Paragraphen in 20 W (pat) 17/11
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BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 17/11 Verkündet am 22. September 2014
…
BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
BPatG 154 05.11
…
betreffend das Patent 10 2007 011 841 hat der 20. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 22. September 2014 durch den Vorsitzenden Richter Dipl.-Phys. Dr. Mayer, die Richterin Kopacek sowie die Richter Dipl.-Ing. Kleinschmidt und Dipl.-Ing. Musiol beschlossen:
1. Der Beschluss der Patentabteilung 35 des Deutschen Patentund Markenamts vom 10. Dezember 2010 wird aufgehoben und das Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen beschränkt aufrecht erhalten:
Patentansprüche 1 bis 4, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 22. September 2014 Beschreibungsseiten Blatt 2/8 bis 6/8, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 22. September 2014 Zeichnungen 1 bis 3 gemäß Patentschrift.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe I.
Auf die am 12. März 2007 eingereichte Patentanmeldung wurde vom Deutschen Patent- und Markenamt das Patent 10 2007 011 841 mit der Bezeichnung „Übertragungsverfahren mit dynamischer Sendeleistungsanpassung und entsprechendes Hörgerätesystem“ erteilt. Die Patenterteilung wurde am 9. April 2009 im Patentblatt veröffentlicht. Das Patent umfasst insgesamt acht Patentansprüche.
Gegen das Patent wurde am 9. Juli 2009 mit einem gemeinsamen Schriftsatz Einspruch erhoben, mit dem der vollständige Widerruf des Patents begehrt wurde. Der Einspruch stützt sich auf den Widerrufsgrund der fehlenden Patentfähigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG). Die Einsprechenden hatten ihren Einspruch auf die Druckschriften (Nummerierung aus dem Einspruchsbeschluss)
D1 DE 43 22 853 A1, D2 EP 0 685 129 B1, D3 WO 00/69091 A1, D4 US 2004/0209635 A1 und D5 EP 1 187 362 B1 gestützt.
Ferner verwiesen sie mit Schriftsatz vom 4. Januar 2010, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt per Fax am selben Tag, noch auf die weiteren Entgegenhaltungen:
D6 US 5,721,783 A, D7 US 5,905,473 A, D8 US 2004/0037442 A1 und D9 Artikel aus Wikipedia: „Modulation (Technik)“.
Im Prüfungsverfahren waren – neben der Druckschrift D1 – noch die Entgegenhaltungen D10 DE 10 2005 005 603 A1, D11 EBERSPÄCHER, J.; VÖGEL, H.-J.: GSM Global System for Mobile Communication; Stuttgart: Teubner, 1997, Seiten 100-111, ISBN 3-519-06192-9, D12 DE 103 23 219 B3 und D13 LEUE, Peter; STARKE, Jürgen; WEBER, Rolf: Lexikon Unterhaltungselektronik, 1. Aufl., Berlin; Transpress VEB Verlag für Verkehrswesen, 1987, Seite 237, ISBN 3-344-00103-5 ermittelt worden, die aber im Einspruchsverfahren weder in den Schriftsätzen noch in der Anhörung am 10. Dezember 2010 aufgegriffen wurden.
Mit der Beschwerde führen die Beschwerdeführerinnen noch folgende Druckschriften ein B_D10 GARG, H. K. et. al.: Wireless Hearing Aids System Simulation; IEEE, 2005, S. 531 – 534,
B_D11 EP 0 789 474 A2, B_D12 US 2004/0136555 A1 und B_D13 MANN, W. C.: Smart Technology for Aging, Disability and Independence; John Wiley & Sons, Hoboken, New Jersey, USA, 2005, S. 130 – 133.
Im Ergebnis des Einspruchsverfahrens hat die Patentabteilung 35 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent aufrechterhalten. Sie hielt den Einspruch zwar für zulässig, in der Sache jedoch für unbegründet.
Hiergegen wenden sich die Einsprechenden mit ihrer Beschwerde.
