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21 W (pat) 37/13

BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 37/13 Verkündet am 1. Dezember 2015

…

BESCHLUSS In der Beschwerdesache …

BPatG 154 05.11 betreffend das Patent 10 2005 045 698 hat der 21. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 1. Dezember 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Häußler sowie der Richterin Hartlieb, des Richters Dipl.-Phys. Dr. M. Müller und der Richterin Dipl.-Phys. Zimmerer beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe I Die Patentanmeldung mit dem Aktenzeichen 10 2005 045 698.7 wurde am 20. September 2005 unter der Bezeichnung „Formkörper aus einer Dentallegierung zur Herstellung von dentalen Teilen“ beim Deutschen Patent- und Markenamt von der D… KG in I…, DE angemeldet. Die Veröffentlichung der Patenterteilung erfolgte am 11. November 2010, Pateninhaberin ist die D1… GmbH & Co. KG in I…, DE.

Gegen das Patent haben die D… GmbH in W… (Einsprechende), mit dem Schriftsatz vom 11. Februar 2011, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am selben Tag, Einspruch erhoben. Die Einsprechende hat mangelnde Patentfähigkeit (fehlende Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit) geltend gemacht.

Die Patentinhaberin ist dem Vorbringen der Einsprechenden mit Schriftsatz vom 21. November 2011 entgegengetreten und beantragte in der Anhörung vom 24. Januar 2013 sinngemäß, das Patent im vollen Umfang aufrecht zu erhalten und hilfsweise mit Schriftsatz vom 8. Januar 2013 das Patent im Umfang der als Hilfsantrag eingereichten Ansprüche 1 - 7 beschränkt aufrecht zu erhalten.

Die Patentabteilung 23 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in der Anhörung vom 24. Januar 2013 den Einspruch als zulässig erachtet und das Patent widerrufen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin vom 12. März 2013, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am 14. März 2013.

Die Patentinhaberin beantragt,

den Beschluss der Patentabteilung 23 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 24. Januar 2013 aufzuheben und das Patent in der erteilten Fassung aufrecht zu erhalten (Hauptantrag), hilfsweise das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten - Patentansprüche 1 bis 7 gemäß Hilfsantrag 1 vom

11. Juli 2013, - Patentansprüche 1 bis 7 gemäß Hilfsantrag 2 vom

11. Juli 2013, - Patentansprüche 1 bis 7 gemäß Hilfsantrag 3 vom

1. Dezember 2015.

Die Einsprechende beantragt,

die Beschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen.

Als Stand der Technik wurden im Einspruchsverfahren neben der aus dem Prüfungsverfahren bekannten Druckschrift P1 WO 00/ 15 137 A1 die von der Einsprechenden genannten Druckschriften D1 WO 2005/039 663 A2 D2 WO 02/07911 A1 D3 DE 197 14 178 A1 D4 DE 198 19 715 A1 D5 Handbuch der Fertigungstechnik, Band 1 - Urformen, Seiten 874 - 876,

Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Günter Spur und Prof. Dr.-Ing. Theodor Stöferle, Carl Hanser Verlag München Wien 1981 D6 EP 1 240 877 A2 und die von der Patentinhaberin eingeführten Druckschriften D7 Lexikon Zahnmedizin, Zahntechnik (Urban & Fischer Verlag 2000), S. 159 und 460 D8 DIN 13912 aus DIN-Taschenbuch 267 Zahnheilkunde (D8) berücksichtigt.

Im Beschwerdeverfahren wurde von der Einsprechenden die Druckschrift D9 EP 337 309 A1 aus dem parallelen US-Verfahren genannt. In der mündlichen Verhandlung wurde vom Senat die Druckschrift D10 EP 1 555 332 A1 aus dem parallelen europäischen Verfahren eingeführt und diskutiert.

Der erteilte Anspruch 1 lautet mit eingefügter Merkmalsgliederung:

M1 Formkörper, M2 der aus einer Dentallegierung besteht und M3 materialabtragend bearbeitbar ist M4 zur Herstellung von dentalen Teilen, dadurch gekennzeichnet, dass M5 der Formkörper aus einem durch heißisostatisches Pressen dichtgesinterten Dentallegierungspulver besteht.

