20 W (pat) 1/11
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 1/11 An Verkündungs Statt zugestellt am 17. März 2016 …
BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
betreffend das Patent 10 2007 006 830 BPatG 154 05.11 hat der 20. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. Februar 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Mayer, der Richterin Dorn, der Richter Dipl.-Ing. Albertshofer und Dipl.-Phys. Bieringer beschlossen:
Der Beschluss der Patentabteilung 31 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Juli 2010 wird aufgehoben und das Patent 10 2007 006 830 widerrufen.
Gründe I.
Das am 7. Februar 2007 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) unter der Nr. 10 2007 006 830 angemeldete und am 13. August 2008 erteilte Patent mit der Bezeichnung „Steuer- und/oder Datenübertragungsmodul“ wurde am 8. Januar 2009 veröffentlicht.
Gegen dieses Patent hat die W… GmbH & Co. KG am 8. April 2009 Einspruch erhoben. Die Patentabteilung 31 des DPMA hat das Patent daraufhin mit am Ende der mündlichen Anhörung am 14. Juli 2010 verkündetem Beschluss in vollem Umfang aufrechterhalten. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Gegenstände der erteilten Patentansprüche 1 bis 23 gälten als neu und beruhten auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 18. November 2010 eingelegte Beschwerde der Einsprechenden. Sie hält den Anspruchsgegenstand für nicht patentfähig.
Der Bevollmächtigte der Einsprechenden beantragt,
den Beschluss der Patentabteilung 31 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Juli 2010 aufzuheben und das Patent 10 2007 006 830 zu widerrufen.
Der Bevollmächtigte der Patentinhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Hilfsweise beantragt er,
die Sache zur weiteren Behandlung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.
Weiter hilfsweise,
das Patent auf der Grundlage der mit Schriftsatz vom 24. Februar 2016 eingereichten Hilfsanträge 1 bis 43 in der dort aufgeführten Reihenfolge aufrechtzuerhalten. Beschreibung und Zeichnungen jeweils wie Patentschrift,
Weiter hilfsweise,
das Patent auf der Grundlage der mit Schriftsatz vom 24. Februar 2016 eingereichten Hilfsanträge 1 bis 43 in der dort aufgeführten Reihenfolge aufrechtzuerhalten mit der Maßgabe, dass die nebengeordneten Ansprüche, die sich auf das Steuerund/oder Datenübertragungsmodul beziehen, und die hierauf rückbezogenen Ansprüche gestrichen sind.
Für den Fall, dass das Patent widerrufen wird, regt der Bevollmächtigte der Patentinhaberin die Zulassung der Rechtsbeschwerde zu folgender Rechtsfrage an:
„Soweit basierend auf der Formulierung „wobei die Anzahl von E/A-Modulen vorgesehen ist, um das Datenübertragungsmodul (300) aufzunehmen“ gemäß letztem Merkmal des erteilten Anspruchs 1 bzw. gemäß dem vorletzten Merkmal des erteilten Anspruchs 14 die Entscheidung des BGH – Winkelmesseinrichtung zum Tragen kommt, da obige Formulierung bzw. Merkmal bisher nicht Gegenstand einer unzulässigen Erweiterung als Widerrufsgrund im Verfahren eingeführt war und gemäß BGH-Entscheidung Aluminium-Trihydroxid die Beschwerdeinstanz an den Gegenstand des bisherigen Verfahrens gebunden ist und ohne Zustimmung des Patentinhabers neue Widerrufsgründe nicht aufzugreifen und hierauf die Entscheidung zu stützen ist (vgl. Schulte, PatG, 9. Aufl., § 59 Rn. 196, S. 1178).“
Die Patentinhaberin hält den jeweiligen Anspruchsgegenstand des Hauptantrags und aller 86 Hilfsanträge für patentfähig.
Das erteilte Patent umfasst insgesamt 23 Patentansprüche, wobei Patentanspruch 1 mit eingefügten Gliederungszeichen wie folgt lautet:
„M1a Steuer- und Datenübertragungssystem umfassend, M1b eine Anzahl von benachbart aneinandergereihten E/A-Modulen (100...107), M1c wobei jedes E/A-Modul wenigstens einen E/A-Signalkanal umfasst M1d sowie wenigstens einen ersten Signalanschluss zum Verbinden des E/A-Signalkanals mit einem Datenbus M1e und wenigstens einen zweiten Signalanschluss zum Verbinden eines Busteilnehmers mit dem E/A-Signalkanal, und M1f wobei das System ein Steuer- und/oder Datenübertragungsmodul (300) umfasst,
M1g wobei das Steuer- und/oder Datenübertragungsmodul eine Steuerelektronik zum gezielten Ansteuern der Anzahl von E/A-Modulen umfasst M1h und mit der Anzahl von E/A-Modulen mechanisch miteinander verbunden ist und M1i eine lösbare Einheit mit diesen bildet und M1j wobei die Anzahl von E/A-Modulen vorgesehen ist, um das Datenübertragungsmodul (300) aufzunehmen.“
Der nebengeordnete Patentanspruch 14 in der erteilten Fassung hat mit eingefügten Gliederungszeichen folgenden Wortlaut:
„ M14 Steuer- und/oder Datenübertragungsmodul zur Ansteuerung von E/A-Modulen für ein Steuer- und Datenübertragungssystem,
M14c bei welchem jedes E/A-Modul wenigstens einen E/A-Signalkanal umfasst M14d sowie einen ersten Signalanschluss zum Verbinden des E/A-Signalkanals mit einem Datenbus M14e und zweiten Signalanschluss zum Verbinden eines Busteilnehmers mit dem E/A-Signalkanal M14o und jedes E/A-Modul ferner eine erste Verbindungseinrichtung aufweist, wobei das Steuer- und/oder Datenübertragungsmodul gekennzeichnet ist durch M14p eine Anzahl von komplementär zu den ersten Verbindungseinrichtungen ausgebildeten zweiten Verbindungseinrichtungen,
M14q die zum lösbaren mechanischen Verbinden des Steuer- und/oder Datenübertragungsmoduls mit einer entsprechenden Anzahl von benachbart aneinandergereihten E/A-Modulen am Gehäuse des Steuer- und/oder Datenübertragungsmoduls in einer Reihe angeordnet sind, M14r wobei das Steuer- und/oder Datenübertragungsmodul durch die Anzahl der aneinandergereihten E/A-Module aufnehmbar ist, und M14s eine in dem Gehäuse beherbergte Steuerelektronik zum gezielten Ansteuern von mit dem Steuer- und/oder Datenübertragungsmodul verbundenen E/A-Modulen.“
Wegen weiterer Einzelheiten und des Wortlauts der erteilten Unteransprüche und der jeweiligen Anspruchssätze gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 86 wird auf die Akte verwiesen.
