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17 W (pat) 14/13

BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 14/13 Verkündet am 3. November 2015

…

BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend die Patentanmeldung 10 2009 050 602.0 - 53 …

hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 3. November 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Morawek, der Richterin Eder, des Richters Dipl.-Ing. Baumgardt und der Richterin Dipl.-Phys. Dr. Thum-Rung beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

BPatG 154 05.11 Gründe:

I.

Die vorliegende Patentanmeldung wurde am 24. Oktober 2009 beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Bezeichnung

„Verfahren und System zur Identifikation eines autorisierten Benutzers zumindest eines zu schützenden Objektes“

eingereicht. Sie wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts in der Anhörung vom 19. November 2012 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Gegenstand des geltenden Hauptanspruchs nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, da er sich in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergebe.

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde des Anmelders gerichtet. Zum Verhandlungstermin ist er, wie angekündigt, nicht erschienen. Er stellt mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2015 sinngemäß den Antrag,

den Beschluss der Prüfungsstelle über die Zurückweisung der Anmeldung aufzuheben und ein Patent basierend auf den Patentansprüchen 1 bis 13 vom 28. Oktober 2015, den Beschreibungsseiten 1 bis 4 vom 28. Oktober 2015 und den Beschreibungsseiten 5 bis 18 vom Anmeldetag, sowie 6 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 9 vom Anmeldetag zu erteilen.

Der Anmelder trägt vor, der Zurückweisungsbeschluss sei bereits in formaler Hinsicht zu beanstanden, da auf Seite 2, vorletzten Absatz des Beschlusses seitens der Prüfungsstelle festgestellt werde, dass der Gegenstand des geltenden Hauptanspruchs (3. Version) im Hinblick auf die Lehren der Druckschriften 1 und 2 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Diese Aussage stehe im Widerspruch zu den Ausführungen unter Ziffer Ill, Seite 6 des Beschlusses, wo seitens der Prüfungsstelle festgestellt werde, dass der Hauptanspruch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Zur Sache argumentiert der Anmelder, dass der Gegenstand des nunmehr geltenden, überarbeiteten und präzisierten Patentanspruchs 1 sicherlich neu und auch erfinderisch gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik sei. Der wesentliche Aspekt der Erfindung sei die getrennte Erfassung eines Bewegungs- und/oder Interaktionsmusters eines Benutzers bezogen auf das von diesem benutzte Objekt („objektbezogene Sensoren und Objektsteuereinheit“) und eines von Objekt unabhängigen Bewegungsmusters des Benutzers („benutzerbezogene Sensoren und Benutzersteuereinheit“). Durch diese Trennung und den anschließenden Austausch der erfassten unterschiedlichen Benutzerprofile ergebe sich eine hohe Fälschungssicherheit der Benutzeridentifikation ohne Verwendung eines Passwortes. Keine der im Verfahren entgegengehaltenen Druckschriften lehre eine derartige getrennte Erfassung des „allgemeinen“ Bewegungsverhaltens eines Benutzers unabhängig vom Objekt und eines objektbezogenen Bewegungs- und Interaktionsverhaltens. Vielmehr führe die Druckschrift D1 einen Fachmann von der erfindungsgemäßen Lehre weg, da dort in Spalte 2 Zeilen 27 bis 28 ein Hinweis auf die Extrahierung EINES Verhaltensmusters gegeben werde. Die Vermeidung einer rückschauenden Betrachtungsweise sei angezeigt.