Bezüglich der erteilten Unteransprüche 2 bis 7 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

Der mit Gliederungspunkten versehene Patentanspruch 1 in der Fassung des ersten Hilfsantrags lautet (Unterschiede zum erteilten Patentanspruch 1 unterstrichen):

M1 Formkörper, M2 der aus einer Dentallegierung besteht und M3 materialabtragend bearbeitbar ist M4 zur Herstellung von dentalen Teilen, dadurch gekennzeichnet, dass M5 der Formkörper aus einem durch heißisostatisches Pressen dichtgesinterten Dentallegierungspulver besteht M6 wobei der Formkörper die theoretische Dichte der Dentallegierung aufweist.

Der mit Gliederungspunkten versehene Patentanspruch 1 in der Fassung des zweiten Hilfsantrags lautet (Unterschiede zum Patentanspruch 1 nach dem ersten Hilfsantrag unterstrichen):

M1' Verwendung eines Formkörpers, M2 der aus einer Dentallegierung besteht und M3 materialabtragend bearbeitbar ist M4 zur Herstellung von dentalen Teilen M3' durch materialabtragende Bearbeitung, dadurch gekennzeichnet, dass M5 der Formkörper aus einem durch heißisostatisches Pressen dichtgesinterten Dentallegierungspulver besteht M6 wobei der Formkörper die theoretische Dichte der Dentallegierung aufweist.

Der mit Gliederungspunkten versehene Patentanspruch 1 in der Fassung des dritten Hilfsantrags lautet (Unterschiede zum Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 unterstrichen):

M1 Formkörper, M2' der aus einer edelmetallfreien CoCr- oder NiCr-Dentallegierung besteht und M3 materialabtragend bearbeitbar ist M4 zur Herstellung von dentalen Teilen, dadurch gekennzeichnet, dass M5 der Formkörper aus einem durch heißisostatisches Pressen dichtgesinterten Dentallegierungspulver besteht M6 wobei der Formkörper die theoretische Dichte der Dentallegierung aufweist.

Die Unteransprüche 2 bis 7 in der Fassung der Hilfsanträge entsprechen inhaltlich jeweils den erteilten Unteransprüchen 2 bis 7.

Bezüglich der jeweiligen Unteransprüche und auf das übrige Vorbringen der Beteiligten wird auf die Akte verwiesen.

II Die frist- und formgerecht erhobene und damit zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg, denn der Formkörper nach dem erteilten Patentanspruch 1 (Hauptantrag) und in der Fassung des Hilfsantrags 1 sowie die Verwendung nach Anspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrag 2 sind nicht patentfähig. Weiter ist der Hilfsantrag 3 nicht zulässig, so dass die Beschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen war.

1. Die Überprüfung des Einspruchsvorbringens hat ergeben, dass der Einspruch zulässigerweise erhoben worden sind, denn der auf mangelnde Patentfähigkeit gestützte Einspruch ist innerhalb der gesetzlichen Einspruchsfrist im Sinne des § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG ausreichend substantiiert worden. Die Zulässigkeit des Einspruchs ist im Übrigen von der Patentinhaberin nicht bestritten worden.

2. Die vorliegende Erfindung betrifft einen Formkörper, der aus einer Dentallegierung besteht und materialabtragend bearbeitbar ist, zur Herstellung von dentalen Teilen (siehe Patentschrift Abs. [0001]).

Gemäß der Beschreibungseinleitung werden Dentallegierungen üblicherweise im zahntechnischen Labor mit Hilfe des Wachsausschmelzverfahrens zu dentalen Teilen, insbesondere zu Zahnersatzteilen, wie beispielsweise Kronen, Brücken bzw. entsprechenden Gerüsten, verarbeitet. Die Herstellung ist hochgradig handwerklich manuell und damit kostenintensiv. Außerdem sind entsprechende Gussgefüge grobkörnig und weisen häufig typische Gussfehler auf wie Lunker, Porositäten, Steigerungen und Inhomogenitäten, die zu schlechteren mechanischen Eigenschaften gegenüber feinkörnigen Gefügestrukturen führen und eine erhöhte Korrosionsanfälligkeit und damit eine reduzierte Körperverträglichkeit aufweisen können (siehe Patentschrift Abs. [0002]).

