10 W (pat) 14/13
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 14/13
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
betreffend die Patentanmeldung 11 2009 002 729.6 wegen Einleitung der nationalen Phase / Wiedereinsetzung hat der 10. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 29. August 2013 durch den Vorsitzenden Richter Rauch, die Richterin Püschel und die Richterin Dr. Kober-Dehm BPatG 152 08.05 beschlossen:
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Deutschen Patentund Markenamts – Prüfungsstelle 54 – vom 8. Januar 2013 in Ziffer 2 aufgehoben. Der Anmelderin wird Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Gebühr nach Art. III § 4 Abs. 2 IntPatÜG gewährt.
Gründe I.
Die Anmelderin reichte am 16. November 2009 unter Inanspruchnahme der Priorität einer US-amerikanischen Anmeldung vom 14. November 2008 und vom 13. November 2009 die internationale Anmeldung PCT/US2009/064527 mit 17 Patentansprüchen ein und gab dabei u. a. Deutschland als Bestimmungsstaat an.
Am 11. Mai 2011 reichte die Anmelderin beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) die Unterlagen für die Einleitung der nationalen Phase der PCT-Anmeldung für die Erteilung eines Patents mit der Bezeichnung „Verbinder mit niedriger Anschluss-Einführkraft und Verfahren zur Reduzierung der selbigen“ mit einem gegenüber der ursprünglichen internationalen Anmeldung geänderten Anspruchssatz mit 14 Ansprüchen ein. Auf dem Formblatt betreffend die Einleitung der nationalen Phase hatte die Anmelderin zwar auf eine Einzugsermächtigung in Höhe von 340,-- € Bezug genommen. Tatsächlich hatte sie jedoch eine Einzugsermächtigung in Höhe von 250,-- € erteilt, wovon – wie die Anmelderin im weiteren Verlauf des Verfahrens bestätigte - 180,-- € als Gebühr für eine 14 Ansprüche umfassende Anmeldung und 70,-- € für die dritte Jahresgebühr verwendet werden sollten.
Mit Bescheid vom 22. Juni 2012, der der Anmelderin laut Empfangsbekenntnis am 27. Juni 2012 zugegangen ist, wies das DPMA darauf hin, dass das Verfahren vor dem DPMA beendet sei, da die Anmeldegebühr innerhalb der hierfür maßgeblichen Frist des Art. 22 Abs. 1 Abs. 1 PCT nicht vollständig gezahlt worden sei. Berechnungsgrundlage sei die Anzahl der Patentansprüche in der ursprünglich beim ausländischen Anmeldeamt eingereichten PCT-Anmeldung. Für diese 17 Ansprüche umfassende Anmeldung sei daher eine Gebühr in Höhe von 270,-- € fällig geworden. Das DPMA kündigte ferner die Rückerstattung der bisher gezahlten Gebühr an und wies unter Bezugnahme auf ein dem Bescheid beigefügtes Merkblatt auf die Möglichkeit der Wiedereinsetzung hin.
Mit am 27. August 2012 beim DPMA eingegangenem Schreiben beantragte die Anmelderin, den nach ihrer Ansicht fehlerhaften Bescheid zurückzuziehen und die Bearbeitung der Anmeldung wiederaufzunehmen. Zwar müsse bei einer aus einer PCT-Anmeldung abgeleiteten Anmeldung eine vollständige Übersetzung der PCT-Anmeldung und damit im vorliegenden Fall eine Übersetzung aller 17 Patentansprüche eingereicht werden. Da jedoch als „Geltende Ansprüche“ lediglich 14 Ansprüche benannt worden seien, richte sich die Gebühr nach dieser Anzahl, so dass die mit der Antragstellung gezahlte Gebühr ausreichend gewesen sei.
