35 W (pat) 9/18
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 9/18
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
betreffend das Gebrauchsmuster … (hier: Verfahrenskostenhilfe zur Aufrechterhaltungsgebühr für die Jahre 4 bis 6) hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 25. Januar 2019 durch den Vorsitzenden Richter Metternich sowie die Richterin Bayer und den Richter Eisenrauch ECLI:DE:BPatG:2019:250119B35Wpat9.18.0 beschlossen:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Februar 2018 aufgehoben und die Sache wird an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
Gründe I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: Antragsteller) ist Inhaber des Gebrauchsmusters … mit der Bezeichnung „… “, das auf eine Anmeldung vom 30. April 2014 zurückgeht und am 3. Juni 2014 in das Register eingetragen wurde. Mit Eingabe vom 13. September 2017 hat der Antragsteller durch seinen anwaltlichen Vertreter Verfahrenskostenhilfe (VKH) für die 1. Aufrechterhaltungsgebühr (Aufrechterhaltungsgebühr für die Jahre 4 bis 6) einschließlich Verspätungszuschlag beantragt. Die Gebrauchsmusterstelle hat den Antragsteller daraufhin mit Bescheiden vom 22. September 2017 und 18. Dezember 2017 aufgefordert, Nachweise über Versuche zur wirtschaftlichen Verwertung des Gebrauchsmustergegenstandes vorzulegen. Der Antragsteller hat mit Schriftsätzen vom 9. Oktober 2017 und 2. Februar 2018 insgesamt vier nicht näher kommentierte Fotografien vorgelegt, die Fahrradpedale mit vollflächigen Trittplatten zeigen, die grafisch gestaltet sind und teilweise die Bezeichnung „Reflex Pedal“ tragen und/oder mit der Marke „MOTO“ gekennzeichnet sind. Die Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) hat die vorgelegten Fotografien als ungeeignet für den geforderten Verwertungsnachweis angesehen und den VKH-Antrag mit Beschluss vom 19. Februar 2018 zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 22. März 2018 eingegangene Beschwerde, mit der der Antragsteller seinen Antrag auf Gewährung von VKH weiterverfolgt. Mit Beschwerdebegründung vom 30. Mai 2018 hat er vorgetragen, dass gebrauchsmustergegenständliche Fahrradpedale bereits während einer Messe ausgestellt worden und am Markt erhältlich seien. Entsprechende Pedale würden unter seiner eigenen Firma „M… UG“ hergestellt und vertrieben werden. Als Belege hierfür hat er neben weiteren Fotografien nunmehr auch Kopien zweier Rechnungen über den Verkauf von 150 Fahrradpedalen des Typs „MOTO Relex Pedal Blue“ sowie von 20 Pedalen des Typs „MOTO Urban Pedal“ (nebst jeweils gleicher Anzahl individuell gestalteter Trittplattenoberflächen, sog. „Griptapes“) vorgelegt. Die beiden Rechnungen, die vom 24. Juli 2017 und vom 25. Oktober 2017 stammen, weisen einerseits einen Betrag in Höhe von 4.864,13 € sowie andererseits einen Betrag in Höhe von 1.540,00 € aus. Zur Ergänzung seines Vortrags hat der Antragsteller ferner auf den Internet-Auftritt seines Unternehmens hingewiesen.
Der Antragsteller hat beantragt,
den Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patentund Markenamts vom 19. September 2018 über die Zurückweisung der Verfahrenskostenhilfe aufzuheben und ihm für die 1. Aufrechterhaltungsgebühr inklusiv Verspätungszuschlag Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die kostenfreie Beschwerde ist zulässig und auch teilweise begründet, nämlich insoweit, als sie zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das DPMA führt.
Die Gebrauchsmusterstelle ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Gewährung von VKH für die Aufrechterhaltungsgebühr eines Gebrauchsmusters nach § 21 Abs. 2 GebrMG i. V. m. § 130 Abs. 1 Satz 2 PatG und § 114 ZPO auch davon abhängig ist, dass die beabsichtigte Aufrechterhaltung nicht „mutwillig“ erscheint. Es entspricht ständiger, höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass die Regelung des § 114 ZPO, der die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKV) oder VKH zusätzlich davon abhängig macht, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht „mutwillig“ erscheint, mit dem Grundgesetz vereinbar ist (vgl. z. B. BVerfG NJW 2018, 1078). Im Zusammenhang mit Aufrechterhaltungsgebühren von Gebrauchsmustern ist eine Rechtsverfolgung dann „mutwillig“, wenn eine wirtschaftliche Verwertung des geschützten Gegenstandes weder stattfindet noch zu erwarten ist.
