XII ZB 216/24
BUNDESGERICHTSHOF XII ZB 216/24 BESCHLUSS vom 2. Oktober 2024 in der Betreuungssache Nachschlagewerk: ja BGHZ:
nein BGHR:
ja JNEU:
nein VBVG §§ 7 Abs. 1, 18, 19 Abs. 1; BtOG §§ 19 Abs. 2, 32 Abs. 1 und 2, 33 Zu den Voraussetzungen der Entstehung eines Vergütungsanspruchs für die Tätigkeit als Berufsbetreuer nach dem ab dem 1. Januar 2023 geltenden Vergütungsrecht.
BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2024 - XII ZB 216/24 - LG Halle AG Naumburg ECLI:DE:BGH:2024:021024BXIIZB216.24.0 Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. Oktober 2024 durch den Vorsitzenden Richter Guhling, die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Dr. Günter und Dr. Nedden-Boeger und die Richterin Dr. Pernice beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 9. Januar 2024 wird auf Kosten der weiteren Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Wert: 633 €
Gründe: I.
Die Beteiligte zu 1 begehrt die Festsetzung einer Vergütung für ihre Tätigkeit als Betreuerin.
Mit Beschluss vom 8. Dezember 2022 bestellte das Amtsgericht die Beteiligte zu 1 mit Wirkung zum 1. Januar 2023 als Betreuerin für die Betroffene. Mit weiterem Beschluss vom 2. Januar 2023 stellte es fest, dass die Beteiligte zu 1, die zuvor keine berufsmäßigen Betreuungen geführt hatte, die ihr übertragene Betreuung ab dem 1. Januar 2023 berufsmäßig führt. Am 1. Juni 2023 wurde die Beteiligte zu 1 auf ihren Antrag als Berufsbetreuerin registriert.
Mit Schreiben vom 6. April 2023 hat die Beteiligte zu 1 beantragt, für sie eine Vergütung als Berufsbetreuerin nach dem Gesetz über die Vergütung von Vormündern und Betreuern (Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz - VBVG) in Höhe von 633 € für den Zeitraum vom 2. Januar bis zum 1. April 2023 festzusetzen. Das Amtsgericht hat den Vergütungsantrag zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beteiligte zu 1 ihren Vergütungsantrag weiter.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Beteiligte zu 1 sei für die von ihr in der verfahrensgegenständlichen Zeit erbrachte Tätigkeit nicht als Berufsbetreuerin zu vergüten, weil eine solche Vergütung nur beruflichen Betreuern zuteilwerde, mithin natürlichen Personen, die rechtliche Betreuungen führten und entweder als Berufsbetreuer registriert seien oder als vorläufig registriert gälten. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Insbesondere greife nicht die Fiktion einer vorläufigen Registrierung nach § 32 Abs. 1 Satz 6 BtOG, weil die Beteiligte zu 1 im Dezember 2022 erstmals mit Wirkung zum 1. Januar 2023 als Berufsbetreuerin bestellt worden sei, sie also gerade nicht bereits vor dem 1. Januar 2023 berufsmäßig Betreuungen geführt habe. Auch eine analoge Anwendung des § 19 Abs. 1 VBVG scheide aus, weil sich diese Regelung auf den Sonderfall beziehe, dass ein bereits vor dem 1. Januar 2023 beruflich tätiger Betreuer mit weniger als drei Jahren Berufserfahrung registriert worden sei. Aus dem letzten Satz der Regelung ergebe sich zudem, dass die Behandlung als beruflicher Betreuer in jedem Fall dessen Registrierung voraussetze.
