18 W (pat) 90/14
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 90/14 Verkündet am 20. Januar 2016
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend die Patentanmeldung 10 2005 031 530.5 - 53 …
hat der 18. Senat (Techn. Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 20. Januar 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dipl.-Ing. Wickborn, den Richter Kruppa, die Richterin Dipl.-Phys. Dr. OttenDünnweber und den Richter Dipl.-Ing. Altvater BPatG 154 05.11 beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. Oktober 2010 aufgehoben und die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
Gründe I.
Die am 1. Juli 2005 unter Inanspruchnahme einer koreanischen Priorität vom 3. Juli 2004 und einer US-amerikanischen Priorität vom 3. Februar 2005 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichte Patentanmeldung 10 2005 031 530.5 mit der geltenden Bezeichnung
„Speichersystem, Einchip-Mikrocontroller und eingebettetes System“
wurde durch die Prüfungsstelle für Klasse G06F des Deutschen Patent- und Markenamts mit Beschluss vom 25. Oktober 2010 zurückgewiesen, da der Gegenstand des (damals geltenden) Anspruchs 1 im Hinblick auf die Druckschriften D1 US 5 388 267 A und D2 EP 1 087 294 A2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Die Anmelderin beantragt,
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patentund Markenamts vom 25. Oktober 2010 aufzuheben und das Patent auf der Grundlage der folgenden Unterlagen zu erteilen:
- Patentansprüche 1 bis 8, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, - Beschreibung Seiten 1 und 3, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, Seiten 2 und 3a, eingegangen am 11. Januar 2016, Seiten 4 bis 14, eingegangen am 1. Juli 2005, - Figuren 1 bis 8, eingegangen am 1. Juli 2005.
Der seitens des Senats mit einer Gliederung versehene Patentanspruch 1 lautet: M0 „Speichersystem (200, 300, 800) mit:
M1 - einem Modusdekodierer (220, 320, 820), M2 - einem ersten Speicher (230, 330, 830) in Signalverbindung mit dem Modusdekodierer (220, 320, 820) M3 - einem zweiten Speicher (240, 340, 840) in Signalverbindung mit dem Modusdekodierer (220, 320, 820), und M4 - einem Modusgenerator (250, 350, 850) in Signalverbindung mit dem Modusdekodierer (220, 320, 820) zum Erzeugen eines Signals (ROM_SEL, FM_SEL), das zum Auswählen des ersten Speichers (230, 330, 830) oder des zweiten Speichers (240, 340, 840) als ein Bootspeicher dient,
M4.1a
- wobei der Modusgenerator eine erste nichtflüchtige Speichereinheit (251) zum Speichern eines ersten Modus aufweist,
M4.1b M4.1c M4.2a M4.2b M4.2c wobei der Wert des ersten Modus zur Auswahl des ersten und/oder des zweiten Speichers dient, wobei der Modusgenerator ein erstes Signal (BootMem) erzeugt, dessen Zustand vom Wert des ersten Modus abhängt und
- wobei der Modusgenerator eine zweite nichtflüchtige Speichereinheit (252) zum Speichern eines zweiten Modus aufweist, wobei der Wert des zweiten Modus einen Zugriff auf den ersten Speicher unabhängig von dem in der ersten nichtflüchtigen Speichereinheit (251) gespeicherten Modus verhindert oder ermöglicht, - wobei der Modusgenerator ein zweites Signal (RomHidden) erzeugt, dessen Zustand vom Wert des zweiten Modus abhängt,
M4.3a M4.3b M4.3c
- wobei der Modusdekodierer (220) das erste Signal (BootMem) und das zweite Signal (RomHidden) empfängt und bei einem ersten Zustand des zweiten Signals (RomHidden) unabhängig von einem Zustand des ersten Signals (BootMem) einen Zugriff auf den ersten Speicher verhindert, und bei einem zweiten Zustand des zweiten Signals (RomHidden) den ersten Speicher oder den zweiten Speicher in Abhängigkeit vom Zustand des ersten Signals (BootMem) auswählt.“
Anspruch 7 lautet: „Einchip-Mikrocontroller, dadurch gekennzeichnet, dass er ein Speichersystem nach einem der Ansprüche 1 bis 6 umfasst.“
Anspruch 8 lautet: „Eingebettetes System, dadurch gekennzeichnet, dass es ein Speichersystem (200, 300, 800) nach einem der Ansprüche 1 bis 6 umfasst.“
Wegen des Wortlauts der geltenden Unteransprüche 2 bis 6 wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Die Beschwerdeführerin führt aus, dass die geltenden Ansprüche zulässig, die Gegenstände der geltenden Ansprüche dem Patentschutz zugänglich und im Lichte des im Verfahren befindlichen Standes der Technik patentfähig seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 PatG.
