19 W (pat) 32/17
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 32/17 Verkündet am 23. Oktober 2017
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
betreffend das Patent 10 2011 056 963 BPatG 154 05.11 hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 23. Oktober 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Kleinschmidt, der Richterin Kirschneck sowie der Richter Dipl.-Phys. Dipl.-Wirtsch.-Phys. Arnoldi und Dipl.-Phys. Dr. Haupt beschlossen:
Die Beschwerde der Einsprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe I.
Auf die am 23. Dezember 2011 eingereichte Anmeldung ist mit Beschluss vom 17. Juli 2012 das Patent 10 2011 056 963 mit der Bezeichnung „Messung von Entfernungen nach dem Signallaufzeitprinzip“ erteilt worden. Die Veröffentlichung der Patenterteilung ist am 13. September 2012 erfolgt.
Gegen das Patent hat die Einsprechende mit Schriftsatz vom 30. November 2012, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am 7. Dezember 2012, Einspruch erhoben und beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen. Die Einsprechende hat sinngemäß geltend gemacht, der Gegenstand des Patents sei nach den §§ 1 bis 5 PatG nicht patentfähig (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG).
Die Einsprechende verweist u. a. auf folgende Schriften bzw. Unterlagen:
D1: US 7 656 341 B2 D2: DE 10 2007 013 714 A1 D3: DE 10 2004 022 911 A1 D4: Teilausdruck des Diskussionsfadens „problems with SERDES“ in dem Internet-Forum „Altera Forums“ (ohne Angabe der URL oder des Druckdatums).
D4a: Ausdruck des Diskussionsfadens „problems with SERDES“ in dem Internet-Forum „Altera Forums“, Druckdatum: 29.10.2014. [URL: http://www.alteraforum.com/forum/printthread.php?t=28643).
Die Patentinhaberin hat widersprochen und sinngemäß beantragt, das Patent in vollem Umfang, hilfsweise beschränkt aufrechtzuerhalten.
Mit am Ende der Anhörung vom 15. Oktober 2013 verkündeten Beschluss hat die Patentabteilung 1.55 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent beschränkt aufrechterhalten.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden vom 6. November 2013, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am 8. November 2013.
Die Einsprechende beantragt,
den Beschluss der Patentabteilung 1.55 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. Oktober 2013 aufzuheben und das Patent 10 2011 056 963 in vollem Umfang zu widerrufen.
Die Patentinhaberin beantragt,
die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen.
Die unabhängigen Patentansprüche 1 und 14 lauten in der beschränkt aufrechterhaltenen Fassung wie folgt:
1. Sensor (200, 300, 400) zur Messung von Entfernungen in einem Erfassungsbereich (14) nach dem Signallaufzeitprinzip mit einem Sender (12) zum Aussenden eines elektromagnetischen Signals zu einem Referenzzeitpunkt, mit einem Empfänger (16) zum Erzeugen eines Empfangssignals aus dem in dem Erfassungsbereich (14) remittierten Signal, mit einem digitalen Baustein (20), insbesondere einem FPGA, zur Abtastung und Umwandlung des Empfangssignals in ein digitales Signal sowie mit einer Auswertungseinheit (18), welche dafür ausgebildet ist, aus dem digitalen Signal einen Empfangszeitpunkt und aus dem Referenzzeitpunkt und dem Empfangszeitpunkt die Signallaufzeit zu bestimmen, dadurch gekennzeichnet, dass der digitale Baustein (20) eine SERDES-Schnittstelle (22) zur Datenkommunikation gemäß einem SERDES-Protokoll mit einem SERDES-Abtaster (24) und einem Deserialisierer (28) aufweist, die dafür ausgebildet ist, das Empfangssignal mit einer Abtastrate im GHz-Bereich hochaufgelöst abzutasten und das durch Deserialisierung zu Datenworten zusammengefasste Empfangssignal abzuspeichern, so dass die weitere Verarbeitung des digitalen Signals mit einem Takt erfolgen kann, der um die Breite der Datenworte unterhalb der Abtastrate liegt, dass die SERDES-Schnittstelle (22) Korrektureinheiten zur Rekonstruktion eines sendeseitigen Takts aufweist und dass diese Korrektureinheiten überbrückt oder deaktiviert sind.
