Paragraphen in 8 W (pat) 12/11
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BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 12/11
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend die Patentanmeldung 103 13 069.1-14
(hier: Rückzahlung der Beschwerdegebühr) …
hat der 8. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 11. März 2014 durch den Vorsitzenden Richter Dipl.-Phys. Dr. Zehendner und die Richter Kätker, Dipl.-Ing. Rippel und Dipl.-Ing. Brunn BPatG 152 08.05 beschlossen:
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
Gründe I.
Im vorliegenden Beschwerdeverfahren, das sich durch Nichtzahlung von Jahresgebühren für die verfahrensgegenständliche Patentanmeldung in der Hauptsache erledigt hat, geht es allein noch um den Antrag der Anmelderin auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr.
Am 24. März 2003 hat die Anmelderin die inzwischen wegen Nichtzahlung von Jahresgebühren als zurückgenommen geltende Patentanmeldung 103 13 069.1-14 mit der Bezeichnung “Kolben-Zylindermechanismen und solche KolbenZylindermechanismen verwendende Drucksteuerungseinheiten“ unter Inanspruchnahme einer japanischen Priorität eingereicht.
In mehreren Prüfungsbescheiden hat die Prüfungsstelle u. a. (neben der Einführung von zwei Druckschriften als patenthindernd) gerügt, dass der jeweils geltende Patentanspruch 1 hinsichtlich der Umschreibung der Anordnung und Funktion eines Ventils unbestimmte Merkmale aufweise und daher nicht gewährbar sei. Patentanspruch 1 in seiner ursprünglich eingereichten (deutschsprachigen) Fassung lautet unter optischer Hervorhebung (Kursiv- und Fettdruck) der offenbar von der Prüfungsstelle als problematisch angesehenen Formulierungen des kennzeichnenden Teils:
“Kolben-Zylindermechanismus mit: einem Zylinder (50), der eine Längsachse hat und eine zylindrische Bohrung (51) definiert; zumindest zwei Kolben (52, 53), die innerhalb der zylindrischen Bohrung angeordnet sind, so dass zumindest drei Druckkammern einschließlich einer ersten Druckkammer (57), einer zweiten Druckkammer (58) und einer dritten Druckkammer (59) innerhalb der zylindrischen Bohrung entlang der Längsachse des Zylinders definiert werden, wobei die erste Druckkammer und eine von der zweiten und der dritten Druckkammer individuell eine Zufuhr eines druckbeaufschlagten Fluids aufnehmen, und wobei das druckbeaufschlagte Fluid individuell von der zweiten Druckkammer und von der dritten Druckkammer zu jeweiligen externen Vorrichtungen (16, 17) gefördert wird, und einem Ventil (60, 160), das zwischen zumindest einer von der zweiten Druckkammer und von der dritten Druckkammer und der entsprechenden externen Vorrichtung angeordnet ist, wobei das Ventil betriebsfähig ist, um sich zu öffnen und zu schließen, wenn die zumindest eine von der zweiten Druckkammer und von der dritten Druckkammer aufgrund der Bewegung der Kolben ausgedehnt bzw. zusammengezogen wird.“
Mit erstem Prüfungsbescheid vom 28. September 2006 hat die Prüfungsstelle gerügt, dass die Anordnung des Ventils (60, 160) unklar sei. Die Angabe “zumindest“ lasse offen, wo es sich noch erstrecken könnte. Möglicherweise seien auch nur die (welche?) Anschlüsse gemeint. Weiter sei die Angabe “wobei das Ventil betriebsfähig ist“ unverständlich. Zudem seien Fachbegriffe (hier: “externe Vorrichtung“ in Anspr. 1 und “Radbremse“ in Anspr. 12) einheitlich zu verwenden.