II.
Die gemäß § 73 Abs. 1 PatG statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde der Einsprechenden hat in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zum Widerruf des Streitpatents. Der Gegenstand des Patents ist weder in der erteilten Fassung noch in einer der hilfsweise beantragten Fassungen nach § 3 bzw. § 4 PatG patentfähig.
1. Der Einspruch ist zulässig. Die Zulässigkeit wurde im Übrigen vom Bevollmächtigten der Patentinhaberin auch nicht bestritten.
2. Das Streitpatent betrifft ein „Steuer- und/oder Datenübertragungsmodul“ (vgl. Titel), welches auf benachbart aneinander gereihte E/A-Module (Reihenklemmen) aufgesteckt werden könne. Das Anwendungsgebiet betreffe insbesondere den Bereich der Automatisierungstechnik ([0001]).
Die technische Lehre des Streitpatents gehe davon aus, dass Kleinststeuermodule oder Logikmodule bekannt seien, mit denen in der Automatisierungstechnik mit nur einer Komponente eine große Anzahl an Applikationen im unteren Leistungsbereich realisiert werden könnte ([0003]). Diese Logikmodule seien in nahezu einheitlichen Gehäusen verfügbar, die an den Feldverteiler angepasst würden.
Es sei daher ein Nachteil des Standes der Technik, dass Steuer- und Logikmodule nur für eine feste Anzahl von Ein- und Ausgängen verfügbar seien. Ein weiterer Nachteil sei, dass das gesamte Steuer- und Logikmodul ausgetauscht werden müsse, sollte ein Relais defekt sein ([0007]).
Aus dem Stand der Technik seien weiterhin E/A-Module mit verschiedenen Eigenschaften bekannt, wie Reihenklemmen mit einsteckbarer Elektronik, ein Bussystem nach Art von Reihenklemmen auf einer Tragschiene, sowie modular erweiterbare Controller ([0008] bis [0018]).
Daher solle die Erfindung die Aufgabe lösen, ein System zu schaffen, bei dem eine Vielzahl von Anschlüssen eines kleinen Steuer- und/oder Datenübertragungsmoduls als Ein- oder Ausgänge individuell nutzbar sein solle, einem jeweiligen Ein- oder Ausgang individuell eine E/A-Elektronik zuweisbar sowie eine defekte E/A-Elektronik schnell und einfach austauschbar wäre ([0019] bis [0021]).
3. Als Fachmann ist ein Entwicklungsingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik mit einem Hochschul- oder Fachhochschulabschluss und mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung von industriellen Automatisierungsanlagen anzusehen, der sich von einem Konstrukteur hinsichtlich mechanischer Anordnungen beraten lässt.
4. Zum Verständnis der Patentansprüche 1 und 14
4.1 Das im Patentanspruch 1 beanspruchte Steuer- und Datenübertragungssystem (Merkmal M1a) besteht aus zwei Hauptkomponenten:
1. aus nebeneinander angeordneten Reihenklemmen (E/A-Module; M1b), von denen jede wenigstens einen E/A-Signalkanal aufweist (M1c), mindestens auf der Eingangsseite elektrisch mit einer Datenbusleitung (M1d) und auf der Ausgangsseite mit einem Busteilnehmer (M1e) mittel- oder unmittelbar verbindbar ist (oder umgekehrt), 2. ein Steuer- und/oder Datenübertragungsmodul mit einer Steuerelektronik zum gezielten Ansteuern der E/A-Module (M1g) und den mechanischen Eigenschaften gemäß den Merkmalen M1h und M1i zur Verbindung mit der 1. Hauptkomponente, wobei die E/A-Module (Reihenklemmen) geeignet sein sollen, das Datenübertragungsmodul aufzunehmen (M1j), d.h. die 1. Hauptkomponente kann die 2. Hauptkomponente aufnehmen.
Die Merkmale M1b bis M1e spezifizieren die E/A-Module, die in bestimmter (wählbarer) Anzahl nebeneinander angeordnet sind und nach fachmännischem Verständnis Reihenklemmen bilden. Sie sollen geeignet sein, Busteilnehmer und einen Datenbus mittel- oder unmittelbar anzuschließen. Für den Fachmann ergibt sich aus der Beschreibung ([0039] und [0040]), dass es sich bei den E/A-Modulen insbesondere um an sich bekannte von der Firma P… GmbH & Co. in B…, vertriebene Reihenklemmen handeln kann.
Der Fachmann versteht die Bezeichnung „Steuer- und/oder Datenübertragungsmodul“ (M1f) dahingehend, dass es sich um ein „Modul“ handelt, welches durch die Eigenschaften der Merkmale M1g bis M1i spezifiziert wird. Das von den Parteien diskutierte Verständnis, wonach alternativ auch ein Steuermodul mit einer Steuerungsfunktionalität oder ein Datenmodul mit einer Datenübertragungsfunktionalität beansprucht sein könnte, kann der Senat dem Streitpatent nicht entnehmen. Es werden die Begriffe „Modul (300)“, „Datenübertragungsmodul (300)“, „Steuer- und Datenübertragungsmodul“ bzw. „Steuer- und/oder Datenübertragungsmodul (300)“ in der Beschreibung, insbesondere Absatz [0043] im Zusammenhang mit Figur 2 synonym benutzt. Es handelt sich demnach um eine einzige Ausführungsform: „Steuer- und Datenübertragungsmodul“.