14. Verfahren zur Messung von Entfernungen in einem Erfassungsbereich (14) nach dem Signallaufzeitprinzip, bei dem ein elektromagnetisches Signal zu einem Referenzzeitpunkt ausgesandt und aus dem Signal, das aus dem Erfassungsbereich (14) remittiert wird, ein Empfangssignal erzeugt wird, das von einem digitalen Baustein (20), insbesondere einem FPGA, abgetastet und in ein digitales Signal gewandelt wird, wobei in einer Auswertung auf dem digitalen Baustein (20) aus dem digitalen Signal ein Empfangszeitpunkt und daraus mit Bezugnahme auf den Referenzzeitpunkt die Signallaufzeit bestimmt wird, dadurch gekennzeichnet, dass das Empfangssignal über eine SERDES-Schnittstelle (22) des digitalen Bausteins (20) zur Datenkommunikation gemäß einem SERDES-Protokoll direkt abgetastet wird, wobei in einem SERDESAbtaster (24) das Empfangssignal mit einer Abtastrate im GHz-Bereich hochaufgelöst abgetastet wird und ein Deserialisierer (28) das zu Datenworten zusammengefasste digitale Empfangssignal abspeichert, woraufhin die weitere Verarbeitung des digitalen Signals zur Bestimmung des Empfangszeitpunkts und der Signallaufzeit mit einem Takt erfolgt, der um die Breite der Datenworte unterhalb der Abtastrate liegt und dass Korrektureinheiten der SERDES-Schnittstelle (22) zur Rekonstruktion eines sendeseitigen Takts überbrückt oder deaktiviert sind.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.
II.
1. Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde der Einsprechenden hat keinen Erfolg.
2. Der Einspruch ist zulässig (§ 59 Abs. 1 PatG), insbesondere ist er fristgerecht per Fax am 7. Dezember 2012 eingegangen sowie ausreichend substantiiert.
3. Das Streitpatent betrifft einen Sensor und ein Verfahren zur Messung von Entfernungen in einem Erfassungsbereich nach dem Signallaufzeitprinzip.
In der Beschreibungseinleitung des Streitpatents ist ausgeführt, dass zahlreiche Sensoren ein Signallaufzeitprinzip nutzen, bei dem das Zeitintervall zwischen Senden und Empfang eines Signals über die Signallaufzeit in eine Entfernung umgerechnet werde. Dabei würden so verschiedene Frequenzbereiche des elektromagnetischen Spektrums ausgenutzt wie Mikrowellen und Licht (vgl. Beschreibung, Seite 1, Zeilen 16 bis 19).
Solle die Auflösung der Entfernungsmessung eine Genauigkeit im Bereich einiger zehn Millimeter erreichen, so müsse die Signallaufzeit in einer Größenordnung von hundert Pikosekunden genau bestimmt werden. Ein A/D-Wandler zur Abtastung des analogen Empfangssignals für eine digitale Weiterverarbeitung müsste daher im höheren GHz-Bereich arbeiten; solche Abtastfrequenzen seien herkömmlich allenfalls mit unverhältnismäßigen Kosten in Form von Silizium-Hochgeschwindigkeitsprozessen (Bipolar, SiGe) oder teuren analogen Wandlerschaltungen realisierbar. Neben den hohen Kosten entstünden dabei meist auch noch hohe Verlustleistungen, hoher Platzbedarf und geringe Anpassungsmöglichkeiten. Kostengünstigere Bausteine wie FPGAs (Field Programmable Gate Array) und andere programmierbare digitale Logikbausteine hätten demgegenüber typischerweise Arbeitsfrequenzen im Bereich einiger hundert MHz und seien damit um Größenordnungen von der erforderlichen zeitlichen Präzision entfernt (vgl. Beschreibung, Seite 2, Zeilen 5 bis 19).
Der Erfindung liege daher die Aufgabe zugrunde, die zeitliche Präzision bei der Entfernungsmessung nach dem Signallaufzeitprinzip auf einfache Weise zu erhöhen (vgl. Beschreibung Seite 3, Zeilen 18, 19).