1. Die Anmeldung betrifft ein Speichersystem, einen Einchip-Mikrocontroller und ein eingebettetes System (vgl. geltende Beschreibung, S. 1, erster Abs.). In der Anmeldung wird ausgeführt, dass im Allgemeinen der Bootcode bei der Herstellung eines eingebetteten Systems („embedded system“) in einen Festwertspeicher (ROM) geschrieben und an einen Kunden zusammen mit dem System ausgeliefert werde. Wenn jedoch eine geringfügige Änderung des Bootcodes gewünscht sei, müsse der Festwertspeicher ausgetauscht werden, da sein Inhalt nicht modifiziert werden könne. Weiterhin würden manche Kunden bevorzugen, ihren eigenen Bootcode zur Initialisierung des Systems zu verwenden, beispielsweise um Sicherheitsanforderungen gerecht zu werden. Bei der Speicherung des Bootcodes in einem nichtflüchtigen Speicher (beispielsweise in einem EEPROM oder in einem Flashspeicher) an Stelle eines Festwertspeichers (ROM) könne der ursprüngliche, vom Hersteller bereitgestellte Bootcode mit kundenspezifischem Bootcode überschrieben werden. Beim Löschen des ursprünglichen oder beim Einprogrammieren eines neuen Bootcodes könne eine Beschädigung des Speichers dazu führen, dass das System nicht mehr ordnungsgemäß arbeite oder nicht mehr booten könne (vgl. geltende Beschreibung, Seiten 1 und 2).
In der Anmeldung ist als Aufgabe genannt, ein Speichersystem, einen EinchipMikrocontroller und ein eingebettetes System zur Verfügung zu stellen, die ein sicheres Ausführen von Bootcode auch nach einer von einem Benutzer vorgenommenen Programmierung eines benutzerspezifischen Bootcodes gewährleisten (vgl. geltende Beschreibung, S. 3, dritter Abs.). Die den beanspruchten Vorrichtungen zugrunde liegende objektive Aufgabe ist darin zu sehen, das Verwenden eines alternativen (bspw. benutzerspezifischen) Bootcodes sicherer zu machen.
Diese Aufgabe richtet sich an einen Fachmann, der eine abgeschlossene Hochschulausbildung auf dem Gebiet der Elektrotechnik oder Informationstechnik aufweist und Erfahrung auf dem Gebiet des Bootvorgangs bei Mikrocontrollern oder Prozessoren besitzt.
Die Aufgabe soll durch die Merkmale des Speichersystems gemäß Patentanspruch 1, des Einchip-Mikrocontrollers gemäß Patentanspruch 7 und des eingebetteten Systems gemäß Patentanspruch 8 gelöst werden.
Gemäß Anspruch 1 ist ein Speichersystem vorgesehen, das einen ersten und einen zweiten Speicher aufweist, die jeweils mit einem Modusdekodierer verbunden sind, wobei der Modusdekodierer ein Signal zur Auswahl eines der beiden Speicher als Bootspeicher erzeugt. Der Modusdekodierer ist mit einem Modusgenerator verbunden, der zwei nichtflüchtige Speichereinheiten aufweist, in denen jeweils ein Modus gespeichert ist. Die Werte des ersten Modus dienen der Auswahl des ersten und/oder zweiten Speichers, die Werte des zweiten Modus dienen unabhängig davon dem Verhindern oder Zulassen des Zugriffs auf den ersten der beiden Speicher. Der Modusgenerator erzeugt die jeweils vom Modusdekodierer zu empfangenden Signale BootMem und RomHidden, wobei bei einem ersten Zustand des Signals RomHidden der Zugriff auf den ersten der beiden Speicher unabhängig vom Signal BootMem verhindert wird, während bei einem zweiten Zustand des Signals RomHidden einer der beiden Speicher in Abhängigkeit des Signals BootMem ausgewählt wird. Nach Anspruch 7 und Anspruch 8 sind ein Einchip-Mikrocontroller bzw. ein eingebettetes System vorgesehen, die jeweils ein Speichersystem nach einem der Ansprüche 1 bis 6 umfassen.
