12 W (pat) 32/16
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 32/16 Verkündet am 30. Januar 2018
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend das Patent 100 30 367 …
ECLI:DE:BPatG:2018:300118B12Wpat32.16.0 hat der 12. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. Januar 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Univ. Ganzenmüller, der Richterin Bayer sowie der Richter Dr.-Ing. Krüger und Dipl.-Phys. Univ. Schmidt beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der Patentabteilung 15 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. Juni 2016 aufgehoben und das Patent 100 30 367 mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 30. Januar 2018, Patentansprüche 2 bis 16 gemäß Hilfsantrag 1 vom 8. Juni 2016, Beschreibung und Zeichnung (Figur 1) gemäß Patentschrift.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde der Einsprechenden zurückgewiesen.
Gründe I.
Gegen das am 21. Juni 2000 angemeldete und mit der Bezeichnung
„Verfahren für einen Impulsstart eines Kolbenmotors“
am 13. März 2014 veröffentlichte Patent 100 30 367 ist am 11. Dezember 2014 Einspruch erhoben worden.
Die Einsprechende hat die Auffassung vertreten, das Patent sei zu widerrufen, da der Gegenstand des Streitpatents nicht patentfähig sei (§ 21 (1) Nr. 1 PatG), und der Gegenstand des Streitpatents nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann den Gegenstand ausführen könne (§ 21 (1) Nr. 2 PatG).
Zur Begründung hat sie auf folgende Druckschriften verwiesen:
D2 D3 D4 D5 D6 D7 Anlage 1:
Anlage 2:
Anlage 3:
Dx DE 198 38 853 A1 DE 34 38 594 C2 DE 195 04 935 A1 DE 197 45 995 A1 DE 199 56 384 C1 (ältere, nachveröffentlichte Patentanmeldung) DE 196 45 943 A1 Bild 7.2 aus H. J. Förster: „Automatische Fahrzeuggetriebe", 1991, Springer-Verlag, ISBN 3-540-52228. BiId 7.8 aus H. J. Förster: „Automatische Fahrzeuggetriebe". 1991. Springer-Verlag. ISBN 3-540-52228. Seite 20 samt Abb. 9 aus H.-J. Drexl: „Kraftfahrzeugkupplungen: Funktion und Auslegung“. 1997. Verlag moderne Industrie (Die Bibliothek der Technik Bd. 138, ISBN 3-478-93155-X. A. Albers, D. Herbst: „Rupfen – Ursachen und Abhilfen“. LuKKolloquiumsbuch 1998.
Im Verfahren sind weiter die Druckschriften:
D8 DE 34 41 399 A1 D9 DE 43 34 201 A1.
Die D5, D8 und D9 waren bereits auf der Patentschrift als Stand der Technik genannt.
Die Patentabteilung 15 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in der Anhörung am 22. Juni 2016 die Aufrechterhaltung des Patents beschlossen.
Gegen diesen Beschluss mit der schriftlichen Begründung vom 4. August 2016 richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden vom 19. August 2016.
Die Einsprechende und Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluss der Patentabteilung 15 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. Juni 2016 aufzuheben und das Patent 100 30 367 zu widerrufen.
Die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin beantragt,
den Beschluss der Patentabteilung 15 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. Juni 2016 aufzuheben und das Patent 100 30 367 mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 30. Januar 2018, Patentansprüche 2 bis 16 gemäß Hilfsantrag 1 vom 8. Juni 2016, Beschreibung und Zeichnung (Figur 1) gemäß Patentschrift,
weiter hilfsweise mit folgenden Unterlagen: Patentansprüche 1 bis 13 gemäß Hilfsantrag 2 vom 8. Juni 2016, Beschreibung und Zeichnung (Figur 1) gemäß Patentschrift,
weiter hilfsweise mit folgenden Unterlagen: Patentansprüche 1 bis 13 gemäß Hilfsantrag 3 vom 8. Juni 2016, Beschreibung und Zeichnung (Figur 1) gemäß Patentschrift,
weiter hilfsweise mit folgenden Unterlagen: Patentansprüche 1 bis 15 gemäß Hilfsantrag 4 vom 8. Juni 2016, Beschreibung und Zeichnung (Figur 1) gemäß Patentschrift,
weiter hilfsweise mit folgenden Unterlagen: Patentansprüche 1 bis 12 gemäß Hilfsantrag 5 vom 8. Juni 2016, Beschreibung und Zeichnung (Figur 1) gemäß Patentschrift.
Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 lautet:
Verfahren für einen lmpulsstart eines Kolbenmotors (2) einer insbesondere für ein Kraftfahrzeug geeigneten Antriebseinheit, wobei die Antriebseinheit den Kolbenmotor (2), einen über eine steuerbare Kupplung (4) damit antriebsverbundenen, als Starter und als Generator betreibbaren Startergenerator (11), und eine Steuerung (10) aufweist, wobei die Steuerung (10) einen lmpulsstart des Kolbenmotors (2) mit den folgenden Schritten ermöglicht: - bei stillstehendem Kolbenmotor (2) und vollständig geöffneter Kupplung (4) wird der Startergenerator (11) als Starter betrieben und auf eine Starterdrehzahl gebracht, - durch Betätigen der Kupplung (4) wird der Kolbenmotor (2) eingekuppelt, wobei eine Eingangsdrehzahl und eine Ausgangsdrehzahl der Kupplung (4) aneinander angeglichen werden, bis die Kupplung (4) vollständig geschlossen ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Steuerung (10) beim lmpulsstart die Kupplung (4) so betätigt, dass sich eine Kupplungskraft (8), die ein Übertragungsmoment zwischen Startergenerator (11) und Kolbenmotor (2) bewirkt, vor dem vollständigen Schließen der Kupplung (4) reduziert, wobei die Steuerung rechtzeitig vor einer finalen Angleichung der Eingangsdrehzahl und der Ausgangsdrehzahl in der Kupplung die Kupplungskraft reduziert, wodurch ein Momentanstieg beim Übergang zwischen Haftreibung und Gleitreibung reduziert oder eliminiert wird, wobei während der Zunahme der Ausgangsdrehzahl die Eingangsdrehzahl abnimmt.
Wegen der Unteransprüche, der Hilfsanträge 2 bis 5 sowie weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die fristgerecht eingelegte und auch zulässige Beschwerde der Einsprechenden hat insoweit Erfolg, dass der Beschluss der Patentabteilung 15 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. Juni 2016 aufgehoben und das Patent 100 30 367 nach Hilfsantrag 1 beschränkt aufrechterhalten wird.
1. Die Erfindung betrifft laut Patentschrift (PS), Absatz 0001, ein Verfahren für einen lmpulsstart eines Kolbenmotors einer insbesondere für ein Kraftfahrzeug geeigneten Antriebseinheit.
2. Als Stand der Technik nennt die PS in Absatz 0002 die D5, die eine gattungsgemäße Antriebseinheit zeigt.
3. Laut PS, Absatz 0003, kommt es bei einer derart aufgebauten Antriebseinheit im Verlauf eines solchen lmpulsstarts mit dem vollständigen Schließen der Kupplung zu einer kurzzeitigen Überhöhung der zwischen Startergenerator und Kolbenmotor übertragenen Momente, was zu einer extremen Materialbeanspruchung im Antriebsstrang führt und Nachteile hinsichtlich des Fahrkomforts und der Geräuschentwicklung mit sich bringt. Laut Patentschrift liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde, dieses Problem zu lösen.