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt der Anspruch 1 in der beschränkt aufrechterhaltenen Fassung einen Sensor mit folgenden Merkmalen vor:
Sensor (200, 300, 400) 1.1 zur Messung von Entfernungen in einem Erfassungsbereich (14)
nach dem Signallaufzeitprinzip 1.2 mit einem Sender (12) zum Aussenden eines elektromagnetischen Signals zu einem Referenzzeitpunkt, 1.3 mit einem Empfänger (16) zum Erzeugen eines Empfangssignals aus dem in dem Erfassungsbereich (14) remittierten Signal, 1.4 mit einem digitalen Baustein (20), insbesondere einem FPGA,
zur Abtastung und Umwandlung des Empfangssignals in ein digitales Signal 1.5 sowie mit einer Auswertungseinheit (18), welche dafür ausgebildet ist, aus dem digitalen Signal einen Empfangszeitpunkt und aus dem Referenzzeitpunkt und dem Empfangszeitpunkt die Signallaufzeit zu bestimmen, dadurch gekennzeichnet, 1.6 dass der digitale Baustein (20) eine SERDES-Schnittstelle (22) zur Datenkommunikation gemäß einem SERDES-Protokoll mit einem SERDES-Abtaster (24) und einem Deserialisierer (28) aufweist, 1.7a die dafür ausgebildet ist, das Empfangssignal mit einer Abtastrate im GHz-Bereich hochaufgelöst abzutasten 1.7b und das durch Deserialisierung zu Datenworten zusammengefasste Empfangssignal abzuspeichern, 1.8 so dass die weitere Verarbeitung des digitalen Signals mit einem Takt erfolgen kann, der um die Breite der Datenworte unterhalb der Abtastrate liegt,
1.9 dass die SERDES-Schnittstelle (22) Korrektureinheiten zur Rekonstruktion eines sendeseitigen Takts aufweist und dass diese Korrektureinheiten überbrückt oder deaktiviert sind.
4. Vor diesem Hintergrund legt der Senat seiner Entscheidung als Fachmann einen Hochschulingenieur für Hochfrequenztechnik oder einen Physiker zu Grunde, der über mehrjährige Berufserfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung von Entfernungsmessern nach dem Signallaufzeitprinzip verfügt.
5. Der Fachmann versteht die Angaben im Anspruch 1 wie folgt:
a) Die Anweisung, einen Sensor mit einem Sender, mit einem Empfänger, mit einem digitalen Baustein sowie mit einer Auswerteeinheit vorzusehen (vgl. Merkmale 1, 1.2, 1.3, 1.4, 1.5), fordert nicht, dass die angegebenen Bestandteile monolithisch auf einem Chip oder in anderer Art und Weise integriert sind.
b) Auch der Begriff des digitalen Bausteins (vgl. Merkmal 1.4) ist nicht auf einen einzelnen integrierten Schaltkreis beschränkt. Nach dem nicht patentbeschränkenden Ausführungsbeispiel sind digitale Bausteine FPGAs, Mikroprozessoren, PLDs (Programmable Logic Device), ASICs (Application-Specific Integrated Circuit) oder DSPs (Digital Signal Processor) (vgl. Beschreibung, Seite 8, Zeilen 33 bis 39).
c) Eine SERDES-Schnittstelle zur Datenkommunikation (vgl. Merkmal 1.6) ist in der Beschreibung des Streitpatents über ihre Funktion definiert, Daten auf der Senderseite in einen seriellen Bitstrom (SERializer) und auf der Empfangsseite wieder zu Datenworten umzusetzen (DESerializer). Ein häufig verwendetes Protokoll sei die sogenannte 8b/10b-Codierung, die unter anderem die empfangsseitige Taktrückgewinnung (clock recovery) unterstütze (vgl. Beschreibung, Seite 3, Zeilen 10 bis 16).
d) Auf Grund der Zweckangabe im Anspruch 1 muss die SERDES-Schnittstelle zur Datenkommunikation geeignet sein (vgl. Merkmal 1.6). Damit eine SERDES-Schnittstelle zur Datenkommunikation geeignet ist, muss sie alle zur Datenkommunikation erforderlichen Elemente, beispielsweise einen Senderteil (SERialisierer), einen Empfängerteil (DESerialisierer), eine Speichereinrichtung (vgl. Merkmal 1.7b) sowie Korrektureinheiten zur Rekonstruktion des sendeseitigen Takts enthalten (vgl. Merkmal 1.9). Erfindungsgemäß wird die SERDESSchnittstelle jedoch nicht zur Datenkommunikation, sondern für einen anderen Zweck genutzt, nämlich für Entfernungsmessung nach dem Signallaufzeitprinzip (vgl. Merkmale 1 und 1.1 i. V. m. 1.4 und 1.6). Nach der Beschreibung wird die SERDES-Schnittstelle sozusagen zwischen Sender und Empfänger aufgeschnitten, und der gesamte Senderanteil verworfen (vgl. Beschreibung, Seite 3, Zeilen 27 bis 31).
