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7 W (pat) 88/14

BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 88/14 Verkündet am 9. Juni 2016

…

BESCHLUSS In der Beschwerdesache …

betreffend das Patent DE 602 24 955.4 (= EP 1 239 275) wegen Wiedereinsetzung hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juni 2016 durch den Vorsitzenden Richter Rauch, die Richterin Püschel und die Richterin Dr. Schnurr BPatG 154 05.11 beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe I.

Auf eine Anmeldung vom 8. März 2002 hat das Europäische Patentamt (EPA) in englischer Verfahrenssprache das Patent EP 1 239 275 mit der Bezeichnung „Vorrichtung zum Messen von Gleichförmigkeit und dynamischer Auswuchtung eines Reifens“ u. a. für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilt. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 13. Februar 2008 veröffentlicht. Beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA), wo das Patent unter dem Aktenzeichen 602 24 955.4 geführt wird, wurde am 20. März 2008 eine deutsche Übersetzung des europäischen Patents eingereicht und zugleich die Gebühr für die Veröffentlichung der Übersetzung entrichtet.

In einem sich anschließenden Einspruchsverfahren vor dem EPA wurde das Patent in geändertem Umfang aufrechterhalten; die Entscheidung des EPA wurde im Europäischen Patentblatt am 6. April 2011 veröffentlicht. In der Folgezeit wurde beim DPMA weder eine Übersetzung des geänderten europäischen Patents eingereicht noch wurde die Gebühr für die Veröffentlichung der Übersetzung gezahlt. Im Patentregister wurde – allerdings erst mit Datum 7. Juli 2012 – vermerkt, dass die Wirkung des europäischen Patents für DE als von Anfang an nicht eingetreten gelte; eine Veröffentlichung im Patentblatt erfolgte nicht.

Mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2013, eingegangen am selben Tag, stellte die Patentinhaberin einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Einreichung der Übersetzung eines geänderten europäischen Patents nach Art. XI § 4 i. V. m.

Art. II § 3 Abs. 1 Satz 2 IntPatÜG a. F. sowie zur Einzahlung der Veröffentlichungsgebühr für ein geändertes europäisches Patent gemäß Gebührennummer 313 820 der Anlage zu § 2 Abs. 1 PatKostG i. V. m. Art. II § 3 Abs. 2 IntPatÜG a. F. Gleichzeitig reichte sie die deutsche Übersetzung des geänderten europäischen Patents ein und zahlte die Gebühr in Höhe von 150 € mittels beigefügter Einzugsermächtigung.

Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags gab die Patentinhaberin in dem Schriftsatz vom 28. Oktober 2013 an, sie habe über japanische Korrespondenzanwälte die britische Kanzlei A…, in L… (im Folgenden: britische Kanzlei), die ihre Vertreterin sowohl im Erteilungs- als auch im Einspruchsverfahren vor dem EPA gewesen sei, mit der Validierung des europäischen Patents u. a. in Deutschland betraut. Die britische Kanzlei habe nach der Patenterteilung wiederum die deutsche Patentanwaltskanzlei B… in M… mit der Validierung in Deutschland beauftragt, was diese auch erledigt habe. Diese deutsche Kanzlei habe auch noch die 10. Jahresgebühr im März 2011 eingezahlt, womit in der Folgezeit aber ein Jahresgebühreneinzahlungsunternehmen, die I… GmbH, in M…, betraut worden sei.

Nachdem das vorliegende europäische Patent in geändertem Umfang im Einspruchsverfahren aufrechterhalten worden sei, habe die britische Kanzlei die deutschen Inlandsvertreter nicht erneut eingeschaltet. Sie habe sich bei diesen auch nicht danach erkundigt, ob im vorliegenden Fall auch nach Inkrafttreten des Londoner Abkommens eine Übersetzung der geänderten Patentfassung einzureichen sei. Grund dafür sei gewesen, dass sie schon bezüglich eines früheren, gleichgelagerten Falls eine derartige Anfrage gestellt habe und von Patentanwalt Hering per E-Mail am 27. Juli 2010 die Auskunft erhalten habe, dass keine Übersetzung eingereicht werden müsse. Die britische Kanzlei habe auf die Aussage eines erfahrenen deutschen Patentanwalts vertrauen dürfen, ohne diese zu hinterfragen und weiteren Rat bei anderen deutschen Patentanwälten einzuholen.

