9 W (pat) 9/14
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 9/14 Verkündet am 7. Dezember 2016
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend das Patent 10 2007 032 944 …
BPatG 154 05.11
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hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 7. Dezember 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Hilber sowie der Richter Paetzold, Dipl.-Ing. Sandkämper und Dr.-Ing. Baumgart beschlossen:
Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der Patentabteilung 27 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 26. November 2013 aufgehoben und das Patent 10 2007 032 944 widerrufen.
Gründe I
Die Patentabteilung 27 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat nach Prüfung eines Einspruchs das am 14. Juli 2007 angemeldete Patent 10 2007 032 944 des Herrn Dipl.-Ing. N…, dessen Erteilung am 20. Oktober 2011 veröffentlicht wurde, mit der Bezeichnung
„Verfahren zur Festlegung von Parametern eines Druckprozesses zur Erzeugung standardisierter Drucke“
mit nach Anhörung am 26. November 2013 verkündeten Beschluss beschränkt aufrechterhalten. In der Beschlussbegründung, erstellt am 11. Dezember 2013, führt sie aus, dass der in den Patentansprüchen 1 bis 21 gemäß Hilfsantrag beanspruchte Gegenstand gewerblich anwendbar und neu sei, sowie auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, so dass die Patentansprüche Bestand hätten.
Im Einspruchsverfahren wurden zum Stand der Technik dabei die folgenden Druckschriften berücksichtigt:
D1: DE 39 24 989 A1 D2: WEBER, Christian: DGCT V1.0 Dot Gain Compensation Tool. Ein Hilfsmittel zur Erstellung von Tonwertkorrekturen für digitale PhotopolymerDruckformen im Flexodruck. In: Flexodruck Technologiezentrum. Stuttgart: User Manual. Juli 2002 D3: X-Rite: Referenzhandbuch ColorQuality5. Version 5. Grand Rapids, USA, 2005 D4: Heidelberger Druckmaschinen AG: Prinect Farbe und Qualität – Standardisierung und ihre Umsetzung in Heidelberg-Produkten. Heidelberg, DE, 04/2006 D5: US 4 151 796 A.
Im Prüfungsverfahren wurden neben der D1 bereits die folgenden Entgegenhaltungen berücksichtigt:
D6: DE 100 03 797 A1 D7: EP 0 228 347 B2.
In der Anhörung wurde noch das „Handbuch der Printmedien“ von Helmut Kipphan, 2000, Seite 1166, herangezogen.
Gegen den Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden. Sie ist der Auffassung, der Gegenstand des Anspruchs 1 in der aufrechterhaltenen Fassung gehe über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus (§ 21 Abs. 1 Ziff. 4 PatG). Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 beruhe zudem gegenüber dem bekannten Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die Einsprechende und Beschwerdeführerin stellte den Antrag,
den Beschluss der Patentabteilung 27 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. November 2013 aufzuheben und das Patent 10 2007 032 944 zu widerrufen.
Der Patentinhaber und Beschwerdegegner stellte den Antrag die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten mit folgenden Unterlagen: Patentansprüche 1 bis 18 gemäß neuem Hilfsantrag 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 7. Dezember 2016, weiter hilfsweise, Patentansprüche 1 bis 17 gemäß neuem Hilfsantrag 2, eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 7. Dezember 2016, jeweils mit noch anzupassender Beschreibung und Zeichnungen Figuren wie Patentschrift.
Er ist der Auffassung, der Gegenstand des Anspruchs 1 sei zulässig und auch neu, zudem beruhe er auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Mit Ladung vom 22. März 2016 ist den Beteiligten ein verfahrensleitender Hinweis des Vorsitzenden des 9. Senats zugeleitet worden. Hier sind den Beteiligten die verfahrensrechtlichen Bedenken des Senats wegen des Fehlens einer Urschrift der patentamtlichen Einspruchsentscheidung mitgeteilt worden, sowie die Absicht wegen der zwischenzeitlich geänderten Verfahrensweise beim Deutschen Patentund Markenamt das Beschwerdeverfahren mit dem Ziel einer Entscheidung in der Hauptsache fortzusetzen. Die Beschwerdeführerin hat mit Schriftsatz vom 29. März 2016 ihr Einverständnis mit der Fortführung des Verfahrens vor dem Senat erklärt, der Beschwerdegegner mit Schriftsatz vom 30. August 2016.