Zunehmend werden nach der Beschreibungseinleitung mittels CAD/CAMTechniken metallische dentale Teile wie Kronen und Brücken auch durch materialabtragende Bearbeitung eines Formkörpers aus einer Dentallegierung, insbesondere durch Fräsen, hergestellt. Die Formkörper sind in der Regel zylinder- oder quaderförmig und werden üblicherweise im Guss-Verfahren oder durch umformende Verfahren wie Schmieden, Pressen und/oder Walzen hergestellt. Im Gussverfahren hergestellte Formkörper aus einer Dentallegierung sind meist grobkörnig und selbst bei Anwendung eines Feingussverfahrens und sogenannter Kornfeiner, wie sie beispielsweise in der DE 38 21 204 C2 beschrieben werden, nicht so feinkörnig herstellbar wie direkt im zahntechnischen Verfahren gegossene, eher kleinere dentale Teile. Durch Umformen wie Pressen, Schmieden und/oder Walzen lasse sich zwar das primäre grobe Gussgefüge in eine feinkörnige Mikrostruktur mit verbesserten mechanischen Eigenschaften umwandeln, das Herstellverfahren verteuere sich dadurch aber wesentlich (siehe Patentschrift Abs. [0003]).

Als Stand der Technik wird in der Beschreibungseinleitung u.a. die Patentanmeldung WO 00/15137 A1 (P1) genannt. Aus der WO 00/15137 A1 sei ein Formkörper aus einem Dentallegierungspulver bekannt, wobei das Dentallegierungspulver in einem isostatischen Pressverfahren auf mindestens 80% Prüfdichte verdichtet werde. Das Dentallegierungspulver werde vor dem Verdichten auf ein Formwerkzeug aufgebracht und nach dem Verdichten maschinell bearbeitet. Nach der Bearbeitung werde das verdichtete Dentallegierungspulver vom Formwerkzeug entfernt und dichtgesintert (siehe Patentschrift Abs. [0006]).

Als Aufgabe der Erfindung ist in der Patentschrift angegeben, einen Formkörper der eingangs genannten Art bereitzustellen, dessen mechanische Eigenschaften gegenüber insbesondere der gießtechnischen Herstellweise verbessert seien (siehe Patentschrift Abs. [0007]).

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 einen Formkörper mit folgenden Merkmalen vor (Merkmalsgliederung hinzugefügt):

M1 Formkörper, M2 der aus einer Dentallegierung besteht und M3 materialabtragend bearbeitbar ist M4 zur Herstellung von dentalen Teilen, dadurch gekennzeichnet, dass M5 der Formkörper aus einem durch heißisostatisches Pressen dichtgesinterten Dentallegierungspulver besteht.

Nach dem Streitpatent haben Formkörper aus einem Dentallegierungspulver, das durch heißisostatisches Pressen dichtgesintert wurde, ein feines pulvermetallurgisches Gefüge mit gegenüber dem Gussgefüge überraschend deutlich verbesserten mechanischen Eigenschaften (siehe Patentschrift Abs. [0010]). Neben einer Verbesserung der mechanischen und technologischen Eigenschaften führe die Anwendung des Heißisostatpressverfahrens bei einem Dentallegierungspulver auch zu einer garantierten Poren- und Lunkerfreiheit, die bei gießtechnischen Verfahren und größeren Formkörpern sowie bei sonstigen pulvermetallurgischen Verfahren einen sehr hohen Aufwand erfordern. Als weiterer Vorteil wird genannt, dass im zahntechnischen Labor die für das Gießverfahren an sich bekannten Dentallegierungen verwendet werden können, deren biologische Verträglichkeiten bekannt sind, und dass auch relativ kleine Legierungsmengen wirtschaftlich herstellbar sind (siehe Patentschrift Abs. [0010][0012).

Zu den weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze und die Niederschrift der Anhörung Bezug genommen.

3. Der Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung und der Fassung nach den Hilfsanträgen ist zunächst unter Heranziehung der Beschreibung und der Zeichnungen auszulegen, bevor geprüft wird, ob der Gegenstand des Streitpatents, der als das Ergebnis der Auslegung zutage tritt, in den ursprünglichen Unterlagen als die angemeldete Erfindung oder als dieser zugehörig offenbart ist.

Der Senat legt dem in der mündlichen Verhandlung diskutierten Anspruch 1 in der Fassung des Hauptantrags und der Hilfsanträge folgendes Verständnis zu Grunde:

Als zuständigen Fachmann sieht der Senat einen FH-Ingenieur der Medizintechnik berufen, der über mehrere Jahre Erfahrung auf dem Gebiet der Zahnmedizintechnik, insbesondere auf dem Gebiet der Entwicklung von metallurgischen Verfahren zur Herstellung von Dentalteilen, verfügt. Dessen Fachwissen sind materialbearbeitende Fertigungsverfahren, u.a. Urformen gemäß der D5, zuzuordnen. Weiter gehört auch das Gebiet der Zahntechnik (u. a. D7) und der in der Zahnheilkunde verwendeten Materialen (u. a. D8) zum Fachwissen des zuständigen Fachmanns.