e) Die Vorgabe, dass die SERDES-Schnittstelle zur Datenkommunikation gemäß einem SERDES-Protokoll arbeitet (vgl. Merkmal 1.6), kann eine SERDESSchnittstelle nicht näher bestimmen, denn jede Schnittstelle zur Datenkommunikation wird nach einem Protokoll arbeiten, d. h. einer Vereinbarung, nach der die Datenübertragung zwischen den Endpunkten abläuft, wie immer dieses Protokoll im Detail auch definiert sein mag. Der Begriff SERDES-Protokoll besagt somit nur, dass das verwendete Protokoll geeignet sein muss, die Kommunikation über die SERDES-Schnittstelle zu steuern.
f) Korrektureinheiten zur Rekonstruktion des sendeseitigen Takts (vgl. Merkmal 1.9) versteht der Fachmann als Einheiten zur Taktrückgewinnung aus dem Empfangssignal (vgl. Beschreibung, Seite 9, Zeile 34 bis Seite 10, Zeile 5 und darin insbesondere das Bezugszeichen 38), d. h. als Einheiten zur Rückgewinnung des sendeseitigen Takts bzw. Referenzzeitpunkts (vgl. Merkmale 1.2 und 1.5).
6. Die beschränkt aufrechterhaltenen Patentansprüche sind zulässig.
6.1 Die Ansprüche 1 bis 15 gehen nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG):
Die Gegenstände der einzelnen Merkmale des beschränkt aufrechterhaltenen Anspruchs 1 sind wie folgt ursprungsoffenbart:
Merkmale 1 bis 1.5 und 1.7a bis 1.8: vgl. Anspruch 1 vom Anmeldetag; Merkmal 1.6: vgl. Anspruch 1 und Beschreibung, Seite 3, Zeilen 9, 10, 12, 13 vom Anmeldetag; Die Verallgemeinerung der „8b/10b-Codierung“, die in den Anmeldeunterlagen als „häufig verwendetes Protokoll“ bezeichnet ist, zu einem „SERDES-Protokoll“ ist aus den vorstehend zum Verständnis des Streitpatents angegebenen Gründen zulässig; Merkmale 1.7a bis 1.8: vgl. Anspruch 1 vom Anmeldetag; Merkmal 1.9: vgl. Beschreibung, Seite 4, Zeilen 15 bis 17, Seite 10, Zeilen 3 bis 5 und 7 bis 10 vom Anmeldetag.
Der Gegenstand des beschränkt aufrechterhaltenen Anspruchs 14 geht in zulässiger Weise auf den Anspruch 14 vom Anmeldetag und die vorstehend zu Anspruch 1 genannten Fundstellen der Anmeldeunterlagen zurück. Insbesondere sind mit den offenbarten Vorrichtungsmerkmalen auch korrespondierende Verfahrensmerkmale offenbart.
Die Unteransprüche gehen in zulässiger Weise auf die Unteransprüche vom Anmeldetag zurück.
6.2 In der beschränkt aufrechterhaltenen Fassung wird der Schutzbereich des Patents nicht erweitert (§ 22 Abs. 1 2. Alternative PatG).
7. Der Gegenstand des beschränkt aufrechterhaltenen Anspruchs 1 ist neu (§ 3 PatG).
7.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist gegenüber dem Stand der Technik nach der Schrift DE 10 2004 022 911 A1 (= D3) neu.
Die Schrift D3 betrifft ein Verfahren sowie eine Vorrichtung zur Abtastung von Signalen, insbesondere für Entfernungsmessungen durch Bestimmen von Lichtlaufzeiten (vgl. Absatz 0001).