Der beschränkt aufrechterhaltene Patentanspruch 1 lautet (die hinzugefügten Unterstreichungen verdeutlichen die Änderungen gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1):
Verfahren zur Festlegung von Zielparametern für standardisierte Drucke, wobei mit Hilfe eines Computers aus einer Druckfarbendatenbank mindestens eine für einen Druck gewünschte Druckfarbe ausgewählt wird, wobei aus einer Spotfarbendatenbank mindestens eine gewünschte Spotfarbe ausgewählt wird, wobei aus einer erweiterbaren Substratdatenbank ein zu bedruckendes Substrat ausgewählt wird, aus diesen Werten ein Profil gebildet wird, welches im Computer abgelegt wird, der Computer anhand dieses Profils die Zielparameter für den zu erstellenden Druck generiert, und Empfehlungen zur Parametereinstellung ermöglicht und der Computer überprüft, ob gewünschte Sportfarben durch die vorher gemachten Einstellungen erreicht werden können, wobei mindestens ein Messgerät vorgesehen ist, für welches eine Bedienperson mindestens eine Messbedingung aus einer Messbedingungsdatenbank und mindestens einen Toleranzbereich auswählt, das Messgerät die gemessenen Daten an den Computer übermittelt und dieser ein erfasstes Druckergebnis überprüft und der Computer dann in Kombination mit der mindestens einen gewählten Messbedingung und/oder dem mindestens einen Toleranzbereich Empfehlungen im Falle einer Toleranzüberschreitung für Parametereinstellungen für eine Korrektur ausgibt.
An ihn schließen sich die rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 21 an.
Der Patentanspruch 1 gemäß neuem Hilfsantrag 1 lautet (Änderungen gegenüber Patentanspruch 1 gemäß beschränkt aufrechterhaltenem Patent sind durch Streichung bzw. Unterstreichung hervorgehoben):
Verfahren zur Festlegung von Zielparametern für standardisierte Drucke, wobei mit Hilfe eines Computers aus einer Druckfarbendatenbank mindestens eine für einen Druck gewünschte Druckfarbe ausgewählt wird, wobei aus einer Spotfarbendatenbank mindestens eine gewünschte Spotfarbe ausgewählt wird, wobei aus einer erweiterbaren Substratdatenbank ein zu bedruckendes Substrat ausgewählt wird, aus diesen Werten ein Profil gebildet wird, welches im Computer abgelegt wird, der Computer anhand dieses Profils die Zielparameter für den zu erstellenden Druck generiert und Empfehlungen zur Parametereinstellung ermöglicht und der Computer überprüft, ob gewünschte Sportfarben durch die vorher gemachten Einstellungen erreicht werden können und die Zielparameter des Druckes anzeigt oder angibt und der Computer anzeigt, welches Druckergebnis zu erwarten ist, wobei nach dem Einstellen der Parameter an der Druckmaschine ein Probedruck durchgeführt wird, wobei mindestens ein Messgerät vorgesehen ist, für welches eine Bedienperson mindestens eine Messbedingung aus einer Messbedingungsdatenbank und mindestens einen Toleranzbereich auswählt, wobei mit Hilfe des Messgerätes der Probedruck anhand des bedruckten Substrats nach dem oder während des Druckens gemessen wird, das Messgerät die gemessenen Daten an den Computer übermittelt und dieser ein erfasstes Druckergebnis überprüft und überprüft, ob die gewünschten Spotfarben durch die vorher gemachten Einstellungen erreicht werden können, der Computer dann in Kombination mit der mindestens einen gewählten Messbedingung und/oder dem mindestens einen Toleranzbereich Empfehlungen im Falle einer Toleranzüberschreitung für Parametereinstellungen für eine Korrektur ausgibt.
Rückbezogen schließen sich hieran Patentansprüche 2 bis 18 an.