3. Diese Aufgabe wird gelöst durch die Merkmale des geltenden Anspruchs 1, der in gegliederter Form lautet:
M1 Verfahren für einen lmpulsstart eines Kolbenmotors (2) einer insbesondere für ein Kraftfahrzeug geeigneten Antriebseinheit,
M2 wobei die Antriebseinheit den Kolbenmotor (2), M3 einen über eine steuerbare Kupplung (4) damit antriebsverbundenen, als Starter und als Generator betreibbaren Startergenerator (11), und M4 eine Steuerung (10) aufweist, M5 wobei die Steuerung (10) einen lmpulsstart des Kolbenmotors (2) mit den folgenden Schritten ermöglicht: M6 - bei stillstehendem Kolbenmotor (2) und vollständig geöffneter Kupplung (4) wird der Startergenerator (11) als Starter betrieben und auf eine Starterdrehzahl gebracht, M7 - durch Betätigen der Kupplung (4) wird der Kolbenmotor (2) eingekuppelt, wobei eine Eingangsdrehzahl und eine Ausgangsdrehzahl der Kupplung (4) aneinander angeglichen werden, bis die Kupplung (4) vollständig geschlossen ist, dadurch gekennzeichnet, M8 dass die Steuerung (10) beim lmpulsstart die Kupplung (4) so betätigt, dass sich eine Kupplungskraft (8), die ein Übertragungsmoment zwischen Startergenerator (11) und Kolbenmotor (2) bewirkt, vor dem vollständigen Schließen der Kupplung (4) reduziert,
M9 wobei die Steuerung rechtzeitig vor einer finalen Angleichung der Eingangsdrehzahl und der Ausgangsdrehzahl in der Kupplung die Kupplungskraft reduziert, wodurch ein Momentanstieg beim Übergang zwischen Haftreibung und Gleitreibung reduziert oder eliminiert wird,
M10 wobei während der Zunahme der Ausgangsdrehzahl die Eingangsdrehzahl abnimmt.
Der hier angesprochene Fachmann ist ein Maschinenbauingenieur mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Konstruktion und der Entwicklung von Steuerungen von Kupplungen für Brennkraftmaschinen.
Nach Merkmal M1 dient das beanspruchte Verfahren für einen lmpulsstart eines Kolbenmotors einer insbesondere für ein Kraftfahrzeug geeigneten Antriebseinheit. Die Patentschrift Absatz 0002 verweist auf die D5, um zu klären, was unter einem Impulsstart verstanden werden soll. Dieser Schrift, siehe insbesondere Spalte 3, Zeile 68, bis Spalte 4, Zeile 11, ist zu entnehmen, dass bei einem Impulsstart eine elektrische Maschine als Starter betrieben wird und eine Schwungmasse auf eine Solldrehzahl hochfährt. Die elektrische Maschine mit der Schwungmasse ist zu Beginn des Startvorgangs durch je eine offene Kupplung sowohl vom Antriebsstrang als auch vom Kolbenmotor getrennt. Erreicht die Schwungmasse die Solldrehzahl, so wird die Kupplung zum Kolbenmotor geschlossen, so dass die in der Schwungmasse gespeicherte kinetische Energie plötzlich, das heißt impulsartig, zum Andrehen des Kolbenmotors ausgenutzt wird. Auch in Absatz 0019 und 0020 der PS wird dargelegt, was unter einem Impulsstart verstanden werden soll.
In der D5, Spalte 3, Zeile 49 bis 67, wird als Gegensatz hierzu ein Direktstart beschrieben, bei dem die Schwungmasse und der Kolbenmotor gleichzeitig beschleunigt werden.
Dieser Definition des Impulsstarts widerspricht die Beschwerdeführerin und Einsprechende. Sie führt aus, dass bei jedem Startvorgang auch ein Impuls übertragen werde. Daher sei jeder Startvorgang auch ein Impulsstart.
Der Senat schließt sich dieser Auffassung nicht an, da in der PS, siehe dort Absatz 0002 sowie dem dortigen Verweis auf die D5, deutlich dargelegt wird, was unter einem Impulsstart verstanden werden soll, nämlich dass zuerst eine Schwungmasse zur Rotation gebracht wird und anschließend die in der Rotation enthaltene Energie impulsartig auf den Kolbenmotor übertragen wird. Ein Start, bei dem der Kolbenmotor ohne Zwischenspeicherung der Energie direkt angeregt wird, fällt dagegen nicht unter den Begriff Impulsstart.
Die Merkmale M1 bis M7 beschreiben eine für einen Impulsstart im Sinne der Patentschrift notwendige Vorrichtung. Hierzu ist anzumerken, dass nach Merkmal M3 der Kolbenmotor über eine steuerbare Kupplung mit dem Startergenerator (11) antriebsverbunden ist. Der Fachmann versteht dies so, dass Kolbenmotor und Startergenerator durch die Kupplung verbunden sind, dass diese Kupplung aber sowohl geschlossen als auch offen sein kann, wobei im zweiten Fall die Antriebsverbindung unterbrochen ist. Des Weiteren ist die Kupplung nach Merkmal M3 steuerbar, d. h. die Drehmomentübertagung über die Kupplung kann gesteuert werden. Sind die Eingangs- und Ausgangsdrehzahl der Kupplung gleich, bezeichnet man die Kupplung als vollständig geschlossen, siehe Absatz 0002 der PS.