Auch unter Vertrauensschutzgesichtspunkten bei Berücksichtigung der Möglichkeit einer vorläufigen Registrierung nach § 33 BtOG und des Grundrechts der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG komme eine weite Auslegung der genannten Vorschriften nicht in Betracht. Soweit nach der Darstellung der Beteiligten zu 1 eine vorläufige Registrierung an dem Versäumnis des Landesgesetzgebers gescheitert sei, rechtzeitig zum 1. Januar 2023 ein Ausführungsgesetz zum Betreuungsorganisationsgesetz zu erlassen, rechtfertige dies nicht, eine rechtzeitige vorläufige Registrierung der Beteiligten zu 1 zu fingieren. Dem stehe schon entgegen, dass der Behörde nach § 33 Satz 1 BtOG ein Ermessen zukomme. Überdies sei eine Verpflichtung des Landesgesetzgebers, zum 1. Januar 2023 ein solches Ausführungsgesetz zu schaffen, auch nicht evident. Schließlich ändere die Feststellung des Amtsgerichts vom 2. Januar 2023, dass die Beteiligte zu 1 die Betreuung berufsmäßig führe, nichts daran, dass es an der erforderlichen Registrierung gefehlt habe.
2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand.
a) Gemäß § 1875 Abs. 2 BGB bestimmt sich die Vergütung der beruflichen Betreuer nach dem Gesetz über die Vergütung von Vormündern und Betreuern (Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz - VBVG). Ein etwaiger Anspruch der Beteiligten zu 1 auf Vergütung als Berufsbetreuerin für den geltend gemachten Zeitraum richtet sich dabei nach dem Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz in der ab dem 1. Januar 2023 geltenden Fassung. Maßgeblich ist insoweit nach der Übergangsregelung in § 18 VBVG, wonach (nur) auf Vergütungsansprüche für Leistungen, die vor dem 1. Januar 2023 erbracht wurden, bis zum Ende des angefangenen Abrechnungsmonats das Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz in der bisherigen Fassung anzuwenden ist, allein die Zeit der Leistungserbringung. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde kommt es danach für die Voraussetzungen einer Betreuervergütung für die Zeit vom 2. Januar bis zum
1. April 2023 von vornherein nicht darauf an, dass der Beschluss, mit dem die Beteiligte zu 1 zur Betreuerin der Betroffenen bestellt wurde, auf den 8. Dezember 2022 datiert.
Auch wenn dieser Beschluss unter Geltung des bis 31. Dezember 2022 anwendbaren Rechts ergangen ist, ist die Beteiligte zu 1 aufgrund der darin angeordneten Befristung überdies erst zum 1. Januar 2023 als Betreuerin bestellt worden. Die Berufsmäßigkeit ihrer Tätigkeit ist nachträglich am Folgetag festgestellt worden, so dass die Rechtswirkungen der Betreuerbestellung ohnehin erst nach Inkrafttreten des Gesetzes über die Vergütung von Vormündern und Betreuern in der ab dem 1. Januar 2023 geltenden Fassung eingetreten sind.
b) Gemäß § 7 Abs. 1 VBVG kann ein beruflicher Betreuer im Sinne des § 19 Abs. 2 BtOG, der selbständig rechtliche Betreuungen führt, vom Betreuten Vergütung und Aufwendungsersatz nach Maßgabe der §§ 8 bis 12, 15 und 16 VBVG verlangen. Voraussetzung für die Festsetzung der dort bestimmten Vergütung ist mithin, wie auch das Beschwerdegericht der Sache nach zutreffend zugrunde gelegt hat, dass der Betreuer Berufsbetreuer im Sinne der § 7 Abs. 1 VBVG und § 19 Abs. 2 BtOG ist. Berufliche Betreuer sind dabei nach der Legaldefinition des § 19 Abs. 2 BtOG natürliche Personen, die selbständig oder als Mitarbeiter eines anerkannten Betreuungsvereins rechtliche Betreuungen führen und nach § 24 BtOG registriert sind oder zumindest gemäß § 32 Abs. 1 Satz 6 BtOG als vorläufig registriert gelten.