Der Patentanspruch 1 gemäß neuem Hilfsantrag 2 lautet (Änderungen gegenüber Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 sind hervorgehoben):
Verfahren zur Festlegung von Zielparametern für standardisierte Drucke, wobei mit Hilfe eines Computers aus einer Druckfarbendatenbank mindestens eine für einen Druck gewünschte Druckfarbe ausgewählt wird, wobei aus einer Spotfarbendatenbank mindestens eine gewünschte Spotfarbe ausgewählt wird, wobei aus einer erweiterbaren Substratdatenbank ein zu bedruckendes Substrat ausgewählt wird, aus diesen Werten ein Profil gebildet wird, welches im Computer abgelegt wird, der Computer anhand dieses Profils die Zielparameter für den zu erstellenden Druck generiert und Empfehlungen zur Parametereinstellung ermöglicht und die Zielparameter des Druckes anzeigt oder angibt und der Computer anzeigt, welches Druckergebnis zu erwarten ist, wobei nach dem Einstellen der Parameter an der Druckmaschine ein Probedruck durchgeführt wird, wobei mindestens ein Messgerät vorgesehen ist, für welches eine Bedienperson mindestens eine Messbedingung aus einer Messbedingungsdatenbank und mindestens einen Toleranzbereich auswählt, wobei mit Hilfe des Messgerätes der Probedruck anhand des bedruckten Substrats nach dem oder während des Druckens gemessen wird, das Messgerät die gemessenen Daten an den Computer übermittelt und dieser ein erfasstes Druckergebnis überprüft und überprüft, ob die gewünschten Spotfarben durch die vorher gemachten Einstellungen erreicht werden können, der Computer dann in Kombination mit der mindestens einen gewählten Messbedingung und/oder dem mindestens einen Toleranzbereich Empfehlungen im Falle einer Toleranzüberschreitung für Parametereinstellungen für eine Korrektur ausgibt und das Profil, die mindestens eine Messbedingung und der mindestens eine Toleranzbereich zusammen eine Applikation bilden, welche ebenfalls im Computer abgelegt wird.
Rückbezogen schließen sich hieran Patentansprüche 2 bis 17 an.
Zum Wortlaut der erteilten Unteransprüche, der Beschreibung und weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akte verwiesen.
II
1. Die statthafte Beschwerde der Einsprechenden ist frist- und formgerecht eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig.
Insbesondere liegt ein beschwerdefähiger Beschluss vor, da der Beschluss über den Widerruf des angegriffenen Patents mit seiner Verkündung am Ende der Anhörung vor der Patentabteilung (§ 47 Abs. 1 Satz 2 PatG) auch ohne Unterschrift bzw. Signatur der an der Entscheidung mitwirkenden Mitglieder der Patentabteilung existent und infolgedessen anfechtbar geworden ist (vgl. BPatG Beschluss vom 19. Februar 2014, 19 W (pat) 16/12; BGHZ 137, 49 – Elektrischer Winkelstecker II).
2. In der Sache hat die Beschwerde auch Erfolg.
a) Der Senat hat von einer Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt gemäß § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG abgesehen, obwohl vorliegend Verfahrensfehler bei der Erstellung und Ausfertigung des elektronischen Beschlussdokuments aufgetreten sind. Insbesondere ist in der dem Bundespatentgericht vom Deutschen Patent- und Markenamt per File-Transfer übermittelten elektronischen Patentakte kein wirksam signiertes elektronisches Beschluss-Urdokument der am 1. Juli 2013 erstellten Beschlussbegründung enthalten und der Beschluss daher mit einem Begründungsmangel behaftet (vgl. BPatG Beschluss vom 19. Februar 2014, 35 W (pat) 413/12; BPatG Beschluss vom 24. November 2014, 19 W (pat) 17/12).
Inzwischen hat jedoch das Deutsche Patent- und Markenamt die anfängliche Methodik und Technik der elektronischen Aktenführung in einer Weise geändert, die nach Ansicht des hier entscheidenden Senats den rechtlichen Bedenken Rechnung trägt, die in der vorgenannten Entscheidungen des 35. Senats der Grund für die Zurückverweisung war.
In dieser Veränderung der elektronischen Aktenführung beim Deutschen Patentund Markenamt wird eine wesentliche neue Tatsache gesehen, die es erlaubt, von der möglichen Zurückverweisung nach § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG im vorliegenden Beschwerdeverfahren abzusehen und das Verfahren in der Hauptsache fortzusetzen. Denn jetzt können die etwa bestehenden Verfahrensmängel nur noch als die Folge der anfänglichen, rechtlich bedenklichen und inzwischen zeitlich begrenzten Praxis des Deutschen Patent- und Markenamt eingeordnet werden, die mit der neuen Praxis des Amtes überwunden wurde (ähnlich Beschluss des 20. Senats vom 12.05.2014, Az.: 20 W (pat) 28/12).
b) Als Durchschnittsfachmann legt der Senat einen Hochschulingenieur der Fachrichtung Druckmaschinenbau mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Entwicklung von Druckmaschinen und vertieften Kenntnissen im Bereich der Programmierung von Branchensoftware für Druckereien zugrunde.
c) Der Erfindung liegt ausweislich der geltenden Beschreibung die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zu entwickeln, das zuverlässig wirksam sei, eine einfache Einstellung der Parameter des Druckprozesses ermögliche und möglichst wenig Nacheinstellungen der Parameter des Druckprozesses erforderlich mache (Abs. [0006] der Patentschrift).