Aus den Merkmalen M8 und M9 geht hervor, dass eine Kupplungskraft reduziert werden kann. Der Fachmann versteht dabei, dass es sich bei der steuerbaren Kupplung nach Merkmal M3 um eine Reibungskupplung handelt. Eine Reibungskupplung weist zwei Scheiben auf, die mit der Antriebs- bzw. Abtriebswelle verbunden sind. Diese beiden Scheiben können getrennt sein, dann ist die Kupplung geöffnet und die Kraftübertragung unterbrochen, oder mit einer Anpresskraft aneinander gedrückt werden, dann ist eine Kraftübertragung aufgrund der Reibung zwischen den beiden Scheiben möglich. Laufen die beiden Scheiben synchron, spricht man von einer geschlossenen Kupplung.
5. Die geltenden Ansprüche nach Hilfsantrag 1 sind zulässig, da sie den Gegenstand der Anmeldung und der erteilten Ansprüche nicht erweitern (§ 38 PatG, § 22 PatG).
Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 umfasst neben sämtlichen Merkmalen M1 bis M8 des erteilten Anspruchs 1 zusätzlich die Merkmale M9 wobei die Steuerung rechtzeitig vor einer finalen Angleichung der Eingangsdrehzahl und der Ausgangsdrehzahl in der Kupplung die Kupplungskraft reduziert, wodurch ein Momentanstieg beim Übergang zwischen Haftreibung und Gleitreibung reduziert oder eliminiert wird,
M10 wobei während der Zunahme der Ausgangsdrehzahl die Eingangsdrehzahl abnimmt.
Anstelle der ursprünglich auf Vorrichtungen gerichteten Ansprüche wurden im Rahmen des Prüfungsverfahrens neue Verfahrensansprüche eingereicht und erteilt. Diese haben die jeweils entsprechenden Merkmale, sodass sich die Merkmale M1 bis M8 des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 aus den ursprünglichen Ansprüchen herleiten lassen. Das Merkmal M9 ist dem Absatz 0006 der Offenlegungsschrift als auch der Patentschrift zu entnehmen, das Merkmal M10 sowohl dem Absatz 0023 der Offenlegungsschrift als auch dem Absatz 0021 der Patentschrift.
Die Beschwerdeführerin und Einsprechende führt dagegen an, dass im Absatz 0006 der Offenlegungsschrift als auch der Patentschrift ein „sprunghafter Momentanstieg“ beim Übergang zwischen Haft- und Gleitreibung offenbart sei, im Merkmal M9 aber allgemeiner ein „Momentanstieg“ beansprucht werde. Dadurch sei der Anspruch 1 unzulässig erweitert.
Dieser Argumentation schließt sich der Senat nicht an. Der Momentanstieg beim Übergang zwischen Haft- und Gleitreibung ist stets sprunghaft, so dass das Adjektiv „sprunghaft“ keine einschränkende Wirkung hat.
Die Beschwerdeführerin und Einsprechende führt weiter an, dass in das Merkmal M10 lediglich ein Teil des Absatzes 0021 der Patentschrift aufgenommen worden sei. Da das Merkmal M10 nur in Verbindung mit dem Merkmal, dass sich Eingangsdrehzahl und Ausgangsdrehzahl unter der Wirkung der Kupplungskraft aneinander annähern, offenbart sei, hätte auch dieses in den Anspruch aufgenommen werden müssen. Dadurch sei der Anspruch 1 in der vorliegenden Fassung unzulässig erweitert.
Hierbei übersieht die Beschwerdeführerin und Einsprechende allerdings, dass dieser Zusammenhang bereits im Merkmal M7 enthalten ist.
Die auf den Anspruch 1 direkt oder indirekt rückbezogenen Ansprüche 2 bis 16 nach Hilfsantrag 1 sind identisch mit den erteilten Patentansprüchen 2 bis 16. Sie lassen sich auch aus den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen herleiten.
Dies ist auch nicht in Frage gestellt worden.