Der geltende Patentanspruch 1, hier mit einer Merkmalsgliederung ähnlich derjenigen des Anmelders, lautet:

M1 Verfahren zur Identifikation eines autorisierten Benutzers (B*) eines zu schützenden Objektes (O),

M2 bei dem einem Benutzer (B) und einem zu schützenden Objekt (O) jeweils zumindest eine Sensoreinheit (SE, SE*, BSE1 - BSEn, OSE1 - OSEn) zur Erfassung von benutzerbezogenen und objektbezogenen Daten zugeordnet ist,

M2.1 die mit einer dem Benutzer (B) zugeordneten Benutzersteuereinheit (BS) und einer dem zu schützenden Objekt (O) zugeordneten Objektsteuereinheit (OS) verbunden sind,

M3 dass einem zur Benutzung des zu schützenden Objektes (O) autorisierten Benutzer (B*) zumindest ein Referenzbenutzerprofil (RBP, RBP*) zugeordnet wird,

dadurch gekennzeichnet,

M3.1 dass einem zur Benutzung des zu schützenden Objektes (O) autorisierten Benutzer (B*) zumindest ein benutzerbezogenes Referenzbenutzerprofil (RBP) und zumindest ein objektbezogenes Referenzbenutzerprofil (RBP*) zugeordnet werden,

M4 dass über zumindest eine benutzerbezogene Sensoreinheit (SE, BSE1 - BSEn) ein das personenbezogene, unabhängig vom Objekt (O) erfasstes Bewegungsmuster des Benutzers (B) anzeigendes benutzerbezogenes Benutzerprofil (BP) und über zumindest eine objektbezogene Sensoreinheit (SE*, OSE1-OSEn) ein das Bewegungs- und/oder Interaktionsverhalten des Benutzers (B) bezogen auf das zu schützende Objekt (O) anzeigendes objektbezogenes Benutzerprofil (BP*) dynamisch ermittelt werden,

M4.1 dass zwischen der Benutzersteuereinheit (BS) und der Objektsteuereinheit (OS) die Benutzerprofile (BP, BP*) und/oder die Referenzbenutzerprofile (RBP, RBP*) über eine Datenkommunikationsschnittstelle (DS) periodisch oder kontinuierlich ausgetauscht werden,

M5 dass das benutzerbezogene Benutzerprofil (BP) mit dem benutzerbezogenen Referenzbenutzerprofil (RBP) und das objektbezogene Benutzerprofil (BP*) mit dem objektbezogenen Referenzbenutzerprofil (RBP*) mittels der Benutzersteuereinheit (BS) und der Objektsteuereinheit (OS) verglichen werden, und M6 dass bei einer zumindest näherungsweisen Übereinstimmung des benutzerbezogenen Benutzerprofils (BP) mit dem benutzerbezogenen Referenzbenutzerprofil (RBP) und des objektbezogenen Benutzerprofils (BP*) mit dem objektbezogenen Referenzbenutzerprofil (RBP*) der aktuelle Benutzer (B) des zu schützenden Objektes als autorisierter Benutzer (B*) identifiziert wird,

M7 wobei das benutzerbezogene Referenzbenutzerprofil (RBP) unter Auswertung der bisher erfassten benutzerbezogenen Benutzerprofile (BP) und das objektbezogene Referenzbenutzerprofils (RBP*) unter Auswertung der bisher erfassten objektbezogenen Benutzerprofile (BP*) ermittelt und dynamisch aktualisiert werden.

Der Anmeldung soll die Aufgabe zugrundeliegen, ein Verfahren zur Identifikation eines autorisierten Benutzers anzugeben, das besonders fälschungssicher und benutzerfreundlich ist (siehe geltende Beschreibung Seite 2 vorletzter Absatz).

II.

Die Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das neu eingereichte Patentbegehren kann nicht gewährt werden, da der Gegenstand des geltenden Hauptanspruchs für den Fachmann nahelag (§ 4 PatG).

1. Die Beschwerde ist rechtzeitig eingelegt und auch sonst zulässig. Der Anmelder ist durch den angegriffenen Beschluss beschwert. Der formale Mangel einer dem übrigen Beschluss widersprechenden Feststellung - Seite 2 vorletzter Absatz des Zurückweisungsbeschlusses: „dass der Gegenstand des geltenden Hauptanspruchs (3. Version) … auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht“ - ist jedoch ohne weiteres als ein offensichtlicher Formulierungsfehler erkennbar; Beschlusstenor und Kontext der weiteren Ausführungen des Beschlusses lassen zweifelsfrei erkennen, welche tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen für die getroffene Entscheidung maßgeblich waren.