In demselben Schreiben beantragte die Anmelderin „vorsorglich“ Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Anmeldegebühr und erteilte mit Rücksicht auf eine möglicherweise in der Zwischenzeit erfolgte Rückerstattung der zunächst gezahlten Gebühr zur Nachholung der versäumten Handlung eine Einzugsermächtigung für eine 17 Ansprüche umfassende Anmeldung, wobei sie im Hinblick auf ihre in der Hauptsache vertretene Rechtsauffassung Rückerstattung von 90,-- € für drei Patentansprüche beantragte. Die Anmelderin machte geltend, dass in dem ihr am 27. Juni 2012 zugegangenen Bescheid vom 22. Juni 2012 erstmals festgestellt worden sei, dass nach Auffassung des DPMA die Gebühr nicht vollständig entrichtet worden sei. Sie sei davon ausgegangen, dass sie eine zusätzliche Gebühr lediglich für vier und nicht für sieben Patentansprüche zahlen müsse, weil sie dem DPMA mitgeteilt habe, dass die Patentanmeldung in der nationalen Phase nur 14 Ansprüche umfassen solle.
In einem Zwischenbescheid vom 27. September 2012 kündigte die Prüfungsstelle 54 des DPMA an, dass sowohl der Feststellungsantrag als auch der Antrag auf Wiedereinsetzung voraussichtlich zurückzuweisen seien.
Die Höhe der Anmeldegebühr richte sich nach der Zahl der Ansprüche in der internationalen Anmeldung. Aus Art. 11 Abs. 3 PCT, Art. III § 4 Abs. 2 Satz 1 IntPatÜG i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz 1 PatKostG ergebe sich, dass die Anmeldegebühr bereits mit Einreichung der PCT-Anmeldung beim ausländischen Anmeldeamt fällig werde, da der Anmeldung bereits zu diesem Zeitpunkt gemäß Art. 11 Abs. 3 PCT die Wirkung einer nationalen Anmeldung zukomme, die nach Art. 24 Abs. 1 iii) PCT wiederum entfalle, wenn die Voraussetzungen für die Einleitung der nationalen Phase nicht erfüllt worden seien. Auch aus Art. 23 Abs. 1 PCT werde deutlich, dass das nationale Verfahren bereits mit der Einreichung der internationalen Anmeldung beginne. Mit dem in Art. 23 PCT normierten Prüfungs- und Bearbeitungsverbot werde für das Bestimmungsamt lediglich die Aussetzung des Verfahrens bis zum Ablauf der in Art. 22 Abs. 1 PCT genannten Frist angeordnet. Daran ändere sich nichts, auch wenn der Anmelder bei Vornahme der nach Art. 22 Abs. 1 PCT i. V. m. Art. III § 4 Abs. 2 Satz 1 IntPatÜG erforderlichen Handlungen für den Eintritt in die nationale Phase vor dem DPMA eine reduzierte Anspruchsfassung einreiche. Es gebe daher keine rechtliche Grundlage dafür, die bereits fällig gewordene Anmeldegebühr unter Berücksichtigung einer bei Einleitung der nationalen Phase vorgenommenen Reduzierung der Zahl der Ansprüche neu zu berechnen. Da die Einleitung der nationalen Phase vor dem DPMA die Zahlung einer Gebühr voraussetze, könne deren Fälligkeit nicht nach dem Zeitpunkt der Einleitung der nationalen Phase eintreten. Schließlich richte sich der Prüfungsund Rechercheaufwand der Prüfungsstelle nicht nur nach dem Anspruchssatz der für die Einleitung der nationalen Phase eingereicht werde. Vielmehr müsse sich das DPMA im Hinblick auf Art. 19 Abs. 2 PCT, wonach Änderungen nicht über den Offenbarungsgehalt der internationalen Anmeldung im Anmeldezeitpunkt hinausgehen dürften, auch mit den in der nationalen Phase nicht mehr beanspruchten Patentansprüchen auseinandersetzen.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung sei wegen Überschreitung der Jahresfrist des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG unzulässig und nicht ausreichend begründet. Es fehle an einer Glaubhaftmachung, dass die Anmelderin, die in dem von ihr am 11. Mai 2011 eingereichten Formblatt betreffend die Einleitung der nationalen Phase die fällige Gebühr für eine Anmeldung mit 17 Patentansprüchen korrekt angegeben habe, ohne Verschulden lediglich eine Gebühr für eine 14 Ansprüche umfassende Anmeldung gezahlt habe.