Im Zusammenhang mit der Diskussion des Standes der Technik offenbart die Schrift D3 in der Beschreibungseinleitung, Absätze 0002 und 0004, einen Sensor (Lasermesssystem) zur Messung von Entfernungen in einem Erfassungsbereich nach dem Signallaufzeitprinzip mit einem Sender zum Aussenden eines elektromagnetischen Signals zu einem Referenzzeitpunkt (gepulste elektromagnetische Strahlung), mit einem Empfänger zum Erzeugen eines Empfangssignals aus dem in dem Erfassungsbereich remittierten (reflektierten) Signal und mit einem digitalen Baustein (getakteter Analog-Digital-Wandler) zur Abtastung und Umwandlung des Empfangssignals in ein digitales Signal. Der Fachmann liest in Verbindung mit dem physikalischen Prinzip der Entfernungsmessung durch Bestimmen von Lichtlaufzeiten ohne Weiteres mit, dass eine Auswertungseinheit vorzusehen ist, welche dafür ausgebildet ist, aus dem digitalen Signal einen Empfangszeitpunkt und aus dem Referenzzeitpunkt und dem Empfangszeitpunkt die Signallaufzeit zu bestimmen (vgl. auch Absatz 0003: „Ein Entfernungsunterschied von 1 cm entspricht einer Laufzeitdifferenz von etwa 66 ps.“).
Die Schrift D3 offenbart daher in ihrer Beschreibungseinleitung eine Vorrichtung gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 des Streitpatents.
Ausgehend von diesem Stand der Technik wird in der Schrift D3 vorgeschlagen, die für die gewünschten Ortsauflösungen erforderlichen hohen Abtastraten im GHz-Bereich (vgl. Absatz 0005) dadurch zu vermeiden, dass das abzutastende Eingangssignal über eine Mehrzahl von unterschiedliche Signallaufzeiten bedingenden Signalwegen geführt und die resultierende, unterschiedlich verzögerte Einzelsignale umfassende Signalschar gleichzeitig mit einem niedrigeren Grundtakt abgetastet wird (vgl. Absatz 0007 und 0010).
Eine SERDES-Schnittstelle ist der Schrift D3 jedoch nicht entnehmbar.
Die Schrift D3 offenbart daher nicht die Anweisungen im Kennzeichen des beschränkt aufrechterhaltenen Anspruchs 1.
7.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist gegenüber dem Stand der Technik nach der Druckschrift DE 10 2007 013 714 A1 (= D2) neu.
Die Druckschrift D2 offenbart – ähnlich wie die Schrift D3 – eine Vorrichtung zur Messung von Entfernungen in einem Erfassungsbereich nach dem Signallaufzeitprinzip gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 (vgl. in der Schrift D2 etwa die Zusammenfassung), wobei auch der Schrift D2 keine SERDES-Schnittstelle mit den Merkmalen im Kennzeichen des Anspruchs 1 entnehmbar ist.
7.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist gegenüber dem vor dem Zeitrang des Streitpatents als öffentlich zugänglich unterstellten Diskussionsfaden im AlteraForum (= D4, D4a) neu.
Der Diskussionsfaden D4 bzw. D4a betrifft ausweislich seines Titels Probleme bei der Benutzung einer SERDES-Schnittstelle.
Im Anfangsbeitrag führt der Teilnehmer mit dem Benutzernamen „matthias.rogge“ aus, dass eine periodische Folge von Impulsen (auf Grund der Bezeichnung „duty cycle“) mit einem Impulsabstand zwischen 0,2 und 1 μs und einer Impulsdauer zwischen 50 und 100 ns zu einem Laser gesendet werden soll. Dieses Signal solle mit dem Eingang einer SERDES-Schnittstelle aufgenommen werden (we have to ‘catch‘). Es sei üblich, die Taktwiederherstellung der SERDES-Schnittstelle (clock recovery) zu verwenden, diese würde jedoch nicht benötigt. Der Teilnehmer fragt deshalb im Anfangsbeitrag, ob es möglich sei, diese Taktwiederherstellung auszuschalten (to switch it off) oder ob es andere Lösungen gebe.
Daraufhin bittet der Teilnehmer mit dem Benutzernamen „dwh@ovro.caltech.edu“ im dritten Diskussionsbeitrag um Klarstellung, welche Eigenschaft der Impulse bestimmt werden soll, denn die benötigte Implementation hänge davon ab, was gemessen und welche FPGA-Familie verwendet werde. Der Teilnehmer diskutiert zwei der möglichen Varianten: die bloße Feststellung, ob ein Impuls aufgetreten ist und die Messung der Impulsdauer. Falls gemessen werden soll, wie lang der Impuls aktiviert wurde, werde grundsätzlich ein 1-Bit-Analog-Digital-Wandler gebraucht, d. h. ein SERDES-Eingangskanal. Die ALTGX-Funktion könne verwendet werden, ohne die Takt- und Datenwiederherstellung durchführen zu müssen. Es könnte auch eine ALTLVDS-Komponente mit einer Abtastrate von etwa 1 GBit/s (1 ns) verwendet werden.