Nach Überzeugung des Senats kann der Fachmann der „Steuerelektronik zum gezielten Ansteuern der Anzahl von E/A-Modulen“ (Merkmal M1g) nur die Eigenschaft zuordnen, dass die Steuerelektronik in der Lage sein soll, die E/A-Module separat anzusteuern. Das Steuer- und Datenübertragungsmodul muss also ein Signal selektiv für bestimmte E/A-Module ausgegeben/empfangen können. Das kann (muss aber nicht) eine Buslogik betreffen. Es kann sich aber auch um eine festverdrahtete Funktionalität handeln, wie z. B. elektronisch schaltbare Einzeldrähte (z. B. acht vom Bz. 342 geschaltete Leitungen für acht E/A-Module, vgl. Ausführungsbeispiel gemäß Fig. 2). Insbesondere erkennt der Fachmann in der beanspruchten Steuerelektronik weder das ausschließliche Erfordernis eines Busmasters noch einer Adressierung in einem Bussystem. Der Senat kann sich der abweichenden Auslegung dieses Merkmals durch das DPMA im angefochtenen Beschluss (S. 12, vorletzter Absatz) sowie durch die Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts in dem im parallelen Verfahren T 1723/13 ergangenen Beschluss vom 30. Januar 2015 (S. 19, Abs. 2), die ohne weitere Begründung erfolgt ist, nicht anschließen. Denn auch die Beschreibung und Zeichnungen enthalten keine weiteren Hinweise auf das „gezielte“ Ansteuern der Anzahl von E/AModulen. Da auch ein Bussystem kein Bestandteil des anspruchsgemäßen Steuer- und Datenübertragungssystems ist, kann der Patentschrift auch keine Beschränkung auf eine Adressierung durch ein Bussystem entnommen werden.
Die Merkmale „mit der Anzahl von E/A-Modulen mechanisch miteinander verbunden ist und eine lösbare Einheit mit diesen bildet“ (M1h, M1i) bedeuten aus fachmännischer Sicht, dass das Steuer- und Datenübertragungsmodul als Baueinheit so ausgestaltet sein soll, dass es eine lösbare mechanische Verbindung mit der Anzahl von E/A-Modulen eingehen kann, was insbesondere als (auch elektrische) Steckverbindung - zu einem Reihenklemmblock als Ganzes oder zu jedem einzelnen E/A-Modul - ausgeführt sein kann.
Das Merkmal M1j („wobei die Anzahl von E/A-Modulen vorgesehen ist, um das Datenübertragungsmodul aufzunehmen“) versteht der Fachmann dahingehend,
dass die E/A-Module in ihrer Reihenanordnung mechanisch geeignet ausgeführt sein müssen, um eine mechanische Verbindung mit dem Steuer- und Datenübertragungsmodul einzugehen, ohne dass dieses selbst tragend auf einer Tragschiene aufgesteckt ist. Somit können die aneinandergereihten E/A-Module das Steuer- und Datenübertragungsmodul umschließen oder auch nur teilweise umgreifen, was auch als Aufstecken ausgeführt sein kann (Fig. 2 i. V. m. [0053], Z. 9 bis 12; [0043], Z. 49 bis 51).
4.2 Das mit Patentanspruch 14 beanspruchte „Steuer- und/oder Datenübertragungsmodul“ wird durch die die E/A-Module betreffenden Merkmale M14c, M14d, M14e, M14o und M14r nicht beschränkt. Diese Merkmale jedes E/A-Moduls können das beanspruchte Steuer- und Datenübertragungsmodul nicht ausgestalten und somit keine beschränkende Wirkung entfalten. Wie zum Verständnis des entsprechenden Merkmals im Patentanspruch 1 ausgeführt, handelt es sich für den Fachmann um eine einzige Ausführungsform des Steuer- und Datenübertragungsmoduls, das mechanische Verbindungsvorrichtungen (Merkmal M14p) und ein Gehäuse (M14q) mit einer Steuerelektronik zum gezielten Ansteuern (M14s) von einzelnen externen Reihenklemmen aufweisen muss, sowie zum Aufstecken auf diese geeignet ist.
5. Stand der Technik
5.1 Die Druckschrift DE 44 38 806 C1 (= D2) betrifft eine modulare Steuerungsanlage mit Busleiter (Titel). Diese bekannte Steuerungsanlage weist mehrere Anschlussscheiben 24 bis 27 auf, von denen mehrere benachbarte Anschlussscheiben 27 zur Übertragung von Daten und Steuersignalen ausgebildet sind (Fig. 1 i. V. m. Fig. 3). Auf die benachbart angeordneten Anschlussscheiben ist ein Elektronikmodul 2 mit Gehäuse und Führungsstegen 18 bzw. 19 aufsteckbar, das mit Rasthaken 17 von den Anschlussscheiben aufgenommen wird (Fig. 1 und Fig. 2 i. V. m. Sp. 10, Z. 39 bis 56).
Die Anschlussscheiben 27 weisen Anschlüsse 8 und 11 auf, die leitend miteinander verbunden sind (Fig. 7, Bz. 46 i. V. m. Sp. 16, Z. 19 bis 43). An die Anschlüsse 8 sind Feldgeräte, insbesondere Aktoren und Sensoren anschließbar. Das Gehäuse mit dem Elektronikmodul weist korrespondierende Ausnehmungen 28 bzw. 29 auf, durch die die Anschlüsse 11 gesteckt werden (Sp. 12, Z. 47 bis 66). Innerhalb des Gehäuses (Elektronikmodul 2) sind Funktionsleiterplatten 40 vorgesehen, die durch korrespondierende Vorsprünge mit den Anschlussdomen 11 der Anschlussscheiben 27 elektrisch verbunden werden. Das Elektronikmodul 2 stellt eine Verbindung der einzelnen parallelen Anschlüsse 11 über die jeweiligen Funktionsleiterplatten zum seriellen Busleiter 13 her (Sp. 3, Z. 40 bis 51).
