2 StR 479/24
BUNDESGERICHTSHOF StR 479/24 BESCHLUSS vom 25. März 2025 in der Strafsache gegen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
ECLI:DE:BGH:2025:250325B2STR479.24.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – am 25. März 2025 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, entsprechend § 354 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 29. April 2024 a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte schuldig ist des sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Besitz kinderpornographischer Inhalte und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit Herstellen kinderpornographischer Schriften, des Herstellens kinderpornographischer Schriften und des Herstellens kinderpornographischer Inhalte in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, mit Besitz kinderpornographischer Inhalte und mit Besitz jugendpornographischer Inhalte,
b) aufgehoben im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen 10 und 12 der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften in Tateinheit mit Besitz jugendpornographischer Schriften, sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Besitz kinderpornographischer Schriften, und Besitzes von kinderpornographischen Schriften in fünf Fällen, davon in einem Fall mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt. Seine auf die Rüge der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.
1. Die Verfahrensrüge versagt aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts dargestellten Gründen.
2. Der Schuldspruch bedarf in den Fällen 4 bis 10 und 12 der Urteilsgründe der Korrektur.
a) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts fertigte der Angeklagte am 27. Juni 2014 eine Bildfolge, auf der zu sehen ist, wie er seinen erigierten Penis an die Vagina seiner fünfjährigen Tochter hält und anschließend den Intimbereich des Kindes berührt (Fall 4 der Urteilsgründe). Am 16. Oktober 2020 fotografierte der Angeklagte mit seinem Mobiltelefon mehrmals das Geschlechtsteil seines damals neun Jahre alten Sohnes (Fall 5 der Urteilsgründe). Am 12. August 2020 fertigte der Angeklagte mit seinem Mobiltelefon eine Videoaufzeichnung, auf der zu sehen ist, wie er mit seinen Fingern das Geschlechtsteil seines damals neun Jahre alten schlafenden Sohnes berührt (Fall 6 der Urteilsgründe). In den Fällen 7 bis 9 der Urteilsgründe fertigte der Angeklagte in der Zeit vom 17. April 2021 bis zum 2. Juni 2021 mit seinem Mobiltelefon Lichtbilder seiner beiden zehn und zwölf Jahre alten Kinder, die die unbekleideten Genitalien bzw. das unbekleidete Gesäß der Kinder zeigen. Am 6. Juni 2021 fotografierte der Angeklagte mit seinem Mobiltelefon heimlich ein Bild eines zehnjährigen Freundes seines Sohnes, der sich in einem Zimmer des Hauses des Angeklagten gerade umzog. Dabei war der Fokus des Bildes auf die unbekleideten Genitalien des Jungen gerichtet (Fall 10 der Urteilsgründe). Am 9. Februar 2023 verfügte der Angeklagte auf mehreren Datenträgern neben den von ihm aufgenommenen Bildern seiner Kinder sowie des Freundes seines Sohnes wissentlich und willentlich über 8.448 weitere Bild- und 51 Videodateien mit kinderpornographischen Inhalten und weitere 1.487 Bild- und 17 Videodateien mit jugendpornographischen Inhalten (Fall 12 der Urteilsgründe).
b) Diese Taten sind rechtlich zutreffend wie aus der Beschlussformel ersichtlich zu bewerten.