Hierauf hat die Anmelderin mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2004 folgenden neuen Patentanspruch 1 eingereicht, wobei die geänderten oder neuen Textstellen im Folgenden durch Unterstreichung hervorgehoben sind:
Kolben-Zylindermechanismus mit: einem Zylinder (50), mit einer Längsachse, der eine zylindrische Bohrung (51) definiert; zumindest zwei Kolben (52, 53), die innerhalb der zylindrischen Bohrung angeordnet sind, so dass zumindest drei Druckkammern nämlich eine erste Druckkammer (57), eine zweite Druckkammer (58) und eine dritte Druckkammer (59) innerhalb der zylindrischen Bohrung entlang der Längsachse des Zylinders definiert werden, wobei die erste Druckkammer und eine von den beiden anderen Druckkammern individuell ein zugeführtes, druckbeaufschlagtes Fluid durch Einlassanschlüsse (50a, 50b) aufnehmen, wobei das druckbeaufschlagte Fluid individuell von der zweiten Druckkammer und von der dritten Druckkammer zu jeweiligen externen Vorrichtungen (16, 17) gefördert wird, und einem Ventil (60, 160), dadurch gekennzeichnet, dass das Ventil (60, 160) zwischen einer Druckkammer (58, 59) und einem Einlassanschluss (50b) angeordnet ist, wobei das Ventil (60, 160) betätigbar ist, um zu öffnen und zu schließen, wenn entweder die zweite Druckkammer oder die dritte Druckkammer aufgrund der Bewegung der Kolben ausgedehnt bzw. zusammengezogen wird.
Hierauf hat die Prüfungsstelle mit zweitem Prüfungsbescheid vom 28. September 2006 gerügt, dass auch der neu gefasste Patentanspruch 1 unbestimmte Merkmale aufweise und nicht gewährbar sei. Unbestimmt sei, in welchem Fall das im kennzeichnenden Teil genannte Ventil durch was oder wen zu betätigen sein solle, ob das Öffnen oder Schließen gleichzeitig erfolgen solle und - falls “öffnen oder schließen“ gemeint sei - wann welche Bewegungen der Kolben in welcher Druckkammer welchen Zustand des Ventils auslösen sollten. Außerdem hat die Prüfungsstelle eine neue Druckschrift (D2) eingeführt, gegenüber der der Gegenstand nach Patentanspruch 1 nicht erfinderisch sei. Wegen der neu eingeführten Druckschrift sei die beantragte Anhörung derzeit nicht sachdienlich. Die Anmelderin müsse auch ohne Anberaumung einer Anhörung mit der Zurückweisung der Anmeldung rechnen, wenn diese weiterhin mit einem der als unbestimmt gerügten Merkmale aufrechterhalten werde. Die Prüfungsstelle habe ihren Standpunkt hinsichtlich der Anforderungen an die Bestimmtheit der Merkmale nunmehr nochmals deutlich ausgeführt. Komme die Anmelderin diesen Aufforderungen wieder nicht nach, sei auch eine Anhörung nicht sachdienlich.
Daraufhin hat die Anmelderin mit Schriftsatz vom 29. März 2007 einen nochmals überarbeiteten Patentanspruch 1 eingereicht, der nunmehr (wieder mit Unterstreichung der geänderten oder neuen Textstellen) lautet:
Kolben-Zylindermechanismus mit: einem Zylinder (50), mit einer Längsachse, der eine zylindrische Bohrung (51) definiert; zumindest zwei Kolben (52, 53), die innerhalb der zylindrischen Bohrung angeordnet sind, so dass zumindest drei Druckkammern nämlich eine erste Druckkammer (57), eine zweite Druckkammer (58) und eine dritte Druckkammer (59) innerhalb der zylindrischen Bohrung entlang der Längsachse des Zylinders definiert werden, wobei die erste Druckkammer und eine von den beiden anderen Druckkammern individuell ein zugeführtes, druckbeaufschlagtes Fluid durch Einlassanschlüsse (50a, 50b) aufnehmen, wobei das druckbeaufschlagte Fluid individuell von der zweiten Druckkammer und von der dritten Druckkammer zu jeweiligen externen Vorrichtungen (16, 17) gefördert wird, und einem zwischen der zweiten Druckkammer (58) und einem Einlassanschluss (50b) angeordneten Ventil (60, 160) oder einem zwischen der dritten Druckkammer (59) und einem Einlassanschluss (50b) angeordneten Ventil (60, 160), dadurch gekennzeichnet, dass das jeweilige Ventil (60, 160) geöffnet ist, wenn die jeweilige Druckkammer (58, 59) aufgrund der Bewegung der Kolben ausgedehnt ist, und geschlossen ist, wenn die jeweilige Druckkammer (58, 59) aufgrund der Bewegung der Kolben zusammengezogen ist.