5.2 Die Druckschrift DE 296 11 543 U1 (= D3) betrifft Reihenklemmenblöcke, die auf einer Tragschiene benachbart aneinander gereiht sind (Fig. 1 i. V. m. S. 5, le. Abs.). Die bekannten Reihenklemmen weisen zumindest zwei Signalanschlüsse auf, die auch zum Anschließen von Busteilnehmern und einem Datenbus für die Automation von Gebäuden oder Maschinen geeignet sind (S. 1, Abs. 2). Zwischen den Signalanschlüssen kann ein Elektronikmodul 4 eingesteckt werden, das ein Baustein unterschiedlicher Bauart sein kann, beispielsweise Relais, Optokoppler, Logikbaustein oder steckbare Leiteranordnung (zum Durchleiten der Signale) (S. 5 letzter Abs. i. V. m. Fig. 1). Das in die Reihenklemme eingesteckte bekannte Elektronikmodul 4 kann mittels eines Kipphebelelements 40 von der Reihenklemme gelöst werden (Anspr. 9 i. V. m. Fig. 3). Diese bekannten Reihenklemmen weisen Brückenschächte 13 bis 16 mit Führungsstegen 35 auf, die zum Aufnehmen von Einzelbrücken 36 oder teilungslosen Brücken 37 vorgesehen sind (Anspr. 12 i. V. m. Fig. 1).
6. Zum Hauptantrag
6.1 Die jeweiligen Gegenstände des Patentanspruchs 1 und 14 gemäß Hauptantrag sind mangels Neuheit (§ 3 PatG) nicht patentfähig.
Mit den Worten des Patentanspruchs 1 ist aus der DE 44 38 806 C1 (= D2) bekannt:
M1a Steuer- und Datenübertragungssystem (Fig. 1 i. V. m. Sp. 8, Z. 49 bis 51; „[…] eine Gesamtansicht des modularen Steuerungssystems mit einem Anschlußblock, einem Elektronikmodul […]“ umfassend,
M1b eine Anzahl von benachbart aneinandergereihten E/A-Modulen (Fig. 1 i. V. m. Fig. 3 und Fig. 7 und Sp. 16, Z. 19 bis 43. Figur 7 zeigt eine Signalleiterscheibe 27, die der Fachmann als anspruchsgemäßes E/AModul versteht. Figur 3 zeigt mehrere benachbarte Signalleiterscheiben 27, die aneinander gereiht sind.),
M1c wobei jedes E/A-Modul wenigstens einen E/A-Signalkanal umfasst (Fig. 7, Bz. 46 i. V. m. Sp. 11, Z. 12 bis 16: Jede Signalleiterscheibe 27 weist einen Signalkanal zwischen den Signalleitersteckanschlüssen 8 und 11 auf.)
M1d sowie wenigstens einen ersten Signalanschluss (Bz. 11 in Fig. 7) zum Verbinden des E/A-Signalkanals mit einem Datenbus (Fig. 7: Der Signalleitersteckanschluss 11 kann über die Platine 40 mit dem Busleiter 13 verbunden werden, ist also zum Verbinden mit einem Datenbus geeignet.)
M1e und wenigstens einen zweiten Signalanschluss (Bz. 8 in Fig. 7) zum Verbinden eines Busteilnehmers (Fig. 3 bzw. Sp. 16, Z. 31 bis 38. Aus Figur 3 erkennt der Fachmann, dass an die Klemmen 8 Sensoren/Aktoren/Initiatoren angeschlossen werden.) mit dem E/A-Signalkanal (Sp. 16, Z. 35: „[…] mittels Kontaktierungsstegen 46 […]“; Fig. 7) und M1f wobei das System ein Steuer- und Datenübertragungsmodul umfasst (Elektronikmodul 2 mit Platinen 40),
M1g wobei das Steuer- und Datenübertragungsmodul eine Steuerelektronik (Platinen 40) zum gezielten Ansteuern der Anzahl von E/A-Modulen umfasst (jede Signalleiterscheibe ist mit einem Platinenstecker verbunden, der in den Signalleiteranschluss 11 gesteckt wird; der Fachmann erkennt eindeutig, dass jede Signalleiterscheibe separat einzeln angesteuert werden kann.)
M1h und mit der Anzahl von E/A-Modulen mechanisch miteinander verbunden ist (Fig. 2 i. V. m. Anspr. 26; Formelemente 28 verrasten mit den Rasthaken 17 an jeder Scheibe) und M1i eine lösbare Einheit mit diesen bildet (Anspr. 1, Sp. 20, Z. 32: „zur lösbaren Anordnung des Elektronikmoduls“; Signalleiterscheiben 27 und Elektronikmodul 2 bilden auch eine Einheit, da das Elektronikmodul mit allen Signalleiterscheiben 27 mechanisch verbunden ist; Fig. 2 i. V. m. Anspr. 26; Formelemente 28 verrasten mit den Rasthaken 17 an jeder Scheibe),
M1j wobei die Anzahl von E/A-Modulen vorgesehen ist, um das Datenübertragungsmodul aufzunehmen (Fig. 1; das Elektronikmodul 2 ist in den Ausnehmungen der aneinander gereihten Signalleiterscheiben aufgenommen).
Somit sind die Merkmale M1a bis M1j für sich und in ihrer Gesamtheit aus der D2 bekannt. Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 ist daher nicht neu.
