• Suche
  • Impressum

caselaw.de²

  • caselaw.de²

  • Suche
  • Impressum

  • Suche
  • Filter
  • Ergebnis
  • Entscheidung
Entscheidung
Paragraphen
Original
Teilen

14 W (pat) 702/14

BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 702/14 Verkündet am 29. September 2015

…

BESCHLUSS in der Einspruchssache betreffend das Patent 10 2006 032 610 …

BPatG 154 05.11

…

hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. September 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Maksymiw, der Richterin Dr. Münzberg, des Richters Dr. Himmelmann sowie der Richterin Dr. Wagner beschlossen:

1. Das Patent Nr. 10 2006 032 610 mit der Bezeichnung „Verfahren zur parallelen Isolierung viraler Nukleinsäuren“, dem Anmeldetag 11. Juli 2006, wird in beschränktem Umfang aufrechterhalten nach Maßgabe folgender Unterlagen: - Patentansprüche 1 bis 6, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 29. September 2015; - Beschreibungsseiten 2/6 bis 5/6, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 29. September 2015.

2. Im Übrigen wird der Einspruch zurückgewiesen.

Gründe I

Die Erteilung des Patents 10 2006 032 610 mit der Bezeichnung

„Verfahren zur parallelen Isolierung viraler Nukleinsäuren“

ist am 26. Mai 2011 veröffentlicht worden.

Gegen dieses Patent ist am 26. August 2011 Einspruch erhoben worden. Die Einsprechende macht die Widerrufsgründe der fehlenden Patentfähigkeit sowie der unzulässigen Erweiterung geltend.

Zur Stützung ihres Vorbringens verweist die Einsprechende im Rahmen der mündlichen Verhandlung auf die Druckschriften Annex Ia Ursprüngliche Anmeldeunterlagen D1 WO 96/18731 A2 D2 US 2005/0214926 A1 D4 WO 02/090539 A2 D7 WO 01/46404 A1 sowie die von ihr in der mündlichen Verhandlung gutachtlich vorgelegten Dokumente:

D15 D15/1 Konvolut aus: D. und J. Voet, „Biochemistry“, 1995, 2. Auflage, John Wiley & D15/2 Sons, Inc., New York, S. 179 und 180 ESACT, Proceedings of the 21st Annual Meeting of the European Society for Animal Cell Technology (ESACT), Dublin, Ireland, 7.

bis 10. Juni 2009, N. Jenkins, N. Barron und P. M. Alves (Edi- D15/3 tors), S. 655 M.A. Rao, „Rheology of Fluid and Semisolid Foods – Principles and Applications“, 2007, 2. Auflage, Springer Science + Business Media, LLC., New York, S. 176 D16 Konvolut aus:

D16/1 Produktinformation der Roche Diagnostics GmbH zu Proteinase K, Version 3., Jan. 2003, zu den Best. Nr. 1 413 783,

373 196 und 1 373 200 D16/2 Invitrogen Produktinformation zu Proteinase K (solution), RNA Grade, Cat. No. 25530-049, Doc Rev 04/27/01 D16/3 D16/4 D17 Sigma-Aldrich Produktinformation zu Proteinase K from Tritirachium Album, Product No. P6556, P5056, P5568, P8044, P2308 und P4850, ckv11/09/98 Invitrogen Produktinformation zu Proteinase K (Fungal), Cat. No. 25530-015 und 25530-031, Rev. date: 25. Aug 2008 DE 197 46 874 A1 Sie ist der Auffassung, dass das im Prüfungsverfahren in den Patentanspruch 1 nachträglich aufgenommene Merkmal „in Konzentration von 10 bis 50 %“, mit dem das ursprünglich im Anspruch 1 offenbarte Merkmal, wonach der Bindungspuffer ein nichtionisches Detergenz „in hoher Konzentration“ enthalte, ersetzt wurde, eine unzulässige Erweiterung darstelle, die im Falle ihrer Streichung auch den Schutzbereich des erteilten Patents erweitere. Nach Ansicht der Einsprechenden werde das beanspruchte Verfahren zudem vom Inhalt der Druckschrift D4 neuheitsschädlich getroffen. Im Verfahren der D4 würden die Zellen mit Proteinase K lysiert, wobei die Proteinase K in Kombination mit 20 mM CaCl2 verwendet werde. Dem Konvolut des Dokuments D16 zur Folge handle es sich dabei um ein dem Fachmann bekanntes Vorgehen, wobei das ebenfalls gutachtlich herangezogene Konvolut D15 zudem belege, dass CaCl2 in der Fachwelt als chaotropes Salz geläufig sei. Demzufolge offenbare die Druckschrift D4 neben den übrigen patentgemäßen Merkmalen auch einen Lysepuffer, der ein chaotropes Salz in einer Ionenstärke von kleiner als 100 mM enthalte. Einen solchen Lysepuffer zusammen mit einem alkoholfreien Bindungspuffer zur Isolierung viraler Gesamtnukleinsäuren einzusetzen, um die Nukleinsäuren in einem finalen Gemisch aus Lyse- und Bindungspuffer, welches mindestens ein nichtionisches Detergenz in einer Konzentration von 10 bis 50 % enthalte, an einen festen Träger zu binden, liege für den Fachmann ausgehend von D4 in Kenntnis der Druckschrift(en) D1 und / oder D2 ferner auf der Hand. Gegen die Patentierung des beanspruchten Verfahrens spreche aus Sicht der Einsprechenden des Weiteren das Verbot der Doppelpatentierung, da der erteilte Patentanspruch 1 Bindungspuffer mit einer hohen Konzentration an chaotropen Salzen nicht ausschließe, so dass das Verfahren der D2 unter die vom Patent beanspruchten Verfahren falle.

Die Einsprechende beantragt,

das Patent Nr. 10 2006 032 610 in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Patentinhaberin tritt dem Vorbringen der Einsprechenden in allen Punkten entgegen und verfolgt ihr Patentbegehren auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Patentansprüche 1 bis 6 weiter, die wie folgt lauten, wobei grammatikalische Fehler in den Patentansprüchen 1 und 2 vom Senat korrigiert wurden:

„1. Verfahren zur parallelen Isolierung viraler doppel- und einzelsträngiger Nukleinsäuren aus diese Stoffe enthaltenden Proben, ohne die doppel- und einzelsträngigen viralen Nukleinsäuren zu trennen, wobei die nukleinsäureenthaltenden Proben mit einem Lysepuffer, der aus einer Salzlösung aus chaotropen Salzen mit einer Ionenstärke, die kleiner als 100 mM ist und anderen nichtchaotropen Salzen, versetzt werden, gekennzeichnet durch folgende Schritte: a) die nukleinsäurehaltigen Proben (vor deren Lyse) oder die bereits lysierten oder homogenisierten Proben werden in Abwesenheit von Alkohol mit einem Bindungspuffer, der mindestens ein nichtionisches Detergenz in einer Konzentration von 10-50 % enthält, so eingestellt, dass die Detergenz-Konzentration zur Anbindung der Nukleinsäuren 10-50 % im finalen Gemisch von Lysepuffer/Bindungspuffer beträgt und so die Gesamtnukleinsäure an einen festen Träger adsorbiert wird b) Entfernen des Trägers mit der adsorbierten Gesamtnukleinsäure c) Waschen und Eluieren der adsorbierten Gesamtnukleinsäure nach bekannten Verfahren.

2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass bei bekannten Lysepuffern niedriger Ionenstärke (kleiner als 100 mM) das nichtionische Detergenz zusätzlich eine Salzlösung hoher Konzentration (größer 1M) enthält.

3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass als Detergenz Tween-20, Tween-80 oder Triton X-100 eingesetzt wird.

4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass der Bindungspuffer zusätzlich a) SDS, Sarkosinat, LDS und / oder b) komplexierende Verbindungen, insbesondere EDTA oder EGTA, enthält.

5. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass als fester Träger ein mineralischer Träger oder magnetische Eisenoxidpartikel, vorzugsweise mit modifizierten Oberflächen, eingesetzt werden.

6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass der feste Träger Bestandteil einer Mini-Zentrifugationssäule ist.“

Die Patentinhaberin beantragt,

1. das Patent Nr. 10 2006 032 610 mit der Bezeichnung „Verfahren zur parallelen Isolierung viraler Nukleinsäuren“ und dem Anmeldetag 11. Juli 2006 in beschränktem Umfang aufrecht zu erhalten nach Maßgabe folgender Unterlagen: - Patentansprüche 1 bis 6, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 29. September 2015;

- Beschreibungsseiten 2/6 bis 5/6, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 29. September 2015;

2. den Einspruch im Übrigen zurückzuweisen.

Sie vertritt im Wesentlichen die Auffassung, dass die in der mündlichen Verhandlung überreichte Anspruchsfassung keine unzulässige Erweiterung gegenüber der ursprünglichen Offenbarung aufweise und beim rechtskräftig erteilten Patent auch nicht zu einer Schutzbereichserweiterung führe. Ferner sei aus ihrer Sicht die Neuheit des beanspruchten Verfahrens gegenüber der D4 gegeben, da das nichtionische Detergenz bei diesem Verfahren im finalen Gemisch aus Lyse- und Bindungspuffer nur in einer Konzentration von 7,5 % vorliege. Auch in den übrigen von der Einsprechenden genannten Dokumenten werde kein Verfahren offenbart, das sämtliche Merkmale des geltenden Patentanspruchs 1 aufweise. Nach Ansicht der Patentinhaberin lehre der geltende Patentanspruch 1 nicht Proteinase K in Verbindung mit CaCl2 als chaotropes Salz bei der Zelllyse einzusetzen, sondern hierfür die dem Fachmann geläufigen chaotropen Salze in einer Ionenstärke von kleiner als 100 mM in einem Lysepuffer zu verwenden, so dass das beanspruchte Verfahren durch den von der Einsprechenden zitierten Stand der Technik auch nicht nahe gelegt werde.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

1. Die Zuständigkeit des Senats für die Entscheidung über den Einspruch ergibt sich im vorliegenden Fall aus dem zulässigen Antrag der Patentinhaberin gemäß § 61 (2) Nr. 1 PatG. Der Einspruch ist frist- und formgerecht erhoben und mit Gründen versehen. Er ist somit zulässig und führt zu dem im Tenor angegebenen Ergebnis.

2. Die geltenden Patentansprüche 1 bis 6 sind zulässig.

Der Einwand der Einsprechenden, der geltende Patentanspruch 1 weise aufgrund des Merkmals betreffend eine Konzentration von 10 - 50 % an nichtionischem Detergenz im Bindungspuffer eine unzulässige Erweiterung auf, ist zutreffend, da im ursprünglichen Anspruch 1 lediglich von einer hohen Konzentration an nichtionischem Detergenz im Bindungspuffer die Rede ist und sich im ursprünglichen Anspruch 4 sowie in der Beschreibung der Erstunterlagen nur Angaben dazu finden, dass die Konzentration an nichtionischem Detergenz zur Anbindung von Nukleinsäuren im finalen Gemisch von Lyse- und Bindungspuffer 5 - 50 % bzw. 10 - 30 % beträgt (vgl. Annex Ia, Ansprüche 1 und 4 i. V. m. Abs. [0021 und 0024]).

Nach § 21 (2) 2 PatG kann das Patent einschließlich dem im geltenden Patentanspruch 1 belassenen, erweiternden Merkmal jedoch fortbestehen, wenn eine Erklärung beigegeben wird, die den Tatbestand der unzulässigen Erweiterung und deren Umfang definiert. Damit wird das Patent von der unzulässigen Erweiterung befreit und kann - wenn es sonst rechtsbeständig ist - in der bereinigten Fassung aufrechterhalten werden (vgl. Schulte, PatG, 9. Auflage, § 21 Rn. 69, 70, 72 und 73). Um sicherzustellen, dass das erweiternde Merkmal nicht zur ursprünglichen Offenbarung gehört und damit nicht zur Begründung der Patentfähigkeit herangezogen werden kann, bedarf es nach der BGH-Entscheidung „Winkelmesseinrichtung“ grundsätzlich keiner Aufnahme eines entsprechenden Hinweises („disclaimer“) in die Patentschrift (vgl. BGH GRUR 2011, 40, 1. und 3. Ls. i. V. m. Rn. 34 und 35 - Winkelmesseinrichtung (Juris-Version)). Demnach ist es vorliegend ausreichend festzustellen, dass das im geltenden Patentanspruch 1 belassene Merkmal „in einer Konzentration von 10 - 50 %“ eine unzulässige Erweiterung darstellt, aus der Rechte nicht hergeleitet werden können.

Weitere Gründe die geltende Anspruchsfassung formal zu beanstanden liegen nicht vor. So leiten sich die zulässigen Merkmale des geltenden Patentanspruchs 1 von den ursprünglichen Ansprüchen 1 bis 4 sowie den Angaben in den Absätzen [0019] und [0021] der ursprünglichen Beschreibung ab. Der geltende Patentanspruch 2 geht auf den ursprünglichen Anspruch 3 sowie Absatz [0019] der Ursprungsunterlagen zurück und die geltenden Patentansprüche 3 bis 6 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 5 bis 8 in ihrem Wortlaut. Des Weiteren findet der geltende Patentanspruch 1 in den erteilten Patentansprüchen 1 und 2 sowie in den Absätzen [0019] und [0020] der Patentschrift eine Stütze. Der geltende Patentanspruch 2 geht auf den erteilten Patentanspruch 3 sowie die Angaben im Absatz [0019] der Patentschrift zurück und die geltenden Patentansprüche 3 bis 6 entsprechen den erteilten Patentansprüchen 5 bis 8 in ihrem Wortlaut.

3. Ständiger Rechtsprechung folgend setzt die Prüfung, ob der Gegenstand eines Patents nach den §§ 1 bis 5 PatG patentfähig ist, die Ermittlung des Gegenstands der Patentansprüche voraus. Dazu ist der Patentanspruch unter Heranziehung der Beschreibung und ggf. Zeichnungen aus Sicht des von der Erfindung angesprochenen Fachmanns auszulegen und festzustellen, was sich aus den Merkmalen des Patentanspruchs als unter Schutz gestellte technische Lehre ergibt. Demnach ist bei der Bestimmung des Gegenstands nicht allein der Wortlaut der Ansprüche oder dessen Verständnis im allgemeinen Sprachgebrauch maßgeblich, sondern vielmehr das, was der fachkundige Leser dem jeweiligen Anspruch, ggf. auch unter Heranziehung der Beschreibung, entnimmt (vgl. BGH GRUR 2001, 232, Ls. und Rn. 39 - Brieflocher (Juris-Version)).

Diesen Grundsätzen folgend sind zu den patentgemäßen Merkmalen „Alkohol“, „chaotrope Salze“ und „Bindungspuffer“ folgende Feststellungen zu treffen:

3.1 Da der Begriff „Alkohol“ in der Streitpatentschrift nicht definiert wird, ist er aus fachmännischer Sicht auszulegen, wobei der Fachmann im vorliegenden Fall als promovierter Biochemiker mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Nukleinsäureisolierung zu definieren ist. Wie aus dem in der Streitpatentschrift zitierten Stand der Technik ersichtlich ist, verwendet der Fachmann bei der Isolierung von Nukleinsäuren mittels fester Phasen üblicherweise niedere aliphatische Alkohole (vgl. Streitpatent, Abs. [0008 und 0010]). Darunter versteht der Fachmann Alkohole wie Ethanol, Propanol oder Isopropanol. Andere chemische Verbindungen mit Hydroxylgruppen, wie TRIS oder DTT, wird der Fachmann entgegen der von der Einsprechenden vertretenen Auffassung für die Isolierung von Nukleinsäuren somit nicht in Betracht ziehen, zumal der Fachmann TRIS als eine für biochemische Zwecke geeignete Puffersubstanz kennt und Dithiothreiol (DTT) als ein stark reduzierendes Reagenz (vgl. z. B. D1, S. 8, zweiter und dritter Abs., oder D7, S. 5, Z. 17). Die patentgemäße „Abwesenheit von Alkohol“ interpretiert der Fachmann demzufolge als einen Verzicht auf die bei der Nukleinsäureisolierung üblichen Alkohole wie Ethanol, Propanol oder Isopropanol.

3.2 Für den weiteren, im geltenden Patentanspruch 1 verwendeten Begriff „chaotrope Salze“ findet sich in der Streitpatentschrift ebenfalls keine Definition, so dass auch dieser Fachbegriff der Auslegung bedarf. Das von der Einsprechenden als Dokument D15 vorgelegte Konvolut von Auszügen aus verschiedenen Fachbüchern belegt zwar, dass es sich bei CaCl2 dem Grundsatz nach um ein chaotropes Salz handelt, welches dem Dokument D16 zur Folge regelmäßig in Verbindung mit der bei der Lyse von Zellen verwendeten Proteinase K zum Einsatz kommt. Der von der Einsprechenden vertretenen Auffassung, dass der Fachmann folglich unter dem im geltenden Patentanspruch 1 allgemein verwendeten Begriff „chaotropes Salz“ auch CaCl2 ohne weiteres subsumiert, kann dennoch nicht gefolgt werden. Denn die Merkmale und Begriffe eines Patentanspruchs sind so zu deuten, wie dies angesichts der ihnen nach dem offenbarten Erfindungsgedanken zugedachten technischen Funktion angemessen ist (vgl. Schulte, PatG, 9. Auflage § 14 Rn. 30). Die Lehre des Patentanspruchs 1 sowie die Ausführungen in der Beschreibung der Streitpatentschrift lassen jedoch erkennen, dass die Lyse der Zellen im patentgemäßen Verfahren mit Hilfe chaotroper Salze durchge- führt wird, zu deren Unterstützung lediglich proteolytische Enzyme wie Proteinase K hinzugezogen werden können (vgl. Streitpatent, Abs. [0015 und 0019] i. V. m. Patentanspruch 1). Der Fachmann, wie er bereits zuvor definiert wurde, wird daher unter dem Begriff „chaotropes Salz“ nur solche Salze verstehen, die aufgrund ihrer verstärkten chaotropen Eigenschaften ohne weitere Zusätze geeignet sind, Zellen für die anschließende Isolierung der Nukleinsäuren aufzuschließen. Wie aus dem vorliegend zitierten Stand der Technik erkennbar ist, verwendet der Fachmann für einen solchen Zellaufschluss mittels chaotroper Salze regelmäßig Alkalijodide, Alkaliperchlorate oder Guanidiniumsalze (vgl. z. B. D2, Anspruch 2 i. V. m. Abs. [0023 bis 0028], [0030] und [0033] oder D4, Anspruch 7 i. V. m. S. 41, Zeilen 1 bis 5 von unten). Salze mit schwächerer chaotroper Wirkung, wie das zuvor erwähnte CaCl2, wird der Fachmann für die patentgemäße Nukleinsäureisolierung demnach nicht als geeignet erachten. Hierfür spricht ferner die Tatsache, dass CaCl2 in Verbindung mit Proteinase K als Aktivator bzw. Stabilisator wirkt, der die katalytische Aktivität des Enzyms fördert, da Proteinase K allgemeiner Fachkenntnis zur Folge zwei Bindungsstellen für Ca2+ besitzt, so dass der Fachmann CaCl2 selbst in diesem Zusammenhang nicht mit dem im geltenden Patentanspruch 1 genannten Begriff „chaotropes Salz“ in Verbindung bringt (vgl. D16/2, li. Sp., letzter Abs. und D16/3, li. Sp., Abs. „Activators“).

3.3 Die Formulierung des geltenden Patentanspruchs 1 sowie verschiedene Stellen in der Beschreibung der Streitpatentschrift lassen erkennen, dass der patentgemäße „Bindungspuffer“ eine eigenständige Lösung darstellt, aus der sich zusammen mit Lysepuffer und Probe schließlich der Bindungsansatz ergibt (vgl. Streitpatent, Patentanspruch 1 i. V. m. Abs. [0017], Sätze 1 bis 3 von unten und Abs. [0018], letzter Satz). Über die Zusammensetzung des Bindungspuffers erfährt der Fachmann im geltenden Patentanspruch 1, dass dieser alkoholfrei ist und mindestens ein nichtionisches Detergenz enthält. Ergänzend dazu weist die Beschreibung des Streitpatents darauf hin, dass der Bindungspuffer außerdem Wasser oder eine Salzlösung mit hoher Salzkonzentration enthalten kann, ohne jedoch anzugeben, um welche Salze es sich dabei handelt (vgl. Streitpatent,

Abs. [0017], dritter Satz von unten und Abs. [0020]). Das Argument der Einsprechenden, der Begriff „Bindungspuffer“ umfasse folglich auch Bindungspuffer mit einer hohen Konzentration an chaotropen Salzen, vermag nicht zu überzeugen, denn der Fachmann geht stets davon aus, dass die Merkmale eines Patentanspruchs sinnvoll und frei von Widersprüchen sind. Die geltenden Patentansprüche 1 und 2 vermitteln vorliegend jedoch die technische Lehre, dass für die Lyse der Zellen nur chaotrope Salze in einer Ionenstärke von kleiner als 100 mM zu verwenden sind. Eine derartige Limitierung der chaotropen Salze im Lysepuffer wäre jedoch ohne technische Bedeutung, wenn im patentgemäßen Verfahren zur Isolierung von Nukleinsäuren zugleich ein Bindungspuffer verwendet würde, der eine hohe Konzentration an chaotropen Salzen enthält und damit die zuvor definierte geringe Ionenstärke an chaotropen Salzen wieder aufhebt. Zudem würde der Einsatz eines Bindungspuffers mit einer hohen Konzentration an chaotropen Salzen die Notwendigkeit eines Lysepuffers grundsätzlich in Frage stellen. Nachdem sich das finale Gemisch des Bindungsansatzes im patentgemäßen Verfahren jedoch zwingend aus Lyse-, Bindungspuffer und Probe zusammensetzt, kann der im geltenden Patentanspruch 1 verwendete Begriff „Bindungspuffer“ nach fachüblicher Logik somit nur für Bindungspuffer stehen, die außer dem nichtionischen Detergenz nur hohe Konzentrationen an nicht-chaotropen Salzen aufweisen.

4. Die Neuheit des Verfahrens zur Isolierung von Gesamtnukleinsäuren mit folgenden, im geltenden Patentanspruch 1 genannten Merkmalen:

(1) (1.1)

Verfahren zur parallelen Isolierung viraler doppel- und einzelsträngiger Nukleinsäuren aus diese Stoffe enthaltenden Proben, ohne die doppel- und einzelsträngigen viralen Nukleinsäuren zu trennen, wobei die nukleinsäureenthaltenden Proben mit einem Lysepuffer versetzt werden, der aus einer Salzlösung aus chaotropen Salzen mit einer Ionenstärke, die kleiner als 100 mM ist und anderen nichtchaotropen Salzen besteht,

(1.2) (1.3) (1.4)

(1.5) (1.6)

bei dem die nukleinsäurehaltigen Proben (vor deren Lyse) oder die bereits lysierten oder homogenisierten Proben in Abwesenheit von Alkohol mit einem Bindungspuffer, der mindestens ein nichtionisches Detergenz enthält so eingestellt werden, dass die Detergenz-Konzentration zur Anbindung der Nukleinsäuren 10-50 % im finalen Gemisch von Lysepuffer/Bindungspuffer beträgt und so die Gesamtnukleinsäure an einen festen Träger adsorbiert wird, der Träger mit der adsorbierten Gesamtnukleinsäure entfernt wird und das Waschen und Eluieren der adsorbierten Gesamtnukleinsäure nach bekannten Verfahren erfolgt,

ist anzuerkennen.

4.1 Die Druckschrift D4 offenbart ein Verfahren zur Isolierung von Nukleinsäuren bei dem ein sog. „disrupting buffer“ zur Lyse der Zellen und Bindung der Nukleinsäuren an einen festen Träger verwendet wird. Ein Bestandteil dieses Puffers ist ein neutralisierendes Detergenz, bei dem es sich u. a. um ein nichtionisches Detergenz wie Tween 20 handeln kann (vgl. D4, Ansprüche 1, 9 und 11). Die D4 offenbart ferner, dass Tween 20 in einer Konzentration von 20 % vorliegt (vgl. D4, Anspruch 13). Die Angaben in Tabelle 3 sowie im Beispiel 11 der D4 machen jedoch deutlich, dass sich diese Konzentrationsangabe nicht auf den „disrupting buffer“ bezieht, sondern vielmehr auf eine Ausgangslösung zu dessen Herstellung, die das nichtionische Detergenz enthält. Die finale Konzentration an nichtionischem Detergenz wird im Beispiel 11 der D4 nämlich mit 7,5 % angegeben und auch bei den in Tabelle 3 zusammengestellten Proben, bei denen mit Tween 20 das Pellet aus Nukleinsäuren und kationischem Detergenz erfolgreich aufgelöst wird, liegt die finale Konzentration des nichtionischen Detergenz nur bei 6,25 % (Probe Nr. 16) bzw. 1,75 % (Probe Nr. 30) (vgl. D4, S. 46/47, Tabelle 3 i. V. m.

Abs. [0118] und S. 68/69, Beispiel 11 i. V. m. Abs. [0143]). Übereinstimmend damit geht auch das Beispiel 12 der D4 von einer finalen Konzentration an nichtionischem Detergenz von 5,0 % aus (vgl. D4, S. 73, Abs. [0151]). Ein finales Gemisch aus Lysepuffer/Bindungspuffer mit einer Konzentration an nichtionischem Detergenz von 10 – 50 %, entsprechend dem patentgemäßen Merkmal (1.4), offenbart die Druckschrift D4 demzufolge nicht. Im Hinblick auf das patentgemäße Merkmal (1.1) ist in der D4 ausschließlich von der Konzentration der chaotropen Salze die Rede, nicht aber von deren Ionenstärke, die sich aus der Konzentration der einzelnen Ionensorten und ihrer Ladungszahlen entsprechend der allgemein bekannten mathematischen Formel I = ½ ∑ci zi2 berechnen lässt. Demzufolge stellt selbst das in der D4 in einer Konzentration von 100 mM als chaotropes Salz vorgesehene Tetramethylammonium Chlorid keine unmittelbare und eindeutige Offenbarung für das patentgemäße Merkmal (1.1) dar (vgl. D4, S. 41, Tabelle 1, Zeile zwei von unten).