In der mündlichen Verhandlung beantragte der Vertreter der Einsprechenden und Beschwerdeführerinnen,
den Beschluss der Patentabteilung 35 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. Dezember 2010 aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
Der Bevollmächtigte der Patentinhaberin beantragte in der mündlichen Verhandlung,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Hilfsweise beantragt er, das Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen aufrecht zu erhalten:
Hilfsantrag 1:
Patentansprüche 1 bis 4, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 22. September 2014
-6Beschreibungsseiten 1 bis 5, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 22. September 2014 Zeichnungen 1 bis 3 gemäß Patentschrift. Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet An den geltenden Patentanspruch 1 schließen sich die abhängigen Patentansprüche 2 und 3 an, bezüglich derer auf die Streitpatentschrift verwiesen wird.
-7Der nebengeordnete Patentanspruch 4 gemäß Hauptantrag lautet Der nebengeordnete Patentanspruch 5 gemäß Hauptantrag lautet An den geltenden Patentanspruch 5 schließen sich die abhängigen Patentansprüche 6 und 7 an, bezüglich derer auf die Streitpatentschrift verwiesen wird.
-8Der nebengeordnete Patentanspruch 8 gemäß Hauptantrag lautet Der Hilfsantrag 1 beansprucht die erteilten Patentansprüche 5 bis 8 in dieser Reihenfolge mit angepassten Nummerierungen und Rückbezügen. Die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin ist der Ansicht, dass die Gegenstände der Patentansprüche nach Hauptantrag, jedenfalls die Gegenstände der Patentansprüche nach Hilfsantrag, patentfähig seien. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Die zulässige Beschwerde der Einsprechenden hat insoweit Erfolg, als die Gegenstände der unabhängigen Patentansprüche 1 und 4 in der Fassung des Hauptantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen (§ 4 PatG).
1. Zum Hauptantrag a) Der Patentgegenstand betrifft ein Übertragungsverfahren zur induktiven Übertragung bei Hörgeräten und Hörgerätezubehör sowie ein entsprechendes Hörgerätesystem (vgl. Streitpatent, Absatz [0001]).
Das Streitpatent geht aus von bekannten Hörgeräten (vgl. Streitpatent, Absätze [0002] und [0003]). Weiter erläutert das Streitpatent, dass die Leistung eines Senders in einem Datenübertragungssystem derart ausgelegt sein müsse, dass auch bei maximal zulässiger Entfernung zwischen Sender und Empfänger ein zur Demodulation des Signals ausreichender Pegel am Empfänger ankomme. Da die Dämpfung des gesendeten Signals sehr stark von der Entfernung zwischen Sender und Empfänger abhänge, könne bei kürzeren Übertragungsdistanzen ein sehr starkes Signal beim Empfänger ankommen und dort u. a. zu Übersteuerungen bis hin zur Beschädigung des Empfängers führen. Zudem werde durch eine unnötig hohe Sendleistung sinnlos Energie verbraucht. Dieses Verhalten sei insbesondere bei induktiven Übertragungssystemen, wie sie in Hörgeräten und Hörgerätezubehör eingesetzt würden, besonders ausgeprägt, da hier die Signaldämpfung in besonderem Maße von der Entfernung zwischen Sender und Empfänger abhänge (vgl. Streitpatent, Absätze [0004] und [0005]).
Das Streitpatent stellt sich ausgehend von Vorgesagtem die Aufgabe, ein Übertragungsverfahren zur induktiven Übertragung bei Hörgeräten und Hörgerätezubehör sowie ein entsprechendes Hörgerätesystem vorzuschlagen, bei denen einerseits die Artefakte aufgrund von Übersteuerungen und (hierauf basierenden) Verzerrungen reduziert werden und andererseits ein möglichst geringer Stromverbrauch beim Senden gewährleistet werden kann (vgl. Streitpatent, Absatz [0010]).
