Paragraphen in X ZR 153/18
Sortiert nach der Häufigkeit
Häufigkeit | Paragraph | |
---|---|---|
1 | 121 | PatG |
1 | 91 | ZPO |
1 | 92 | ZPO |
Sortiert nach dem Alphabet
Häufigkeit | Paragraph | |
---|---|---|
1 | 121 | PatG |
1 | 91 | ZPO |
1 | 92 | ZPO |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 153/18 in der Patentnichtigkeitssache Verkündet am: 1. September 2020 Zöller Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ECLI:DE:BGH:2020:010920UXZR153.18.0 Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 1. September 2020 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Bacher, die Richter Dr. Grabinski und Hoffmann, die Richterin Dr. Marx und den Richter Dr. Rensen für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des 6. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 16. Mai 2018 abgeändert.
Das europäische Patent 2 004 542 wird mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass die Patentansprüche folgende Fassung erhalten:
1. In der Mikrosystemtechnik einsetzbares Bauteil mit einem Substrat und einer Kappenstruktur, die so durch einen hermetisch schließenden Bondrahmen miteinander verbunden sind, dass sie mindestens einen ersten und einen zweiten Hohlraum umschließen, die gegeneinander und gegen die Außenumgebung abgedichtet sind, wobei in dem ersten Hohlraum ein Drehratensensor und in dem zweiten Hohlraum ein Beschleunigungssensor angeordnet ist und wobei der erste Hohlraum einen anderen Innendruck aufweist als der zweite Hohlraum, dadurch gekennzeichnet, dass der erste der beiden Hohlräume mit einem Gettermaterial versehen ist und dass sein Innendruck aufgrund dieses Gettermaterials anders ist als der Innendruck des zweiten Hohlraums.
2. Bauteil nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der erste Hohlraum aufgrund dieses Gettermaterials auch eine andere Gaszusammensetzung aufweist als der zweite Hohlraum.
3. Bauteil nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass der zweite der beiden Hohlräume kein Gettermaterial enthält.
4. Bauteil nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass der zweite der beiden Hohlräume ein zweites Gettermaterial enthält, dessen Gasabsorptionseigenschaften sich von denen des Gettermaterials in dem ersten Hohlraum unterscheidet.
5. Bauteil nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass der zweite der beiden Hohlräume dasselbe Gettermaterial wie der erste Hohlraum enthält, jedoch in einer geringeren Menge bzw. