19 W (pat) 40/19
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 40/19
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend die Patentanmeldung 10 2017 212 505.5 …
hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 16. Oktober 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Kleinschmidt, der Richterin Kirschneck sowie der Richter Dipl.-Ing. J. Müller und Dipl.-Ing. Matter beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 60 L des Deutschen Patent- und Markenamts vom 31. Juli 2019 aufgehoben und die Sache ECLI:DE:BPatG:2019:310719B19Wpat40.19.0 zur Fortführung des Prüfungsverfahrens an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
Gründe I.
Die am 20. Juli 2017 eingereichte Patentanmeldung 10 2017 212 505.5 mit der Bezeichnung „Verfahren zum sparsamen Betreiben eines Kraftfahrzeugs und Kraftfahrzeug“ ist mit Bescheid der Prüfungsstelle für Klasse B 60 L des Deutschen Patent- und Markenamts (i. W. DPMA) vom 25. Februar 2019 als nicht patentfähig beanstandet worden, da es den jeweiligen Gegenständen der einander nebengeordneten Patentansprüche 1 und 11 an der Neuheit mangele.
Mit Schriftsatz vom 31. Juli 2019, eingegangen beim DPMA am selben Tag, hat die Anmelderin auf den Prüfungsbescheid vom 25. Februar 2019 erwidert, geänderte Patentansprüche 1 bis 11 und dazu angepasste Beschreibungsseiten 1 und 7 eingereicht sowie ihre gegenteilige Auffassung zu der Frage der Patentfähigkeit der Patentanmeldung dargelegt.
Die Prüfungsstelle hat im schriftlichen Verfahren am 31. Juli 2019 die Zurückweisung der Patentanmeldung 10 2017 212 505.5 unter Verweis auf die Gründe des Bescheids vom 25. Februar 2019 beschlossen. Der Beschluss ist am 5. August 2019 im Abholfach der Anmelderin niedergelegt worden.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 26. August 2019, eingegangen beim DPMA am selben Tag. Sie rügt die Verletzung des rechtlichen Gehörs und beantragt (sinngemäß),
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 60 L des DPMA vom 31. Juli 2019 aufzuheben und das Patent aufgrund folgender Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 bis 11 vom 31. Juli 2019 Beschreibung, Seiten 1 und 7 vom 31. Juli 2019, Seiten 2 bis 6 und 8 bis 15 vom Anmeldetag 20. Juli 2017,
Blatt Zeichnungen, Figuren 1 und 2, vom Anmeldetag 20. Juli 2017,
hilfsweise das Prüfungsverfahren fortzuführen.
Außerdem regt sie an, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird ergänzend auf den Inhalt der Akten Bezug genommen und verwiesen.
II.
1. Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat insoweit Erfolg, als sie zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das DPMA führt.
Die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückverweisung der Sache an das DPMA war gemäß § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG angezeigt, da das Verfahren vor der Prüfungsstelle an dem wesentlichen Mangel der Verletzung des Anspruchs der Anmelderin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) leidet.
Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet die Prüfungsstellen des DPMA, ebenso wie ein Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidung in Erwägung zu ziehen, wobei Art. 103 Abs. 1 GG erst verletzt ist, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht, bzw. hier die Prüfungsstelle, dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 – 1 BvR 986/91, BVerfGE 86, 133-148, C. III. 1.a) und 2. a) – Rückübertragungsanspruch; BGH, Beschluss vom 9. Mai 2018 – I ZB 68/17, juris Rdn. 9; Schulte, PatG, 10. Aufl. 2017, Einleitung Rdn. 284, 296). So verhält es sich hier. Die Prüfungsstelle hat das geänderte Patentbegehren sowie die Ausführungen der Anmelderin hierzu in dem Schriftsatz vom 31. Juli 2019 bei der Entscheidung über die Zurückweisung der Anmeldung nicht berücksichtigt. Vielmehr erließ sie einen sogenannten Formalbeschluss unter Bezugnahme auf den Prüfungsbescheid vom 25. Februar 2019, der noch die ursprünglichen Anmeldeunterlagen zum Gegenstand hatte. Dem steht nicht entgegen, dass die Erwiderung der Anmelderin auf den Prüfungsbescheid erst am 31. Juli 2019, dem Tag der Beschlussfassung beim DPMA eingegangen ist, die Erwiderung der Anmelderin der Prüfungsstelle bei ihrer Entscheidung daher möglicherweise noch nicht vorgelegen hat. Denn maßgeblicher Zeitpunkt für die notwendige Berücksichtigung der Äußerung eines Beteiligten ist nicht die Vorlage an die für die Entscheidung zuständige Stelle, sondern – wie hier – im schriftlichen Verfahren die Herausgabe der Entscheidung an die interne Postabfertigungsstelle (vgl. Schulte, a. a. O., Einleitung Rdn. 289 ff (291); BGH, Urteil vom 9. März 1967 – Ia ZB 28/65, juris Rdn. 22, 25 – Isoharnstoffäther; BGH, Beschluss vom 12. Juli 2012 – IX ZB 270/11, NJW-RR 2012, 1533). Dies ist im vorliegenden Fall der Zeitpunkt der Niederlegung des Beschlusses im Abholfach der Anmelderin am 5. August 2019. Mithin hätte die Eingabe der Anmelderin vom 31. Juli 2019 bei der Entscheidung über die Anmeldung zur Wahrung des rechtlichen Gehörs berücksichtigt werden müssen und demzufolge hätte der Beschluss vom 31. Juli 2019 nicht zugestellt werden dürfen.
Des Weiteren hätte es im Hinblick auf die verfahrensfehlerhafte Nichtberücksichtigung der Eingabe der Anmelderin vom 31. Juli 2019 beim Erlass des Zurückweisungsbeschlusses im pflichtgemäßen Ermessen der Prüfungsstelle gelegen, der hiergegen eingelegten Beschwerde der Anmelderin gemäß § 73 Abs. 3 Satz 1 PatG abzuhelfen, den angefochtenen Beschluss kassatorisch aufzuheben und das Prüfungsverfahren mit den eingereichten geänderten Unterlagen fortzusetzen (vgl. hierzu Schulte, a. a. O., § 73 Rdn. 121 ff (123); BPatG, Beschluss vom 23. August 1985 – 13 W (pat) 10/85, BlPMZ 1985, 332; BPatG, Beschluss vom 28. Oktober 1985 – 9 W (pat) 25/85, BlPMZ 1985, 41).
2. Die Beschwerdegebühr war aus Billigkeitsgründen zurückzuzahlen (§ 80 Abs. 3 PatG). Der aufgezeigte wesentliche Verfahrensfehler der Verletzung rechtlichen Gehörs, der darin besteht, dass die geänderten Anmeldeunterlagen und die Ausführungen der Anmelderin zu den beanstandeten Patenthinderungsgründen in dem Zurückweisungsbeschluss unberücksichtigt geblieben sind, war ursächlich für die Beschwerdeeinlegung. Denn es ist nicht auszuschließen, dass sich bei Berücksichtigung der Eingabe der Anmelderin und Fortsetzung des Prüfungsverfahrens die Beschwerdeeinlegung erübrigt hätte.
3. Die Entscheidung des Senats konnte ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergehen. Die beschlossene Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das DPMA stellt keine für die Anmelderin nachteilige Entscheidung dar, die aufgrund des hilfsweise gestellten Terminantrags eine mündliche Verhandlung gemäß § 78 Nr. 1 PatG zwingend erfordern würde (vgl. Schulte, a. a. O., § 78 Rdn. 12).
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den an dem Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Abs. 2, § 100 Abs. 1, § 101 Abs. 1 PatG).
Nachdem der Beschwerdesenat in dem Beschluss die Einlegung der Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn einer der nachfolgenden Verfahrensmängel durch substanziierten Vortrag gerügt wird (§ 100 Abs. 3 PatG):
1. Das beschließende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt. 2. Bei dem Beschluss hat ein Richter mitgewirkt, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war. 3. Einem Beteiligten war das rechtliche Gehör versagt. 4. Ein Beteiligter war im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat. 5. Der Beschluss ist aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind. 6. Der Beschluss ist nicht mit Gründen versehen.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, schriftlich einzulegen (§ 102 Abs. 1 PatG).
Die Rechtsbeschwerde kann auch als elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen ist, durch Übertragung in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes eingelegt werden (§ 125a Abs. 3 Nr. 1 PatG i. V. m. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 2a, Anlage (zu § 1) Nr. 6 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV)). Die elektronische Poststelle ist über die auf der Internetseite des Bundesgerichtshofes www.bundesgerichtshof.de/erv.html bezeichneten Kommunikationswege erreichbar (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGH/BPatGERVV). Dort sind auch die Einzelheiten zu den Betriebsvoraussetzungen bekanntgegeben (§ 3 BGH/BPatGERVV).
Die Rechtsbeschwerde muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten des Rechtsbeschwerdeführers eingelegt werden (§ 102 Abs. 5 Satz 1 PatG).
Kleinschmidt Kirschneck J. Müller Matter Pr