Die Zahlung der 11. Jahresgebühr sei im März 2012 von der dazu eingeschalteten IPAN GmbH vorgenommen worden; diese Gebühr sei vom Patentamt nicht zurückerstattet worden. Dagegen habe das Patentamt die im März 2013 von der I… GmbH gezahlte 12. Jahresgebühr zurückerstattet. Daraufhin habe die I… GmbH der britischen Kanzlei am 27. August 2013 unter Beifügung eines Register auszugs mitgeteilt, dass das europäische Patent für Deutschland nicht mehr in Kraft sei. Hierdurch habe die britische Kanzlei erstmals vom Rechtsverlust erfahren. Die Zweimonatsfrist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags sei damit da der 27. Oktober 2013 ein Sonntag gewesen sei - eingehalten.

Zur Jahresausschlussfrist des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG macht die Patentinhaberin geltend, dass hier ein Fall vorliege, der eine Nichtanwendung der Vorschrift rechtfertige, weil der Grund für die Versäumung allein in der Sphäre des Patentamts liege. Wäre eine zeitnahe Rückerstattung der 11. Jahresgebühr erfolgt, hätte die am 6. Juli 2012 abgelaufene Jahresfrist eingehalten werden können.

In einem Zwischenbescheid vom 16. Januar 2014 vertrat das Patentamt die Auffassung, dass die zweimonatige Antragsfrist des § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG nicht eingehalten sei, weil das Hindernis i. S. dieser Vorschrift bereits am 7. September 2011 weggefallen sei. Dies sei der Zeitpunkt, in dem die deutschen Inlandsvertreter in dem genannten anderen Fall beim Patentamt die Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Frist zur Einreichung der Übersetzung beantragt hätten. Es sei davon auszugehen, dass Patentanwalt H… den vor dem EPA bestellten Vertreter, die vorliegende britische Kanzlei, spätestens zu diesem Zeitpunkt über die Erforderlichkeit einer Übersetzung in diesem Fall informiert habe. Zudem sei die Jahresfrist des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG nicht eingehalten. Für eine Ausnahme sei kein Raum, weil die Jahresfrist lange nach dem 7. September 2011 abgelaufen sei, dem Zeitpunkt, als der Rechtsirrtum von der britischen Kanzlei erkannt worden sei.

Im Anschluss an diesen Zwischenbescheid ergänzte die Patentinhaberin ihren Sachvortrag mit Schriftsatz vom 12. April 2014 dahingehend, dass die britische Kanzlei, hier Patentanwalt Paul Edwin Williams, nach Erhalt der Kenntnis in dem gleichgelagerten Fall im September 2011 eine Suche nach vergleichbaren Akten in der Kanzlei durchgeführt habe, ohne dass dabei die hier verfahrensgegenständliche Akte gefunden worden sei. Die Suche habe im vorliegenden Fall deshalb keinen Erfolg gehabt, weil die damit beauftragte, sehr erfahrene und zuverlässige Kanzleiangestellte als Stichtag nicht den 1. Mai 2008, sondern den 1. Februar 2008 zu Grunde gelegt habe. Die vorliegende Akte habe mit dem 13. Februar 2008 als Tag der Veröffentlichung des Hinweises auf die Patenterteilung genau in dem nicht geprüften Intervall gelegen. Die Patentinhaberin und ihre britischen Vertreter seien daher ohne Verschulden daran gehindert gewesen, die Frist zur Einreichung der Übersetzung einzuhalten. Da die britische Kanzlei ihren Aktenbestand durchsucht habe und trotzdem keine Kenntnis vom Rechtsverlust habe erhalten können, habe sie auch nicht fahrlässig dazu beigetragen, die Jahresfrist des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG zu versäumen.

Durch Beschluss der Patentabteilung 51.EP des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. August 2014 wurde der Wiedereinsetzungsantrag aus den Gründen des Zwischenbescheids zurückgewiesen. Es entspreche zumutbarer Sorgfalt, beim Erkennen eines Rechtsirrtums den eigenen Aktenbestand auf weitere Fälle zu überprüfen, die gleichermaßen von dem Rechtsirrtum betroffen seien. Der Vortrag, dass die verfahrensgegenständliche Akte aufgrund eines Versehens nicht aufgefunden worden sei, sei keine Ergänzung der Angaben zum Rechtsirrtum, sondern vielmehr ein nach Fortfall des Rechtsirrtums neu aufgetretenes Hindernis. Dies ändere nichts daran, dass der Rechtsirrtum am 7. September 2011 weggefallen sei. Zudem sei die neue Tatsache des Versehens bei der Aktensuche verspätet vorgebracht und deshalb nicht zu berücksichtigen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin. Sie beantragt,

den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. August 2014 aufzuheben und Wiedereinsetzung in die Frist zur Einreichung der Übersetzung und Zahlung der Gebühr für die Veröffentlichung der Übersetzung gem. Art. XI § 4 i. V. m Art. II § 3 Abs. 2 IntPatÜG a. F. für das im europäischen Einspruchsverfahren geänderte europäische Patent zu gewähren.