Diese Aufgabe soll dabei durch ein Verfahren mit den Merkmalen des beschränkt aufrechterhaltenen Patentanspruchs 1 gelöst werden.
Nachfolgend wird eine gegliederte Fassung des erteilten Patentanspruchs 1 wiedergegeben. Änderungen gegenüber dem erteilten Anspruch 1 sind hervorgehoben
1. Verfahren zur Festlegung von Zielparametern für standardisierte Drucke, 1.1 wobei mit Hilfe eines Computers aus einer Druckfarbendatenbank mindestens eine für einen Druck gewünschte Druckfarbe ausgewählt wird, 1.2 wobei aus einer Spotfarbendatenbank mindestens eine gewünschte Spotfarbe ausgewählt wird, 1.3 wobei aus einer erweiterbaren Substratdatenbank ein zu bedruckendes Substrat ausgewählt wird, 1.4 aus diesen Werten ein Profil gebildet wird, welches im Computer abgelegt wird, 1.5 der Computer anhand dieses Profils die Zielparameter für den zu erstellenden Druck generiert, 1.6 und Empfehlungen zur Parametereinstellung ermöglicht 1.7 und der Computer überprüft, ob gewünschte Spotfarben durch die vorher gemachten Einstellungen erreicht werden können, 1.8 wobei mindestens ein Messgerät vorgesehen ist, 1.9 für welches eine Bedienperson mindestens eine Messbedingung aus einer Messbedingungsdatenbank 1.10 und mindestens einen Toleranzbereich auswählt, 1.11 das Messgerät die gemessenen Daten an den Computer übermittelt und dieser ein erfasstes Druckergebnis überprüft und
1.12 der Computer dann in Kombination mit der mindestens einen gewählten Messbedingung und/oder dem mindestens einen Toleranzbereich Empfehlungen im Falle einer Toleranzüberschreitung für Parametereinstellungen für eine Korrektur ausgibt.
d) Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der beschränkt aufrechterhaltenen Fassung geht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus.
Zur Feststellung einer unzulässigen Erweiterung ist der Gegenstand des erteilten Patents mit dem Inhalt der ursprünglichen Unterlagen zu vergleichen. Gegenstand des Patents ist die durch die Patentansprüche bestimmte Lehre, wobei Beschreibung und Zeichnungen mit heranzuziehen sind. Der Inhalt der Patentanmeldung ist hingegen der Gesamtheit der Unterlagen zu entnehmen, ohne dass den Patentansprüchen dabei eine gleich hervorgehobene Bedeutung zukommt. Entscheidend ist, ob die ursprüngliche Offenbarung für den Fachmann erkennen ließ, dass der geänderte Lösungsvorschlag von vornherein von dem Schutzbegehren mit umfasst werden sollte (BGH, Urt. v. 21.9.1993 - X ZR 50/91, - Unzulässige Erweiterung).
In der Fassung des Hauptantrags ist das Verfahren des Patentanspruchs 1 in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht als zur Erfindung gehörend offenbart, denn diese beschreiben eine solches Verfahren nicht als mögliche Ausgestaltung der Erfindung (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 2009 – Xa ZR 148/05 – Heizer, insb. Rn 25 m. w. N.).
Der im Einspruchsverfahren beschränkt aufrechterhaltene Patentanspruch 1 betrifft ein Verfahren zur Festlegung von Zielparametern für standardisierte Drucke. Unter standardisierten Drucken versteht das Patent, dass die Druckergebnisse in allen Belangen bei wiederholten Drucken oder auch Drucken auf unterschiedlichen Druckmaschinen innerhalb eines Toleranzbereiches die gleichen Ergebnisse aufzeigen, Abs. [0002] der Patentschrift. Die Merkmale 1.1 bis 1.12 sollen dem- gemäß ein Arbeitsverfahren beschreiben, deren Elemente in einer vorbestimmten zeitlichen Reihenfolge aufeinander ein- und miteinander zusammenwirken, d.h. sie vollziehen Arbeitsschritte (BGH, Beschluss vom 16. September 1997 – X ZB 21/94 – Handhabungsgerät). Die Überprüfung durch den Computer gemäß Merkmal 1.7, ob gewünschte Spotfarben durch die vorher gemachten Einstellungen erreicht werden können, erfolgt gemäß dem beschränkt aufrechterhaltenen Patentanspruch 1 somit, nachdem der Computer anhand des im Schritt 1.4 gebildeten Profils die Zielparameter für den zu erstellenden Druck generiert (Merkmal 1.5) und Empfehlungen zur Parametereinstellung ermöglicht (Merkmal 1.6) und bevor ein Messgerät die gemessenen Daten an den Computer übermittelt und dieser ein erfasstes Druckergebnis überprüft. Die Messung erfordert einen Druckvorgang (Abs. [0015] der PS), der allerdings dem Anspruch 1 in der aufrechterhaltenen Fassung nicht zu entnehmen ist.