2. Die Ansprüche 1 bis 8 sind zulässig (§ 38 PatG).
Der auf ein Speichersystem gerichtete Anspruch 1 basiert auf den ursprünglichen Ansprüchen 1, 5, 6 und 14 in Verbindung mit den Figuren 2 und 3 mit zugehöriger Beschreibung (Anmeldeunterlagen, Seite 5, erster Absatz bis Seite 6, vorletzter Absatz). Die auf einen Einchip-Mikrocontroller bzw. ein eingebettetes System gerichteten Ansprüche 7 und 8 basieren auf den ursprünglichen Ansprüchen 22 und 23 unter Anpassung der jeweiligen Rückbezüge auf das jeweils umfasste Speichersystem. Die geltenden Ansprüche 2 bis 4 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 4. Die Ansprüche 5 und 6 basieren auf den ursprünglichen Ansprüchen 12 und 13 unter Anpassung der jeweiligen Rückbezüge.
3. Die jeweiligen Gegenstände der nebengeordneten Ansprüche 1, 7 und 8 sind unter Berücksichtigung des im Verfahren befindlichen Standes der Technik neu und beruhen auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 3 und § 4 PatG).
a) Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist neu, da keine der bisher im Verfahren befindlichen Druckschriften D1 und D2 sämtliche Merkmale des Anspruchs aufweist.
Das Druckschrift D1 entnehmbare Speichersystem (vgl. Fig. 2 / Merkmal M0) umfasst einen Modusdekodierer (hardware control logic; vgl. Fig. 2 und Sp. 7, Zn. 56-58 / Merkmal M1), einen ersten Speicher in Signalverbindung mit dem Modusdekodierer (UV PROM; vgl. Fig. 2 und Sp. 7, Zn. 25-28 / Merkmal M2) und einen zweiten Speicher in Signalverbindung mit dem Modusdekodierer (FLASH; vgl. Fig. 2 und Sp. 7, Zn. 25-28 / Merkmal M3). Es ist ein Modusgenerator in Form eines Auswahlschalters vorgesehen (hardware switch), der in Signalverbindung mit dem Modusdekodierer (hardware control logic) steht, wobei der Modusdekodierer zum Erzeugen eines Signals („chip enable“-Signale: ROMCE, FLASHCE) dient, das zum Auswählen des ersten Speichers oder des zweiten Speichers als Bootspeicher dient (vgl. Fig. 2, Sp. 7, Zn. 25-33 / Merkmal M4). Der Modusgenerator (hardware switch) erzeugt ein erstes Signal (ROMIN ), dessen Wert (Bit 0 oder 1) zur Auswahl des ersten oder des zweiten Speichers (ROM oder FLASH) dient, indem es dem Modusdekodierer zugeführt und dort in ein Chipselekt-Signal (ROMCE , FLASHCE ) umgesetzt wird (vgl. Fig. 2 und Sp. 7, Zn. 54-61 / Merkmale M4.1b und M4.1c). Der Fachmann liest auch mit, dass der Modusdekodierer (hardware control logic) eine Speichereinheit zum Speichern eines zweiten Modus aufweist (ROMEN, vgl. Sp. 7, Zn. 61-65 / teilweise Merkmale M4.2a und M4.3a), wobei die Speichereinheit im Unterschied zu Anspruch 1 im Modusdekodierer angeordnet ist. Außer dieser entnehmbaren Anordnung sind Druckschrift D1 weder ein Betriebsmodus zum Verhindern der Auswahl des ersten Speichers unabhängig von der gemäß einem ersten Modus erfolgenden Auswahl des ersten oder zweiten Speichers gemäß Anspruch 1 zu entnehmen (vgl. Merkmal M4.2b), noch die technische Umsetzung dieser Betriebsmodi gemäß den Merkmalen M4.1a, M4.2c, M4.3b und M4.3c.