Bei den weiteren, von der Einsprechenden zitierten Druckschriften D1, D2 und D7 handelt es sich ebenfalls nicht um neuheitsschädlichen Stand der Technik.

4.2 Das in der Druckschrift D1 offenbarte Verfahren wird unter der Zielsetzung bereitgestellt, bei der Isolierung von Nukleinsäuren u. a. auf chaotrope Substanzen zu verzichten (vgl. D1, S. 4/5, seitenübergreifender Abs.). Um in einem der Nukleinsäurebindung vorausgehenden Lyseschritt die Zellwände ohne chaotrope Substanzen zerstören zu können, werden bei diesem Verfahren daher enzymatische oder mechanische Methoden empfohlen (vgl. D1, Ansprüche 1 und 5 i. V. m. S. 6, letzter Abs. bis S. 7, erster Abs.). Für die enzymatische Behandlung wird in der D1 Proteinase K als geeignetes Enzymen genannt, von dem der Fachmann weiß, dass dieses Enzym üblicherweise in Kombination mit 1 bis 5 mM CaCl2 verwendet wird (vgl. D1, S. 7, Z. 2 bis 5 i. V. m. D16). Das in Verbindung mit der Proteinase K nicht expressis verbis genannte CaCl2 mag der Fachmann aufgrund seiner allgemeinen Fachkenntnis in der Offenbarung der D1 daher mitlesen, allerdings nur in seiner Funktion als ein für die enzymatische Aktivität der Proteinase K erforderlicher Aktivator bzw. Stabilisator (vgl. D16). CaCl2 bringt der Fachmann aufgrund seiner allgemeinen Fachkenntnis zwar auch mit einer schwach chaotropen Wirkung in Verbindung (vgl. D15). Da mit dem Verfahren der D1 jedoch das Ziel verfolgt wird, Gesamtnukleinsäuren unter Vermeidung von chaotropen Substanzen zu isolieren und die D1 zudem davon ausgeht, dass chaotrope Salze bei der Isolierung von Nukleinsäuren gegebenenfalls in hohen Molaritäten eingesetzt werden müssen, kann in der alleinigen Nennung von Proteinase K in der D1 keine unmittelbare und eindeutige Offenbarung für den patentgemäßen Einsatz von chaotropen Salzen mit einer Ionenstärke von kleiner als 100 mM zur Lyse der Zellen gesehen werden (vgl. D1, S. 4/5, seitenübergreifender Abs., insbesondere S. 4, letzter Abs., erster und zweiter Satz) (vgl. BGH GRUR 2009, 382, 1. Ls. i. V. m. Rn. 25 - Olanzapin). Selbst der als Vergleichsbeispiel in der D1 verwendete traditionelle Lyse/Bindungspuffer, der LiCl als chaotropes Salz enthält, stellt keine Offenbarung für das patentgemäße Merkmal (1.1) dar, da das chaotrope Salz darin in einer Konzentration von 500 mM vorliegt (vgl. D1, S. 22 bis 25, Beispiel 6, insbesondere S. 25, Z. 30).

4.3 Hauptbestandteil der in der Druckschrift D2 zur Isolierung von Nukleinsäuren eingesetzten Lysepuffer sind chaotrope Salze (vgl. D2, Ansprüche 1 und 9). Diese liegen im Lysepuffer jedoch in hohen Konzentrationen vor, so dass die chaotropen Salze selbst in einer Mischung aus Lysepuffer und Probe noch in einer Konzentration zwischen 1 M und 4 M vorhanden sind (vgl. D2, S. 9, Abs. [0081] und [0082] i. V. m. Ansprüchen 1 und 9, jeweils Punkt b)). Lysepuffer mit dem patentgemäßen Merkmal (1.1) finden in der D2 demzufolge keine Erwähnung.

4.4 Eine Limitierung der chaotropen Salze bei der Isolierung von Nukleinsäuren, entsprechend dem patentgemäßen Merkmal (1.1), offenbart auch die Druckschrift D7 nicht, denn bei diesem Verfahren zur Isolierung viraler Nukleinsäuren kommen Lyse-/Bindungspuffer zum Einsatz, die chaotrope Salze in Konzentrationen von 2 M bis 10 M enthalten können, so dass es sich auch bei der Druck- schrift D7 nicht um neuheitsschädlichen Stand der Technik handelt (vgl. D7, Anspruch 1 i. V. m. S. 5, Z. 11 bis 16 und S. 15, Bsp. 5).

5. Das Verfahren des geltenden Patentanspruchs 1 beruht zudem auf einer erfinderischen Tätigkeit.

In der Streitpatentschrift wird von einer Reihe von Nukleinsäureisolierungsverfahren berichtet, welche die Isolierung viraler Nukleinsäuren ermöglichen. Bei diesen Verfahren hat sich jedoch gezeigt, dass die alleinige Nutzung von Puffern mit chaotropen Salzen für einen hochsensitiven Nachweis von Viren oftmals nicht ausreicht. Eine Verbesserung dieser Verfahren brachte eine chromatographische Reinigung und Trennung von Nukleinsäuregemischen aus einer Lösung. Das chromatographische Verfahren erforderte jedoch eine hohe Salz- und Alkoholkonzentration. In einem weiteren Verfahren zur Trennung und Isolierung von einzelsträngigen und doppelsträngigen Nukleinsäuren hat sich für den Schritt der Anbindung von Nukleinsäuren an mineralische Materialien wiederum die Existenz eines Alkohols in dem für den Extraktionsprozess eingesetzten Puffer als entscheidend erwiesen. Damit weist der Stand der Technik darauf hin, dass eine Isolierung von Nukleinsäuren aus biologischen Proben unter Verwendung von chaotropen Salzen allein funktioniert, das Verfahren aber erst durch die Zugabe eines Alkohols wirklich effizient wird (vgl. Streitpatent, Abs. [0002 bis 0010]).

Ausgehend davon, liegt dem Streitpatent die Aufgabe zugrunde, ein alternatives Verfahren bereitzustellen, welches die Nachteile des Standes der Technik beseitigt und die schnelle, einfache und preiswerte Isolierung von viralen Nukleinsäuren aus diagnostisch relevanten biologischen Proben erlaubt (vgl. Streitpatent, Abs. [0011 und 0013]).