Die obigen Ausführungen treffen somit auch auf den Gegenstand von Patentanspruch 14 zu, bei dem, wie oben ausgeführt, die Merkmale betreffend die E/A-Module keine beschränkende Wirkung entfalten und somit unberücksichtigt bleiben können. Die das Steuer- und Datenübertragungsmodul betreffenden spezifischen Merkmale M14p, M14q sowie das Gehäuse gemäß Merkmal M14s sind ebenfalls aus der D2 bekannt (vgl. Fig. 1 und Fig. 2 i. V. m. Ausführungen in Ziffer 5.1).
Der Auffassung der Patentinhaberin, dass die Steuerungsanlage der D2 (wie übrigens auch die der Druckschrift DE 44 38 804 C1 (E2)) eine Steuerelektronik im Feldbusanschlußmodul 4 und nicht im Elektronikmodul 2 aufweise, kann sich der Senat nicht anschließen, da bei der aus der D2 bekannten Vorrichtung das Feldbusanschlußmodul 4 eine Bussteuerung aufweisen muss, jedoch eine derartige Bussteuerung nicht Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist (vgl. 4.1) und auch in der Beschreibung der Patentschrift kein Hinweis hierauf zu entnehmen ist.
6.2 Mit den Patentansprüchen 1 und 14 fallen auch die abhängigen Patentansprüche 2 bis 13 und 15 bis 23, da ein Patent nur wie beantragt Bestand haben kann (BGH, Beschluss vom 26. September 1996 - X ZB 18/95, GRUR 1997, 120 m. w. N. - elektrisches Speicherheizgerät).
7. Zu den Hilfsanträgen 1 bis 86 In den Hilfsanträgen 44 bis 86 wird auf die nebengeordneten Patentansprüche betreffend das Steuer- und Datenübertragungsmodul und davon abhängige Unteransprüche verzichtet, d. h. die Patentansprüche 1 der Hilfsanträge 44 bis 86 sind identisch mit den Patentansprüchen 1 der Hilfsanträge 1 bis 43.
Die Hilfsanträge 1 bis 43 betreffen die erteilten Patentansprüche 1 und 14 des Hauptantrags, ergänzt um weitere Merkmalsgruppen, die teils aus den erteilten Unteransprüchen und teils aus der Beschreibung entnommen sind. Zum Wortlaut der Hilfsanträge 1 bis 43 wird auf die Gerichtsakte (Blatt 875 bis 1170) verwiesen.
7.1 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist mangels Neuheit (§ 3 PatG) nicht patentfähig.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 beschränkt den erteilten Patentanspruch 1 um die kennzeichnenden Merkmale der erteilten Unteransprüche 2 und 3 (Gliederungszeichen eingefügt):
U2 „, wobei jedes E/A-Modul ferner eine erste Verbindungseinrichtung (130) aufweist, und das Steuer- und/oder Datenübertragungsmodul eine Anzahl von komplementär zu den ersten Verbindungseinrichtungen ausgebildeten zweiten Verbindungseinrichtungen (330) aufweist, die zum lösbaren mechanischen Verbinden des Steuer- und/oder Datenübertragungsmoduls (300) mit einer entsprechenden Anzahl von benachbart aneinandergereihten E/A-Modulen (100 ... 107) am Gehäuse des Steuer- und/oder Datenübertragungsmoduls (300) in einer Reihe angeordnet sind, und wobei“
U3 „das Steuer- und/oder Datenübertragungsmodul ferner eine entsprechende Anzahl von dritten, der Steuerelektronik zugeordneten Signalanschlüsse aufweist, wobei die Anzahl der dritten Signalanschlüsse und die Anzahl der zweiten Verbindungseinrichtungen derart zueinander angeordnet sind, dass beim Verbinden des Steuer- und/oder Datenübertragungsmoduls mit der Anzahl von E/A-Modulen sich jeweils ein dritter Signalanschluss mit jeweils einem ersten Signalanschluss oder sich jeweils ein dritter Signalanschluss mit jeweils einem zweiten Signalanschluss paart.“
Beide Merkmalskomplexe sind aus der DE 44 38 806 C1 (D2) bekannt. Die bekannten Anschlussscheiben 27 weisen Formelemente als Rasthaken 17 (entspr. erste Verbindungseinrichtungen) auf, die korrespondierende Ausnehmungen 28 (entspr. korrespondierende zweite Verbindungseinrichtungen) des Gehäuses des Elektronikmoduls 2 durchdringen und mit diesen zusammenwirken (Anspr. 26 i. V. m. Fig. 2). Weiterhin kontaktieren die bekannten Funktionsleiterplatten mit den Signalanschlüssen 11 beim Aufstecken des Elektronikmoduls auf die Anschlussscheiben (Sp. 11, Z. 16 bis 22, entsprechend dem Merkmal U3 in der ersten Oder-Variante).
7.2 In den jeweiligen Patentanspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 43 sind insgesamt sieben Merkmalsgruppen in unterschiedlichen Kombinationen aufgenommen (vgl.
Eingaben des Bevollmächtigten der Patentinhaberin vom 17. und 24. Februar 2016), d. h. der jeweilige Patentanspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 43 weist die Merkmale M1a bis M1g des erteilten Patentanspruchs 1 des Hauptantrags auf und wird um die Merkmalsgruppen H1, H2, H2A, H2B, H2C, H3, H4 und H5 bzw. Kombinationen dieser Merkmalsgruppen ergänzt, wobei die Merkmalsgruppen folgendermaßen lauten:
H1 umfasst die kennzeichnenden Merkmale der erteilten Unteransprüche 2 und 3, vgl. Hilfsantrag 1, siehe Ziffer 7.1 H2 „, wobei die E/A-Module eine jeweils zwischen dem ersten und zweiten Signalanschluss angeordnete E/A-Elektronik (110 ... 117) umfassen.“ Das Merkmal H2 entspricht dem kennzeichnenden Merkmal des erteilten Unteranspruchs 10. Der Fachmann versteht darunter, dass eine E/A-Elektronik im Signalkanal eines jeden E/A-Moduls angeordnet sein soll, wobei die Beschreibung beispielhaft Relais, Optokoppler, PLCs oder einfache Signaldurchleitungen nennt ([0032]).