Der Formkörper nach dem erteilten Anspruch 1 besteht aus einer Dentallegierung 7[Merkmale M1 und M2]. Unter einer Legierung versteht der Fachmann eine Mischung aus verschiedenen Metallen, an der in geringem Umfang nichtmetallische Elemente (z. B. Kohlenstoff im Fall von Stahl) beteiligt sein können. Eine Dentallegierung ist eine Legierung, die im dentalen Bereich z. B. zur Herstellung von Kronen, Brücken und deren Gerüste verwendet werden kann (vgl. D7 S. 159: „Sammelbez. für alle im Dentalbereich verwendeten Legierungen“, vgl. Streitpatent Abs. [0002] ). Bezüglich der Materialien der Dentallegierung ist der Fachmann nicht auf durch Normen (u. a. DIN 13912) definierte Dentallegierungen eingeschränkt, in der Beschreibungseinleitung werden edelmetallhaltige und edelmetallfreie Dentallegierungen als Stand der Technik erwähnt (vgl. Streitpatent Abs. [0002], [0004]), im Ausführungsbeispiel wird eine CoCr-Legierung verwendet (Absatz [0020]). Die verwendete Legierung muss lediglich im dentalen Bereich verwendbar sein.

Nach Anspruch 1 ist der Formkörper zur Herstellung von dentalen Teilen materialabtragend bearbeitbar [Merkmale M3 und M4], d. h. der Formkörper muss mittels mechanischen oder chemischen Mitteln materialabtragend bearbeitet werden können. Diese Eignung ist bereits aufgrund der angegebenen Verwendung eines metallischen Werkstoffs (Legierung) und somit auch bei Dentallegierungen erfüllt.

Der beanspruchte Formkörper besteht nach Merkmal M5 aus einem durch heißisostatisches Pressen dichtgesinterten Dentallegierungspulver. Merkmal M5 bestimmt danach als „product-by-process Merkmal“ lediglich mittelbar die körperliche Ausgestaltung des Formkörpers, charakterisiert diesen also nur gegenständlich hinsichtlich der durch das heißisostatisches Pressen erreichten Materialeigenschaften, und legt insbesondere nicht den Patentgegenstand auf einen so hergestellten Formkörper fest. Denn „product-by-process Merkmale“ dienen lediglich der Definition des Erzeugnisses, sind aber nicht selbst Gegenstand der geschützten Lehre (BGH GRUR 1992, 375 Tablettensprengmittel), so dass das Erzeugnis selbst - unabhängig von seinem Herstellungsweg - die Voraussetzungen der Patentierbarkeit erfüllen muss (BGH GRUR 1993, 651, 655 - tetraploide Kamille). Die „product-by-processMerkmale“ bestimmen als Umschreibung der Sachmerkmale diejenigen körperlichen oder funktionellen Eigenschaften des Erfindungsgegenstandes, die sich aus der Anwendung des Verfahrens bei seiner Herstellung ergeben (BGH Urt. v. 8.6.2010, X ZR 71/08 - Substanz aus Kernen oder Nüssen; BGH GRUR 2001, 1129 - Zipfelfreies Stahlband; Meier-Beck GRUR 2011, 857, 863).

Das heißisostatische Pressen erzeugt - im Gegensatz zu uniaxialen Pressverfahren - isotrope mechanische Eigenschaften des Formkörpers. Ferner handelt es sich beim heißisostatischen Pressen um ein Sinterverfahren, welches dazu führt, dass das Pulver - im Gegensatz zum kaltisostatischen Pressen - nicht lediglich kompaktiert wird; vielmehr werden die Partikel des Metallpulvers durch Sinterhälse mindestens teilweise miteinander verbunden. Dabei führt das heißisostatische Pressen nach dem Streitpatent zu einer Poren- und Lunkerfreiheit (vgl. Streitpatent Abs. [0011]) und erzielt damit annähernd die theoretische Dichte des Festkörpers (vgl. Streitpatent Abs. [0009]: „Das Pulver wird einem Heißisostatpressverfahren unterworfen, mit dessen Hilfe es soweit verdichtet werden kann, dass letztlich die theoretische Dichte der Dentallegierung erzielt werden kann.“). Damit führt auch nach Auffassung der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung - das Merkmal M6 nicht zur einer zusätzlichen technischen Lehre, sondern ist bereits bei der Verwendung des heißisostatischen Pressens erfüllt.