Gelöst wird diese Aufgabe mit dem im geltenden Patentanspruch 1 beschriebenen Verfahren, bei dem es darauf ankommt, dass für die Lyse der Zellen ein Puffer mit chaotropen Salzen verwendet wird, der die chaotropen Salze nur in einer Ionen- stärke von kleiner als 100 mM enthält (Merkmal (1.1)) und bei dem die Konzentration an nichtionischem Detergenz im Bindungsansatz mit einem alkoholfreien Bindungspuffer (Merkmal (1.2)) auf 10 - 50 % eingestellt wird (Merkmal (1.4)).

5.1 Für die Lösung der patentgemäßen Aufgabe stellt die Druckschrift D4 einen möglichen Ausgangspunkt dar, da Gegenstand dieser Entgegenhaltung - ähnlich wie im Streitpatent - ein Verfahren zur Isolierung viraler Gesamtnukleinsäure ist. Die Nukleinsäure wird dabei über einen festen Träger in Gegenwart eines sog. „disrupting buffers“ isoliert, der außer einer Protease und einem kationischen Detergenz noch ein das kationische Detergenz neutralisierendes Detergenz, wie Tween 20, enthält (vgl. D4, Ansprüche 1, 9 und 11 i. V. m. Abs. [0045] und [0059]). In der D4 ist ferner davon die Rede, dass das nichtionische Detergenz dabei in einer Konzentration von 20 Gew.-% vorliegt (vgl. D4, Anspruch 13). Um hierzu weitere, für die Durchführung des Verfahrens notwendige Details zu erfahren, wird der Fachmann die in D4 beschriebenen Beispiele, wie die Beispiele 11, 12 und 15, zu Rate ziehen. Ihnen entnimmt er, dass das nichtionische Detergenz eingesetzt wird, um den Komplex aus kationischem Detergenz und Nukleinsäuren aufzulösen (vgl. D4, S. 46/47, Tabelle 3, Probe Nr. 16 und 30 i. V. m. S. 48, erster Abs.) und, dass es hierfür in finalen Konzentrationen von 6,25 %, 1,75 %, 7,5 % oder 5,0 % zu verwenden ist (vgl. D4, S. 46/47, Tabelle 3, Proben Nr. 16 und 30, S. 69, Z. 10 und S. 73, Z. 7 bis 10). Diese Angaben machen deutlich, dass es sich bei der Lösung, die Tween 20 in einer Konzentration von 20 Gew.-% enthält, um eine Ausgangslösung zur Herstellung des in der D4 verwendeten „disrupting buffers“ handelt. Einen weiteren Beweis hierfür liefert die Tatsache, dass eine solche Lösung auch Bestandteil des in D4 beschriebenen Kits ist (vgl. D4, S. 36, Abs. [0104], letzter Satz). Das Überschreiten einer finalen Konzentration an nichtionischem Detergenz von 10 % regt die D4 aufgrund der zuvor genannten Angaben somit nicht an und liefert folglich auch keinen Hinweis auf das im Patentanspruch 1 des Streitpatents genannte Merkmal (1.4).

Darüber hinaus legt die Lehre der Druckschrift D4 es nicht nahe, bei der Isolierung von Nukleinsäuren darauf zu achten, dass chaotrope Salze hierbei nur in Ionenstärken von kleiner als 100 mM eingesetzt werden. Die D4 lehrt zwar, wie von der Einsprechenden zutreffend festgestellt, die enzymatische Lyse der Zellen z. B. mit Proteinase K durchzuführen und die Proteinasse K dabei in Kombination mit 20 mM CaCl2 einzusetzen (vgl. D4, Anspruch 8 i. V. m. S. 69, Z. 2 bis 4 und S. 78, Z. 7 bis 10). Der Einsprechenden ist ferner zuzustimmen, dass der Patentanspruch 1 des Streitpatents einen derartigen Einsatz von Proteinase K nicht ausschließt und der Fachmann CaCl2 aufgrund seiner allgemeinen Fachkenntnis als chaotropes Salz kennt (vgl. D15). Der von der Einsprechenden daraus gezogenen Schlussfolgerung, die D4 liefere dem Fachmann somit Hinweise darauf, chaotrope Salze im Lysepuffer im patentgemäßen Sinn auf eine Ionenstärke von kleiner 100 mM zu limitieren, kann allerdings nicht gefolgt werden. Denn die Tatsache, dass CaCl2 im Anspruch 8 der D4 getrennt von den chaotropen Salzen des Anspruchs 7 genannt wird, macht für den Fachmann bereits deutlich, dass CaCl2 in der D4 eine andere Bedeutung beigemessen wird, als den üblicherweise bei der Zelllyse verwendeten chaotropen Salzen des Anspruchs 7. Dies wird in der D4 ferner dadurch deutlich, dass bei der Definition des Begriffs „chaotrope Salze“ in der Beschreibung der D4 das CaCl2 keine Erwähnung findet, wohl aber die dem Fachmann für die Zelllyse bekannten chaotropen Salze wie Guanidiniumthiocanat oder Natriumjodid (vgl. D4, S. 13, Abs. [0048]). Die Sonderstellung, die dem CaCl2 damit in der D4 eingeräumt wird, wird den Fachmann im Übrigen nicht weiter verwundern, da ihm bekannt ist, dass es sich bei CaCl2 um einen Aktivator und Stabilisator für die Proteinase K handelt, der allgemeiner Fachkenntnis zur Folge in Konzentrationen von 1 bis 5 mM eingesetzt wird (vgl. D16/2 und D16/3). In Kenntnis dessen liefert der in der Druckschrift D4 bei der Zelllyse verwendete proteolytische Ansatz unter Verwendung von 20 mM CaCl2 somit keine Anregung dafür, die Zelllyse mit chaotropen Salzen in einer Ionenstärke von kleiner als 100 mM, entsprechend dem patentgemäßen Merkmal (1.1), durchzuführen. Eine solche Anregung kann die Druckschrift D4 auch deshalb nicht vermitteln, weil in ihr zugleich Lyse-/Bindungspuffersysteme mit chaotropen Salzen in hohen Konzentrationen von 2 M bis 6 M verwendet werden, wodurch der Inhalt der D4 sogar von der patentgemäßen Lehre wegführt (vgl. D4, S. 73, Abs. [0151] i. V. m. S. 75, Tabelle 12, li. Sp., S. 77, Abs. [0154], S. 78, Abs. [0156] oder S. 84, Abs. [0176]).