H2A nach dem Merkmal H2 eingefügt: „,mit welcher die E/A-Module jeweils individuell bestückbar sind.“ Der Fachmann versteht das Merkmal H2A dahingehend, dass die E/A-Elektronik gemäß Merkmal H2 in jedem E/AModul eine unterschiedliche Funktionalität aufweisen kann.
H2B „,programmierbare“ [Steuerelektronik zum gezielten Ansteuern der Anzahl von E/A-Modulen umfasst und mit der Anzahl von E/A-Modulen mechanisch miteinander verbunden ist und eine lösbare Einheit mit diesen bildet und wobei die Anzahl von E/A-Modulen vorgesehen ist, um das Datenübertragungsmodul (300) aufzunehmen] „, wobei die E/AModule eine jeweils zwischen dem ersten und zweiten Signalanschluss angeordnete E/A-Elektronik (110 ... 117) umfassen, mit welcher die E/A-Module jeweils individuell bestückbar sind, und über ein Programm an der programmierbaren Steuerelektronik einstellbar ist, dass die individuell mit einer E/A-Elektronik bestückten E/A-Module von der Steuerelektronik benutzbar sind.“
H2C „, wobei die E/A-Module eine jeweils zwischen dem ersten und zweiten Signalanschluss angeordnete E/A-Elektronik (110 ... 117) umfassen, deren Verbindung zu dem jeweiligen E/A-Modul lösbar ist, so dass eine E/A-Elektronik auch ohne Austausch eines E/A-Moduls austauschbar ist.“
Die Merkmalsgruppen H2A, H2B und H2C sind aus der Zusammenschau der Absätze [0019], [0028], [0032] und [0049] der Streitpatentschrift entnommen.
H3 eingefügt in das Merkmal M1g: „in einem Gehäuse beherbergte“ [Steuerelektronik] sowie das Merkmal M1j ersetzt durch: „wobei die Anzahl von E/A-Modulen vorgesehen ist, um das Gehäuse des Datenübertragungsmoduls (300) tragend aufzunehmen“. Der Fachmann versteht darunter, dass sich die Steuerelektronik innerhalb des Gehäuses des Steuer- und Datenübertragungsmoduls befinden soll und die E/AModule so ausgestaltet sein sollen, dass sie das Gehäuse als Ganzes (im Sinne von aufgesteckt) tragen können. Eine Dimensionierung der Höhe, Breite, Länge oder Form des Gehäuses ist damit nicht verbunden.
H4 „und wobei das Steuer- und/oder Datenübertragungsmodul eine Auswurfeinrichtung zum manuellen Lösen der Verbindung zwischen dem Steuer- und/oder Datenübertragungsmodul und der Anzahl von E/AModulen aufweist.“ Der Fachmann versteht hierbei, dass die Auswurfeinrichtung Teil des Steuer- und Datenübertragungsmoduls sein soll und auf ein Werkzeug, wie Schraubenzieher o. ä. zum leichten Lösen der Verbindung verzichtet werden kann.
H5 [jedes E/A-Modul ferner eine durch] „Schlitze oder Brückenschächte bereitgestellte“ [erste Verbindungseinrichtung (130) aufweist], und „als Stege“ [ausgebildeten zweiten Verbindungseinrichtungen] sowie nach dem Merkmal H4 eingefügt: „, mit welcher durch manuelle Betätigung eines Schwenkhebels die Stege aus den Brückenschächten wieder heraus bewegt werden können, so dass die Verbindung jederzeit wieder lösbar ist und wobei die Stege zu in den Brückenschächten angeordneten, als die ersten oder zweiten Signalanschlüsse ausgebildeten Steckkontakten komplementäre steckbare, als die dritten Signalanschlüsse ausgebildete Kontaktanschlüsse aufweisen.“ Die Auswurfeinrichtung des Merkmals H4 ist hier als Schwenkhebel präzisiert, der die lösbare Verbindung zwischen E/A-Modulen und Steuer- und Datenübertragungsmodul durch Hebelwirkung lösen soll.
In der folgenden Matrix sind die Hilfsanträge 1 bis 43 mit den zugehörigen Kombinationen (Permutationen) dieser Merkmalsgruppen zusammengestellt (dabei geben die runden Klammern an, dass die Merkmalsgruppe auch in einer weiteren Merkmalsgruppe enthalten ist, z. B. H2 in H2C oder H2A in H2B):
Merkmal H1 H2 H2A H2B H2C H3 H4 H5 Hilfsantrag
1x
2x
3x x
4X Xx
(x) (x) x
(x) x xX xXx x (x) (x) x Merkmal H1 H2 H2A H2B H2C H3 H4 H5 Hilfsantrag
11 x (x) x x x x
13 xx x
14
(x) (x) x x*
(x) x x x x x x x x x
18 x (x) (x) x x
19 x (x) x xx x x xx x x x x X x x x (x) (x) x x x (x) x x x x xx
27 xx xx
28
(x) (x) x xx
(x) x x x x x xx x x x xx
32 x (x) (x) x xx
33 x (x) x xxx x xx x x x x**
x x x x x**
x x x x x**
x (x) (x) x x x**
x (x) x x x x**
x x x x**
41 xx x x x**
Merkmal H1 H2 H2A H2B H2C H3 H4 H5 Hilfsantrag
42
(x) (x) x x x x**
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*Das Merkmal H3 wurde nicht vollständig in den Hilfsantrag 14 aufgenommen (Gehäuse fehlt). Es handelt sich wohl um einen offensichtlichen Fehler, der auf das Verständnis des Patentanspruchs keine Auswirkungen hat. **Das Merkmal H5 wurde nicht vollständig in die Hilfsanträge 35 bis 43, aufgenommen (Stege, Schlitze und Brückenschächte fehlen teilweise). Es handelt sich wohl um einen offensichtlichen Fehler.