Unter Bezugnahme auf diesen Zwischenbescheid hat die Prüfungsstelle 54 des DPMA durch Beschluss vom 8. Januar 2013 den Feststellungsantrag der Anmelderin als unbegründet zurückgewiesen und den hilfsweise gestellten Wiedereinsetzungsantrag wegen Überschreitung der Jahresfrist als unzulässig verworfen. Der Beschluss enthält am Ende außer dem Dienstsiegel die Angabe „Prüfungsstelle 54“, die maschinengeschriebene Wiedergabe des Namens der Bearbeiterin sowie den Hinweis: „Dieses Dokument wurde elektronisch signiert und ist ohne Unterschrift gültig.“ Die Signaturdatei in der elektronischen Akte des DPMA bezieht sich auf zwei identische Exemplare des Beschlusses vom 8. Januar 2013.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie beantragt,
den Antrag auf Wiedereinsetzung zuzulassen.
Die angekündigte Beschwerdebegründung hat sie bisher nicht eingereicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde, die sich ausweislich des in der Beschwerdeschrift gestellten Antrags nur gegen die Versagung der Wiedereinsetzung in Ziffer 2 des angefochtenen Beschlusses richtet, ist begründet, da die Prüfungsstelle den Antrag der Anmelderin auf Wiedereinsetzung zu Unrecht als unzulässig verworfen hat.
1. Der Beschluss vom 8. Januar 2013 ist zwar nicht bereits deshalb aufzuheben, weil es in der elektronischen Verfahrensakte des DPMA an einer ordnungsgemäßen, vom zuständigen Prüfer unterzeichneten, d. h. elektronisch signierten Urschrift des Beschlusses fehlte (vgl. BPatG, Beschluss vom 10. Juni 2013 – 20 W (pat) 24/12; Beschluss vom 18. März 2013 – 19 W (pat) 16/12 – Elektrischer Winkelstecker; Beschluss vom 5. März 2013 – 20 W (pat) 28/12). Der im Rahmen der elektronischen Aktenführung erstellte Beschluss vom 8. Januar 2013 ist mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Zwar bezieht sich die Signaturdatei nicht nur auf ein Exemplar des Beschlusses, sondern umfasst ein weiteres, in der elektronischen Akte enthaltenes, identisches Exemplar. So wie es jedoch im Falle einer Papierakte unschädlich ist, wenn neben der Urschrift eines Beschlusses auch dessen Ausfertigung unterschrieben wird, steht bei der elektronischen Akte der Umstand, dass die Signaturdatei sich auf mehrere Exemplare des Beschlusses bezieht, der Wirksamkeit eines Beschlusses jedenfalls dann nicht entgegen, wenn – wie im Streitfall insbesondere wegen der Kürze des Beschlusses - ohne Zweifel festgestellt werden kann, dass alle signierten Beschlussexemplare übereinstimmen. Zur Vermeidung von Unsicherheiten in weniger übersichtlichen Fällen erschiene es allerdings als angebracht, wenn die elektronische Signatur ausschließlich das maßgebliche Beschlussexemplar – und damit nicht zugleich weitere Texte – erfasst.
2. Der angefochtene Beschluss ist jedoch aufzuheben, weil die Prüfungsstelle den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Gebühr nach Art. III § 4 Abs. 2 IntPatÜG zu Unrecht als unzulässig verworfen hat.
a) Dass die Anmelderin den Antrag auf Wiedereinsetzung erst nach Ablauf der Jahresfrist des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG gestellt hat, steht einer Wiedereinsetzung im vorliegenden Fall ausnahmsweise nicht entgegen. Zwar hat das DPMA zutreffend festgestellt, dass die Jahresfrist des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG im Zeitpunkt des Eingangs des Antrags auf Wiedereinsetzung am 27. August 2012 überschritten war; die von der Anmelderin versäumte Zahlungsfrist nach Art. III § 4 Abs. 2 Satz 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 22 Abs. 1 PCT war am Montag, den 16. Mai 2011 abgelaufen. Ebenso zutreffend ist das DPMA davon ausgegangen, dass die Jahresfrist aus Gründen der Rechtssicherheit grundsätzlich weder verlängerbar noch wiedereinsetzungsfähig ist und somit eine Wiedereinsetzung auch dann ausgeschlossen ist, wenn die Jahresfrist schuldlos versäumt wurde (Schulte, PatG mit EPÜ, 8. Aufl., § 123 Rn. 32).