Im Schriftsatz hat die Anmelderin kurz erläutert, wann sich nach ihrer Auffassung welches Ventil öffne. Außerdem ist sie auf die D2 eingegangen, die sie nicht für patenthindernd hält. Weiter hat die Anmelderin angeboten, neue überarbeitete Unterlagen nachzureichen, sobald die Prüfungsstelle die Gewährbarkeit des neuen Patentanspruchs 1 erkennen lasse. Sofern die Prüfungsstelle die Zurückweisung beabsichtige, werde um Anberaumung einer Anhörung gebeten.
Hierauf hat die Prüfungsstelle die Anmeldung mit Beschluss vom 22. Oktober 2008 zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass der geltende Anspruch 1 die im Bescheid vom 28. September 2006 gerügten Mängel weiterhin aufweise. Es sei gerügt worden, dass unbestimmt sei, in welchem Fall das Ventil durch was oder wen betätigt werden solle, um offen oder geschlossen zu sein bzw. wann welche Bewegungen der Kolben in welcher Druckkammer einen bestimmten Zustand des Ventils auslösen solle. Auch in der neuen Fassung des Anspruchs bleibe z. B. mit der Formulierung “jeweilige Druckkammer“ unbestimmt, welcher Kolben oder welche Druckkammer ein Ventil öffnen oder schließen könne. Mit diesen unbestimmten Angaben sei das Gebot der Rechtssicherheit nicht erfüllt, das im Interesse der Allgemeinheit präzise definierte Schutzrechte verlange, mit denen eindeutig erkennbar sei, was unter Schutz gestellt werden solle. Vorliegend sei der Fachmann aber nicht in der Lage, festzustellen, ob sich der beanspruchte Gegenstand vom Stand der Technik unterscheide und ob er das Patentbegehren möglicherweise verletze. Nachdem die Anmelderin im neu gefassten Anspruch 1 den bereits wiederholt gerügten Mangel nicht beseitigt habe und die Prüfungsstelle im Bescheid vom 28. September 2006 ihren Standpunkt hinsichtlich der Bestimmtheitsanforderungen nochmals deutlich gemacht und weiter ausgeführt habe, dass im Fall der Weiterverfolgung der Anmeldung mit diesem Mangel ohne Anberaumung einer Anhörung mit der Zurückweisung gerechnet werden müsse, sei eine Anhörung nicht sachdienlich gewesen.
Gegen diesen Beschluss hat sich die Beschwerde der Anmelderin gerichtet, mit der sie u. a. beantragt hat,
die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.
In ihrer Beschwerdebegründung hat sie u. a. ausgeführt, dass sie in dem mit Schriftsatz vom 29. März 2007 eingereichten Patentanspruch 1 eindeutig klargestellt habe, dass ein Ventil in einem beanspruchten Kolben-Zylindermechanismus entweder zwischen einer zweiten Druckkammer und einem Einlassanschluss oder zwischen einer dritten Druckkammer und einem Einlassanschluss angeordnet sei. Ein Fachmann könne somit erkennen, dass das Ventil entweder der zweiten Druckkammer oder der dritten Druckkammer zugeordnet sei. Dementsprechend werde der Fachmann auch erkennen, dass sich der Begriff "jeweilige Druckkammer" nur auf die Druckkammer beziehen könne, der das Ventil zugeordnet sei. Er könne daher aus dem Anspruchswortlaut erkennen, dass ein Ventil, das zwischen der zweiten Druckkammer und einem Einlassanschluss angeordnet sei, dann geöffnet sei, wenn die zweite Druckkammer aufgrund der Bewegung der Kolben ausgedehnt sei, und dass dasselbe Ventil geschlossen sei, wenn die zweite Druckkammer aufgrund der Bewegung der Kolben zusammengezogen sei. Sollte das Ventil alternativ zwischen der dritten Druckkammer und einem Einlassanschluss angeordnet sein, werde er den Begriff "jeweilige Druckkammer" selbstverständlich mit der dritten Druckkammer gleichsetzen. Somit sei dem Anspruch eindeutig zu entnehmen, wann das Ventil geöffnet bzw. geschlossen sei. Dabei sei es vollkommen unerheblich, durch wen oder durch was das Ventil geöffnet oder geschlossen werde, d. h. welcher Kolben oder welche Druckkammer das Ventil öffne oder schließe. Es sei nämlich möglich, die Lehre des Anspruch 1 auch mit anderen Ventilen als dem in den Ausführungsbeispielen gezeigten hydraulischen, durch einen Kolben betätigten Ventil auszuführen, bspw. mit elektromagnetischen Ventilen in Kombination mit einer entsprechenden Steuerung. Hier bleibe es also dem. Fachmann überlassen, für welche Art von Ventil er sich entscheide.