7.3 Die jeweiligen Steuer- und Datenübertragungssysteme der Patentansprüche 1 der Hilfsanträge 2 bis 86 sind mangels Beruhens auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG) nicht patentfähig.
Ausgangspunkt für die Entwicklung eines Steuer- und Datenübertragungssystems sind im vorliegenden Fall für den Fachmann die aus der DE 296 11 543 U1 (D3) bekannten Reihenklemmen, auf die auch die Patentbeschreibung verweist (vgl. Abs. [0010]). Derartige Reihenklemmen (= E/A-Module) existieren bereits in vielfältigen Ausführungen bei Kunden (im Feld), was die Bevollmächtigte der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung bestätigte.
Diese aus der D3 bekannten Reihenklemmen sind in Übereinstimmung mit den Anspruchsgegenständen benachbart aneinander gereiht und weisen mindestens zwei Signalanschlüsse mit dazwischenliegendem Signalkanal auf (entspr. Merkmale M1b bis M1e). Der Fachmann erkennt, dass diese bekannten Signalanschlüsse geeignet sind, einen Datenbus sowie Busteilnehmer (Aktoren und Sensoren, vgl. D3: S. 1, drittletzte Zeile) anzuschließen. Die bekannten E/A-Module weisen jeweils ein Elektronikmodul 4 auf (entspr. Merkmalsgruppe H2), welches unterschiedlicher Bauart - wie Relais, Optokoppler, Logik-Baustein - sein kann
- 22 (entspr. Merkmalsgruppe H2A, H2B teilw.)(Fig. 1 i. V. m. S. 5, le. Abs.). Das bekannte Elektronikmodul 4 kann mittels eines Kipphebelelements 40 ausgetauscht werden, ohne die Reihenklemme von der Tragschiene zu lösen (entspr. Merkmalsgruppe H2C)(Fig. 1 i. V. m. Anspr. 9). Die bekannten Reihenklemmen weisen in weiterer Übereinstimmung mit dem Anspruchsgegenstand Brückenschächte auf (entspr. Merkmalsgruppe H5 teilw.), in die Verbindungsstege eingesteckt werden können (Fig. 2 u. 6 i. V. m. Anspr. 12). Mechanisch und elektrisch unterscheiden sich die Reihenklemmen der D3 nicht von den E/A-Modulen des Ausführungsbeispiels in der Streitpatentschrift, die vom Wortlaut der Patentansprüche umfasst sind; die Gegenüberstellung der jeweiligen Figuren 1 macht dies deutlich:
Bei diesen aus der D3 bekannten E/A-Modulen stellt sich dem Fachmann in der Praxis das Problem, dass jeweils ein erheblicher Verkabelungsaufwand besteht, um diese E/A-Module einzeln anzusteuern. Dieses Problem stellt sich auch in der DE 44 38 806 C1 (D2) (vgl. Sp. 1, Abs. 3 und 4).
Dort wird das Problem durch ein Elektronikmodul 2 zur Ansteuerung von Reihenklemmen (E/A-Module) gelöst, das auf diese lösbar aufsteck- und somit anschließbar ist (Rasthaken 17 und Ausnehmungen 28 im Gehäuse des Elektronikmoduls).
Da der Fachmann die aus der D3 bekannten und beim Kunden bereits eingesetzten benachbart angeordneten E/A-Module aus Kostengründen nicht mehr verändern bzw. austauschen kann, ist es für ihn naheliegend, das aus der D2 bekannte aufsteckbare Elektronikmodul 2 mit Ansteuerung für E/A-Module an seine Bedürfnisse, also an die bereits im Einsatz befindlichen E/A-Module anzupassen, was der Bevollmächtige der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung im Zusammenhang mit dem Gegenstand von Patentanspruch 14 des Hauptantrags bestätigte.
Die Anspruchsgegenstände, die die Merkmalsgruppen H2, H2A und H2C enthalten (betreffend nur eine Ausgestaltung der E/A-Module), sind dem Fachmann somit nahegelegt, da diese Merkmalsgruppen aus der D3 bekannt sind.
Die Aufnahme der Merkmalsgruppe H2B kann eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen, da einerseits - soweit die Ausgestaltung der E/A-Module betroffen ist diese Ausgestaltung aus der D3 bekannt ist, und es andererseits im Bereich des fachmännischen Handelns liegt, insbesondere im Umfeld programmgesteuerter Automatisierungstechnik, eine Steuerelektronik programmierbar zu gestalten. Nähere Angaben zur Umsetzung dieser „Aufgabe“ in der Steuerelektronik sind weder den Patentansprüchen (insbesondere Anspr. 7, 15) noch der Patentbeschreibung (insbesondere [0027], [0033], [0045], [0049] bis [0051]) zu entnehmen.
Das Aufnehmen der Merkmalsgruppe H3 in den Patentanspruch 1 des Hauptantrags (vgl. Hilfsantrag 2) kann eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen, da die D2 ein Gehäuse zeigt, in dem sich die dortige Steuerelektronik befindet.
Das Aufnehmen der Merkmalsgruppe H4 in den Patentanspruch 1 des Hauptantrags (vgl. Hilfsantrag 20) kann eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen. Das aus der D3 bekannte Elektronikmodul 4 kann mit einem Auswurfhebel („Kipphebelelement 40“) gelöst werden (Anspr. 9; siehe auch Ziffer 5.2). Dies auch für ein weiteres Modul mit Steuerelektronik vorzusehen, das ebenfalls an die E/A-Module aufgesteckt wird, betrifft lediglich ein Mittel der Wahl, das der Fachmann bei Bedarf vorsehen wird, wenn der spezifische Einbauraum ein Greifen mit den Fingern oder die Benutzung eines separaten Werkszeugs unkomfortabel macht. Dies betrifft auch die konkrete Ausgestaltung als Schwenkhebel.
