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4 StR 652/19

BUNDESGERICHTSHOF StR 652/19 BESCHLUSS vom 11. Februar 2020 in der Strafsache gegen wegen versuchten Mordes in elf tateinheitlichen Fällen u.a.

ECLI:DE:BGH:2020:110220B4STR652.19.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 11. Februar 2020 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 7. Juni 2019 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, a) soweit der Angeklagte in den Fällen II. 2 und 3 der Urteilsgründe verurteilt worden ist; im Fall II. 3 der Urteilsgründe bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen aufrecht erhalten; b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in elf tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit besonders schwerer Brandstiftung sowie wegen Hehlerei und Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und neun Monaten verurteilt. Seine hiergegen eingelegte Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet gemäß § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Verurteilung wegen Hehlerei im Fall II. 2 der Urteilsgründe kann nicht bestehen bleiben.

a) Nach den Feststellungen kaufte der Angeklagte von dem Zeugen O. ein iPhone, das dem Zeugen C. gehörte und diesem zuvor von O. abgenötigt worden war. Dabei war dem Angeklagten bekannt,

dass O. den Besitz an dem iPhone „nicht legal“ erlangt hatte. Kurz darauf begab er sich mit dem iPhone zu dem Zeugen C. und verlangte von ihm die Herausgabe der Zugangsdaten. Das Landgericht hat die Verschaffung des iPhones durch den Zeugen O. als Nötigung und dessen Ankauf durch den Angeklagten als Hehlerei gewertet.

b) Die diesen Feststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand, weil sie nicht erkennen lässt, auf welcher Grundlage sich das Landgericht seine Überzeugung von der Begehung der Vortat verschafft hat.

aa) Der Tatrichter ist verpflichtet, seine Beweiserwägungen so vollständig und aus sich heraus verständlich in den schriftlichen Urteilsgründen niederzulegen, dass die Beweiswürdigung einer sachlich-rechtlichen Überprüfung zugänglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2015 – 2 StR 75/14, NStZ 2016, 228; Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 StR 39/15, NStZ-RR 2015, 180; st. Rspr.). Dabei muss erkennbar werden, dass seine Überzeugungsbildung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und die gezogenen Schlussfolgerungen mehr als eine Annahme oder eine bloße Vermutung sind (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2012 – 5 StR 372/12, NStZ-RR 2012, 381; st. Rspr.).

bb) Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht. Denn die Strafkammer hat lediglich mitgeteilt, worauf sie ihre Überzeugung stützt,

dass der hierzu schweigende Angeklagte das iPhone von O. ankaufte und von einer deliktischen Herkunft ausging. Die dazu herangezogenen Angaben des Zeugen K. zu Erzählungen des Angeklagten über den Ankauf und des Zeugen C. sowie weiterer Zeugen zu dem späteren Besitz des Angeklagten an dem iPhone und der Abforderung der Zugangsdaten vermögen zwar den festgestellten Ankauf zu belegen. Über die Vortat sagen sie aber nichts aus. Es hätte deshalb weiterer Darlegungen bedurft, aus denen sich ergibt, warum die Strafkammer die Überzeugung gewonnen hat, dass das iPhone dem Zeugen C. zuvor von O. abgenötigt wurde. Hieran fehlt es.

2. Auch die Verurteilung wegen versuchten Mordes in elf tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit besonders schwerer Brandstiftung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Nach den Feststellungen eröffnete der sich in einer angespannten finanziellen Lage befindende Angeklagte zusammen mit seiner Verlobten am 1. Juni 2017 in S. ein Café. Dieses befand sich im Erdgeschoss eines dreigeschossigen Wohn- und Geschäftshauses, das Teil einer Häuserzeile in geschlossener Bauweise ist. Für das Inventar bestand eine „Inhalts- und Betriebsunterbrechungsversicherung“ mit einer Versicherungssumme von insgesamt 25.000 Euro. Versicherungsnehmerin war die Verlobte des Angeklagten. Am frühen Morgen des 5. August 2017 um etwa 0.40 Uhr legte der Angeklagte in einem Nebenraum des Cafés mit Hilfe eines Brandbeschleunigers ein Feuer und verließ das Lokal. Dabei war er im Wesentlichen darauf bedacht, die für den Brand- und Betriebsausfallschaden geltend zu machende Versicherungssumme zu erhalten. Ihm war darüber hinaus auch bewusst, dass die Wohnungen über dem Ladenlokal von weiteren Personen bewohnt waren, wobei er davon ausging, dass diese „zumindest teilweise“ mit keinem Angriff auf ihr Leben rechneten. Den möglichen Tod der Hausbewohner, wie ein Übergreifen des Feuers auf deren Wohnungen oder eine einhergehende Rauchgasentwicklung nahm er billigend in Kauf. Tatsächlich hielten sich zum Zeitpunkt der Brandlegung mindestens elf Personen im Haus auf. Der Brand breitete sich zunächst unbemerkt in den zur Straße gelegenen Verkaufsraum aus. Dort kam es unter anderem zu Brandeinwirkungen an der aus Holz bestehenden Unterdecke. Ein Durchbrand war noch nicht erfolgt, stand aber bevor. An einer Holztür brannten die Türfüllungen durch. Zudem bestand die Gefahr einer Brandübertragung über die Außenfassade auf die Obergeschossebene. Alle im Haus aufhältigen Personen konnten dieses rechtzeitig verlassen. Die alarmierte Feuerwehr evakuierte die Bewohner der unmittelbar angebauten benachbarten Häuser. Der Angeklagte zeigte den Brand noch in der Nacht zum 5. August 2017 bei der Versicherung an. Die Verlobte des Angeklagten als Versicherungsnehmerin reichte eine Schadensliste ein. Die Versicherung leistete keine Zahlungen.