Die Prüfungsstelle habe die beantragte Anhörung nicht versagen dürfen. Wenn sie trotz der Neufassung des Patentanspruchs 1 vom 29. März 2007 in diesem noch immer Unbestimmtheiten zu erkennen vermeine, wäre in einer Anhörung eine abschließende Klärung dieser entscheidungserheblichen Fragen zu erwarten gewesen. Durch die Neuformulierung des Anspruchs 1 habe die Anmelderin jedenfalls versucht, die im Bescheid vom 28. September 2006 bemängelten Unbestimmtheiten auszuräumen und somit deutlich die Bereitschaft gezeigt, die von der Prüfungsstelle geforderte Anpassung des Patentanspruchs 1, der abhängigen Ansprüche und der Beschreibung durchzuführen, sobald die Prüfungsstelle den neuen Anspruch 1 als gewährbar erachte. Damit habe kein triftiger Grund vorgelegen, den Anhörungsantrag abzulehnen. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr entspreche daher der Billigkeit.
Nachdem die Anmeldung wegen Nichtzahlung von Jahresgebühren als zurückgenommen gilt, hat die Anmelderin fernmündlich mitgeteilt, dass sie den Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr aufrechterhält.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
Das Patentgericht kann nach § 80 Abs. 3 anordnen, dass die Beschwerdegebühr zurückgezahlt wird. Dies gilt auch dann, wenn die verfahrensgegenständliche Anmeldung zurückgenommen worden ist (§ 80 Abs. 4 PatG), wobei die Rücknahme auch auf einer Fiktion, wie etwa der Rücknahmefiktion nach § 58 Abs. 3 PatG beruhen kann (vgl. Schulte, Patentgesetz, 9. Aufl., § 80, Rn. 114).
Es entspricht der Billigkeit, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen. Die Billigkeit ergibt sich aus der fehlerhaften Sachbehandlung durch das Patentamt, die auch für die Erhebung der Beschwerde ursächlich war. Die Prüfungsstelle hätte die beantragte Anhörung nicht versagen dürfen, zumindest aber nicht die Anmeldung zurückweisen dürfen, ohne der Anmelderin zuvor erneut die Möglichkeit zur Neuformulierung des Patentanspruchs 1 zu geben.
1. Bereits die Ablehnung der von der Anmelderin beantragten Anhörung stellt schon für sich einen die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigenden Verfahrensverstoß dar, denn die Anhörung wäre sachdienlich gewesen.
Zwar stellt die Zurückweisung einer Anmeldung ohne vorherige Durchführung einer beantragten Anhörung nach Auffassung des Senats nach bisheriger Rechtslage (§ 46 Abs. 1 Satz 2 PatG in der noch bis zum 31. März 2014 geltenden Fassung) nicht von vornherein einen (insbesondere schwerwiegenden) Verfahrensfehler dar. Soweit verschiedene Beschwerdesenate des Bundespatentgerichts und Teile der Literatur davon ausgehen, dass in jedem Verfahren in der Regel eine einmalige Anhörung sachdienlich ist (vgl. Schulte, a. a. O., § 46, Rdn. 8 m. w. N.), jedenfalls dann, wenn trotz schriftlicher Darlegung der Auffassung des Anmelders noch Meinungsverschiedenheiten über entscheidungserhebliche Fragen fortbestehen und dieser eine Anhörung beantragt hat (vgl. BPatGE 15, 149; 18, 30; 49, 112), hat der Senat insofern Bedenken gegen ein solches “generelles Anhörungsrecht“ (vgl. BPatGE 15, 149, 152) aus § 46 Abs. 1 Satz 2 PatG geäußert, als damit das aus dem Grundsatz der Schriftlichkeit des Patenterteilungsverfahrens folgende Regel-Ausnahme-Verhältnis in Frage gestellt wird (vgl. näher: Senatsentscheidung vom 22. März 2012 (8 W (pat) 4/11) unter II.6.).