Es ist nicht zu beanstanden, dass die Gebrauchsmusterstelle zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung davon ausgegangen ist, dass eine wirtschaftliche Verwertung des Gebrauchsmustergegenstandes, also von Fahrradpedalen mit vollflächiger Trittplatte, auf denen zu Werbezwecken gestaltete „Griptapes“ angebracht sind, weder erfolgte noch zu erwarten war. Mit den vom Antragsteller damals vorgelegten, nicht näher kommentierten vier Fotografien war es nicht möglich, einen Bezug zum Antragsteller und dem vorliegenden Gebrauchsmuster herzustellen. Demnach lagen zum Zeitpunkt, als der angefochtene Beschluss ergangen war, keine Belege vor, aus denen sich ernsthafte und Erfolg versprechende Verwertungsversuche des Antragstellers erkennen ließen.
Mit seiner Beschwerdebegründung vom 30. Mai 2018 hat der Antragsteller dagegen hinreichende Belege dafür nachgereicht, dass er es unternimmt, den Gegenstand des vorliegenden Gebrauchsmusters in einer ihm zurechenbaren Weise zu verwerten. Der Senat sieht es als hinreichend sicher an, dass der Antragsteller Fahrradpedale – wie mit dem vorliegenden Gebrauchsmuster beansprucht – mit seiner im Jahr 2009 ins Handelsregister des Amtsgerichts Berlin Charlottenburg eingetragenen Firma „M… UG (haftungsbeschränkt)“, deren alleiniger Inhaber und Geschäftsführer er ist, herstellt und vertreibt. Die im vorliegenden Verfahren nunmehr überreichten Fotografien und Rechnungen über den Verkauf von insgesamt 170 Fahrradpedalen nebst entsprechenden „Griptapes“ unter der Marke „MOTO“ betreffen offensichtlich Fahrradpedale, wie sie im vorliegenden Gebrauchsmuster beansprucht werden. Der Verkauf im Volumen von insgesamt … € deutet sogar auf einen nicht unbeachtlichen Geschäftsbetrieb hin. Dieser Eindruck wird auch durch den Internet-Auftritt der Firma „M… UG (haftungsbeschränkt)“ unterstrichen, wonach unabhängig vom vorhandenen Webshop etwa 80 namentlich genannte Händler in Deutschland, Österreich und einigen anderen Ländern Pedale und „Griptapes“ der Marke „MOTO“ vertreiben. Damit hat der Antragsteller die anfänglich vorhandenen Mängel seines Antrags, die zur Zurückweisung seines VKH-Antrags wegen „Mutwilligkeit“ geführt haben, in vollem Umfang ausgeräumt.
Der Senat sieht sich dennoch außerstande, antragsgemäß die vom Antragsteller für die 1. Aufrechterhaltungsgebühr (nebst Zuschlag) begehrte VKH zu gewähren. Die Zuständigkeit für das VKH-Bewilligungsverfahren ist zwar mit der vorliegenden Beschwerde auf das Bundespatentgericht übergegangen, jedoch fehlt es an einem aktuellen Nachweis, aus dem sich die mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Antragstellers ergibt. Der Antragsteller hat als Nachweis auf einen Bescheid über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom 26. April 2016 verwiesen, der sich in der Patentakte … befinden soll. Dieser Nachweis liegt dem Senat nicht nur nicht vor, sondern er ist auch vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich nachgewiesenen wirtschaftlichen Betätigung des Antragstellers als veraltet anzusehen. Die Gewährung von VKH setzt die Vorlage einer aktuellen „Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse“ (Vordruck A 9541) des Antragstellers voraus, in der auch die Einkünfte des Antragstellers berücksichtigt worden sind, die er als alleiniger Inhaber und Geschäftsführer des Unternehmens mit Firma „M… UG (haftungsbeschränkt)“ bezieht. Insoweit sind auch die Vermögensverhältnisse dieses Unternehmens uneingeschränkt offenzulegen. Da eine hiervon ausgehende Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragstellers bisher nicht vorliegt, ist eine Entscheidung in der Sache derzeit noch nicht möglich.
Hiernach war der Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des DPMA vom 19. September 2018 aufzuheben und die Sache gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 GebrMG i. V. m. § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG an das DPMA zurückzuverweisen.
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 21 Abs. 2 GebrMG i. V. m. § 135 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbs., PatG die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof nicht gegeben, weshalb diese Entscheidung ohne Rechtsmittelbelehrung ergeht.
Metternich Bayer Eisenrauch Fa