Zur Begründung stellt die Patentinhaberin wiederum darauf ab, dass das Hindernis erst mit der Mitteilung der I… GmbH an die britische Kanzlei vom 27. August 2013 weggefallen sei. Es treffe zwar zu, dass die britische Kanzlei am 7. September 2011 von dem Problem, nämlich der Notwendigkeit einer Validierung, Kenntnis erlangt habe, aber nicht, dass das streitgegenständliche Patent davon betroffen sei. Denn die auf die Erkenntnis des Problems folgende Durchsuchung des Aktenbestands bei der britischen Kanzlei auf Fälle, die dasselbe Problem haben könnten, sei ohne Ergebnis geblieben, und zwar aufgrund des vorgetragenen entschuldbaren Versehens einer Bürokraft. Mit der Durchsuchung des Aktenbestands sei die britische Kanzlei ihrer Sorgfaltspflicht nachgekommen, so dass auch kein Fall des Erkennenmüssens vorliege.

Der Vortrag zur Aktensuche könne auch nicht als neuer Tatsachenvortrag gewertet werden, der verspätet sei. Denn hierbei handle es sich um solchen Vortrag, der die ursprünglich vorgetragenen Argumente durch entsprechende Klarstellung vervollständige. Im Wiedereinsetzungsantrag vom 28. Oktober 2013 werde als Wegfall des Hindernisses die Mitteilung der I… GmbH zur Rückzahlung der 12. Jahresgebühr angegeben, in dem Zwischenbescheid des Patentamts vom 16. Januar 2014 werde behauptet, dass das Hindernis schon am 7. September 2011 weggefallen sei. Zur Stützung des Datums des Wegfalls des Hindernisses seien dann die ergänzenden Angaben nachgereicht worden. Somit handle es sich um eine Vervollständigung. Ebenso wenig lägen die vom Patentamt behaupteten Unstimmigkeiten in den eidesstattlichen Versicherungen bezüglich der Durchführung der Aktensuche vor, was näher ausgeführt wird.

Es liege im Übrigen ein Fall vor, der nach der Rechtsprechung die Durchbrechung der Jahresfrist rechtfertige. Die Gründe für das Verstreichen der Jahresfrist lägen einzig und allein in der Sphäre des Patentamts. Die britische Kanzlei habe nach Durchführung der Suche in ihrem Aktenbestand gar keine andere Möglichkeit mehr gehabt, einen Rechtsverlust festzustellen, als durch eine Mitteilung des Patentamts, dass dieser vorliege. Hätte das Patentamt innerhalb von 3 bis 4 Wochen nach Eingang der 11. Jahresgebühr diese zurückerstattet, wäre auf Seiten der Vertreter der Patentinhaberin noch genügend Zeit verblieben, einen Wiedereinsetzungsantrag innerhalb der Jahresfrist einzureichen.

In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter der Patentinhaberin seine Argumente wiederholt und vertieft. Im Hinblick auf die im September 2011 durchgeführte Aktensuche in der britischen Kanzlei vertritt er die Auffassung, dass das Vorgeben der Suchstrategie Aufgabe des Anwalts gewesen sei, die reine Suche als solche habe er aber seiner Angestellten überlassen dürfen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Das Patentamt hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Einreichung einer Übersetzung und Zahlung der Gebühr für die Veröffentlichung der Übersetzung zu Recht zurückgewiesen.