Als Grundgedanken der Erfindung formuliert das Streitpatent zwei Lösungsmöglichkeiten für die vorgenannte Aufgabe:
Rücksenden einer Qualitätsinformation über das empfangene Signal vom Empfänger zum Sender und dynamisches Verändern der Sendeleistung in Abhängigkeit von dieser Qualitätsinformation (Lösung 1; vgl. Streitpatent, Absatz [0011]).
Erfassen einer Entfernungsinformation durch den Sender hinsichtlich einer Entfernung des Empfängers vom Sender und dynamisches Verändern der Sendeleistung in Abhängigkeit von der Entfernungsinformation (Lösung 2; vgl. Streitpatent, Absatz [0016]).
Als Vorteile der vorgenannten Lösungsmöglichkeiten sieht das Streitpatent an:
Möglichkeit, die Sendeleistung dynamisch an die aktuellen Gegebenheiten eines Übertragungskanals anzupassen und dabei die tatsächliche Dämpfung zu berücksichtigen (zu Lösung 1; vgl. Streitpatent, Absatz [0013]).
Möglichkeit, die Sendeleistung dynamisch anzupassen, ohne dass eine Rückkopplung vom Empfänger zum Sender notwendig ist (zu Lösung 2; vgl. Streitpatent, Absatz [0018]).
Der geltende Patentanspruch 1 lautet (mit hinzugefügten Merkmalsbezeichnungen):
M1 Übertragungsverfahren zur induktiven Übertragung bei Hörgeräten und Hörgerätezubehör durch M2 Senden eines Signals von einem Sender (10, 30) zu einem Empfänger (20, 40) mit einer bestimmten Sendeleistung,
M3 Rücksenden einer Qualitätsinformation über das empfangene Signal von dem Empfänger (20, 40) zu dem Sender (10, 30) und M4 dynamisches Verändern der Sendeleistung in Abhängigkeit von der Qualitätsinformation,
dadurch gekennzeichnet, dass M5 die Qualitätsinformation eine Information über eine Bitfehlerrate des empfangenen Signals beinhaltet.
Der erteilte nebengeordnete Patentanspruch 4 lautet (mit hinzugefügten Merkmalsbezeichnungen):
N1 Hörgerätesystem mit N2 einem Sender (10, 30) zum induktiven Senden eines Signals an einen Empfänger (20, 40) mit einer bestimmten Sendeleistung, wobei N3 der Empfänger (20, 40) zum induktiven Rücksenden einer Qualitätsinformation über das empfangene Signal zu dem Sender (10, 30) ausgebildet ist und N4 die Sendeleistung des Senders in Abhängigkeit von der Qualitätsinformation dynamisch veränderbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass N5 die Qualitätsinformation eine Information über eine Bitfehlerrate des empfangenen Signals beinhaltet.
b) Als für die Beurteilung der Lehre des Streitpatents relevanten Fachmann sieht der Senat einen Diplomingenieur der Elektrotechnik mit Fachhochschulausbildung und Erfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung und Auslegung von Hörgerätesystemen an, der im Team mit einem Diplomingenieur der Nachrichtentechnik mit Fachhochschulausbildung und Erfahrung auf dem Gebiet der Planung und Auslegung von Systemen der drahtlosen Nachrichtentechnik zusammenarbeitet.
c) Ausgehend von dem Fach- und Erfahrungswissen dieses Teams legt der Senat den einzelnen Begriffen folgenden Bedeutungsinhalten bei:
Eine Übertragung bzw. ein Senden geschieht induktiv, wenn hierfür das physikalische Phänomen der magnetischen Induktion genutzt wird. Findet zudem eine Übertragung ausschließlich in der Richtung von einem Sender zu einem Empfänger statt (liegt also kein Rückkanal vor) ist sie zudem unidirektional.
Gemäß Streitpatent kann die Qualitätsinformation eine Information über eine Bitfehlerrate des empfangenen Signals und ggfls. zusätzlich eine Information über die empfangene Signalstärke beinhalten (vgl. Absätze [0011] und [0014] sowie erteilte Patentansprüche 1 und 2).