6. Das Patent offenbart die Erfindung so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG).
Bei einem erfindungsgemäßen Impulsstart ist die Kupplung zwischen Kolbenmotor und Schwungmasse anfangs offen, d. h. die Kupplungsscheiben sind getrennt und es findet keine Kraftübertragung statt. Ist die Schwungmasse ausreichend in Rotation versetzt worden, werden die beiden Kupplungsscheiben mit einer Anpress- kraft aneinander gedrückt. Durch die dabei entstehende Reibungskraft erfolgt ein Drehmomentübertrag von der Schwungmasse auf den Kolbenmotor. Die Anpresskraft ist einstellbar, so kann die Gleitreibungskraft und damit auch das übertragene Drehmoment geregelt werden.
Bei der finalen Angleichung der Drehzahlen erfolgt ein Übergang von der Gleit- zur Haftreibung. Da der Haftreibungskoeffizient größer als der Gleitreibungskoeffizient ist, steigt laut Patentschrift Absatz 0003 und 0006 auch die Reibung sprunghaft an, was zu einem Anstieg des übertragenen Moments führt. Dies beeinträchtigt die Lebensdauer, den Komfort und die Laufruhe.
Erfindungsgemäß gelöst wird dieses Problem dadurch, dass vor der finalen Angleichung der Drehzahlen die Anpresskraft reduziert wird.
Die Beschwerdeführerin und Einsprechende begründet ihre Beschwerde damit, dass die Lehre des Streitpatents im Sinne von § 21 (1) Nr. 2 PatG nicht ausführbar offenbart sei. Sie behauptet dabei nicht, dass die im Anspruch 1 enthaltenen Verfahrensschritte nicht ausführbar seien, sondern dass damit das dem Patent zugrunde liegende Problem nicht gelöst werden könne. Insbesondere bestreitet sie, dass bei der finalen Angleichung der Eingangsdrehzahl und der Ausgangsdrehzahl überhaupt ein sprunghafter Momentanstieg auftrete, so dass das erfindungsgemäße Verfahren auch nicht geeignet sein könne, diesen zu verhindern. Die Beschwerdeführerin und Einsprechende führt weiter an, dass zwar sprunghafte Momentanstiege bei sogenannten Rupfschwingungen bekannt seien, allerdings träten diese nur dann auf, wenn Eingangsdrehzahl und Ausgangsdrehzahl noch sehr unterschiedlich sind, also lange vor der finalen Angleichung. Dieser Argumentation schließt sich der Senat nicht an. Die von der Beschwerdeführerin und Einsprechenden angeführte Dx zeigt in Bild 10 den Verlauf von Eingangsdrehzahl und Ausgangsdrehzahl beim Schließen einer Reibungskupplung.
Dx, Bild 10; zur Verdeutlichung ist der Bereich vor dem finalen Schließen vergrößert dargestellt Bild 10 ist zu entnehmen, dass in einem weiten Bereich lange vor dem finalen Schließen Schwingungen auftreten, die sogenannten Rupfschwingungen. Diese sind nicht Gegenstand des angegriffenen Patents. Abbildung 10 ist ebenfalls zu entnehmen, dass direkt vor der finalen Angleichung der Drehzahlen, siehe den vergrößerten Bereich, eine sprunghafte Angleichung von Eingangs- und Ausgangsdrehzahl erfolgt. Damit verbunden ist ein Momentanstieg. Diesen zu reduzieren oder zu eliminieren ist die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe.
Die Beschwerdeführerin und Einsprechende führt mit Bezug auf die Dx, Bild 3, an, dass Rupfschwingungen durch die Verwendung dämpfender Reibpaarungen für die Kupplung vermieden werden könnten. Diese Dämpfung ergäbe sich bei Reibpaarungen, deren Gleitreibungskoeffizient bzgl. Änderung der Relativgeschwindigkeit einen positiven Gradienten aufweise. Daher würde der Fachmann nur Reibungskupplungen mit positivem Gradienten einsetzen. Das dem Patent zugrundeliegende Problem würde daher gar nicht auftreten.
Die Dx führt auf Seite 30 aus, dass „Bei einigen neuentwickelten Belägen … auch schon positive Gradienten erreicht“ werden. Daraus folgt, dass zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Dx die Mehrzahl der verwendeten Kupplungen keinen positiven Gradienten aufwies.