Ähnlich wie im Fall der o. g. Senatsentscheidung besteht jedoch auch hier kein Anlass, auf diese sich demnächst durch Gesetzesänderung erledigende Rechtsfrage einzugehen. Denn selbst bei zurückhaltender Auslegung des Erfordernisses der Sachdienlichkeit i. S. d. § 46 PatG liegt hier ein geradezu klassischer Fall vor, in dem eine Anhörung sachdienlich und geboten war:
Es bestanden Meinungsverschiedenheiten über die Frage der Fassung des Hauptanspruchs im Hinblick auf die Bestimmtheit bzw. Klarheit von Merkmalen. Dies ist ein formalrechtliches Problem, das mit (wie hier) anwaltlich vertretenen Anmeldern in der Regel geklärt werden kann und zumeist nicht zu einer Zurückweisung der Anmeldung führt. Die Anmelderin hat auch stets ihre Bereitschaft zur Anpassung der Patentansprüche gezeigt. In den oben zitierten zwei mal geänderten Fassungen des Hauptanspruchs zeigt sich auch das Bemühen, die Position und Funktion des Ventils zu verdeutlichen und dabei insbesondere herauszustellen, dass sich das Ventil je nach (unterschiedlicher) Ausdehnung und/oder Zusammenziehung von zwei Druckkammern (2. u. 3. Druckkammer) mal öffnet und mal schließt. Die sprachliche Ausformulierung solcher Merkmale ist durchaus nicht leicht, zumal ein Anmelder hierbei regelmäßig darauf bedacht sein wird, den von ihm begehrten Schutzumfang möglichst nicht zu schmälern und den Bereich der in Anspruch genommenen Priorität inhaltlich nicht zu verlassen.
Handelt es sich mithin um eine durchaus komplexe Frage der Formulierung der Ansprüche und hat die Anmelderin ihr Bemühen um eine den Anforderungen der Prüfungsstelle gerecht werdende Fassung gezeigt, in zwei Anläufen aber keine Akzeptanz gefunden, so ist es nicht nur sachdienlich sondern nahezu unausweichlich, dass Prüfungsstelle und Anmeldervertreter im gemeinsamen Gespräch eine geeignete Anspruchsfassung suchen, anstatt das schriftliche Verfahren mit einer nicht absehbaren Zahl von Bescheiden und Erwiderungen weiterzuführen oder aber - wie hier - mit einem auf ein üblicherweise lösbares formalrechtliches Problem gestützten Zurückweisungsbeschluss einfach “Schluss zu machen“.
Eine Anhörung hätte unter diesen Umständen allenfalls entbehrlich werden können, wenn die Prüfungsstelle von sich aus eine Anspruchsfassung vorgeschlagen hätte, die von der Anmelderin akzeptiert worden wäre. Auch dies ist nicht geschehen.