Die Aufnahme der Merkmalsgruppe H5 in den Patentanspruch 1 des Hauptantrags kann ebenfalls keine erfinderische Tätigkeit begründen. Die aus der D3 bekannten E/A-Module weisen Brückenschlitze mit Federklemmen auf, die Stege aufnehmen können (Fig. 2 und 3, Bz. 13 und 18). Ebenso ist aus der D2 bekannt, das Gehäuse des Elektronikmoduls 2 mit korrespondierenden Formelementen zu versehen, die in die Rasthaken 17 der Anschlussscheiben 27 eingreifen. Der Fachmann wird - wie oben ausgeführt - das aus der D2 bekannte Elektronikmodul 2 an die geometrischen Verhältnisse der bekannten E/A-Module gemäß der D3 anpassen, um das Elektronikmodul aufsteckbar mit der Anzahl der E/A-Module zu kontaktieren.
Die Hilfsanträge, die eine der Merkmalsgruppen H1, H2, H2A, H2B, H2C, H3, H4 oder H5 enthalten, sind daher nicht patentfähig. Auch eine beliebige, durch Permutation einzelner Merkmalsgruppen entstandene Kombination von Merkmalskomplexen, wie in den Hilfsanträgen 3 bis 19 und 21 bis 43, kann die notwendige erfinderische Tätigkeit nicht begründen, da einerseits die einzelnen Merkmalsgruppen aus den Druckschriften D2 und D3 bekannt bzw. für den Fachmann auf Grund seiner Fachkenntnisse nahegelegt sind, und andererseits eine synergistische Wirkung zwischen den einzelnen Merkmalsgruppen nicht erkennbar ist. Im Übrigen wurde hierzu vom Bevollmächtigten der Patentinhaberin auch nichts vorgetragen, da er jede der eingereichten Kombinationen von Anspruchssätzen (entstanden aus Kombinationen der H1, H2, H2A, H2B, H2C, H3, H4 und H5) pauschal für sich gesehen als erfinderisch ansieht (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29. Februar 2016).
Die jeweiligen Patentansprüche 1 der Hilfsanträge 2 bis 43 sind daher mangels erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig.
Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die Patentansprüche 1 einzelner Hilfsanträge auch mangels Neuheit gegenüber der D2 nicht patentfähig sind.
7.4 Mit den Patentansprüchen 1 der Hilfsanträge 1 bis 43 fallen auch die weiteren unabhängigen Patentansprüche und die hiervon abhängigen Patentansprüche, da ein Patent nur wie beantragt Bestand haben kann (BGH, Beschluss vom 26. September 1996 – X ZB 18/95, GRUR 1997, 120 m. w. N. - elektrisches Speicherheizgerät). Die Hilfsanträge 44 bis 86 teilen das Schicksal der Hilfsanträge 1 bis 43.
7.5 Ferner kann dahingestellt bleiben, ob die Gegenstände der Merkmalsgruppen H2A, H2B, H2C, H3, H4 und H5 und jede der beanspruchten Kombinationen über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichten Fassung hinausgehen.
8. Die vom Bevollmächtigten der Patentinhaberin hilfsweise beantragte Zurückverweisung an das Deutsche Patent- und Markenamt gemäß § 79 Abs. 3 PatG kam nicht in Betracht, da der Senat abschließend entscheiden konnte.
9. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand kein Anlass. Die Rechtsfrage, zu der die Rechtsbeschwerde nach Ansicht des Bevollmächtigten der Patentinhaberin zugelassen werden sollte, lässt sich dahingehend zusammenfassen, ob der Senat eine unzulässige Erweiterung, die bisher nicht im Verfahren als Widerrufsgrund eingeführt worden ist, im Hinblick auf die BGH-Entscheidungen Alu- minium-Trihydroxid und Winkelmesseinrichtung ohne Zustimmung der Patentinhaberin aufgreifen darf und das Merkmal mit der unzulässigen Erweiterung bei der Prüfung auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit unberücksichtigt lassen kann. Unabhängig davon, ob es sich hierbei um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt, war über diese Frage vorliegend nicht zu entscheiden, so dass eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 100 Abs. 2 Nr. 1 PatG nicht in Betracht kam. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert vorliegend nicht eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (§ 100 Abs. 2 Nr. 2 PatG).
Rechtsbehelfsbelehrung Gegen diesen Beschluss des Beschwerdesenats steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten die Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Absatz 2, § 100 Absatz 1, § 101 Absatz 1 des Patentgesetzes). Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist
(§ 100 Absatz 3 des Patentgesetzes).
Die Rechtsbeschwerde ist beim Bundesgerichtshof einzulegen (§ 100 Absatz 1 des Patentgesetzes). Sitz des Bundesgerichtshofes ist Karlsruhe (§ 123 GVG).
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof schriftlich einzulegen (§ 102 Absatz 1 des Patentgesetzes). Die Postanschrift lautet: Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe. Sie kann auch als elektronisches Dokument eingereicht werden (§ 125a Absatz 2 des Patentgesetzes in Verbindung mit der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV) vom 24. August 2007 (BGBl. I S. 2130)). In diesem Fall muss die Einreichung durch die Übertragung des elektronischen Dokuments in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes erfolgen (§ 2 Absatz 2 BGH/BPatGERVV). Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass der Beschluss auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 101 Absatz 2 des Patentgesetzes). Die Rechtsbeschwerde ist zu begründen. Die Frist für die Begründung beträgt einen Monat; sie beginnt mit der Einlegung der Rechtsbeschwerde und kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden (§ 102 Absatz 3 des Patentgesetzes). Die Begründung muss enthalten:
1. die Erklärung, inwieweit der Beschluss angefochten und seine Abänderung oder Aufhebung beantragt wird;
2. die Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm; 3. insoweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben
(§ 102 Absatz 4 des Patentgesetzes).
Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen (§ 102 Absatz 5 des Patentgesetzes).
Dr. Mayer Dorn Albertshofer Bieringer Hu