Das Erfassen der Entfernungsinformation kann gemäß Streitpatent z. B. anhand einer Verstimmung einer Sendespule des Senders erfolgen (vgl. Absatz [0019]) aber auch anhand einer abgestrahlten Sendeleistung (vgl. Absätze [0020] und [0035]). Bei der sensierten Distanz (Entfernungsinformation) muss es sich dabei nicht zwingend um eine explizite Entfernungsangabe oder die kürzeste Entfernung zwischen Sender und Empfänger handeln (vgl. Absatz [0033]).
d) Die Druckschrift D1 (DE 43 22 853 A1) betrifft einen hörgerätekompatiblen Telefonapparat und bezieht sich auf eine Vorrichtung zur Verbesserung der Informationsübertragung zwischen Telefonapparaten und Hörgeräten (vgl. Titel und Sp. 1, Z. 3-5).
Die Druckschrift D1 geht davon aus, dass Hörgeräteträger beim Benutzen bekannter Telefonapparate benachteiligt sind, da die Telefone eine ungenügende akustische Anpassung zwischen Schallgeber und Hörgerätemikrofon herstellen. Es gebe jedoch keine Telefone, die die im Hörgerät als Standardausrüstung bereitgestellte Induktionsspule mittels magnetischer Sendeeinrichtung im Telefon unterstützen würden (vgl. Sp. 1, Z. 6 – 15 und 31 – 34).
Als Aufgabe stellt sich die Druckschrift D1, (neben dem akustischen) einen zusätzlichen Übertragungsweg zwischen Telefon und Hörgerät zu realisieren, der eine einfache Handhabung gestattet und zu einer sicheren Verständigung führen kann, wobei die übliche Ausstattung beibehalten werden kann (vgl. Sp. 1, Z. 35 - 40).
Die Lösung besteht gemäß der Druckschrift D1 darin, dass ein an das vom Hörgerät vorgegebene Empfangsverfahren angepasstes Sendeverfahren im Telefon bereitgestellt wird. Durch die Empfangsantenne im Hörgerät werde daher grundsätzlich die Sendeantenne im Telefon definiert. Als Übertragungsverfahren könnten magnetische, elektromagnetische und elektrostatische Verfahren Anwendung finde. Da der Standard seinerzeit auf einem magnetischen (also induktiven) Übertragungsprinzip basiere, beschreibt die Druckschrift D1 ihre Lehre anhand einer magnetischen Kopplung mittels Spulen (vgl. Sp. 1, Z. 40 - 54).
Der Druckschrift D1 ist in Sp. 1, Z. 51 – Sp. 2, Z. 41 und dem Patentanspruch 1 unmittelbar entnehmbar ein M1 Übertragungsverfahren zur induktiven Übertragung (Sp. 1, Z. 54: magnetische Kopplung mittels Spulen) bei Hörgeräten und Hörgerätezubehör (PA 1: hörgerätekompatibles Telefon) durch M2 Senden eines Signals von einem Sender (Sp. 2, Z. 4 und 5: Spule im Telefon) zu einem Empfänger (Sp. 1, Z. 66 – Sp. 2, Z. 3: Induktionsspule im Hörgerät) mit einer bestimmten Sendeleistung (funktionsnotwenig),
M3 Rücksenden einer Qualitätsinformation über das empfangene Signal von dem Empfänger (Hörgerät) zu dem Sender (Telefon; vgl. Sp. 2, Z. 24 – 41: Rücksenden einer Messgröße, die die Empfangsspannung der Empfangsantenne im Hörgerät repräsentiert) und M4 dynamisches Verändern der Sendeleistung in Abhängigkeit von der Qualitätsinformation (vgl. Sp. 2, Z. 34 – 41), wobei M5tlw. die Qualitätsinformation eine Information über eine Signalstärke (nämlich die Empfangsspannung der Empfangsspule im Hörgerät) Bitfehlerrate des empfangenen Signals beinhaltet.