Beim heißisostatischen Pressen erfolgt das Pressen unter Hitze mittels Gasdruck auf alle Seiten des Formkörpers. Es ist ein dem Fachmann bekanntes hochwertiges metallurgisches Verfahren (siehe D5, S. 874f.) und stellt eine Weiterentwicklung der Drucksinterung dar (vgl. D5, S. 874).

4. Ausgehend von diesem Verständnis ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sowohl in der mit Hauptantrag verteidigten erteilten Fassung, als auch in den Fassungen nach den Hilfsanträgen 1 und 2 nicht patentfähig; in der Fassung nach Hilfsantrag 3 geht der Patentgegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.

4.1 Hauptantrag Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist gegenüber der D10 nicht neu.

In der Druckschrift D10 ist ein Verfahren („process for preparing a nano-crystal austenite steel bulk material“) zur Herstellung eines Formkörpers aus austenitischem Stahl dargestellt. Ausgangskomponenten für das Verfahren nach der D10 sind - analog zum Streitpatent - metallische Elemente in Pulverform. Diese werden mechanisch miteinander legiert (vgl. D10 [0013]). Hierzu offenbart die D10 eine Vielzahl von möglichen Legierungen, welche beispielsweise Eisen, Chrom, Mangan und Nickel beinhalten können (vgl. D10 [0014], [0036], [0040], [0052]). Ferner lehrt die D10, dass aus dem nach dem offenbarten Verfahren hergestellten Stahlkörper künstliche Zahnwurzeln hergestellt werden können (vgl. D10, Absatz [0016] (35): „… medical materials such as artificial bones, artificial joints and artificial dental roots“), also die Legierung als Dentallegierung zur Herstellung von dentalen Teilen dient [= Merkmale M1, M2 und M4]. Der Verwendung im dentalen Bereich steht auch nicht entgegen, dass in der D10 eine Vielzahl weiterer Anwendungsmöglichkeiten genannt sind. Die materialabtragende Bearbeitung des austenitischen Stahls gemäß Merkmal M3 ist selbstverständlich und wird vom Fachmann mitgelesen.

Weiter wird das Dentallegierungspulver durch heißisostatisches Pressen ("hot isostatic press sintering (HIP)") dichtgesintert (siehe D10, A20: „…applying to said fine powders of said nano-crystal austenite steel forming-by-sintering treatment such as forming-by-sintering using one means selected from the group consisting of … (4) hot isostatic press sintering (HIP), … thereby obtaining a super hard and tough austenite steel bulk material with an improved corrosion resistance, which comprises an aggregate of austenite nano-crystal grains containing 0.1 to 2.0% (by mass) of a solid-solution type nitrogen.“) [= Merkmal M5].

Damit sind alle Merkmale des Formkörpers nach dem erteilten Anspruch 1 in der Druckschrift D10 offenbart.

4.2 Hilfsantrag 1 Der Anspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags 1 weist zusätzlich das Merkmal M6 wobei der Formkörper die theoretische Dichte der Dentallegierunq aufweist auf.

Dieses Merkmal geht nicht über die Anwendung des heißisostatischen Pressens hinaus (siehe Abschnitt 3) und kann damit gegenüber der D10 keine Neuheit oder erfinderische Tätigkeit begründen.

4.3 Hilfsantrag 2 Der Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag 2 entspricht dem Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 mit einem Kategoriewechsel, da nun die Verwendung des Formkörpers (Merkmal M1') beansprucht wird.

Der Übergang von einem Erzeugnisanspruch zu einer Verwendung des Erzeugnisses ist - analog zum Nichtigkeitsverfahren - statthaft (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 2011 – X ZR 23/09 - Notablaufvorrichtung). Dies entspricht dem praktischen Bedürfnis, dem Patentinhaber, der im Erteilungsverfahren zu weit gehenden Sachschutz erhalten hat, dessen erfinderische Leistung aber darin begründet ist, eine neue und nicht naheliegende Verwendung der an sich bekannten Sache aufgezeigt zu haben, den ihm gebührenden Schutz zukommen zu lassen.

