AnwZ (Brfg) 20/24
BUNDESGERICHTSHOF AnwZ (Brfg) 20/24 BESCHLUSS vom
27. Mai 2025 in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache wegen Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung ECLI:DE:BGH:2025:270525BANWZ.BRFG.20.24.0 Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch die Richterin Grüneberg als Einzelrichterin am beschlossen:
Das Verfahren wird eingestellt. Das Urteil des 2. Senats des Anwaltsgerichtshofs Mecklenburg-Vorpommern vom 6. November 2023 ist wirkungslos. Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen werden gegeneinander aufgehoben. Der Streitwert wird auf 12.500 € festgesetzt.
Gründe: I.
Der Kläger ist seit dem Jahr 1999 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Schreiben vom 25. Februar 2021 beantragte er bei der Beklagten, ihm die Befugnis zur Führung der Bezeichnung als "Fachanwalt für Familienrecht" zu verleihen. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 27. August 2021 ab. Nach erfolglosem Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid hat der Kläger Klage auf Aufhebung des Ablehnungsbescheids in Gestalt des Widerspruchsbescheids und auf Verpflichtung der Beklagten, ihm die Führung der Bezeichnung als "Fachanwalt für Familienrecht" zu gestatten, erhoben. Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage mit Urteil vom 6. November 2023 abgewiesen und die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage der Anerkennung einer Tätigkeit als Verfahrensbeistand zum Nachweis besonderer praktischer Erfahrungen im Sinn von § 5 Abs. 1 Buchst. e FAO zugelassen.
Der Kläger hat mit seiner Berufung gegen das Urteil zunächst seine Klageanträge weiterverfolgt. Nachdem die Beklagte ihm am 30. April 2025 aufgrund eines neuen, weiteren Antrags mit neuer Fallliste die Berechtigung, die Bezeichnung "Fachanwalt für Familienrecht" zu führen, verliehen hat, haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
II.
Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Ferner ist zur Klarstellung entsprechend § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 173 Satz 1 VwGO, § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO auszusprechen, dass das angefochtene Urteil wirkungslos geworden ist, und gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Für diese Entscheidung ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 87a Abs. 1 Nr. 3 bis 5, Abs. 3 VwGO die Berichterstatterin als Einzelrichterin zuständig.
Über die Kosten ist nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden. Danach sind hier die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen gegeneinander aufzuheben.
In der Regel entspricht es billigem Ermessen, demjenigen Beteiligten die Verfahrenskosten aufzuerlegen, der ohne die Erledigung bei nur noch summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich unterlegen wäre oder der die Erledigung des Rechtsstreits aus eigenem Willensentschluss herbeigeführt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Februar 2006 - 1 C 4/05, Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 123 Rn. 2). Ein Gesichtspunkt kann auch sein, ob sich eine Partei mit der Herbeiführung des erledigenden Ereignisses freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begeben hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 2004 - VI ZR 110/03, MDR 2004, 698 und vom 22. März 2023 - V ZR 268/21, juris Rn. 1). Auf keinen dieser Gesichtspunkte kann die Kostenverteilung hier indes gestützt werden.
1. Die Beklagte hat sich mit der Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung am 30. April 2025 nicht in die Rolle der Unterlegenen begeben. Diese Verleihung beruhte auf einem neuen Antrag des Klägers mit einer neuen Fallliste, bei der die Tätigkeiten des Klägers als Verfahrensbeistand für den Nachweis seiner besonderen praktischen Erfahrungen nicht relevant waren. Vielmehr wurden die für die Verleihung notwendigen Fallzahlen - anders als im vorliegenden Verfahren - ohne diese Tätigkeiten erreicht.
2. Eine Kostenentscheidung nach den bei summarischer Prüfung anzunehmenden Erfolgsaussichten entspräche angesichts der dafür erforderlichen Entscheidung ungeklärter Rechtsfragen grundsätzlicher Art nicht der Billigkeit.
Der in § 161 Abs. 2 VwGO zum Ausdruck kommende Grundsatz der Prozesswirtschaftlichkeit befreit nach Erledigung des Verfahrens das Gericht von dem Gebot, anhand eingehender Erwägungen doch noch über den Streitstoff zu entscheiden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. September 2009 - 20 F 6/09, juris Rn. 3). Hat der Rechtsstreit bisher höchstrichterlich nicht geklärte Rechtsfragen aufgeworfen, kann deshalb der Verfahrensausgang in aller Regel nicht anhand einer nur noch summarischen Prüfung hypothetisch prognostiziert werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Februar 2006 - 1 C 4/05, Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 123 Rn. 3). Unter solchen Umständen entspricht es billigem Ermessen, die Verfahrenskosten zwischen den Parteien entsprechend § 155 Abs. 1 VwGO (i.V.m. § 112c Abs. 1 Satz 1 VwGO) angemessen zu verteilen.
Das gilt auch im vorliegenden Fall, in dem der Anwaltsgerichtshof die Berufung zu Recht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (im Hinblick auf die durch den Senat noch nicht entschiedene Frage der Anerkennung der Tätigkeit eines Verfahrensbeistands im Rahmen von § 5 Abs. 1 Buchst. e FAO) gemäß § 112e Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen hatte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Februar 2006 - 1 C 4/05, Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 123 Rn. 4). Der Senat hat über diese Frage ebenso wie über weitere Rechtsfragen, die sich in dem Berufungsverfahren gestellt hätten, zwischenzeitlich auch nicht in anderem Zusammenhang rechtsgrundsätzlich entschieden. Vor diesem Hintergrund entspricht es der Billigkeit, die Kosten des gesamten Rechtsstreits im Verhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten gegeneinander aufzuheben.
III. 10 Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 194 Abs. 1 BRAO, § 52 Abs. 1 GKG; insoweit setzt der Senat in ständiger Rechtsprechung den Streitwert mit 12.500 € fest (vgl. nur Urteil vom 27. April 2016, AnwZ (Brfg) 3/16, juris Rn. 16 mwN).
Grüneberg Vorinstanz: AGH Rostock, Entscheidung vom 06.11.2023 - 2 AGH 4/22 -