2. Die vorliegende Patentanmeldung betrifft ein Verfahren zur Benutzer-Identifikation an einem elektronischen Gerät. Üblicherweise muss der Benutzer sich durch Eingabe von Authentifizierungsdaten, wie Benutzername und Passwort, als autorisierter Benutzer identifizieren. Die Anmeldung möchte hierfür ein Verfahren vorschlagen, das besonders fälschungssicher ist, aber auch dem Benutzer die Autorisierung wesentlich erleichtert.

Die beanspruchte Lösung soll grundsätzlich darin bestehen, dass das Bewegungsmuster des Benutzers unabhängig vom zu schützenden Objekt, und das Interaktionsverhalten des Benutzers mit dem Objekt automatisch erfasst und mit gespeicherten Referenzdaten verglichen werden. Bei zumindest näherungsweiser Übereinstimmung gilt der Benutzer als autorisiert. Dadurch wird für den Benutzer der Vorgang der Identifikation wesentlich erleichtert; außerdem werde die Fälschungssicherheit deutlich erhöht, da „personenindividuelles Bewegungs- und Interaktionsverhalten und/oder biometrische Kenngrößen eines Benutzers keinesfalls durch einen Dritten nachahmbar“ seien (siehe Offenlegungsschrift Absatz [0007]).

Die Anmeldung unterscheidet (siehe Absatz [0025], [0028]) zwischen „benutzerbezogenen“ Informationen, wie personenbezogene Bewegungsmuster, biometrische Bewegungsdaten, biometrische Kenngrößen, die unabhängig vom zu schützenden Objekt sind (konkretisiert in Absatz [0026] / [0027]: durchschnittliche Schrittgeschwindigkeit, Anzahl von Schritten pro Minute, Schritt-Länge, Gehpausen, Herzfrequenz, Hautwiderstand, Sitzfläche, Arm-/Handauflagefläche, Gesamtgewicht usw.), und „objektbezogenen“ Informationen, die sich aus dem Nutzungsverhalten des Benutzers in Bezug auf das zu schützende Objekt, d. h. aus der Interaktion ergeben (konkretisiert in Absatz [0049] / [0050]: typische Interaktions- und Bewegungsmuster in Form von Interaktionsfrequenz, Interaktionsgeschwindigkeit, Interaktionspausen, Bewegungsgeschwindigkeit, Bewegungshäufigkeit, Bewegungspausen – z. B. die durchschnittlichen Mausbewegungen pro Sekunde, die Mausbewegungen in der letzten Sekunde, die durchschnittlichen Mausklicks pro Sekunde usw.). Das Anspruchsmerkmal M4 ist hier auf das „personenbezogene, unabhängig vom Objekt erfasstes Bewegungsmuster des Benutzers“ einerseits, und auf das „Bewegungs- und/oder Interaktionsverhalten des Benutzers bezogen auf das zu schützende Objekt“ andererseits gerichtet.

Für die Erfassung der Bewegungsmuster und des Bewegungs- / Interaktionsverhaltens sind Sensoren vorgesehen, wobei die Anmeldung wiederum zwischen „dem Benutzer zugeordneten Sensoreinheiten“ (SE, BSE1 – BSEn) und „dem Objekt zugeordneten Sensoreinheiten“ (SE*, OSE1 – OSEn) unterscheidet, die mit einer „dem Benutzer zugeordneten Benutzersteuereinheit BS“ und einer „dem zu schützenden Objekt zugeordneten Objektsteuereinheit OS“ verbunden sind; diese beiden tauschen die erfassten Daten und Referenzdaten (in Form von „Profilen“, s. u.) über eine Datenkommunikationsschnittstelle DS „periodisch oder kontinuierlich“ aus (Figur 2 – Anspruchsmerkmale M2 und M2.1 sowie M4.1).