Dieses zwischen den Verfahrensbeteiligten unstreitige Verständnis des Verfahrens des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag teilt auch der Senat.
Ein solcher Verfahrensablauf ist den ursprünglichen Unterlagen, die am Anmeldetag des Streitpatents beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht wurden, jedoch nicht zu entnehmen. Nachfolgend wird auf die zugehörige Offenlegungsschrift (OS) Bezug genommen. Dort ist das Merkmal 1.7 zwar wörtlich in Abs. [0027] offenbart, allerdings lediglich in Verbindung mit der Durchführung eines Testdruckes, in dem ein Muster gedruckt wird, welches von einem Messgerät überprüft wird, vgl. Abs. [0024] der OS. Die Messergebnisse werden an den Computer übermittelt, der ermittelt, ob das Druckergebnis innerhalb der Toleranzbereiche liegt oder nicht (Abs. [0025]). Falls nicht, können die Parametereinstellungen geändert und ein weiterer Probedruck gestartet werden, vgl. Abs. [0026]. Gemäß Abs. [0027] überprüft der Computer ebenfalls, ob die gewünschte Spotfarbe überhaupt durch die vorher gemachten Einstellungen erreicht werden kann. Ist das Messergebnis außerhalb der Toleranz und kann durch die Einstellungen nicht erreicht werden, gibt der Computer eine entsprechende Meldung aus. Dieser Absatz bezieht sich ersichtlich auf den vorhergehenden, was sich unmittelbar auch aus dem Verfahrensablauf nach Fig. 3 ergibt, nach der die Überprüfung durch den Computer im Sinne des Merkmals 1.7 nach dem Probedruck („Ist das Druckergebnis zu korrigieren?“) erfolgt.
Zu keiner anderen Beurteilung der Offenbarung gelangt der Senat unter Berücksichtigung der Ausführungen der Absätze [0010] und [0023] der ursprünglichen Beschreibung, welche der Patentinhaber und Beschwerdegegner als Offenbarungsstelle für das Merkmal 1.7 nennt. Diesen Absätzen kann eine Überprüfung im Sinne des Merkmals 1.7 vor einem Probedruck nicht entnommen werden. Gemäß Abs. [0010] schließt sich der Druck unmittelbar nach den vorgenommenen Einstellungen an. Abs. [0023] bezieht sich auf den Verfahrensablauf nach Fig. 2, der eine Überprüfung im Sinne des Merkmals 1.7 nicht vorsieht.
Der Senat verkennt nicht, dass der Patentinhaber sein Patent im Einspruchsverfahren beschränken kann. Er darf aber weder dessen Schutzbereich erweitern (§ 22 Abs. 1 PatG), noch an die Stelle der ihm erteilten Erfindung eine andere setzen (BGH, Beschluss vom 16. Januar 1990 – X ZB 24/87 – Spreizdübel). Die Einfügung eines weiteren Merkmals aus der Beschreibung in den Patentanspruch ist nicht zulässig, wenn es dort zwar erwähnt, in seiner Bedeutung für die im Anspruch umschriebene Erfindung jedoch nicht zu erkennen ist (s. BGH GRUR 1977, 598, 599 l. Sp. - Autoscooter-Halle). Mit anderen Worten muss dieses Merkmal in der Beschreibung als zu der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre gehörig zu erkennen sein. Andernfalls würde sich der Patentschutz dann nicht mehr auf die ursprünglich beanspruchte Erfindung beziehen, sondern auf ein davon wesensverschiedenes "Aliud", was vor allem mit dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit nicht mehr vereinbar wäre (vgl. dazu BGH, Urteil vom 17. September 1987 – X ZR 56/86 – Abschlussblende).