Aus Druckschrift D2 ist das Speichersystem eines Geräts bekannt, das in einem einzigen Speicher verschiedene Firmware-Versionen auf verschiedenen Speicherseiten („pages“) speichern kann. Zwar kennzeichnet ein „Active Page Flag 36“ durch den Verweis auf eine gültige bzw. aktive Speicherseite implizit auch einen inaktiven Speicherbereich (vgl. Abs. [0043]). Diese Seite wird aber nicht durch ein aus dem Flag abgeleitetes Signal aktiv ausgewählt, sondern es wird nur eine Information darüber bereitgestellt, welche von zwei vorgegebenen Speicherseiten die aktuelle bzw. aktive Firmware-Versionen enthält (vgl. Abs. [0040]-[0043]). Damit besteht allenfalls in der Auswahl einer von zwei Speicherseiten eine Analogie zum Auswählen eines ersten oder zweiten Speicher gemäß des vorliegenden Anspruchs 1. Die Speicherbereiche gemäß Druckschrift D2 enthalten auch jeweils keinen vollständigen oder alternativen Bootcode. Vielmehr wird der ursprüngliche Bootcode verwendet (vgl. Abs. [0041], le. Satz; Abs. [0042], dritter Satz). Druckschrift D2 ist daher weder eine Auswahl eines Bootspeichers aus zwei Speichern gemäß Merkmal M4, noch ein Betriebsmodus zum Verhindern des Zugriffs auf einen ersten Speicher (oder Speicherbereich) unabhängig von einer ersten Speicherauswahl zu entnehmen (Merkmalsgruppen M4.1, M4.2 und M4.3 fehlen in Druckschrift D2 ebenfalls).
b) Der jeweilige Gegenstand der dem Anspruch 1 nebengeordneten Ansprüche 7 und 8 ist gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik ebenfalls neu.
Die Ausführungen zum Anspruch 1 gelten in gleicher Weise für die auf einen Einchip-Mikrocontroller bzw. auf ein eingebettetes System gerichteten nebengeordneten Ansprüche 7 und 8, da diese jeweils ein Speichersystem gemäß einem der Ansprüche 1 bis 6 umfassen.
c) Die jeweiligen Gegenstände der nebengeordneten Patentansprüche 1, 7 und 8 sind dem Fachmann auch unter Einbeziehung seines Fachwissens aus dem bisher im Verfahren befindlichen Stand der Technik nicht nahegelegt.
Für den Fachmann ist es in Kenntnis von Druckschrift D1 zwar naheliegend, statt der Auswahl des Boot-Speichers mittels Schalter ein nichtflüchtiges Speicherelement zum Speichern eines Modus zu verwenden, zumal Druckschrift D1 auf die Alternativen einer Umsetzung in Hard- oder Software verweist (vgl. Sp. 7, Zn. 1-3 und Zn. 45 ff / Merkmal M4.1a). Bei der Zuordnung von Speicherelementen zum Modusdekodierer statt zum Modusgenerator gemäß Anspruch 1 handelt es sich um eine rein organisatorische Maßnahme, die keinen Einfluss auf die Funktion des Speichersystems hat (Merkmal M4.2a). Druckschrift D1 ist jedoch kein Hinweis darauf zu entnehmen, ein Verhindern des Zugriffs auf einen ersten der beiden Speicher unabhängig von der Auswahl des Bootspeichers durch einen ersten Modus vorzusehen (vgl. zweiten Modus, Merkmal M4.2b) und diese Auswahl gemäß der funktionalen Beschreibung in Merkmalsgruppe M4.3 im Modusdekodierer umzusetzen. Es kann dahinstehen, ob der Hinweis auf Sicherheitsbedenken hinsichtlich des von einem Hersteller gelieferten Bootcodes (vgl. Anmeldeunterlagen, Seite 13, dritter Absatz) als Vorgabe an den Fachmann anzusehen ist (BGH, Urteil vom 30. Juli 2009 – Xa ZR 22/05, GRUR 2010, 44 – Dreihnahtschlauchfolienbeutel) und damit eine Veranlassung zum Verhindern des Zugriffs auf den in einem ersten Bootvorgang verwendeten Bootcode – also zum Verhindern des Zugriffs