Zum Anmeldezeitpunkt war die digitale Übertragung in Hörgerätesystemen bekannter Stand der Technik (zum Beleg vgl. nur die Druckschrift D7, dort Sp. 1, Z. 5 – 27 und 57 – 60; Sp. 2, Z. 15 – 17; Sp. 3, Z. 27 – 39 und Sp. 4, Z. 48 – 58 i. V. m. Fig. 7, die Druckschrift D8, dort abstract, die Absätze [0059], [0061], [0062], [0066] und [0067] oder die Druckschrift B_D10, dort Fig. 2). Der Fachmann hatte also bereits aus seinem Streben nach einer zeitgemäßen, technisch hochwertigen Lösung heraus alle Veranlassung, beim Nacharbeiten der Lehre der Druckschrift D1 die dort beschriebene analoge Lösung durch eine digitale zu ersetzen, da ihm letztere eine deutlich bessere Sprachübertragungsqualität versprach. Mit diesem Schritt war für den Fachmann aber bereits die Entscheidung angelegt, als Qualitätskriterium die Bitfehlerrate zu verwenden, welche das „natürliche“ Qualitätsmaß für eine digitale Signalübertragung darstellt und als solches dem Fachmann bestens bekannt war (zum Beleg vgl. wiederum die Druckschrift D7, dort Sp. 2, Z. 15 – 17 oder D8, dort Absatz [0067], vorletzter Satz).
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 war dem Fachmann zum Anmeldezeitpunkt somit mit dem Stand der Technik nahegelegt.
e) Das Vorgesagte gilt in gleicher Weise für den nebengeordneten Patentanspruch 4.
f) Nachdem sich die Patentansprüche 1 und 4 in der Fassung des Hauptantrages als nicht patentfähig erweisen, kann die beantragte Aufrechterhaltung des Patents nicht erfolgen. Aus der Fassung des Antrags und dem zu seiner Begründung Vorgebrachten sowie dem in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrag ergeben sich keine Zweifel an dem prozessualen Begehren der auch in der mündlichen Verhandlung anwaltlich vertretenen Patentinhaberin, das Patent im Hauptantrag ausschließlich in der beantragten Fassung zu verteidigen (BGH, Beschluss vom 27. Februar 2008 - X ZB 10/07, GRUR-RR 2008, 456 - Installiereinrichtung Tz. 22, mit weiteren Nachweisen).
2. Zum Hilfsantrag a) Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag (mit hinzugefügten Merkmalsbezeichnungen):
O1 Übertragungsverfahren zur induktiven unidirektionalen Übertragung bei Hörgeräten und Hörgerätezubehör durch O2 Senden eines Signals von einem Sender (10, 30) zu einem Empfänger (20, 40) mit einer bestimmten Sendeleistung,
gekennzeichnet durch O3 Erfassen einer Entfernungsinformation durch den Sender (10,
30) über eine Entfernung des Empfängers (20, 40) von dem Sender (10, 30) und O4 dynamisches Verändern der Sendeleistung in Abhängigkeit von der Entfernungsinformation.
Der nebengeordnete Patentanspruch 4 gemäß Hilfsantrag lautet (mit hinzugefügten Merkmalsbezeichnungen):
P1 Hörgerätesystem mit induktiver unidirektionaler Übertragung, umfassend P2 einen Sender (10, 30) zum induktiven Senden eines Signals an einen Empfänger (20, 40) mit einer bestimmten Sendeleistung,
dadurch gekennzeichnet, dass P3 an den Sender (10, 30) ein Sensor zum Erfassen einer Entfernungsinformation über eine Entfernung des Empfängers (20, 40) von dem Sender (10, 30) angeschlossen ist und P4 die Sendeleistung des Senders in Abhängigkeit von der Entfernungsinformation dynamisch veränderbar ist.
b) Die Anspruchsfassung gemäß Hilfsantrag entspricht den erteilten Patentansprüchen 5 bis 8 in dieser Reihenfolge mit angepassten Nummerierungen und Rückbezügen und erweist sich als zulässig. Ihre Gegenstände ergeben sich zunächst aus den ursprünglich eingereichten Patentansprüchen 6 bis 9 gemäß folgender Relation:
Patentanspruch 1: ursprünglicher PA 6 (O1tlw, O2, O3tlw, O4) Patentanspruch 2: ursprünglicher PA 7 Patentanspruch 3: ursprünglicher PA 8 Patentanspruch 4: ursprünglicher PA 9 (P1tlw, P2 tlw,, P3, P4).