Von der Einhaltung der Jahresfrist kann nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur entsprechenden Regelung in § 234 Abs. 3 ZPO allerdings in bestimmten Ausnahmefällen abgesehen werden. Dies kommt aus Gründen eines wirkungsvollen Rechtsschutzes und zur Wahrung des rechtlichen Gehörs insbesondere dann in Betracht, wenn die Ursache der Überschreitung der Jahresfrist nicht in der Sphäre der Partei liegt, sondern allein dem Gericht zuzurechnen ist (BGH, Beschluss vom 30. August 2010 – X ZR 193/03, Mitt. 2011, 24 Rn. 18 – Crimpwerkzeug IV m. w. N.). Dementsprechend hat der Senat anerkannt, dass auch im patentamtlichen Verfahren die Stellung eines Antrags auf Wiedereinsetzung trotz Ablaufs der Jahresfrist des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG in besonders gelagerten Ausnahmefällten als zulässig anzusehen ist, und zwar insbesondere dann, wenn die Fristüberschreitung auf Umstände zurückzuführen ist, die der Sphäre des DPMA zuzurechnen sind (vgl. Senatsbeschluss vom 25. Juli 2013 – 10 W (pat) 2/13 - Nationale Gebühr einer internationalen Anmeldung; für den Fall der Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Jahresgebühr: Senatsbeschluss vom 26. Februar 2009 – 10 W (pat) 40/06, BPatGE 51, 197, 202 - Überwachungsvorrichtung; für den Fall der Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Anmeldegebühr: Senatsbeschluss vom 10. Februar 2012 – 10 W (pat) 38/08, Mitt. 2012, 293 f. - Wäschespinne).
So liegt der Fall hier. Die Überschreitung der Jahresfrist ist darauf zurückzuführen, dass die Prüfungsstelle des DPMA die Anmelderin mit Bescheid vom 22. Juni 2012, der der Anmelderin am 27. Juni 2012 zugegangen ist, und damit erst nach Ablauf der Jahresfrist über die Fristversäumnis und deren Rechtsfolgen unterrichtet hat.
b) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist statthaft, da er auf eine Frist gerichtet ist, deren Versäumung nach einer gesetzlichen Vorschrift einen Rechtsnachteil zur Folge hat (§ 123 Abs. 1 Satz 1 PatG). Die Anmelderin hat die nationale Gebühr für ihre internationale Anmeldung innerhalb der hierfür nach Art. III § 4 Abs. 2 Satz 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 22 Abs. 1 PCT maßgeblichen Frist nicht vollständig entrichtet. Insoweit hat der Senat mit Beschluss vom 25. Juli 2013 – 10 W (pat) 2/13 entschieden, dass sich die Höhe der nationalen Gebühr nach der Anzahl der Patentansprüche in der ursprünglich eingereichten Fassung der internationalen Anmeldung richtet. Die Zahlung einer Gebühr entsprechend der Anzahl der Ansprüche in der nationalen Phase, wie sie die Anmelderin vorgenommen hat, ist daher nicht ausreichend. Wegen der nicht rechtzeitigen Zahlung der vollständigen Gebühr hat die internationale Anmeldung gemäß Art. 24 Abs. 1 Buchst. iii PCT die Wirkung als nationale Anmeldung beim DPMA verloren.
c) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist die Antragsfrist des § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG eingehalten. Die Frist beginnt mit dem Wegfall des Hindernisses, d. h. in dem Zeitpunkt, in dem der Säumige bei Anwendung der von ihm zu erwartenden Sorgfalt nicht mehr gehindert ist, die versäumte Handlung vorzunehmen oder wenn das Fortbestehen des Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann (Schulte, a. a. O., § 123 Rn. 27).
Die Anmelderin hat von der Fristversäumnis am 27. Juni 2012 Kenntnis erlangt, so dass der am 27. August 2012 beim DPMA eingegangene Antrag auf Wiedereinsetzung fristgerecht gestellt ist. Da die Anmelderin gleichzeitig mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung eine Einzugsermächtigung über die für eine 17 Patentansprüche umfassende Anmeldung zu zahlende nationale Gebühr erteilt hat, ist auch die versäumte Handlung innerhalb der Antragsfrist nachgeholt worden (§ 123 Abs. 2 Satz 3 PatG). Die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 123 Abs. 2 PatG sind ebenfalls eingehalten. So werden in dem Antrag die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht.
d) Der Antrag ist auch begründet. Die Anmelderin hat glaubhaft gemacht, dass sie die bis 16. Mai 2011 laufende Frist zur Zahlung der nationalen Gebühr ohne Verschulden versäumt hat.