auf einen ersten, diesen Bootcode enthaltenden Bootspeicher mittels eines zusätzlichen Betriebsmodus liefert. Denn das anspruchsgemäße Verhindern des Zugriffs auf einen ersten Bootspeicher unabhängig von einer ersten Speicherauswahl ergibt sich aufgrund verschiedener technischer Realisierungsmöglichkeiten von Speicherauswahl und Zugriffsschutz nicht bereits allein aus der Anregung an den Fachmann, den Zugriff auf den ursprünglichen Bootcode zu beschränken. Der im Prüfungsverfahren genannte Programmabschnitt „Disable the UVPROM and enable the Flash“ (vgl. Druckschrift D1, Spalte 13) kann einen zweiten Modus gemäß Anspruch 1 ebenfalls nicht nahelegen, da dessen Funktion Teil des Umprogrammierens des zweiten Bootspeichers (FLASH) mit dem vollständigen Inhalt des ersten Bootspeichers (UVPROM) nach einem Kaltstart des Systems ist. Dabei umfasst das Umprogrammieren nur ein Umschalten zwischen den beiden Speichern, wie es das vorliegende Speichersystem bereits mit dem ersten Modus zur Auswahl des Speichers realisiert (vgl. Sp. 11 und 12, jeweils letzter Abs.).
Druckschrift D2 ist ebenfalls kein Hinweis darauf zu entnehmen, einen zweiten Betriebsmodus zum Verhindern der Auswahl des ersten Speichers unabhängig von der über einen ersten Modus erfolgenden Auswahl des ersten oder zweiten Speichers vorzusehen und eine entsprechende Signalisierung und Auswertung im Modusdekodierer gemäß Anspruch 1 technisch umzusetzen. Selbst wenn der Fachmann Druckschrift D2 trotz ihrer Unterschiede zur vorliegenden Speicherstruktur heranziehen würde, folgt aus der Auswahl von Speicherseiten („pages“) allenfalls ein Hinweis auf die Gestaltung der Auswahlmöglichkeit einzelner Speicher, aber nicht auf ein zusätzlich davon unabhängiges Verhindern des Zugriffs auf einen von zwei Speichern.
Auch unter Einbeziehung seines Fachwissens ergibt sich für den Fachmann weder aus den einzelnen Druckschriften D1 und D2, noch aus ihrer Zusammenschau eine Veranlassung, in einem Speichersystem zwei Betriebsmodi entsprechend der Merkmalsgruppe M4.3 in Verbindung mit den Merkmalsgruppen M4.1 und M4.2 des geltenden Patentanspruchs 1 vorzusehen. Dies gilt in gleicher Weise für die auf Anspruch 1 jeweils direkt oder indirekt rückbezogenen nebengeordneten Ansprüche 7 und 8, die jeweils ein Speichersystem gemäß einem der Ansprüche 1 bis 6 umfassen.
4. Die Sache war gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 PatG an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen, da die neu hinzugekommenen Merkmale im geltenden Patentanspruch 1 – soweit aus der Amtsakte ersichtlich – nicht Gegenstand der Recherche im bisherigen Prüfungsverfahren gewesen sind.
Der Senat hat davon abgesehen, antragsgemäß in der Sache selbst zu entscheiden und das Patent zu erteilen, weil er die Frage, ob der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, anhand des derzeit ermittelten Standes der Technik nicht abschließend beurteilen kann. Denn die nunmehr beanspruchten Zusammenhänge zwischen den einzelnen Modi des Systems und der daraus im Modusdekodierer resultierenden Steuerung der Zugriffsmöglichkeit auf einen der beiden Speicher des Speichersystems gemäß der Merkmalsgruppe M4.3 des geltenden Anspruchs 1 sind im Wesentlichen dem Ausführungsbeispiel zu den Figuren 2 und 3 der Anmeldung entnommen und waren nicht Gegenstand der im Prüfungsverfahren diskutierten Anspruchsfassungen.