Nach § 32 Abs. 1 Satz 6 BtOG gelten die in § 32 Abs. 1 Satz 1 BtOG genannten Betreuer für die Zeit nach Inkrafttreten der neuen Vergütungsregelungen des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes am 1. Januar 2023 bis zur Entscheidung über ihren Antrag auf Registrierung, der gemäß § 32 Abs. 1 Satz 5 BtOG innerhalb von sechs Monaten nach dem 1. Januar 2023 zu stellen war, als vorläufig registriert. Aufgrund der Bezugnahme in § 32 Abs. 1 Satz 6 BtOG auf Satz 1 der Regelung gelten damit aber nur solche Betreuer als vorläufig registriert, die bereits vor dem 1. Januar 2023 berufsmäßig Betreuungen geführt haben und weiterhin führen. Hierdurch ist gewährleistet, dass nur Personen vorläufig als Berufsbetreuer gelten, von denen aufgrund ihrer bereits vor dem 1. Januar 2023 erbrachten Tätigkeit als Berufsbetreuer von einer gewissen Sachkunde und Erfahrung auszugehen ist, und daher die vorläufige Registrierung als Berufsbetreuer verantwortet werden kann. Während die nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 BtOG erforderliche Sachkunde bei Betreuern, die zum 1. Januar 2023 bereits seit mindestens drei Jahren berufsmäßig Betreuungen geführt haben, vermutet wird (§ 32 Abs. 2 Satz 1 BtOG), haben diejenigen Betreuer, die zum 1. Januar 2023 bis zu drei Jahre lang berufsmäßig Betreuungen geführt haben, den nach § 24 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 BtOG erforderlichen Sachkundenachweis bis zum 30. Juni 2025 zu erbringen (§ 32 Abs. 2 Satz 2 und 3 BtOG). Betreuer, die nach Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 2023 erstmalig als berufliche Betreuer tätig werden, haben sich dagegen regulär registrieren zu lassen (vgl. BT-Drucks. 19/24445 S. 366, 393), bevor sie als Berufsbetreuer anzusehen sind und entsprechende Vergütungsansprüche erwerben können (vgl. auch LG Lübeck BtPrax 2024, 66, 67).
c) Die vorgenannten Voraussetzungen für eine Vergütung als Berufsbetreuerin erfüllt die Beteiligte zu 1, wie das Beschwerdegericht zu Recht angenommen hat, nicht. Sie war weder im verfahrensgegenständlichen Zeitraum als Berufsbetreuerin registriert noch greift die Fiktion des § 32 Abs. 1 Satz 6 BtOG zu ihren Gunsten ein, da sie vor dem 1. Januar 2023 noch nicht als Berufsbetreuerin tätig gewesen ist. Anderes gilt entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde insbesondere nicht etwa deshalb, weil die Beteiligte zu 1 bereits mit Beschluss vom 8. Dezember 2022 mit Wirkung zum 1. Januar 2023 als Betreuerin für die Betroffene bestellt worden ist. Denn für den Vergütungsanspruch nach § 7 Abs. 1 VBVG iVm §§ 19 Abs. 2, 32 Abs. 1 Satz 1 und 6 BtOG kommt es nicht auf die Bestellung als Berufsbetreuer an, sondern allein auf die Registrierung oder deren Fiktion nach § 32 Abs. 1 Satz 6 BtOG, die ihrerseits an eine Tätigkeit als Berufsbetreuer vor dem 1. Januar 2023 anknüpft (insoweit missverständlich Jürgens/Luther Betreuungsrecht 7. Aufl. § 18 VBVG Rn. 3).