Die erfassten Sensordaten liefern Kenngrößen, welche als sog. „Benutzerprofil“ zwischengespeichert werden (benutzerbezogenes Benutzerprofil BP, objektbezogenes Benutzerprofil BP*, siehe Absatz [0043], [0044] - Teil von Anspruchsmerkmal M4).

Die gespeicherten Musterdaten von autorisierten Benutzern werden in der Anmeldung als „Referenzbenutzerprofile“ RBP / RBP* bezeichnet. Diese entstehen in einer Initialisierungs- bzw. Lernphase aus aktuell erfassten Benutzerprofilen (Absatz [0045] / [0047] – Anspruchsmerkmale M3 und M3.1, teilweise M7). Wenn wenigstens ein Referenzbenutzerprofil vorliegt, wird ein neu empfangenes Benutzerprofil damit verglichen, und davon abhängig die Objektbenutzung freigegeben oder gesperrt (Absatz [0046] - Anspruchsmerkmale M5 und M6).

Dabei werden aktuell erfasste (benutzerbezogene oder objektbezogene) Benutzerprofile herangezogen, um die gespeicherten Referenzbenutzerprofile dynamisch zu aktualisieren (Anspruchsmerkmal M7).

Als Fachmann, der mit der Aufgabe betraut wird, das übliche Verfahren zur Benutzer-Identifikation mittels Benutzername und Passwort benutzerfreundlicher und dennoch fälschungssicher zu gestalten, sieht der Senat einen Entwicklungsingenieur aus dem Bereich der Datenverarbeitung mit Hochschul- oder Fachhochschul-Ausbildung und mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Authentifizierungs-Systeme an.

3. Der Gegenstand des geltenden Hauptanspruchs beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

3.1 Von besonderer Bedeutung hierfür sind die folgenden Druckschriften:

D1 DE 103 20 102 A1 D3 US 2008 / 104 415 A1 Als nächstkommender Stand der Technik kann die Druckschrift D1 angesehen werden. Sie beschreibt ein Verfahren zur Benutzer-Identifikation aufgrund des Benutzerverhaltens (Absatz [0003] Satz 1 - Merkmal M1); dabei wird zwar nicht zwischen „benutzerbezogenen“ und „objektbezogenen“ Daten unterschieden, aber beide Gruppen sind berücksichtigt (Absatz [0004]: Fingerabdruck, Irisblende; Spalte 2 Zeile 13: Bewegungsmuster seines Körpers / Spalte 2 Zeile 14 bis 18: Bewegungsrhythmus des Mauszeigers; Betrachtungsmuster von Bildern bei der Bildschirmarbeit - teilweise M4). Es ist klar, dass zur Erfassung Sensoreinheiten erforderlich sind (z. B. gemäß Absatz [0003] optische Methoden, Eye Tracking, Beschleunigungssensoren - teilweise M2), und dass Daten zwischen beteiligten Baugruppen übertragen werden müssen (teilweise M4.1).

Gemäß Spalte 2 Zeile 29 bis 37 wird aus den Daten ein „vorläufiges Nutzerprofil“ erstellt und mit dem gespeicherten Nutzerprofil des autorisierten Benutzers (dem „Referenzbenutzerprofil“ der vorliegenden Anmeldung) verglichen (M3; teilweise M4, M5). Bei zumindest teilweiser Übereinstimmung (Zeile 32: „individuell einstellbar“) ist der Benutzer als autorisiert identifiziert (teilweise M6). Anschließend wird das gespeicherte Benutzerprofil mit neuen Daten aus dem vorläufigen Nutzerprofil aktualisiert (siehe Anspruch 1 der D1: „[wird] das dynamische Nutzerprofil mit neuen Daten aus dem vorläufigen Nutzerprofil dynamisch ergänzt“ - teilweise M7).

Damit sind die Grundzüge des beanspruchten Verfahrens vorweggenommen. Als Unterschiede zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 verbleiben i. W.:

(i) D1 lehrt keine Trennung in „benutzerbezogene“ und „objektbezogene“ Daten oder Einrichtungen;

(ii) eine „Benutzersteuereinheit“ und „Objektsteuereinheit“ sowie Datenübertragung zwischen diesen sind nicht beschrieben.