1. Die Patentinhaberin hat die dreimonatige Frist zur Einreichung der Übersetzung der im Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt geänderten Fassung des europäischen Patents und zur Zahlung der Gebühr für die Veröffentlichung der Übersetzung nach Art. II § 3 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 IntPatÜG, § 2 Abs. 1 PatKostG i. V. m. Gebührenverzeichnis Nr. 313 820 (Vorschriften jeweils in der bis zum 30. April 2008 geltenden Fassung) versäumt. Die Vorschriften sind nach der Übergangsregelung des Art. XI § 4 IntPatÜG für Altfälle wie hier, in denen die Patenterteilung vor dem 1. Mai 2008 veröffentlicht worden ist, weiterhin anwendbar (vgl. BGH GRUR 2011, 1053 - Ethylengerüst). Die Frist, die mit der Veröffentlichung des Hinweises auf die Entscheidung über den Einspruch im Europäischen Patentblatt beginnt, hier am 6. April 2011, hat am 6. Juli 2011 geendet. Übersetzung und Gebühr wurden erst zusammen mit dem Wiedereinsetzungsantrag am 28. Oktober 2013 eingereicht bzw. gezahlt. Die verspätete Einreichung der Übersetzung und Gebührenzahlung führt nach Art. II § 3 Abs. 2 IntPatÜG a. F. dazu, dass die Wirkungen des europäischen Patents für die Bundesrepublik Deutschland als von Anfang nicht eingetreten gelten.

2. Der wegen dieses Rechtsverlusts und damit eines Rechtsnachteils i. S. von § 123 Abs. 1 Satz 1 PatG gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung ist zwar statthaft, jedoch nicht zulässig, weil die zweimonatige, mit Wegfall des Hindernisses zu laufen beginnende Antragsfrist des § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG nicht eingehalten ist.

Der Wegfall des Hindernisses tritt ein, sobald das Ereignis seine hindernde Wirkung auf den Säumigen oder dessen Vertreter verliert, d. h. wenn diese bei der Aufwendung der ihnen zuzumutenden Sorgfalt nicht mehr gehindert sind, die versäumte Handlung vorzunehmen, oder wenn das Fortbestehen des Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann. Das ist dann der Fall, sobald die Partei oder ihr Vertreter bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt die Versäumung hätte erkennen können (vgl. Schulte/Schell, PatG, 9. Aufl., § 123 Rdn. 25). Dies ist vorliegend im September 2011 anzunehmen.

a) Nach ihrem Vortrag im Wiedereinsetzungsschriftsatz vom 28. Oktober 2013 ist die Patentinhaberin durch ihre Gebührenzahlungsfirma I… GmbH mit Schreiben vom 27. August 2013 darüber informiert worden, dass das europäische Patent in Deutschland nicht mehr in Kraft sei. Somit lag mit Erhalt dieses Schreibens positive Kenntnis von der Fristversäumung vor. Ausgehend hiervon wäre der am 28. Oktober 2013 eingereichte Wiedereinsetzungsantrag zwar rechtzeitig innerhalb von zwei Monaten nach diesem Ereignis gestellt worden. Jedoch ist vorliegend ein früherer Zeitpunkt, in dem das Unterlassen der Einreichung der Übersetzung des geänderten europäischen Patents und der Gebührenzahlung für deren Veröffentlichung hätte erkannt werden müssen, anzunehmen.

b) Denn bereits im September 2011 erhielt die britische Kanzlei aufgrund des in dem gleichgelagerten Fall am 7. September 2011 beim Patentamt gestellten Wiedereinsetzungsantrags Kenntnis davon, dass in Fällen wie dem vorliegenden für den deutschen Geltungsbereich eine Übersetzung einzureichen und eine Gebührenzahlung notwendig waren. Es ist, wie im angefochtenen Beschluss zutreffend dargelegt ist, ein Gebot der anwaltlichen Sorgfalt, bei Erkennen eines Rechtsirrtums den eigenen Aktenbestand auf weitere Fälle zu überprüfen, die gleichermaßen von diesem Rechtsirrtum betroffen sein könnten. Dass im vorliegenden Fall die notwendige Sorgfalt eingehalten worden ist, ist jedoch nicht feststellbar.

aa) Zweifelhaft ist bereits, ob der erstmalig mit Schriftsatz vom 12. April 2014 nachgereichte Vortrag zur Aktensuche in der britischen Kanzlei noch berücksichtigt werden kann.

Lediglich erkennbar unklare oder ungenaue Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten ist, können auch nach Ablauf der Antragsfrist des § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG, die hier spätestens am 28. Oktober 2013 endete, erläutert oder vervollständigt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH NJW-RR 2013, 1393 (Tz. 14) m. w. N.; Schulte/Schell, a. a. O., § 123 Rdn. 37, 39 m. w. N.).