Eine falsche Gesetzesauslegung ist zwar grundsätzlich kein Wiedereinsetzungsgrund. Jeder Verfahrensbeteiligte ist grundsätzlich verpflichtet, sich die Kenntnis über das geltende Recht zu verschaffen, das für das ihn betreffende Verfahren gilt. Insbesondere ein Anwalt muss das jeweils geltende Recht vollinhaltlich kennen (Schulte, a. a. O., § 123 Rn. 136).
Nach der Rechtsprechung kann jedoch ausnahmsweise Wiedereinsetzung gewährt werden, wenn der Rechtsirrtum auch bei zumutbarer Sorgfalt nicht zu vermeiden war (Schulte, a. a. O., § 123 Rn. 137). Dies kann dann anzunehmen sein, wenn durch eine Rechtsänderung die Rechtslage unübersichtlich geworden ist, so dass eine irrtümliche Auslegung entschuldbar erscheint (vgl. BPatG, Beschl. v. 4. Oktober 1990 – 18 W (pat) 40/90, BPatGE 31, 266, 269).
So liegt der Fall hier. Durch Art. 4 des Gesetzes zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts (BGBl. 2009 I, S. 2521) wurde die Bemessung der Höhe der Anspruchsgebühr nach der Zahl der Ansprüche eingeführt. Dabei wurde durch Art. 4 Nr. 2 des Gesetzes das Gebührenverzeichnis in der Anlage zu § 2 Abs. 1 PatKostG dahingehend geändert, dass sich für eine Anmeldung mit 11 und mehr Ansprüchen die Anmeldegebühr bei einer elektronischen Anmeldung um 20 Euro und bei einer Anmeldung in Papierform um jeweils 30 Euro pro Anspruch erhöht. Die Überschrift zu den insoweit einschlägigen Gebührennummern 311 000, 311 050 und 311 100 lautet: „Anmeldeverfahren (§ 34 PatG, Artikel III § 4 Abs. 2 Satz 1 IntPatÜbkG)“. Art. III § 4 Abs. 2 IntPatÜG wurde durch das Gesetz zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts dagegen nicht geändert. Aus der Auflistung im Gebührenverzeichnis lässt sich nicht ohne weiteres entnehmen, dass sich die Gebühr im Falle einer internationalen Anmeldung, deren Überleitung in die nationale Phase ansteht, nach der Zahl der Ansprüche der internationalen Anmeldung richtet. Die gleichrangige Nennung von § 34 PatG und Art. III § 4 Abs. 2 Satz 1 IntPatÜG unter der Überschrift „Anmeldeverfahren“ im Gebührenverzeichnis lässt es auch denkbar erscheinen, dass für die Höhe der Gebühr nach Art. III § 4 Abs. 2 Satz 1 IntPatÜG die Zahl der Ansprüche im Zeitpunkt des Eintritts in die nationale Phase maßgeblich sein solle. Vor diesem Hintergrund ist es auch einem Anwalt nicht vorzuwerfen, wenn er die gesetzlichen Vorschriften in diesem Sinne interpretiert hat, dass die Zahlung einer Gebühr entsprechend der Zahl der bei Einleitung der nationalen Phase noch verfolgten Ansprüche den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Dass die Rechtslage als unübersichtlich gelten kann, lässt sich auch daraus entnehmen, dass sich der Gesetzgeber veranlasst sieht, durch eine abermalige Änderung des Gebührenverzeichnisses des § 2 Abs. 1 PatKostG und durch eine Änderung des Art. III § 4 IntPatÜG klarzustellen, dass sich die nationale Gebühr im Fall einer internationalen Anmeldung nach der Zahl der Ansprüche der internationalen Anmeldung richtet (vgl. Art. 4 Nr. 1 und Art. 7 Nr. 2 des Entwurfs eines Gesetzes zur Novellierung patentrechtlicher Vor- schriften und anderer Gesetze des gewerblichen Rechtsschutzes, BTDrucks. 17/10308).
Rauch Püschel Kober-Dehm prö