Druckschrift D3 betrifft die Benutzer-Identifikation basierend auf einer Kombination von Merkmalen, wobei das Nutzerverhalten, physische und physiologische Charakteristika herangezogen werden können (siehe Zusammenfassung, Absatz [0031] / [0032]). Dazu sind interaktions-unabhängige „benutzerbezogene“ Kenngrößen wie etwa Fingerabdrücke, Handform oder Hautfarbe (vgl. Absatz [0072]) wie auch „objektbezogene“ Kenngrößen, die aus einer Interaktion des Benutzers mit dem System resultieren (z. B. „tracking a target on the display using a computer mouse“ in Absatz [0070]; „stimulus-sensitive parameters“ in Absatz [0071]), als Charakteristika beschrieben. Auch hier wird allerdings nicht zwischen diesen Gruppen unterschieden, beide fließen gemeinsam in ein Benutzerprofil 208 ein (Absatz [0076] / [0077]). Zunächst ist eine Initialisierungsphase erforderlich (Absatz [0059] ff.). Der dadurch ermöglichte Identifikationsprozess ist in den Absätzen [0079] bis [0082] dargestellt und stimmt i. W. mit dem beanspruchten Verfahren überein, wobei aber eine dynamische Aktualisierung der Referenz-Benutzerprofile nicht beschrieben ist. Deutlich sind jedoch mehrere Gruppen von Sensoren erkennbar (siehe Figur 1 und insbesondere Absatz [0093] / Figur 3b), für die eine Signalverarbeitung (110) und eine Steuereinheit (111) vorgesehen sind, wobei dem Fachmann klar ist, dass die beteiligten Baugruppen über ein Datenübertragungssystem miteinander in Verbindung stehen (müssen).

3.2 Ausgehend von der Lehre der Druckschrift D1 lag das Verfahren zur Identifikation eines autorisierten Benutzers gemäß dem geltenden Hauptanspruch für den Durchschnittsfachmann nahe.

Aus der Druckschrift D1 (insbesondere Absatz [0003] und dortiger Anspruch 1) geht das Prinzip einer Benutzer-Identifikation durch benutzerbezogene Daten wie Verhaltensmuster, Körper-Bewegungsmuster usw., und durch das Interaktionsverhalten mit dem zu schützenden Objekt (Bewegungsrhythmus des Mauszeigers, Betrachtungsmuster von Bildern bei der Bildschirmarbeit), sowie eine dynamische Ergänzung der hinterlegten Nutzerprofile durch aktuell erfasste Nutzerprofile her- vor (vgl. oben Abschnitt 3.1). Zu den verbleibenden zwei Unterschieden ist festzustellen:

3.2.1 Der wesentliche Unterschied zwischen der Lehre der Druckschrift D1 und dem geltenden Patentanspruch 1 liegt in der anmeldungsgemäßen Trennung in „benutzerbezogene“ und „objektbezogene“ Daten und Einrichtungen (s. o. Unterschied (i)). Damit lässt sich das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit jedoch nicht begründen.

Nach der Lehre der D1 wie auch gemäß D3 sollen sowohl „benutzerbezogene“ interaktions-unabhängige Daten als auch „objektbezogene“ Daten über die Interaktion des Benutzers mit dem zu schützenden Objekt erfasst und dem aktuellen Benutzerprofil bzw. dem daraus entstehenden Referenz-Benutzerprofil zugeordnet werden (s. o. Abschnitt 3.1). Mit Recht weist der Anmelder darauf hin, dass diese Daten und die resultierenden Profile im Stand der Technik, im Gegensatz zur Anmeldung, als Einheit betrachtet werden: es wird ein gemeinsames Profil erstellt, und auch der Vergleich mit Referenzprofilen ist nirgendwo als zwei Teil-Vergleiche, getrennt nach benutzerbezogenen und objektbezogenen Daten, beschrieben.