Die Diskussion D4 bzw. D4a offenbart an den vorstehend angegebenen Fundstellen die Anweisungen in den Merkmalen 1.4, 1.6, 1.7a und 1.9 des beschränkt aufrechterhaltenen Anspruchs 1, nämlich einen digitalen Baustein (FPGA) zur Abtastung und Umwandlung eines Empfangssignals in ein digitales Signal (1-bit ADC), wobei der digitale Baustein eine SERDES-Schnittstelle (SERDES channel) zur Datenkommunikation gemäß einem SERDES-Protokoll mit einem SERDESAbtaster und einem Deserialisierer (mitzulesen) aufweist, die dafür ausgebildet ist, das Empfangssignal mit einer Abtastrate im GHz-Bereich hochaufgelöst abzutasten (about 1 Gbps sampling frequency) und die SERDES-Schnittstelle Korrektur- einheiten zur Rekonstruktion eines sendeseitigen Takts aufweist (clock recovery) und dass diese Korrektureinheiten überbrückt oder deaktiviert werden können (without having to perform clock and data recovery).
Die Anweisungen in den Merkmalen 1.7b und 1.8, wonach das durch Deserialisierung zu Datenworten zusammengefasste Empfangssignal abzuspeichern ist, so dass die weitere Verarbeitung des digitalen Signals mit einem Takt erfolgen kann, der um die Breite der Datenworte unterhalb der Abtastrate liegt, stellen Eigenschaften dar, die einer SERDES-Schnittstelle wohl inhärent sind.
Die Diskussion D4 bzw. D4a offenbart jedoch keinen Sensor zur Messung von Entfernungen in einem Erfassungsbereich nach dem Signallaufzeitprinzip (Merkmale 1, 1.1) mit den Vorrichtungsmerkmalen 1.2, 1.3 und 1.5 des beschränkt aufrechterhaltenen Anspruchs 1.
7.4 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist gegenüber dem Stand der Technik nach der Druckschrift US 7 656 341 B2 (= D1) neu.
Die Schrift D1 hat im Beschwerdeverfahren keine Rolle gespielt. Der Senat verweist auf den angegriffenen Beschluss, in dem im Detail dargelegt ist, welche Merkmale des beschränkt aufrechterhaltenen Anspruchs 1 aus der Schrift D1 nicht entnehmbar sind.
8. Der Gegenstand des nach Hauptantrag geltenden Anspruchs 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG).
8.1 Ausgehend vom Stand der Technik nach der Druckschrift D3 kommt der Fachmann nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des beschränkt aufrechterhaltenen Anspruchs 1.
Der Senat stimmt der Einsprechenden noch insoweit zu, dass der Fachmann vor einer Umsetzung der in der Schrift D3 vorgeschlagenen Schaltung mit Verzögerungsleitungen zunächst Veranlassung hat, zu überprüfen, ob die Annahme noch zutrifft, dass die zur Abtastung von Empfangssignalen im GHz-Bereich verfügbaren Bauteile sehr teuer sind (vgl. D3, Absatz 0005). Der Fachmann wird daher überprüfen, ob kostengünstige FPGAs verfügbar sind (vgl. D3, Absatz 0014), welche eine Abtastung und Umwandlung eines Empfangssignals im GHz-Bereich ermöglichen.
Der Senat hat jedoch Zweifel, ob der Fachmann hierzu die Diskussion D4 bzw. D4a in Betracht zieht, denn ausweislich des Titels und des ersten Diskussionsbeitrags geht es in dieser Diskussion weder um die mit FPGAs erreichbaren Abtastraten, noch um Entfernungsmessungen nach dem Signallaufzeitprinzip, sondern um das Problem, ob bei einer SERDES-Schnittstelle die Taktrückgewinnung aus dem Eingangssignal deaktiviert werden kann. Ausgehend vom Stand der Technik nach der Schrift D3 hat der Fachmann keinerlei Veranlassung zu der Annahme, dass er Probleme im Zusammenhang mit einer SERDES-Schnittstelle zu lösen hat. Eine SERDES-Schnittstelle wird in der Schrift D3 nicht erwähnt.