Die Verwendung kann jedoch die Patentfähigkeit nicht stützen, da die Verwendung ebenfalls in der Druckschrift D10 offenbart ist (vgl. D10, Absatz [0016] (35):

„… medical materials such as artificial bones, artificial joints and artificial dental roots“).

4.4 Hilfsantrag 3 Der Anspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags 3 führt aufgrund des Merkmals M2' der aus einer edelmetallfreien CoCr- oder NiCr-Dentallegierung besteht zu einer Erweiterung des Schutzumfangs. Der Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags 3 ist somit nicht zulässig.

Grundsätzlich ist es dem Anmelder unbenommen, den beanspruchten Schutz nicht auf Ausführungsformen zu beschränken, die in den ursprünglich eingereichten Unterlagen ausdrücklich beschrieben werden, sondern gewisse Verallgemeinerungen vorzunehmen. Enthält ein Patentanspruch eine verallgemeinernde Formulierung, kann dies dazu führen, dass sie auch Ausführungsformen umfasst, die in der Beschreibung nicht konkret angesprochen sind. Daraus folgt zwar nicht notwendig, dass die Erfindung insgesamt oder teilweise nicht mehr so offenbart ist, dass der Fachmann sie ausführen kann, da stets die Umstände des Einzelfalls maßgeblich sind.

In vorliegenden Fall ist das Merkmal M2' jedoch nicht als zur Erfindung gehörig offenbart. Denn Gegenstand der Offenbarung ist nur das, was den ursprünglich eingereichten Unterlagen „unmittelbar und eindeutig“ zu entnehmen ist, nicht hingegen eine weitergehende Erkenntnis, zu der der Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens oder durch Abwandlung der offenbarten Lehre gelangen kann (BGH GRUR 2010, 910 - fälschungssicheres Dokument, BGH GRUR 2014, 543 - Kommunikationskanal, BGH X ZR 112/13 vom 15. September 2015 – teilreflektierende Folie).

In der Ausführungsform wird nach Abs. [0019] lediglich eine „CoCr-Dentallegierung mit der chemischen Zusammensetzung Co 60,5%, Cr 28%, W 9%, Si 1,5%, Mn < 1%, N < 1%, Nb < 1% (Massen-Prozent-Angaben)“ verwendet. Weiter ver- weist Absatz [0004] der Offenlegungsschrift auf edelmetallfreie CoCr- und NiCrDentallegierungen (vgl. Offenlegungsschrift Abs. [0004]: „Insbesondere bei edelmetallfreien CoCr- und NiCr-Dentallegierungen führt die für diese Legierungen typische grob-dendritische Gussstruktur schlechteren mechanischen Eigenschaften eines aus einem solchen Formkörper herausgearbeiteten dentalen Teiles als dies bei einem zahntechnischen direkten Guss der Fall ist.“). Diese Erläuterung erfolgt jedoch zum Stand der Technik. Diesen Stand der Technik und dessen Nachteile möchte die Erfindung nach dem Streitpatent jedoch überwinden. Damit erkennt der Fachmann gerade nicht, dass die nach dem Stand der Technik geläufigen edelmetallfreien CoCr- und NiCr-Dentallegierungen für die vorliegende Erfindung verwendet werden sollen. Eine unmittelbare und eindeutige Offenbarung der Erfindung mit der speziellen Auswahl der Dentallegierung nach Merkmal M2' ist damit nicht erfüllt.

Der Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags 3 ist daher nicht zulässig, da er das Merkmal M2‘ enthält.

Damit kann auch dahinstehen, ob die Verwendung der im Stand der Technik bekannten edelmetallfreien CoCr- und NiCr- Datallegierung eine erfinderische Tätigkeit begründen könnte. Dies erscheint dem Senat zumindest zweifelhaft.

5. Mit den nicht gewährbaren Patentansprüchen 1 in den beantragten Fassungen fallen aufgrund der Antragsbindung auch die Unteransprüche in den verschiedenen Anspruchsfassungen (vgl. BGH, GRUR 1983, 171 - Schneidhaspel). Im Übrigen hat eine Überprüfung des Senats ergeben, dass auch ihre Gegenstände nicht patentfähig sind.

III Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss ist für jede am Beschwerdeverfahren beteiligte Person das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde gegeben, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht werden. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Rechtsbeschwerde vor Fristablauf beim Bundesgerichtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert werden.

Dr. Häußler Hartlieb Dr. Müller Zimmerer Pr

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