Dennoch erfordern eine Aufteilung in zwei Teil-Profile, eine getrennte Verarbeitung und Speicherung, ein getrennter Vergleich beider Teile keine erfinderische Tätigkeit. Zunächst einmal steht es dem Fachmann frei, wo und wie er Daten abspeichert, und wie und wo er Vergleichs-Vorrichtungen vorsieht. Üblicherweise trifft der Fachmann seine Auswahl durch Abwägen der jeweils bekannten Vor- und Nachteile; dies stellt jedoch lediglich fachmännisches Handeln dar. Erst die - vielleicht überraschende, unerwartete - Erkenntnis besonderer Vorteile einer gefundenen Lösung gegenüber anderen könnte als Anzeichen für erfinderische Tätigkeit gewertet werden.

Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Die Auftrennung der Profile in ein „benutzerbezogenes“ Profil mit Daten, welche das personenbezogene, unabhängig vom Objekt erfasstes Bewegungsmuster des Benutzers anzeigen, und in ein „objektbezogenes“ Profil mit Daten, die das Bewegungs- und/oder Interaktionsverhalten des Benutzers bezogen auf das zu schützende Objekt anzeigen (Teil von Merkmal M4), der getrennte Vergleich beider Datengruppen (Teil von Merkmal M5 / M6) und die getrennte dynamische Aktualisierung (Teil von Merkmal M7) stellen keine irgendwie geartete Besonderheit dar, sondern nur eine Möglichkeit im Rahmen des fachmännischen Handelns (vgl. dazu noch unten, Abschnitt 3.2.2). Dabei ist abzuwägen, an welcher Stelle eine Baugruppe - abhängig von Zielvorgaben wie Kompaktheit des Aufbaus, Aufwand für Verkabelung, Traggewicht für den Benutzer, Menge von zu übertragenden Daten, Zugriffsschutz für Daten u. a. - am günstigsten angeordnet werden kann. Auch ohne Überlegungen zur Trennung von benutzer- und objektbezogenen Daten bzw. Einrichtungen stellen die separate Erfassung und der separate Vergleich von Daten in diesem Rahmen nur übliche Optionen dar. Der periodische oder kontinuierliche Austausch der Daten gemäß Merkmal M4.1 war in diesem Zusammenhang für den Fachmann ebenfalls eine Selbstverständlichkeit (was sich ohne weiteres aus D1 und D3 ergibt, s. o.); auch die Anmeldung selbst geht über diesen „üblichen“ Bereich nicht hinaus, wenn sie etwa in Absatz [0040] den Datenaustausch beschreibt als „… abhängig vom jeweils vorliegenden Anwendungsfall“.

Der Anmelder hat hierzu vorgetragen, gerade aus der Trennung und dem anschließenden Austausch der Teilprofile ergebe sich eine hohe Fälschungssicherheit der Benutzeridentifikation. Dieses Argument ist jedoch nicht nachvollziehbar. Zum einen geht die gesamte Anmeldung nur im Absatz [0007] auf eine hohe Fälschungssicherheit ein – wie dort ausgeführt, wird diese erreicht durch den Verzicht auf manuell einzugebenden Zugangsdaten und statt dessen die Berücksichtigung des personenindividuellen Bewegungs- und Interaktionsverhaltens und/oder der biometrischen Kenngrößen eines Benutzers (weil diese durch einen Dritten keinesfalls nachahmbar seien); genau das lehrt aber bereits der Stand der Technik (D1 bzw. D3, s. o.). Über eine höhere Fälschungssicherheit bedingt durch die Trennung in Teilprofile ist in der Anmeldung hingegen nichts zu finden. Zum ande- ren sollen anmeldungsgemäß die Teil-Benutzerprofile zwischen den verschiedenen beteiligten Steuereinheiten (BS, OS) periodisch oder kontinuierlich ausgetauscht werden (M4.1), so dass die als „Kern der Erfindung“ bezeichnete Trennung nicht konsequent beibehalten ist und eventuell denkbare Vorteile einer getrennten Speicherung durch die Weitergabe der Teil-Profile wieder aufgehoben werden.