Selbst dann, falls der Fachmann die Diskussion D4 bzw. D4a in Betracht zieht, wird er die Offenbarung des Merkmals 1.9 in der Diskussion D4 bzw. D4a jedenfalls nicht mit einem Sensor zur Messung von Entfernungen in einem Erfassungsbereich nach dem Signallaufzeitprinzip (Merkmale 1, 1.1) und mit einer Auswertungseinheit in Verbindung bringen, die aus dem digitalen Signal einen Empfangszeitpunkt und aus dem Referenzzeitpunkt und dem Empfangszeitpunkt die Signallaufzeit bestimmt (vgl. Merkmal 1.5).
Denn der Vorschlag in der Diskussion D4 bzw. D4a, die sogenannte ALTGXFunktion der SERDES-Schnittstelle ohne ihre Takt- und Datenwiederherstellungsfunktion zu nutzen, bezieht sich auf die Messung der Impulsdauer (vgl. D4/D4a, dritter Diskussionsbeitrag, zweiter und dritter Absatz). Dem Fachmann ist bekannt, dass die Dauer eines Impulses etwa allein aus der ansteigenden und absteigenden Flanke des Empfangssignals bestimmt werden kann. Ein zusätzliches Signal, das einen Referenzzeitpunkt definiert (vgl. Merkmal 1.5), nämlich den Zeitpunkt des Aussendens des elektromagnetischen Signals (vgl. Merkmal 1.2), ist für eine solche Messung nicht erforderlich. Bei einer Messung nach dem Signallaufzeitprinzip (vgl. Merkmal 1.1) bzw. einer entsprechenden Auswertungseinheit (vgl. Merkmal 1.5) wird der Fachmann hingegen nicht davon ausgehen können, dass auf die Kenntnis des sendeseitigen Takts (vgl. Merkmal 1.9) bzw. des Referenzzeitpunkts (vgl. Merkmal 1.5) verzichtet werden kann.
8.2 Zur Überzeugung des Senats legt auch der sonstige im Verfahren genannte Stand der Technik den Gegenstand des beschränkt aufrechterhaltenen Anspruchs 1 nicht nahe.
8.3 Über die von der Patentinhaberin bestrittene öffentliche Zugänglichkeit der Diskussion D4 bzw. D4a vor dem Zeitrang des Streitpatents musste daher nicht entschieden werden.
8.4 Der nebengeordnete Anspruch 14 und die untergeordneten Ansprüche sowie die übrigen Unterlagen in der beschränkt aufrechterhaltenen Fassung erfüllen ebenso die an sie zu stellenden Anforderungen.
9. Die Beschwerde der Einsprechenden war daher zurückzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den an dem Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Abs. 2, § 100 Abs. 1, § 101 Abs. 1 PatG).
Nachdem der Beschwerdesenat in dem Beschluss die Einlegung der Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn einer der nachfolgenden Verfahrensmängel durch substanziierten Vortrag gerügt wird (§ 100 Abs. 3 PatG):
1. Das beschließende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt. 2. Bei dem Beschluss hat ein Richter mitgewirkt, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war. 3. Einem Beteiligten war das rechtliche Gehör versagt. 4. Ein Beteiligter war im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat. 5. Der Beschluss ist aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind. 6. Der Beschluss ist nicht mit Gründen versehen.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, schriftlich einzulegen (§ 102 Abs. 1 PatG).
Die Rechtsbeschwerde kann auch als elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen ist, durch Übertragung in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes eingelegt werden (§ 125a Abs. 3 Nr. 1 PatG i. V. m. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 2a, Anlage (zu § 1) Nr. 6 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV)). Die elektronische Poststelle ist über die auf der Internetseite des Bundesgerichtshofes www.bundesgerichtshof.de/erv.html bezeichneten Kommunikationswege erreichbar (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGH/BPatGERVV). Dort sind auch die Einzelheiten zu den Betriebsvoraussetzungen bekanntgegeben (§ 3 BGH/BPatGERVV).
Die Rechtsbeschwerde muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten des Rechtsbeschwerdeführers eingelegt werden (§ 102 Abs. 5 Satz 1 PatG).
Kleinschmidt Kirschneck Arnoldi Dr. Haupt Ko