Das Landgericht hat die Tat des Angeklagten als versuchten Mord (Mordmerkmale: Heimtücke, Habgier, Ermöglichungsabsicht und gemeingefährliche Mittel) in elf tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit besonders schwerer Brandstiftung gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 1, § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB gewertet.

Bei der Annahme des Tatbestandes des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB wie auch der Ermöglichungsabsicht gemäß § 211 Abs. 2 StGB ist es davon ausgegangen, dass der Angeklagte einen Versicherungsbetrug durch seine Verlobte als Versicherungsnehmerin ermöglichen wollte.

b) Die Verurteilung wegen besonders schwerer Brandstiftung gemäß § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB kann nicht bestehen bleiben, weil die Feststellungen nicht belegen, dass der Angeklagte die Absicht hatte, seiner Verlobten die Begehung eines Betrugs gemäß § 263 Abs. 1 StGB zum Nachteil der von ihr abgeschlossenen Inhalts- und Betriebsunterbrechungsversicherung zu ermöglichen.

aa) Die Voraussetzungen einer besonders schweren Brandstiftung gemäß § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB sind auch dann erfüllt, wenn die Brandlegung zum Zweck eines Betruges zum Nachteil einer Versicherung begangen wird (vgl. BGH, Beschluss vom 22. April 2008 – 3 StR 74/08 Rn. 6 mwN). Dies setzt voraus, dass der Täter darum weiß, dass auf die erstrebte Versicherungsleistung kein Anspruch besteht oder er dies zumindest irrig annimmt, denn auch in diesem Fall läge in der Schadensmeldung bei der Versicherung ein versuchter Betrug (vgl. BGH, Beschluss vom 22. April 2008 – 3 StR 74/08 Rn. 12). Nach § 81 Abs. 1 VVG ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich den Versicherungsfall herbeigeführt hat. Dabei muss sich der Versicherungsnehmer auch das Verhalten seiner mit der Risikoverwaltung betrauten Repräsentanten zurechnen lassen. Repräsentant in diesem Sinne ist, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, auf Grund eines Vertretungs- oder ähnlichen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist und darin selbstständig in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang für den Versicherungsnehmer handeln darf. Die bloße Überlassung der Obhut über die versicherte Sache reicht dafür nicht aus. Ebenso wenig vermögen allein die Ehe oder eine Lebensgemeinschaft mit dem Versicherungsnehmer eine Repräsentantenstellung zu begründen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 2009 – XII ZR 94/07, NJW 2009, 2881 Tz. 15 und 18; Urteil vom 14. März 2007 ‒ IV ZR 102/03, NJW 2007, 2038 Tz. 9; Urteil vom 14. Mai 2003 – IV ZR 166/02, NJW-RR 2003, 1250, 1251; Urteil vom 21. April 1993 ‒ IV ZR 34/92, NJW 1993, 1862, 1864; Looschelders in: Münchner Komm. z. VVG, 2. Aufl., § 81 Rn. 121 ff.; jew. mwN; vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 5. Juli 2016 – 4 StR 512/15, NStZ 2017, 290; Beschluss vom 22. April 2008 – 3 StR 74/08 Rn. 8; Beschluss vom 15. März 2007 – 3 StR 454/06, NStZ 2007, 640, 641 mwN).

bb) Aus den Feststellungen ergibt sich nicht, dass die Versicherung infolge der vorsätzlichen Brandlegung durch den Angeklagten von ihrer Einstandspflicht frei geworden ist. Dafür, dass die Verlobte des Angeklagten an der Brandlegung beteiligt war, fehlt jeder Anhaltspunkt. Auch kann den Urteilsgründen nicht entnommen werden, dass die Voraussetzungen für die Annahme einer Repräsentantenstellung des Angeklagten unter dem Gesichtspunkt der Risikoverwaltung gegeben waren. Dass der Angeklagte und seine Verlobte das Café gemeinsam eröffnet haben und der Angeklagte einen Schlüssel zu den Räumlichkeiten hatte, reicht dafür nicht aus. Die Tatsache, dass der Angeklagte den Schadensfall noch in der Tatnacht bei der Versicherung anzeigte, deutet für sich genommen nur auf eine Vertragsverwaltung hin. Dass ihm auch die Risikoverwaltung übertragen war, ergibt sich hieraus nicht. Schließlich findet sich in den Feststellungen auch kein Hinweis darauf, dass der Angeklagte in der irrigen Vorstellung gehandelt haben könnte, es bestehe kein Anspruch auf eine Versicherungsleistung.

c) Die Sache bedarf daher auch insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Aufhebung betrifft zugleich auch die Verurteilung wegen versuchten Mordes in elf tateinheitlichen Fällen, weil Tatidentität besteht (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 ‒ 4 StR 158/14 Rn. 8; Urteil vom 20. Februar 1997 – 4 StR 642/96, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1). Darauf, dass aus den vorstehenden Gründen auch die Annahme von Ermöglichungsabsicht im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB nicht belegt ist, kommt es insoweit nicht mehr an. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können bestehen bleiben.

d) Der neue Tatrichter wird sich genauer als bisher mit der Frage auseinanderzusetzen haben, ob der Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt hat. Bedingten Tötungsvorsatz hat, wer den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Beide Elemente müssen durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juni 2019 – 2 StR 364/18, NStZ 2019, 725 Rn. 10 mwN).

3. Die Aufhebung der Verurteilungen in den Fällen Fall II. 2 und 3 der Urteilsgründe zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

Sost-Scheible Bender Roggenbuck Quentin Cierniak Vorinstanz: Dortmund, LG, 07.06.2019 ‒ 400 Js 321/17 39 Ks 8/18

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