aa) Der Angeklagte hat sich in Fall 4 der Urteilsgründe wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Besitz kinderpornographischer Inhalte strafbar gemacht. Zwar hat der Angeklagte den sexuellen Missbrauch an seiner damals fünf Jahre alten Tochter auf Lichtbildern festgehalten, allerdings setzte eine Strafbarkeit wegen Herstellens kinderpornographischer Schriften im Zeitpunkt der Tat voraus, dass diese verbreitet oder öffentlich zugänglich gemacht werden sollten. Eine derartige Verwendungsabsicht hat das Landgericht nicht festgestellt. Vielmehr handelte der Angeklagte nach den Urteilsgründen allein in der Absicht, sich die Schriften selbst zu verschaffen. Das als Sichverschaffen kinderpornographischer Schriften gemäß § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB in der Fassung vom 31. Oktober 2008 anzusehende Abspeichern der betreffenden Lichtbilder ist bereits verjährt. Daher ist der Angeklagte in diesem Fall gemäß § 2 Abs. 2 und 3 StGB, § 354a StPO tateinheitlich des Besitzes kinderpornographischer Inhalte nach § 184b Abs. 3 Var. 3 StGB in der Fassung vom 24. Juni 2024 schuldig. Denn der gegenüber der Tatmodalität des Sichverschaffens grundsätzlich subsidiäre Besitztatbestand lebt wieder auf, wenn – wie hier – der Verfolgbarkeit des Sichverschaffens das Verfahrenshindernis der Verjährung entgegensteht (BGH, Urteil vom 27. März 2024 – 2 StR 461/23, Rn. 23).
bb) Der Angeklagte hat sich im Fall 5 der Urteilsgründe des Herstellens kinderpornographischer Schriften gemäß § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB in der Fassung vom 3. März 2020, im Fall 6 der Urteilsgründe neben einem sexuellen Missbrauch von Kindern tateinheitlich des Herstellens kinderpornographischer Schriften gemäß § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB in der Fassung vom 3. März 2020 sowie in den Fällen 7 bis 10 des Herstellens kinderpornographischer Inhalte gemäß § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB in der Fassung vom 30. November 2020, im Fall 10 zudem tateinheitlich der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, schuldig gemacht. Eine Verurteilung auf der Grundlage des § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB in der jeweils maßgeblichen Fassung – im Fall 6 der Urteilsgründe tateinheitlich neben eine Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern hinzutretend – hatte daher – anders als vom Landgericht tenoriert – auf die Tathandlung des „Herstellens“ und nicht des „Besitzes“ zu lauten. Zudem war im Hinblick auf den in den seit 1. Januar 2021 geltenden Fassungen des § 184b StGB verwendeten Begriff der kinderpornographischen „Inhalte“ der Schuldspruch entsprechend anzupassen.
cc) Die rechtliche Wertung des Landgerichts, der am 9. Februar 2023 festgestellte Besitz von weiteren Bild- und Filmdateien mit kinder- sowie jugendpornografischen Inhalten (Fall 12 der Urteilsgründe) trete tatmehrheitlich neben die vorstehenden Herstellungshandlungen, hält der revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand; vielmehr sind die Fälle 10 und 12 der Urteilsgründe als tateinheitlich begangen zu behandeln.
(1) Grundsätzlich stellt der gleichzeitige Besitz mehrerer kinder- und jugendpornographischer Inhalte nur eine Tat dar, selbst wenn sich die Inhalte auf verschiedenen Datenträgern befinden (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2019 – 3 StR 264/19, NStZ-RR 2020, 172, 174 mwN). Dies hat zur Konsequenz, dass bei gleichzeitigem Besitz von selbst hergestellten kinderpornographischen Inhalten und weiteren, darüberhinausgehenden gespeicherten verbotenen Inhalten für eine tatmehrheitliche Verurteilung wegen Besitzes kinder- und jugendpornographischer Inhalte kein Raum ist. Vielmehr tritt der weitergehende Besitz kinder- und jugendpornographischer Inhalte in diesem Fall tateinheitlich neben die selbständigen Herstellungstaten. Dabei hat der Besitz als Auffangtatbestand nicht die Kraft, die einzelnen Herstellungsvorgänge zu einer Tat zu verklammern (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juni 2024 – 2 StR 101/24, NStZ 2024, 669 Rn. 6 mwN).