Aus dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik ist das nunmehr unter Aufnahme weiterer Merkmale aus der Beschreibung beanspruchte Speichersystem – wie vorstehend dargelegt – dem Fachmann jedenfalls nicht nahegelegt.
Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass insbesondere unter dem Gesichtspunkt der §§ 3 und 4 PatG ein einer Patenterteilung möglicherweise entgegenstehender Stand der Technik existiert. Zu deren Ermittlung sind in erster Linie die Prüfungsstellen des Patentamts berufen, welche hierzu über geeignete Recherchemittel und Fachkenntnisse verfügen. Da eine sachgerechte Entscheidung nur aufgrund einer vollständigen Recherche des relevanten Standes der Technik ergehen kann, war die Sache – auch um der Anmelderin keine Tatsacheninstanz zu nehmen – zur weiteren Prüfung und Entscheidung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.
III.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr war nach § 80 Abs. 3 PatG anzuordnen.
Nach dieser Vorschrift kann die Rückzahlung der Beschwerdegebühr angeordnet werden, wenn dies der Billigkeit entspricht. Dies kommt insbesondere bei Verfahrensfehlern oder unsachgemäßer Sachbehandlung durch das Patentamt in Betracht, die auch für die Erhebung der Beschwerde ursächlich war (vgl. Schulte/Püschel, PatG, 9. Aufl., § 80 Rn. 111 ff. und § 73 Rn. 131 ff.; Busse/Engels, PatG, 7. Aufl., § 80 Rn. 90 ff.). Im angefochtenen Beschluss liegen Verfahrensfehler vor (Schulte/Püschel, a. a. O., § 73 Rn. 142, 154), da die Prüfungsstelle die von der Anmelderin im Schriftsatz vom 13. März 2008 hilfsweise beantragte Anhörung abgelehnt hat und der Beschluss Begründungsmängel aufweist (Schulte/Püschel, a. a. O., § 73 Rn. 143).
1. Die Ablehnung der von der Anmelderin beantragten Anhörung stellt einen die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigenden Verfahrensverstoß dar. § 46 Abs. 1 Satz 2 PatG in der bis zum 31. März 2014 geltenden Fassung gibt vor, dass der Anmelder bis zum Beschluss über die Erteilung auf Antrag zu hören ist, wenn es sachdienlich ist. Sachdienlich ist nach ständiger Rechtsprechung eine Anhörung immer dann, wenn sie aus objektiver Sicht das Verfahren fördern kann (vgl. Schulte/Rudloff-Schäffer, PatG, 9. Aufl., § 46 Rn. 11 m. w. N; BPatGE 18, 30, 39; 39, 204, 205). In der Rechtsprechung wird die einmalige Durchführung einer Anhörung im Prüfungsverfahren in aller Regel als sachdienlich angesehen (vgl. BPatGE 18, 30, 39; Winterfeld, Engels: Aus der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts im Jahre 2007, GRUR 2008, 645). Eine Ablehnung eines Antrags auf Anhörung kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, weil z. B. die Anhörung zu einer überflüssigen Verfahrensverzögerung eines einfach gelagerten Verfahrens führen würde (Schulte/Rudloff-Schäffer, a. a. O., § 46 Rn. 15).
Vorliegend hat die Prüfungsstelle den Beurteilungsspielraum bei der Einschätzung der Sachdienlichkeit der hilfsweise beantragten Anhörung überschritten.
Die Prüfungsstelle hat die Ablehnung der beantragten Anhörung damit begründet, dass der Anmelderin durch die Bescheide ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden sei, dass im vorausgegangenen Verfahren alle wesentlichen Aspekte der Anmeldung behandelt worden seien, eine Anhörung zur unnötigen Verfahrensverzögerung eines einfach gelagerten Verfahrens führen würde und es sich beim Anmeldungsgegenstand um einen überschaubaren Sachverhalt handele, so dass eine Anhörung aus Gründen der Verfahrensökonomie nicht als sachdienlich angesehen werde.
Diese Begründung trägt nicht.