Auch die Argumentation des Anmelders, dass der D1 Spalte 2 Zeilen 27 bis 28 nur die Extrahierung EINES Verhaltensmusters entnehmbar sei und dieses den Fachmann von der erfindungsgemäßen Lehre wegführe, konnte nicht überzeugen. Denn das in D1 genannte „eine“ Verhaltensmuster umfasst, wie sich aus dem gesamten Absatz [0003] ergibt, sowohl benutzerbezogene als auch objektbezogene Verhaltensmuster. Allein die Lehre, diese beiden Gruppen getrennt zu erfassen, erfordert jedoch keine erfinderische Tätigkeit, sondern liegt im Rahmen des durchschnittlichen fachmännischen Abwägens und Handelns.

3.2.2 Die konkret beanspruchte Realisierung in Form von einer „Benutzersteuereinheit“ und einer davon räumlich und funktional getrennten „Objektsteuereinheit“ (Unterschied (ii)) war für den Fachmann naheliegend.

D1 gibt nur wenig Hilfe zur konkreten technischen Ausgestaltung eines Systems für das in D1 prinzipiell beschriebene Identifikationsverfahren. Hierzu kann der Fachmann jedoch auf die weitere Fachliteratur zurückgreifen. So zeigt ihm Druckschrift D3 in einem vergleichbaren Kontext (Erfassung von benutzerbezogenen Kenngrößen wie Fingerabdruck, Handform sowie von Kenngrößen, die aus einer Interaktion des Benutzers mit dem System resultieren, wie das „tracking a target on the display using a computer mouse“) in Figur 1 ein technisches System mit Sensoren (101 bis 107) und zugeordneten Sensordaten-Verarbeitungseinrichtungen (110, 111), die miteinander in Datenverbindung stehen. In Figur 3b / Absatz [0093] ist als konkretes Beispiel ein System mit einer Video-Kamera 106, Signalverarbeitung 110 und Steuereinheit 111, als „Benutzersteuereinheit“ im Sinne der Anmeldung, für die Erfassung z. B. der Iris oder des Gesichtsbildes (siehe Absatz [0072]) beschrieben, das ferner an einem Trackball 325 angeordnete Sensoren 326 für interaktions-bezogene Messwerte wie EKG oder Herzschlag (in Reaktion auf Stimuli) zeigt; auch eine umgekehrte Signalerfassung (Kamera für Erfassung der Augenbewegung als Interaktion mit Bildschirmdarstellung, Sensor am Trackball für Fingerabdruck als interaktionsunabhängig) ist mit der Anordnung nach D3 möglich. Für den Fachmann ist klar, dass auch die Sensoren 326 des Trackballs, entsprechend Figur 1, an eine Signalverarbeitung und Steuereinheit angeschlossen sein müssen. Ob er dazu die der Kamera zugeordneten Einrichtungen mitbenutzt oder - aufgrund der räumlichen Trennung - eine separate zweite Steuereinheit („Objektsteuereinheit“ im Sinne der Anmeldung) vorsieht, liegt im Rahmen seines fachmännischen Abwägens und der System-Vorgaben. Der Fachmann entnimmt hier zumindest zwei getrennte Sensoreinheiten und eine Steuereinheit, die gemäß Figur 1 in Kommunikationsverbindung miteinander stehen, wobei eine naheliegende Signalverarbeitung im Trackball ihn auch zu einer räumlich und funktional getrennten „Objektsteuereinheit“ führt. Aus der Verwendung einer solchen Vorrichtung für die Lehre der Druckschrift D1 ergeben sich die beanspruchte „Benutzersteuereinheit“ und „Objektsteuereinheit“ als naheliegend.

4. Mit dem nicht gewährbaren Patentanspruch 1 fallen auch die übrigen Ansprüche, weil über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann.

Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,

4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,

5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder

6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.

Dr. Morawek Eder Baumgardt Dr. Thum-Rung Fa

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