Die Beschwerdeführerin und Einsprechende behauptet weiter, dass dadurch, dass erfindungsgemäß vor dem finalen Schließen die Kupplungskraft reduziert werde, der Schließvorgang verlangsamt und verlängert werde. Dies würde das Entstehen von Schwingungen aber unterstützen. Die Beschwerdeführerin und Einsprechende folgert, dass sich das Problem des sprunghaften Momentanstiegs durch das erfindungsgemäße Verfahren verschlechtern würde, sodass der Fachmann an der praktischen Umsetzung scheitern würde.
Dieser Argumentation folgt der Senat nicht, denn der Fachmann entnimmt dem Patent nicht die Lehre, die Kupplungskraft bei noch großem Drehzahlunterschied zwischen Eingangs- und Ausgangsdrehzahl zu reduzieren, sondern sie erst kurz vor dem finalen Schließen der Kupplung zu reduzieren, d.h. kurz vor dem Ende des Schließvorgangs, weshalb patentgemäß keine signifikante Verlängerung des Schließvorgangs stattfinden kann.
Die Beschwerdeführerin und Einsprechende behauptet, um ein Verfahren für einen Impulsstart ausführen zu können, sei es unerlässlich, den Motor anzulassen, also mit der Kraftstoffzufuhr zu beginnen und ggfs. zu zünden. Angaben hierzu fehlten aber in der PS. Daher sei die Erfindung nicht so vollständig offenbart, das der Fachmann sie ausführen kann.
Allerdings nennt die Einsprechende in diesem Zusammenhang selbst die D2, D6 und D7, die dieses Kriterium erfüllen. Der Fachmann hat aufgrund der Kenntnis dieser Schriften keine Schwierigkeiten, das Verfahren so zu ergänzen, dass der Motor auch startet.
Die Einsprechende behauptet weiter, die Erfindung sei nicht im gesamten beanspruchten Bereich ausführbar. Gemäß Oberbegriff sei eine „steuerbare Kupplung“ beansprucht, darunter würden auch formschlüssige Kupplungen fallen. Allerdings verlange der Anspruch 1 auch, dass so eingekuppelt wird, dass Eingangs- und Ausgangsdrehzahl angeglichen werden (Merkmal M7). Dies wäre aber bei form- schlüssigen Kupplungen nicht möglich, so dass für etwas Schutz begehrt würde, was über den Beitrag zum Stand der Technik hinausginge.
Bei dieser Argumentation übersieht die Beschwerdeführerin und Einsprechende, dass gerade durch das Merkmal M7 die zuvor genannte Kupplung präzisiert und der Gegenstand des Anspruchs dahingehend beschränkt wird.
Die Einsprechende führt auch an, dass es nicht möglich sei, die Kupplungskraft so genau zu steuern, dass der Anstieg des Reibwerts bei niedrigen Geschwindigkeiten genau kompensiert werden könne. Dies ist aber nicht nötig, da gemäß Merkmal M9 auch eine teilweise Kompensation und damit eine Reduzierung des Momentanstiegs ausreicht.
7. Der Gegenstand des Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist neu (§ 3 PatG).
Die D2 betrifft ein Hybridfahrzeug mit einem Verbrennungsmotor und einen Elektromotor/Generator. Dabei kann das Fahrzeug auch nur mit dem Elektromotor betrieben werden, siehe dort Spalte 1, erster Absatz. Die D2 lehrt ein Verfahren, in dem der Verbrennungsmotor in einem Zustand gestartet wird, bei dem das Fahrzeug nur vom Elektromotor angetrieben wird und eine höhere Drehmomentenanforderung vorliegt. Der Elektromotor soll nun den Motor anschleppen, während er weiter das Fahrzeug antreibt, siehe Spalte 1, Zeile 20 bis 39. Der Elektromotor ist also bereits auf Drehzahl, wenn der Verbrennungsmotor gestartet werden soll. Allerdings wird der damit verbundene Drehimpuls nicht für den Start genutzt, da das Fahrzeug weiter angetrieben werden muss. Vielmehr wird das Drehmoment des Elektromotors erhöht, um den Verbrennungsmotor anzuschleppen, siehe D2, Figur 8. Es liegt daher kein Impulsstart vor (Merkmal M1).
