbar ausgeübt. Der Senat kann indes ausschließen, dass die Einziehungsanordnung hierauf beruht (§ 337 Abs. 1 StPO). Denn angesichts des geringen Wertes des (bei der Tatausführung verbogenen)

Schlagstocks, der, sollte er nicht im Eigentum des Angeklagten gestanden haben, der Sicherungseinziehung nach § 74b Abs. 1 Nr. 2 StGB unterläge und dessen Führen gemäß § 42a Abs. 1 Nr. 2 WaffG verboten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 21. April 2022 – 3 StR 81/22 Rn. 5), einerseits und seiner Verwendung zur absichtlichen Tötung des Geschädigten andererseits war das Ermessen des Landgerichts hier auf Null reduziert.

Der Anregung des Generalbundesanwalts, aus prozessökonomischen Gründen gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 2 StPO von der Einziehung des Teleskopschlagstocks abzusehen, folgt der Senat deshalb nicht.

III.

Die Revision der Staatsanwaltschaft ist ebenfalls unbegründet.

1. Das Rechtsmittel ist nicht beschränkt worden. Zwar hat die Beschwerdeführerin in ihrer Revisionsbegründung ausgeführt, dass sie die Verletzung materiellen Rechts rüge, wobei die Feststellungen und die Beweiswürdigung nicht zu beanstanden seien. Sie hat zudem abschließend den Antrag gestellt, den Angeklagten „gemäß § 354 Abs. 1 StPO“ wegen Mordes zu verurteilen.

Einem Verständnis des Rechtsmittels dahin, dass es allein gegen die rechtliche Würdigung der Schwurgerichtskammer gerichtet sei, die tatsächlichen Feststellungen aber nicht angegriffen werden sollen, steht jedoch entgegen, dass die Revision meint, das Landgericht habe die Arg- und Wehrlosigkeit des Geschädigten sowie das Ausnutzungsbewusstsein des Angeklagten zu Unrecht verneint. Denn hiermit macht sie nicht nur eine andere Bewertung der getroffenen Feststellungen geltend, sondern wendet sich gegen diese selbst. Dasselbe gilt, soweit die Beschwerdeführerin an anderer Stelle der Revisionsbegründung die Auffassung vertritt, der Angeklagte hätte zumindest wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit „vollendetem“ Totschlag verurteilt werden müssen, was ebenfalls nur auf der Grundlage abweichender Feststellungen möglich wäre.

Die bei dieser Sachlage gebotene Auslegung (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 2025 – 5 StR 729/24 Rn. 9 mwN) ergibt, dass der Schuldspruch mit den Feststellungen angegriffen wird; auch ein Beschränkungswillen dahingehend, dass die Feststellungen zum äußeren Geschehen vom Rechtsmittelangriff ausgenommen sein sollen, kommt nicht in Betracht, weil es sich bei der Wehrlosigkeit des Geschädigten, deren Verneinung die Revision rügt, um ein Element des objektiven Sachverhalts handelt.

2. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg, denn die Nachprüfung des Urteils hat auch einen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten nicht ergeben. Insbesondere halten die Erwägungen, mit denen das Landgericht das Mordmerkmal der Heimtücke und demgemäß eine Strafbarkeit wegen Mordes nach § 211 StGB verneint hat, der sachlich-rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Die Schwurgerichtskammer ist von einem zutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen. Danach handelt heimtückisch, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und dadurch bedingte Wehrlosigkeit des Tatopfers bewusst zu dessen Tötung ausnutzt. Arglos ist das Tatopfer, wenn es bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs, also beim Eintritt der Tat in das Versuchsstadium (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2024 – 2 StR 381/24, NStZ-RR 2025, 112, 113 mwN), nicht mit einem gegen sein Leben oder seine körperliche Unversehrtheit gerichteten schweren oder doch erheblichen Angriff rechnet.

Ohne Bedeutung ist dabei, ob das Opfer die Gefährlichkeit des drohenden Angriffs in ihrer vollen Tragweite überblickt. Das Opfer kann auch dann arglos sein, wenn der Täter ihm offen feindselig entgegentritt, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, dass keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff irgendwie zu begegnen (vgl. zum Ganzen BGH, Urteil vom 20. Juni 2024 – 4 StR 15/24 Rn. 8 mwN).

b) Die beweiswürdigenden Ausführungen, mit denen das Landgericht begründet hat, dass es sich hiervon nicht zu überzeugen vermochte, sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

aa) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Diesem obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen; seine aufgrund der Hauptverhandlung gewonnene Überzeugung ist für das Revisionsgericht grundsätzlich bindend. Die Schlussfolgerungen des Tatgerichts brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind. Das Revisionsgericht hat die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung nähergelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre. Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei oder verneint es – wie hier – die Verwirklichung eines bestimmten Straftatbestandes, weil es vorhandene Zweifel nicht zu überwinden vermochte, ist dies vom Revisionsgericht deshalb in aller Regel hinzunehmen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 6. März 2025 – 3 StR 514/24 Rn. 8; vom 24. Oktober 2024 – 4 StR 249/24 Rn. 24, jew. mwN).