Dieser Widerspruch zur patentgemäßen Lehre des Merkmals (1.1) kann auch nicht mit dem von der Einsprechenden vorgebrachten Argument, im patentgemäßen Verfahren könne der Bindungspuffer unabhängig vom Lysepuffer ebenfalls eine hohe Konzentration an chaotropen Salzen enthalten, beseitigt werden. Denn - wie bereits zuvor unter Punkt II.3.3 ausgeführt - wird durch die patentgemäßen Merkmale (1.1) und (1.4) festgelegt, dass im Verfahren des Streitpatents chaotrope Salze ausschließlich im Lysepuffer und darin nur in einer Ionenstärke von kleiner als 100 mM vorhanden sind, wodurch Bindungspuffer mit zusätzlichen chaotropen Salzen ausgeschlossen werden.

Auch der weitere Einwand der Einsprechenden, der Lysepuffer leiste im patentgemäßen Verfahren keinen technischen Beitrag zur Bindung und damit zur Isolierung der Nukleinsäuren, da die Zelllyse im patentgemäßen Verfahren auch mit einer vom geltenden Patentanspruch 1 nicht ausgeschlossenen enzymatischen Behandlung durchführbar sei, die bei einer Verwendung von Proteinase K in Verbindung mit 20 mM CaCl2 automatisch zum patentgemäßen Merkmal (1.1) führe, vermag nicht zu überzeugen. Denn entgegen der von der Einsprechenden vertretenen Auffassung schreibt das im patentgemäßen Merkmal (1.4) genannte „…finale Gemisch von Lysepuffer/Bindungspuffer“ den Einsatz eines Lysepuffers zwingend vor und legt in Verbindung mit dem patentgemäßen Merkmal (1.1) zudem fest, dass dieser die chaotropen Salze mit einer Ionenstärke von kleiner als 100 mM enthalten muss, was den von der Einsprechenden angenommenen Ersatz des Lysepuffers durch eine Kombination aus Proteinase K und 20 mM CaCl2 ausschließt. Darüber hinaus lehrt die D4 im Zusammenhang mit der Zelllyse den allgemeinen Einsatz von Proteasen, die jedoch nicht alle in Kombination mit 20 mM CaCl2 verwendet werden, so dass die in D4 angesprochene enzymatische Zelllyse auch aus diesem Grund keine Zelllyse mit einem chaotropen Salz nahe zu legen vermag, bei der das chaotrope Salz stets in einer Ionenstärke von kleiner als 100 mM verwendet wird (vgl. D4, Ansprüche 1 und 15).

Ausgehend von der D4 erhält der Fachmann somit keine Anregungen, die in Richtung der patentgemäßen Merkmalskombination (1.1) und (1.4) weisen würden. Auch eine kombinierte Betrachtung der Druckschrift D4 mit der Druckschrift D1, D2 und/oder D7 vermag das Verfahren des geltenden Patentanspruchs 1 nicht nahe zu legen.

5.2 Durch die Druckschrift(en) D1, D2 und/oder D7 erhält der Fachmann allenfalls Hinweise dahingehend, die Konzentration an nichtionischem Detergenz im finalen Gemisch aus Lyse- und Bindungspuffer mit Hilfe eines alkoholfreien Bindungspuffers auf 10 – 50 % einzustellen (Merkmale (1.2) und (1.4)).

So wird in der D1 - unter der Prämisse der Vermeidung von Alkoholen (vgl. D1, S. 4/5, seitenübergreifender Abs.) - angegeben, dass für die Isolierung viraler Nukleinsäuren u. a. nichtionische Detergenzien zur Bindung der Nukleinsäuren an einen festen Träger in Konzentrationen von 0,2 bis 30 % geeignet sind (vgl. D1, Ansprüchen 1 und 8 i. V. m. S. 6, erster vollständiger Abs., S. 7, letzter Abs., erster und zweiter Satz sowie S. 8, erster Abs.).

Entsprechende Hinweise finden sich auch in der Druckschrift D2, in der Alkohole bei der Isolierung viraler Nukleinsäuren aufgrund ihrer Brennbarkeit als nachteilig erachtet werden, weshalb die darin beschriebenen Lyse-/Bindungspuffersysteme alkoholfrei sind (vgl. D2, Abs. [0017] i. V. m. Abs. [0064]). Wie aus dem Beispiel 2 der D2 ersichtlich, enthalten Lyse- und Bindungspuffer in diesem Verfahren zudem ein nichtionisches Detergenz wie Triton X-100, jeweils in einer Konzentration von 20 %, woraus sich finale Konzentrationen an nichtionischem Detergenz von etwa 40 % ergeben (vgl. D2, Abs. [0079 bis 0082]). In Kenntnis dessen sind die patentgemäßen Merkmale (1.2) und (1.4) ebenfalls als naheliegend zu erachten.

Alkohole werden auch in der D7 nicht als zwingend erforderlich erachtet und die Gesamtkonzentration an nichtionischem Detergenz im Bindungspuffer mit 1 bis 25 % angegeben, so dass die patentgemäßen Merkmale (1.2) und (1.4) auch aufgrund dieser Entgegenhaltung vom Fachmann kein erfinderisches Zutun erfordern (vgl. D7, S. 5, Z. 7 bis 10 und 20 bis 22).

5.3 In den zuvor genannten Druckschriften findet der Fachmann allerdings keine Anregungen dafür, bei der Nukleinsäureisolierung zugleich einen Lysepuffer mit dem patentgemäßen Merkmal (1.1) zu verwenden, da ein solcher in der(den) Druckschrift(en) D1, D2 und/oder D7 weder genannt (siehe Ausführungen unter Punkt II.4) noch auf diesen darin hingewiesen wird.

Druckschrift D1 lehrt bei der Zelllyse auf chaotrope Salze zu verzichten und empfiehlt daher zur Lyse der Zellen mechanische oder enzymatische Verfahren zu verwenden (vgl. D1, Ansprüche 1 und 5 i. V. m. S. 4/5, seitenübergreifender Abs. i. V. m. S. 6/7, seitenübergreifender Abs.).

Anregungen, die in Richtung des patentgemäßen Merkmals (1.1) weisen würden, liefert auch die Druckschrift D2 nicht, deren Lehre davon ausgeht, dass chaotrope Substanzen im Lysepuffer in Konzentrationen von 1 bis 4 M zu verwenden sind. Druckschrift D2 rückt damit sogar - entgegen der patentgemäßen Lehre - chaotrope Salze mit hohen Ionenstärken in den Vordergrund (vgl. D2, Ansprüche 1 und 9).