Weder die D3 noch die D4 lehren einen Impulsstart. Sie unterscheiden sich vom Gegenstand des Anspruchs 1 daher schon durch das Merkmal M1.
Die D5, die D6, die D7 und die D9 zeigen zwar Impulsstarts, aber keine Verfahren zur Steuerung der Kupplung während des Kupplungsschließens. Sie unterscheiden sich somit vom Gegenstand des Anspruchs 1 durch die Merkmale M8 und M9.
Die D8 bezieht sich auf eine Zentrifugalkupplung, Anlagen 1 bis 3 sowie die Dx beschreiben physikalische Grundlagen von Reibungskupplungen, lehren aber nicht deren Verwendung für einen Impulsstart. Somit zeigen sie nicht das Merkmal M1.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher neu. Dies wurde im Übrigen von der Beschwerdeführerin und Einsprechenden auch nicht beanstandet.
8. Der Gegenstand des Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 beruht auf erfinderischer Tätigkeit (§ 4 PatG).
Die Druckschriften D2 bis D4 beschäftigen sich zwar mit dem Schließen von Kupplungen, allerdings nicht in Verbindung mit einem Impulsstart.
Die Druckschriften D5, D7 und D9 zeigen zwar Impulsstarts für Kolbenmotoren, lehren aber keine Verfahren zum Schließen der Kupplung bei einem solchen Impulsstart.
Die Druckschriften D8 und die Anlagen 1 bis 3 sowie die Dx beschäftigen sich mit Kupplungen, allerdings nicht in Verbindung mit einem Impulsstart.
Die D6 ist nach dem Anmeldetag veröffentlicht worden und hat daher bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit unberücksichtigt zu bleiben.
Keiner der im Verfahren befindlichen Druckschriften ist ein Hinweis auf das Problem des Drehmomentanstiegs vor einer finalen Angleichung von Eingangs- und Ausgangsdrehzahlen zu entnehmen.
Der Fachmann gelangt daher nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1.
Dagegen führt die Beschwerdeführerin und Einsprechende an, dass die D2 sehr wohl einen Impulsstart offenbare, da auch hier Impulsenergie zum Anlassen des Kolbenmotors übertragen werde. Außerdem offenbare die D2 auch, dass vor der finalen Angleichung der Drehzahlen die Kupplungskraft reduziert werde, was auch die im Anspruch 1 beschriebene Wirkung zur Folge habe.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich hiervon nur durch das Merkmal M10 wobei während der Zunahme der Ausgangsdrehzahl die Eingangsdrehzahl abnimmt.
Nach Auffassung der Beschwerdeführerin und Einsprechenden würde aber in dem Fall, dass der vom Starter übertragene Impuls nicht zum Starten des Kolbenmotors ausreicht, der Fachmann auch Rotationsenergie vom Starter auf den Kolbenmotor übertragen, wobei sich die Rotationsenergie des Starters und damit gleichzeitig auch seine Drehzahl reduzieren würde. Dies würde sich insbesondere für sehr große Elektromotoren in Kombination mit kleinen Kolbenmotoren anbieten. So gelange der Fachmann in nahe liegender Weise zu den Merkmalen des Anspruchs 1.
Dieser Argumentation folgt der Senat nicht. Zum einen handelt es sich bei dem in der D2 dargelegten Verfahren nicht um einen Impulsstart im Sinne der Patentschrift. Außerdem wird der Fachmann ausgehend von der D2 nicht einfach die Drehzahl des Starters absenken, um damit den Start des Kolbenmotors zu unterstützen. Ziel der D2 ist es gerade, dass der Starter nicht nur den Kolbenmotor hochfährt, sondern gleichzeitig auch den Antrieb des Fahrzeugs gewährleistet. Eine Übertragung von Rotationsenergie auf den Kolbenmotor und damit ein Redu- zieren der Drehzahl würde zu einem Leistungsverlust des Fahrzeugantriebs führen, den der Fachmann vermeiden wird. Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag ist somit erfinderisch gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik.
III. Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde gegeben, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt zu unterzeichnen und beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, einzureichen. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Rechtsbeschwerde vor Fristablauf beim Bundesgerichtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert werden.
Ganzenmüller Bayer Dr. Krüger Schmidt Pr