Der im Wiedereinsetzungsantrag vom 28. Oktober 2013 geschilderte Hergang war jedoch vollständig und klar. Der Eintritt des Rechtsirrtums wird unter Hinweis auf eine E-Mail-Auskunft in einem gleichgelagerten Fall vorgetragen, bei der Einhaltung der Antragsfrist wird auf die Mitteilung der Gebührenzahlungsfirma abgestellt. Eine Ergänzungs- oder Erläuterungsbedürftigkeit ist nicht erkennbar. Dass sich das Patentamt in seinem Zwischenbescheid vom 16. Januar 2014 dann auch bezüglich des Wegfalls des Hindernisses auf Vorgänge bzgl. des gleichgelagerten Falls bezogen hat, berechtigt nicht zum Vortrag von neuen Tatsachen. Wenn nunmehr nicht allein auf die falsche E-Mail-Auskunft, sondern zusätzlich auf ein Versehen der Kanzleiangestellten bei der Suche nach den von dem Rechtsirrtum betroffenen Akten abgestellt wird, so handelt es sich hierbei um einen neuen Geschehensablauf, der nicht berücksichtigt werden kann.

bb) Aber selbst unter Berücksichtigung dieses zusätzlichen Vortrags ergibt sich hieraus nicht, dass die britische Kanzlei ihrer Sorgfaltspflicht in genügendem Umfang nachgekommen ist. Die für Rechts- oder Patentanwälte vor allem für Rechtsmittelfristen entwickelten Sorgfaltsmaßstäbe gelten auch für die Frist zur Validierung eines europäischen Patents (vgl. BGH GRUR 2014, 102 (Tz. 12) Bergbaumaschine). Im Zusammenhang mit der Anfertigung von Rechtsmittelschriften ist anerkannt, dass der Rechtsanwalt zwar diverse Bürotätigkeiten an Büroangestellte delegieren darf, die sich als zuverlässig erwiesen haben; die Anfertigung einer Rechtsmittelschrift gehört aber zu den Aufgaben, die der Rechtsanwalt seinem angestellten Büropersonal nicht übertragen darf, ohne das Arbeitsergebnis selbst sorgfältig zu prüfen (z. B. BGH AnwBl 2016, 72 m. w. N.; zur Übertragung von Aufgaben siehe auch Schulte/Schell, a. a. O., § 123 Rdn. 84).

Grundsätzlich hat es vorliegend daher den Anwälten selbst oblegen zu prüfen, ob sie dem Validierungsauftrag für Deutschland hinreichend nachgekommen sind, wobei sich vor dem Hintergrund, dass ein Rechtsirrtum erkannt worden ist, die Sorgfaltsanforderungen eher noch weiter erhöht haben (zu erhöhten Anforderungen siehe auch Benkard/Schäfers, PatG, 11. Aufl., § 123 Rdn. 25). Die Erstellung der Listen zur Auffindung der von diesem Rechtsirrtum möglicherweise betroffenen Anwaltsakten kann daher in diesem Zusammenhang weder als Routine- noch als sonstige untergeordnete Bürotätigkeit angesehen werden. Die reine Suche als solche mag zwar einer Angestellten überlassen werden, doch hätten die Anwälte die Erstellung der Listen in vollem Umfang nachprüfen und auf die Einhaltung der korrekten Suchparameter achten müssen. Insbesondere hätten sie es nicht der Kanzleiangestellten überlassen dürfen, welchen Stichtag sie bei ihrer Suche zugrunde legt. Vielmehr hätten sie ihr den genauen Stichtag vorgeben und auch kontrollieren müssen, ob diese Vorgabe beachtet wurde, wovon hier nicht ausgegangen werden kann.

Es ist daher im Zusammenhang mit der im September 2011 in der britischen Kanzlei durchgeführten Suche nach Akten, in denen nach Durchführung eines europäischen Einspruchsverfahrens - entgegen der ursprünglichen Annahme - eine Übersetzung der geänderten Patentschrift vorzulegen sowie eine Gebühr zu zahlen war, ein Sorgfaltspflichtverstoß der Anwälte in der britischen Kanzlei anzunehmen. Ausgehend hiervon ist das Hindernis i. S. des § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG bereits zu dem damaligen Zeitpunkt weggefallen, weshalb mit dem Patentamt davon auszugehen ist, dass es schon an der Einhaltung der Antragsfrist fehlt.