Die ergänzten Merkmale „induktiv“ (Patentanspruch 4) sowie „unidirektional“ (Patentansprüche 1 und 4) ergeben sich jeweils aus den ursprünglichen Unterlagen (das Merkmal „induktiv“ aus S. 3, Z. 12 ff. und S. 4, Z. 16 ff., das Merkmal „unidirektional“ aus den ursprünglichen Unterlagen S. 8, Z. 14-20). „Erfassen“ (vgl. Patentanspruch 1) ist zur Überzeugung des Senats hierbei in der Sprache des Streit- patents synonym zu „Detektieren“ (vgl. ursprünglicher Patentanspruch 6: „Detektieren“ und ursprüngliche Patentansprüche 7 sowie 8: „Erfassen“).
c) Sowohl das zweifellos gewerblich anwendbare Übertragungsverfahren nach dem Patentanspruch 1 als auch das Hörgerätesystem nach dem Patentanspruch 4 gelten als neu (§ 3 PatG), denn keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften zeigt ein dynamisches Verändern einer Sendeleistung in Abhängigkeit einer Entfernungsinformation (vgl. Merkmale O4 und P4 und die diesbezüglichen Ausführungen unter d)).
d) Sowohl das Übertragungsverfahren nach dem Patentanspruch 1 als auch das Hörgerätesystem nach dem Patentanspruch 4 beruhen auch auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG).
Die Beschwerdeführerinnen trugen hierzu vor, ausgehend von der Lehre der Druckschrift D1 würde der Fachmann in Ansehung der Lehre der Druckschrift D5, welcher eine Entfernungsbestimmung und eine hierauf beruhende Sendeleistungsregelung entnehmbar sei, zur Lehre der Patentansprüche 1 bzw. 4 gelangen ohne erfinderisch tätig werden zu müssen.
Die Druckschrift D5 (EP 1 187 362 B1) beschäftigt sich mit einem Code Division Multiple Access (CDMA)-Funkübertragungssystem und seiner Leistungsregelung (vgl. Titel). Die Druckschrift geht davon aus, dass bekannte Leistungsregelungsmechanismen dazu führen, dass aufgrund zu hoher Sendeleistungen die gleichzeitig von einer Basisstation versorgbare Nutzeranzahl sinkt (vgl. Absätze [0010] – [0013]). Dementsprechend stellt sich die Druckschrift die Aufgabe, eine Leistungsregelung anzugeben, welche die Nutzerkapazität möglichst wenig negativ beeinflusst (vgl. Absätze [0015] und [0016]). Gelöst sieht die Druckschrift die Aufgabe, indem die maximale Übertragungsleistung basierend auf einer Schätzung der auftretenden Übertragungsverluste eingestellt wird (vgl. Absätze [0017] und [0020]). Die Druckschrift beschreibt weiter, dass hierfür die Distanz zwischen Basisstation und Mobilstation geschätzt bzw. ermittelt werden kann und als Grundlage der Schätzung der auftretenden Übertragungsverluste und Einstellung der maximalen Übertragungsleistung dient (vgl. Absätze [0032] und [0041] – [0046]). Die Distanzmessung kann alleine in der Basisstation stattfinden (vgl. Absatz [0054]) und es kann eine Steuerung der maximalen Übertragungsleistung der Basisstation stattfinden (vgl. Absatz [0055]).