Gegen eine im vorausgegangenen Verfahren erfolgte Behandlung aller wesentlichen Aspekte der Anmeldung spricht im vorliegenden Fall insbesondere, dass die Anmelderin in ihrem Schriftsatz vom 23. Juni 2009 ausführlich zur erfinderischen Tätigkeit Stellung genommen hat und dabei erläutert hat, warum sie in der im vorausgegangenen Prüfungsbescheid vom 2. Februar 2009 erstmalig genannten Druckschrift D2 keinen relevanten Stand der Technik sieht, sowie einen neuen Anspruchssatz eingereicht hat. Zudem ist vorliegend die getroffene Feststellung nicht sachgerecht, die Anhörung werde aus Gründen der Verfahrensökonomie als nicht sachdienlich angesehen, da bei der Entscheidung über die Sachdienlichkeit der Anhörung grundsätzlich zu prüfen ist, ob diese aus objektiver Sicht das Verfahren fördern kann (vgl. auch Beschluss 18 W (pat) 95/14 vom 7. Oktober 2015). Da sich die Anmelderin in den Eingaben vom 13. März 2008 und 23. Juni 2009 bemüht hat, die Bedenken der Prüfungsstelle auszuräumen sowie durch Anpassung des Patentbegehrens Rechnung zu tragen, bestand keine Veranlassung davon auszugehen, dass die Anhörung eine unnötige Verfahrensverzögerung darstellt. Der vorliegende Fall ist auch nicht so einfach gelagert, dass eine Anhörung nur verfahrensverzögernd wäre (Schulte/Rudloff-Schäffer, a. a. O., § 46 Rn. 15 d), wie dies die Meinungsunterschiede zur Relevanz der Druckschrift D2 zeigen.
2. Der Beschluss der Prüfungsstelle weist darüber hinaus Begründungsmängel auf. Ein solcher Mangel liegt vor, wenn sich die Begründung nicht auf alle für die Entscheidung maßgebenden Punkte erstreckt. Hierzu gehört auch eine Auseinandersetzung mit allen von einem Beteiligten schlüssig vorgetragenen Einwendungen sowie die Angabe aller Überlegungen, die die beschließende Stelle zu dem angegebenen Ergebnis geführt haben (BPatGE 6, 50; 7, 26).
Der nach ihrem Verständnis bestehende Mangel an erfinderischer Tätigkeit wird von der Prüfungsstelle im Zurückweisungsbeschluss nicht in nachprüfbarer Weise untersucht und unter Wiedergabe der die Prüfungsstelle leitenden Gedankengänge begründet. Diese sind auch in den vorangegangenen Prüfungsbescheiden nicht ersichtlich. Die Anmelderin hat in der dem Beschluss vorausgehenden Eingabe vom 23. Juni 2009 erstmalig zu der neu ins Verfahren eingeführten Druckschrift D2 ausführlich Stellung genommen und deren Relevanz bei der Beurteilung des vorliegenden Patentbegehrens in Frage gestellt. Trotz dieser von der Anmelderin vorgetragenen Bedenken hält die Prüfungsstelle unverändert an ihren Ausführungen im Bescheid vom 2. Februar 2009 fest und übernimmt die diesbezügliche Passage als ausschließliche Begründung in den Beschluss, ohne auf die Argumente der Anmelderin inhaltlich einzugehen. Dabei zitiert sie einzelne merkmalsbezogene Textabschnitte separat für beide Druckschriften nacheinander und unabhängig, ohne anzugeben, wie und weshalb der einschlägige Fachmann eine Zusammenschau dieser Merkmale aus den beiden Druckschriften vornimmt, wozu auch die Angabe gehört, welche Veranlassung der Fachmann hierzu hatte (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2011, X ZB 6/10 – Installiereinrichtung II, Leitsatz). Die Prüfungsstelle gibt somit nicht alle Überlegungen an, die sie zu dem angegebenen Ergebnis geführt haben.
In der Art und Weise der Beurteilung der vorliegenden Anmeldung durch die Prüfungsstelle ist daher eine unangemessene Sachbehandlung zu sehen und die Be- schwerdegebühr ist zurückzuerstatten (Busse/Engels, a. a. O., § 80 Rn. 102 und 118).
IV.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht der am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.
Wickborn Kruppa Dr. Otten-Dünnweber Altvater Hu