Da das Verfahren des beschränkt aufrechterhaltenen Patentanspruchs 1 somit nicht aus den ursprünglichen Anmeldeunterlagen herleitbar ist, geht der Gegen- stand des beschränkt aufrechterhaltenen Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung, in der sie bei der zuständigen Behörde eingereicht worden ist, hinaus, so dass der Widerrufsgrund gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG gegeben ist.
3. Hilfsantrag 1 Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag führt zu einer Erweiterung des Schutzbereichs (§ 22 Abs. 1 PatG) und ist deshalb unzulässig.
Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 lässt sich wie folgt gliedern (Änderungen gegenüber dem beschränkt aufrechterhaltenen Patentanspruch 1 hervorgehoben):
1. Verfahren zur Festlegung von Zielparametern für standardisierte Drucke, 1.1 wobei mit Hilfe eines Computers aus einer Druckfarbendatenbank mindestens eine für einen Druck gewünschte Druckfarbe ausgewählt wird, 1.2 wobei aus einer Spotfarbendatenbank mindestens eine gewünschte Spotfarbe ausgewählt wird, 1.3 wobei aus einer erweiterbaren Substratdatenbank ein zu bedruckendes Substrat ausgewählt wird, 1.4 aus diesen Werten ein Profil gebildet wird, welches im Computer abgelegt wird, 1.5 der Computer anhand dieses Profils die Zielparameter für den zu erstellenden Druck generiert, 1.6 und Empfehlungen zur Parametereinstellung ermöglicht 1.7 und der Computer überprüft, ob gewünschte Spotfarben durch die vorher gemachten Einstellungen erreicht werden können, 1.6a und die Zielparameter des Druckes anzeigt oder angibt und der Computer anzeigt, welches Druckergebnis zu erwarten ist, 1.6b wobei nach dem Einstellen der Parameter an der Druckmaschine ein Probedruck durchgeführt wird,
1.8 wobei mindestens ein Messgerät vorgesehen ist, 1.9 für welches eine Bedienperson mindestens eine Messbedingung aus einer Messbedingungsdatenbank 1.10 und mindestens einen Toleranzbereich auswählt, 1.10a wobei mit Hilfe des Messgerätes der Probedruck anhand des bedruckten Substrats nach dem oder während des Druckens gemessen wird, 1.11 das Messgerät die gemessenen Daten an den Computer übermittelt und dieser ein erfasstes Druckergebnis überprüft und 1.11a überprüft, ob die gewünschten Spotfarben durch die vorher gemachten Einstellungen erreicht werden können, 1.12 der Computer dann in Kombination mit der mindestens einen gewählten Messbedingung und/oder dem mindestens einen Toleranzbereich Empfehlungen im Falle einer Toleranzüberschreitung für Parametereinstellungen für eine Korrektur ausgibt.
Ausgangspunkt der Prüfung ist, nachdem der Patentinhaber keine Beschwerde eingelegt hat, das Patent in der nach dem Einspruchsverfahren vorliegenden Fassung. Dessen Schutzbereich ist gemäß § 14 PatG nach dem Inhalt der Schutzansprüche unter Berücksichtigung von Patentbeschreibung und Zeichnungen zu bestimmen und mit dem Schutzbereich gemäß der Fassung des Patents nach dem geltenden Hilfsantrag zu vergleichen.
Gemäß dem hilfsantragsgemäßen Patentanspruch 1 soll die Überprüfung durch den Computer, ob die gewünschten Spotfarben durch die vorher gemachten Einstellungen erreicht werden können, nunmehr nach einem Probedruck erfolgen. Dieses Vorgehen widerspricht dem beschränkt aufrechterhaltenen Patentanspruch 1, nach dem die Überprüfung vor einem Probedruck erfolgt. Eine Rückgängigmachung der im Einspruchsverfahren vorgenommenen Einschränkung führt zu einer Erweiterung des Schutzbereichs, die ihrerseits unzulässig ist, wie sich aus § 22 Abs. 1 PatG ergibt. Der Verfahrensablauf gemäß Hilfsantrag 1 stellt damit ein Aliud dar.
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist demgemäß unzulässig, da er zu einer Schutzbereichserweiterung führt.
4. Hilfsantrag 2 Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 umfasst ebenfalls die Schutzbereichserweiterung des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1. Dieser Patentanspruch ist daher ebenfalls unzulässig.
5. Bei dieser Sachlage war das Patent zu widerrufen.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn sie auf einen der nachfolgenden Gründe gestützt wird, nämlich dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.
Hilber Paetzold Sandkämper Baumgart Ko