Für den Senat ist schon kein Anlass für den Fachmann ersichtlich, die Lehre der Druckschrift D1 derart abzuwandeln, dass anstatt der letztlich interessierenden Qualitätsinformation eine unspezifischere Information, nämlich die Entfernung zwischen Sender und Empfänger ermittelt wird. Aber selbst für den Fall, dass der Fachmann die Lehre der Druckschrift D5 berücksichtigt hätte, weist diese den Fachmann – wie oben ausgeführt - in eine vollkommen andere technische Zielrichtung, nämlich (in einem Mobilfunksystem) eine maximale Sendeleistung in Abhängigkeit einer Entfernungsinformation zu bestimmen und nicht, entsprechend der Lehre der geltenden Patentansprüche 1 bzw. 4, eine Sendeleistung in Abhängigkeit einer Entfernungsinformation dynamisch zu verändern.
Die Druckschrift D5 ist zur Überzeugung des Senats daher nicht geeignet, den Fachmann zu veranlassen, ein Übertragungsverfahren nach den Merkmalen des Patentanspruch 1 bzw. ein Hörgerätesystem nach den Merkmalen des Patentanspruchs 4 auszugestalten (vgl. insb. die Merkmale O4 und P4).
Die Beschwerdeführerinnen verwiesen schriftsätzlich bezüglich der Offenbarung eines dynamischen Veränderns einer Sendeleistung in Abhängigkeit von einer Entfernungsinformation ausschließlich auf die Druckschrift D5. Auch auf Nachfrage des Senates benannte der Vertreter der Beschwerdeführerinnen in der mündlichen Verhandlung keine weitere diesbezügliche Druckschrift. Der Senat sieht in den weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften ebenfalls keinen Hinweis auf ein dynamisches Verändern einer Sendeleistung in Abhängigkeit von einer Entfernungsinformation. Auch das fachmännische Wissen legte dem Fachmann im vorliegenden Zusammenhang ein solches Vorgehen nicht nahe.
e) Die auf den Patentanspruch 1 direkt oder indirekt rückbezogenen Patentansprüche 2 und 3 bilden die Gegenstände ihres Bezugsanspruches in nicht selbstverständlicher Weise weiter und erweisen sich daher ebenfalls als patentfähig.
f) Aus diesen Gründen war das Patent auf der Grundlage des Hilfsantrages beschränkt aufrecht zu erhalten.
Rechtsbehelfsbelehrung Gegen diesen Beschluss des Beschwerdesenats steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten die Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Absatz 2, § 100 Absatz 1, § 101 Absatz 1 des Patentgesetzes).
Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist
(§ 100 Absatz 3 des Patentgesetzes).
Die Rechtsbeschwerde ist beim Bundesgerichtshof einzulegen (§ 100 Absatz 1 des Patentgesetzes). Sitz des Bundesgerichtshofes ist Karlsruhe (§ 123 GVG).
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof schriftlich einzulegen (§ 102 Absatz 1 des Patentgesetzes). Die Postanschrift lautet: Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe.
Sie kann auch als elektronisches Dokument eingereicht werden (§ 125a Absatz 2 des Patentgesetzes in Verbindung mit der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV) vom 24. August 2007 (BGBl. I S. 2130)). In diesem Fall muss die Einreichung durch die Übertragung des elektronischen Dokuments in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes erfolgen (§ 2 Absatz 2 BGH/BPatGERVV).
Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass der Beschluss auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 101 Absatz 2 des Patentgesetzes). Die Rechtsbeschwerde ist zu begründen. Die Frist für die Begründung beträgt einen Monat; sie beginnt mit der Einlegung der Rechtsbeschwerde und kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden (§ 102 Absatz 3 des Patentgesetzes). Die Begründung muss enthalten:
1. die Erklärung, inwieweit der Beschluss angefochten und seine Abänderung oder Aufhebung beantragt wird;
2. die Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm;
3. insoweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben
(§ 102 Absatz 4 des Patentgesetzes).
Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen (§ 102 Absatz 5 des Patentgesetzes).
Dr. Mayer Kopacek Kleinschmidt Musiol Pü
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