Auch wenn der Senat bei der Nachprüfung der Sachdienlichkeit der Anhörung unter Ausschluss von Zweckmäßigkeitserwägungen auf eine Rechtskontrolle beschränkt ist (vgl. BPatGE 24, 44; Benkard, Patentgesetz u. Gebrauchsmustergesetz, 10. Aufl., § 46 Rn. 8), so ist vorliegend der Beurteilungsspielraum der Prüfungsstelle überschritten worden, denn die Prüfungsstelle hat den Rechtsbegriff der “Sachdienlichkeit der Anhörung“ verkannt, zumindest ist sie von falschen Voraussetzungen bei der Anwendung des Rechtsbegriffs ausgegangen. Sachdienlich ist eine Anhörung, wenn sie aus objektiver Sicht das Verfahren fördern kann, insbesondere wenn sie eine schnellere und bessere Klärung als eine schriftliche Auseinandersetzung verspricht (vgl. Schulte, a. a. O., § 46, Rz. 11; Busse, Patentgesetz, 7. Aufl., § 46, Rn. 12). Diese Möglichkeit der Verfahrensförderung entfällt weder, wenn die Prüfungsstelle meint, hinsichtlich der gerügten Eintragungshindernisse ihren Standpunkt “nochmals deutlich ausgeführt“ zu haben (vgl. Bescheid vom 28. September 2006 und Zurückweisungsbeschluss) noch, wenn die Prüfungsstelle im Anschluss an einen weiteren Formulierungsversuch der Anmelderin zu der Auffassung kommt, diese sei den wiederholten Aufforderungen der Prüfungsstelle nicht nachgekommen. Vielmehr tritt nach einem zweiten ernsthaften und nicht auf eine Verfahrensverzögerung gerichteten oder sonst missbräuchlichen Formulierungsversuch das Bedürfnis nach einer Verfahrensförderung mit anderen Mitteln als dem bisherigen rein schriftlichen Verfahren besonders deutlich hervor. Es liegen auch keine Umstände vor, die nach anerkannter Rechtsprechung sonst eine Anhörung hätten entbehrlich machen können, etwa ein Verhalten der Anmelderin, dass Grund für die Annahme gibt, dass eine Annäherung der gegenseitigen Standpunkte nicht mehr zu erwarten ist und die beantragte Anhörung das Verfahren lediglich verzögert. Die Versagung der Anhörung erfolgte damit zu Unrecht.
Dieser Verfahrensfehler ist auch kausal für die Einlegung der Beschwerde und damit für die Notwendigkeit der Zahlung der Beschwerdegebühr. Denn aus der Sicht eines verständigen Beschwerdeführers (vgl. Schulte, a. a. O., § 73, Rn. 139) ist nicht auszuschließen, dass die Entscheidung ohne den Verfahrensfehler an- ders ausgefallen wäre. Damit liegt bereits in der Versagung der Anhörung ein Grund für die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.
2. Als weitere Gründe der Billigkeit kommen die besonderen Umstände hinzu, unter denen hier die Anmeldung zurückgewiesen worden ist. Im (zweiten) Prüfungsbescheid vom 28. September 2006 hat die Prüfungsstelle, ohne irgendwelche Formulierungshilfen oder vergleichbare helfende Hinweise zu geben, die Zurückweisung der Anmeldung unter Versagung der beantragten Anhörung angedroht, und zwar ausschließlich für den Fall der weiter bestehenden Unbestimmtheit der Anspruchsmerkmale (die Frage der Neuheit oder Erfindungshöhe wurde an dieser Stelle nicht erwähnt). Auf den Eingang der mit Erwiderung auf den zweiten Prüfungsbescheid erfolgten Neuformulierung des Hauptanspruchs (Schriftsatz der Anmelderin vom 29. März 2007) hat sie ihre Ankündigung wahr gemacht und anstatt dem hier gebotenen (s. o.) mündlichen oder wenigstens schriftlichen Hinwirken auf eine gewährbare Anspruchsfassung einen Zurückweisungsbeschluss erlassen. In der Entscheidungsbegründung hat die Prüfungsstelle neben Wiederholungen ihrer Rügen und Forderungen aus den Bescheiden und der Feststellung, dass diese Mängel nicht beseitigt worden seien, nur die Formulierung "jeweilige Druckkammer" als einziges Beispiel für einen unbestimmten Begriff konkret benannt. Diese Formulierung ist aber erstmals in der Anspruchsfassung des Schriftsatzes vom 29. März 2007 aufgetaucht, die dem Zurückweisungsbeschluss unmittelbar vorherging.
Nach alledem stellt sich die Verfahrensführung der Prüfungsstelle als Versuch dar, einer gebotenen Anhörung oder wenigstens einer (wenn auch weniger sachdienlichen) weiteren schriftlichen zielgerichteten Klärung eines an und für sich lösbaren formalrechtlichen Problems auszuweichen und unter Inkaufnahme der Versagung rechtlichen Gehörs das Verfahren durch Beschluss zu beenden. Dies rechtfertigt die Rückzahlung der Beschwerdegebühr aus Gründen der Billigkeit.
3. Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.
Dr. Zehendner Kätker Rippel Brunn Cl
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