3. Darüber hinaus beruht die Unzulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags auch darauf, dass die am 6. Juli 2012 endende Jahresausschlussfrist des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG nicht eingehalten worden ist.

a) Die Vorschrift des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG, wonach ein Jahr nach Ablauf der versäumten Frist die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt und die ver- säumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden kann, hat absoluten Charakter. Sie verfolgt mit der Begrenzung der Möglichkeit der Wiedereinsetzung - wie die entsprechende Vorschrift in § 234 Abs. 3 ZPO - im Interesse der Rechtssicherheit den Zweck, eine unangemessene Verzögerung von Verfahren zu verhindern und deren rechtskräftigen Abschluss zu gewährleisten. Auch Billigkeitsgründe können daher nicht berücksichtigt werden (BPatG BlPMZ 1996, 357, 358; Schulte/Schell, a. a. O., § 123 Rdn. 30). Ebenso wenig kommt es darauf an, ob und wann der Säumige Kenntnis vom Beginn dieser Jahresfrist erlangt hat, denn diese läuft als Ausschlussfrist grundsätzlich unabhängig von Kenntnis und Verschulden des Säumigen (vgl. Schulte/Schell, a. a. O.; Busse/Baumgärtner, PatG, 7. Aufl., § 123 Rdn. 66).

b) Zwar ist in der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts - in Anlehnung an die höchstrichterliche Rechtsprechung zur entsprechenden Regelung in § 234 Abs. 3 ZPO (z. B. BGH Mitt. 2011, 24 (Tz. 18) - Crimpwerkzeug IV m. w. N.; BGH v. 21. Januar 2016, IX ZA 24/15, in juris) - anerkannt, dass auch im patentamtlichen Verfahren die Stellung eines Antrags auf Wiedereinsetzung trotz Ablaufs der Jahresfrist des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG in besonders gelagerten Ausnahmefällten als zulässig anzusehen ist, und zwar insbesondere dann, wenn die Fristüberschreitung auf Umstände zurückzuführen ist, die der Sphäre des Patentamts zuzurechnen sind, und damit nur so die verfassungsmäßigen Rechte des Antragstellers gewahrt werden können (vgl. BPatGE 51, 197, 202 - Überwachungsvorrichtung; BPatG Mitt. 2012, 293 - Wäschespinne). Die Durchbrechung der Jahresfrist ist aber abgelehnt worden, wenn die Ursache auch in der Sphäre der Partei lag (vgl. Senatsbeschluss vom 30. April 2015 – 7 W (pat) 86/14, juris Tz. 20).

Vorliegend ist zwar innerhalb der Jahresfrist keine Mitteilung oder sonstige Veröffentlichung des Patentamts erfolgt, ebenso wenig eine Rückzahlung der ohne Rechtsgrund gezahlten 11. Jahresgebühr. Gleichwohl ist die Versäumung der Jahresfrist nicht allein auf in der Sphäre des Patentamts liegende Umstände zurückzuführen. Denn auch die im September 2011 vorgenommene erfolglose Durchsu- chung des Aktenbestandes in der Kanzlei der britischen Vertreter hat hierzu entscheidend beigetragen, und diese Aktensuche liegt allein in der Sphäre der Partei. Ob die Erfolglosigkeit der Aktensuche auf einem Verschulden der Patentinhaberin oder ihrer Vertreter beruht, darauf kommt es dagegen im Rahmen der Ausschlussfrist des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG grundsätzlich nicht an, wie schon unter a) ausgeführt worden ist (vgl. Schulte/Schell, a. a. O., § 123 Rdn. 30; Busse/Baumgärtner, a. a. O., § 123 Rdn. 66 m. w. N.). Da die Versäumung der Jahresfrist maßgeblich auch durch Umstände im Bereich der Patentinhaberin verursacht wurde, gebietet es der Anspruch einer Partei auf ein rechtsstaatliches, faires Verfahren vorliegend nicht, von der Anwendung der gesetzlichen Regelung abzusehen.

4. Da somit der Wiedereinsetzungsantrag bereits als unzulässig anzusehen ist, kann dahingestellt bleiben, ob er im Fall seiner Zulässigkeit begründet wäre, insbesondere ob sich die Patentinhaberin gemäß § 85 Abs. 2 ZPO ein - etwa auf Rechtsirrtum beruhendes - Verschulden ihrer Vertreter zurechnen lassen muss.

III.

Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde nur gegeben, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,

4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,

5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder

6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht werden. Die Frist kann nicht verlängert werden.

Rauch Püschel Dr. Schnurr prö

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Häufigkeit Paragraph
12 123 PatG
2 2 PatKostG
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