(2) Um jede Beschwer des Angeklagten auszuschließen, ändert der Senat den Schuldspruch dahingehend, dass die letzte Tat des Herstellens kinderpornographischer Inhalte vom 6. Juni 2021 (Fall 10 der Urteilsgründe) mit dem am 9. Februar 2023 bestehenden Besitz von weiteren kinder- und jugendpornographischen Inhalten (Fall 12 der Urteilsgründe), für die einzelne Verschaffungstaten nicht oder nur mit einem erheblichen Ermittlungsaufwand feststellbar sind, tateinheitlich zusammenfällt.
c) § 265 Abs. 1 StPO steht der Änderung des Schuldspruchs wie aus der Beschlussformel ersichtlich nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juni 2024 – 2 StR 101/24, NStZ 2024, 669 Rn. 7 mwN).
3. Die Änderung des Schuldspruchs zieht lediglich die Aufhebung der Einzelstrafen in den Fällen 10 und 12 der Urteilsgründe und die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich; im Übrigen bleibt der Strafausspruch von der Schuldspruchänderung unberührt.
a) Auf den Strafausspruch ohne Einfluss bleiben die Schuldspruchkorrekturen in den Fällen 4 bis 9 der Urteilsgründe. Im Fall 4 der Urteilsgründe folgt dies schon daraus, dass als neben dem sexuellen Missbrauch von Kindern mitverwirklicht der Straftatbestand des § 184b Abs. 3 Var. 3 StGB in der Fassung vom 24. Juni 2024 tritt, der die gleiche Strafe androht wie der vom Landgericht als mitverwirklicht erachtete Straftatbestand des § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB in der Fassung vom 31. Oktober 2008. In den Fällen 5 bis 9 der Urteilsgründe erschöpft sich der Rechtsfehler in der unzutreffenden Bezeichnung der der Sache nach rechtsfehlerfrei angewandten Strafvorschriften; seine Korrektur hat auf den Strafausspruch keine Auswirkungen.
b) Dagegen führt die geänderte konkurrenzrechtliche Bewertung in den Fällen 10 und 12 der Urteilsgründe zur Aufhebung der in diesen Fällen verhängten Einzelstrafen. Zugleich führt die Aufhebung der im Fall 12 der Urteilsgründe verhängten Einsatzstrafe zum Wegfall der Gesamtstrafe (vgl. BGH, Beschluss vom 27. August 2024 – 2 StR 338/24, Rn. 5). Die Feststellungen bleiben aufrechterhalten, weil sie von der fehlerhaften konkurrenzrechtlichen Bewertung nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO).
4. Das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht wird bei der Bemessung der neuen Einzelstrafe für das bisher als Fälle 10 und 12 der Urteilsgründe gewertete Handeln des Angeklagten den geänderten Schuldgehalt in den Blick zu nehmen haben. Werden vom ersten Tatgericht als rechtlich selbständig erachtete Taten durch das Revisionsgericht zur Tateinheit verbunden, ist der Unrechtsgehalt dieser einen Tat gegenüber den bisher getrennt bewerteten Einzeltaten erhöht. Zwar gebietet das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) in einem solchen Fall nur, dass die Summe der bisherigen Einzelstrafen bei der Bemessung der für diese Tat neu festzusetzenden Strafe nicht überschritten wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Oktober 2022 – 2 StR 319/21, Rn. 15, und vom 2. August 2023 – 5 StR 107/23, Rn. 4). Allerdings wird das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht zu berücksichtigen haben, dass gemäß § 2 Abs. 1 bis 3, § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB die Einzelstrafe nunmehr aus dem Strafrahmen der § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB in der Fassung vom 30. November 2020 bzw. § 184b Abs. 3 StGB in der Fassung vom 24. Juni 2024 zuzumessen sein wird, die jeweils die Verhängung von Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vorsehen. Eine an die Summe der bisherigen Einzelstrafen angenäherte Einzelstrafe bedürfte vor diesem Hintergrund besonderer Rechtfertigung.
Menges Zimmermann Zeng Meyberg Herold Vorinstanz: Landgericht Erfurt, 29.04.2024 - 3 KLs 140 Js 40661/22 jug