d) Ein Vergütungsanspruch der Beteiligten zu 1 ergibt sich auch nicht aufgrund einer verfassungskonformen Auslegung des § 7 Abs. 1 VBVG iVm § 19 Abs. 2 BtOG. Denn eine verfassungskonforme Auslegung findet dort ihre Grenze, wo sie zum Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde. Der Respekt vor dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber verbietet es, im Wege der Auslegung einem nach Sinn und Wortlaut eindeutigen Gesetz einen entgegengesetzten Sinn beizulegen oder den normativen Gehalt einer Vorschrift grundlegend neu zu bestimmen (Senatsbeschlüsse vom 8. November 2023 - XII ZB 459/22 - FamRZ 2024, 213 Rn. 36 mwN und vom 13. Mai 2020 - XII ZB 427/19 - FamRZ 2020, 1275 Rn. 37 mwN). Nicht nur der gesetzlichen Regelung, sondern auch der Gesetzesbegründung ist klar zu entnehmen, dass Betreuer, die am 1. Januar 2023 noch keine beruflichen Betreuungen geführt haben, erst ab ihrer Registrierung berufliche Betreuer im Sinne der §§ 7 ff. VBVG und § 19 Abs. 2 BtOG sind und als solche Vergütungsansprüche haben.
e) Auch die Möglichkeit einer analogen Anwendung der Übergangsregelung in § 19 Abs. 1 VBVG, die für Berufsbetreuer geschaffen wurde, die bis einschließlich 1. Januar 2023 seit weniger als drei Jahren berufliche Betreuungen geführt haben, hat das Beschwerdegericht zu Recht verneint. Es fehlt insoweit bereits an einer unbeabsichtigten Regelungslücke, weil die §§ 7 ff. VBVG und §§ 19 Abs. 2, 32 Abs. 1 BtOG eine ausdrückliche und abschließende Regelung über die Entstehung von Vergütungsansprüchen für die Tätigkeit als Berufsbetreuer enthalten. Nicht nur der gesetzlichen Regelung, sondern auch der Gesetzesbegründung ist klar zu entnehmen, dass Betreuer, die am 1. Januar 2023 noch keine beruflichen Betreuungen geführt haben, erst ab ihrer Registrierung berufliche Betreuer im Sinne der §§ 7 ff. VBVG und § 19 Abs. 2 BtOG sind und als solche Vergütungsansprüche erwerben können. Es fehlt insoweit zudem an einer vergleichbaren Interessenlage, weil bei einem Betreuer, der vor dem 1. Januar 2023 als Berufsbetreuer bestellt wurde, ohne indes zuvor berufliche Betreuungen geführt zu haben, gerade nicht ohne Weiteres - auch wenn bereits Sachkundenachweise vorgelegt wurden - gewährleistet ist, dass er die fachliche Eignung und erforderliche Erfahrung besitzt, um eine vorläufige Registrierung als Berufsbetreuer verantworten zu können.
f) Schließlich lässt sich der geltend gemachte Vergütungsanspruch nicht aus Vertrauensschutzgesichtspunkten herleiten. Die Beteiligte zu 1 konnte aufgrund des Beschlusses, mit dem die Berufsmäßigkeit ihrer Betreuertätigkeit festgestellt worden ist, schon kein schutzwürdiges Vertrauen in die Entstehung eines Vergütungsanspruchs bilden. Denn diese Feststellung war nach der ab dem 1. Januar 2023 geltenden Rechtslage, die ihr bekannt sein musste, bereits keine hinreichende Voraussetzung für die Entstehung eines Vergütungsanspruchs. Danach kommt es nicht mehr darauf an, dass Vertrauensschutz zwar einer Rückforderung von überzahlter Vergütung entgegenstehen (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Dezember 2019 - XII ZB 129/19 - FamRZ 2020, 453 Rn. 17 mwN), aber aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit von vornherein nicht Grundlage für einen gesetzlich nicht vorgesehenen, im Vergütungsfestsetzungsverfahren zu berücksichtigenden Anspruch eines Betreuers sein kann (vgl. Senatsbeschluss vom 2. März 2016 - XII ZB 196/13 - FamRZ 2016, 1072 Rn. 10; vgl. auch Senatsbeschluss vom 30. August 2017 - XII ZB 562/16 - FamRZ 2017, 1846 Rn. 19).
Guhling Nedden-Boeger Klinkhammer Pernice Günter Vorinstanzen: AG Naumburg, Entscheidung vom 20.07.2023 - 5 XVII 366/12 LG Halle, Entscheidung vom 09.01.2024 - 1 T 213/23 -