Für die Isolierung von Nukleinsäuren aus viralen Partikeln werden auch in der D7 chaotrope Salze in Konzentrationen von 2 bis 10 M als vorteilhaft erachtet (vgl. D7, S. 5, Z. 11 bis 14 und S. 15, Z. 9 bis 17).

Selbst eine Berücksichtigung der in den Druckschriften D1 und D2 zusätzlich angesprochenen Verwendung von Proteinase K führt zu keiner anderen Beurteilung der Sachlage (vgl. D1, S. 7, Z. 2 bis 5 und D2, Ansprüche 3 und 4 i. V. m.

Abs. [0080]). Denn deren Erwähnung ändert nichts an der Tatsache, dass chaotrope Salze in der D1 bei der Isolierung von Nukleinsäuren grundsätzlich vermieden werden, während chaotrope Salze in der D2 sowohl im Lyse- als auch im Bindungspuffer in hohen Konzentrationen eingesetzt werden, weshalb keine der beiden Druckschriften in der Lage ist einen limitierten Einsatz der chaotropen Salze entsprechend dem patentgemäßen Merkmal (1.1) nahezulegen (vgl. D1, S. 5, Z. 5 bis 9 bzw. D2, Abs. [0081] und [0082]). Dies gilt auch für den Fall, dass der Fachmann den Begriff „Proteinase K“ mit dem gleichzeitigen Einsatz von 1 bis 5 mM CaCl2 in Verbindung bringt. Denn aus den bereits zuvor genannten Gründen, auf deren Nennung an dieser Stelle zur Vermeidung von Wiederholung verzichtet wird, erkennt der Fachmann im CaCl2 zwar einen Aktivator und Stabilisator für die Proteinase K, aber kein chaotropes Salz, das per se in einer Konzentration von 1 bis 5 mM zur Lyse der Zellen geeignet wäre (vgl. Punkte II.4.2 und II.5.1).

An der erfindungsbegründenden Eigenschaft des patentgemäßen Merkmals (1.1) vermag auch die von der Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Druckschrift D17 nichts zu ändern. Aus ihr geht lediglich hervor, dass bei der Nukleinsäureisolierung chaotrope Substanzen für eine Zelllyse in Konzentrationen von 10 mM bis 10 M eingesetzt werden können (vgl. D17, S. 3, Z. 16 bis 29). Selbst die darin angesprochene Untergrenze einer Konzentration an chaotropen Salzen von 10 mM liefert dem Fachmann keine Anregung dahingehend, bei der Zelllyse eine Salzlösung aus chaotropen Salzen mit einer Ionenstärke zu verwenden, die kleiner als 100 mM ist. Denn zum einen wird der Ionenstärke der chaotropen Salze in der Druckschrift D17 keine Beachtung geschenkt und zum anderen spielt eine Limitierung der chaotropen Salze auf kleiner als 100 mM aufgrund der breiten Bereichsangabe von 10 mM bis 10 M, die in Bezug auf die Konzentration der chaotropen Salze in der D17 angegeben wird, keine Rolle.

5.4 In der mündlichen Verhandlung hat die Einsprechende im Zusammenhang mit der Druckschrift D2 wiederholt auf das Verbot des Doppelschutzes nach Art. II § 8 IntPatÜG hingewiesen. Nachdem das Verbot des Doppelschutzes jedoch nicht zu den in § 21 PatG abschließend genannten Widerrufsgründen gehört, die im vorliegenden Einspruchsverfahren zu dem von der Einsprechenden beantragten Widerruf des Patents führen könnten, vermag auch dieser Einwand der Einsprechenden nicht zu greifen.

6. Nach alledem ist das Verfahren zur parallelen Isolierung viraler doppel- und einzelsträngiger Nukleinsäuren gemäß dem geltenden Patentanspruch 1 neu und beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, so dass dieser Anspruch Bestand hat. Die geltenden, auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 6 betreffen Ausgestaltungen des Verfahrens nach Patentanspruch 1. Sie haben daher zusammen mit dem Hauptanspruch Bestand.

7. Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den Verfahrensbeteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass 1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses von einer beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, eingereicht werden.

Dr. Maksymiw Dr. Münzberg Dr. Himmelmann Dr. Wagner Fa

Wir stellen das Dokument etwas schmaler dar, um die Lesbarkeit zu erhöhen.

Bitte nutzen Sie nur das Original für den Druck des Dokuments.

Werbung

Urheber dieses Dokuments ist das Bundespatentgericht. Nach § 5 UrhG geniessen Entscheidungen und Gesetze keinen urheberrechtlichen Schutz. Auflagen des Gerichts können aber die kommerzielle Verwertung einschränken. In Anlehnung an Creative Commons Lizenzen ist die Nutzung mit einer CC BY-NC-SA 3.0 DE Lizenz vergleichbar. Bitte beachten Sie, dass diese Entscheidung urheberrechtlich geschützte Abbildungen enthalten kann. Vor einer Nutzung - über die reine Wiedergabe der Entscheidung hinaus - sind in solchen Fällen entsprechende Nutzungsrechte bei den jeweiligen Rechteinhabern einzuholen.

▲ Anfang

Paragraphen in 14 W (pat) 702/14

Sortiert nach der Häufigkeit
Häufigkeit Paragraph
1 1 PatG
1 5 PatG
1 21 PatG

Die aufgeführten Paragraphen wurden durch eine ausgeklügelte Software ermittelt.

Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass dabei auch falsche Kombinationen aus Paragraph und Gesetz ermittelt werden können.

Sollte ein Gesetz in Gänze übersehen worden sein, dann teilen Sie uns diesen Umstand bitte mit.

Sortiert nach dem Alphabet
Häufigkeit Paragraph
1 1 PatG
1 5 PatG
1 21 PatG

Original von 14 W (pat) 702/14

Der nachfolgende Link führt Sie zum originalen Dokument. Aufgrund der technischen Natur des Internets ist es möglich, dass der Link zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr gültig ist. Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass wir nicht alle Links einer ständigen Prüfung unterziehen können.

Öffnen

Bitte nutzen Sie möglichst das Original für den Druck des Dokuments.

Teilen von 14 W (pat) 702/14

Wenn Sie in einer E-Mail auf diese Entscheidung hinweisen möchten, dann können Sie diese komfortabel erstellen lassen, wenn Ihr Mail-Programm diese Option unterstützt. Alternativ können Sie den nachfolgenden Link in Ihre E-Mails und Webseiten einbauen:

Bitte nutzen Sie den Link in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Google+.

Das ist ein wirksames Mittel um mehr Menschen auf unsere Dienste aufmerksam zu machen.

Eine Dienstleistung von caselaw.de | Diese Datensammlung unterliegt der Creative Commons Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 DE | Impressum