Das Revisionsgericht kann die tatrichterliche Beweiswürdigung nur auf Rechtsfehler hin überprüfen. Solche liegen in sachlich-rechtlicher Hinsicht vor, wenn die Beweiswürdigung lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht berücksichtigt worden sind, naheliegende Schlussfolgerungen nicht erörtert worden sind oder einzelne Beweisanzeichen nur isoliert bewertet worden sind und die gebotene umfassende und erschöpfende Gesamtwürdigung aller Beweisergebnisse unterblieben ist. Rechtsfehler bei der Beweiswürdigung liegen ferner vor, wenn die Beweiswürdigung in sich widersprüchlich oder unklar ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn das Tatgericht überspannte Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 19. Februar 2025 – 6 StR 685/24 Rn. 7; Urteil vom 9. Januar 2025 – 3 StR 111/24 Rn. 50, jew. mwN).

bb) Derartige Rechtsfehler weist das Urteil nicht auf. Insbesondere liegt kein Erörterungsmangel vor. Die Schwurgerichtskammer hat die ihr aufgrund der schwierigen Beweislage möglichen Feststellungen getroffen.

(1) Nicht zu beanstanden ist, dass sie für die Frage der Arglosigkeit auf den Angriff im Wohnzimmer abgestellt hat, nachdem sie sich nicht davon zu überzeugen vermochte, dass der Geschädigte tatsächlich bereits an der Eingangstür durch Messerstiche überrascht wurde, und auch nicht feststellen konnte, dass die in die Wohnung eindringenden Täter damit rechneten, sofort nach dem Öffnen der Tür auf den – arglosen – Geschädigten zu treffen, so dass der Angeklagte unmittelbar zu dessen Tötung übergehen könnte (vgl. zu einer solchen Konstellation BGH, Urteil vom 9. August 2011 – 1 StR 194/11, NStZ 2012, 85). Weder das festgestellte Geschehen vor dem Erscheinen des Angeklagten und seiner Begleiter an der Wohnung noch das lautstarke Aufbrechen der Tür legten dies nahe.

29 Der Versuch begann auf der Grundlage der Urteilsfeststellungen daher erst, als die Täter gegen den Widerstand des Wohnungsinhabers in die Wohnung eindringen konnten und der Angeklagte sich zu dem Geschädigten in das Wohnzimmer begab, denn die Überwindung der geschlossenen Wohnungstür und des Zeugen, der sie zuzudrücken und die Täter aufzuhalten versuchte, waren wesentliche Zwischenschritte für den anschließenden Angriff auf den Geschädigten (vgl. zu einem ähnlichen Sachverhalt ebenso BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2024 – 2 StR 381/24, NStZ-RR 2025, 112, 113).

(2) Angesichts der bis kurz vor der Tat äußerst aggressiv geführten Kommunikation zwischen dem Geschädigten und dem Angeklagten musste sich das Landgericht nicht gedrängt sehen, einen Überraschungseffekt bei dem Angriff im Wohnzimmer näher als geschehen zu erörtern. Soweit es aus dem festgestellten konkreten Tatablauf, namentlich dem verzögerten, lautstarken Eindringen des Angeklagten und seiner Begleiter in die Wohnung, geschlossen hat, dass dem Geschädigten genug Zeit blieb, zu flüchten oder wehrhaft zu werden, handelt es sich um einen möglichen und daher vom Senat hinzunehmenden Schluss.

Auch der Umstand, dass es – mit Ausnahme möglicherweise einer einzelnen Handlung, die eine Abwehrverletzung des Geschädigten zur Folge hatte – zu keinem wirksamen Widerstand kam, musste angesichts der festgestellten Intensität des Angriffs (unter Einsatz von Pfefferspray, Schlagstock und Messer) nicht gesondert als ein mögliches Indiz für eine Arglosigkeit und hierdurch geminderte Abwehrfähigkeit des Geschädigten in den Blick genommen werden.

(3) Schließlich ist revisionsrechtlich auch dagegen nichts zu erinnern, dass die Schwurgerichtskammer das Ausnutzungsbewusstsein des Angeklagten und damit die subjektive Seite eines Heimtückemordes (vgl. BGH, Urteil vom

8. Januar 2025 – 6 StR 495/24 Rn. 10 mwN) nicht festgestellt hat. Ihre knappe Erwägung, dass aufgrund der konkreten Umstände des Angriffs (Dauer und Geräuschentwicklung des Eindringens in die Wohnung), der Angeklagte „nicht davon ausgehen konnte, auf einen arg- und wehrlosen Geschädigten zu treffen“, ist ebenfalls ein möglicher Schluss aus dem festgestellten äußeren Geschehen, dessen Begründung keine Lücke aufweist. Infolgedessen musste das Landgericht die Tat – anders als von der Beschwerdeführerin angedeutet – auch nicht zumindest als versuchten Heimtückemord in Tateinheit mit Totschlag würdigen.

Quentin Scheuß Sturm Maatsch Ri‘inBGH Marks ist wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert.

Quentin Vorinstanz: Landgericht Dortmund, 23.04.2024 ‒ 39 Ks-400 Js 124/22-17/22

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5 244 StPO
3 74 StGB
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1 261 StPO
1 337 StPO
1 354 StPO
1 421 StPO
1 42 WaffG
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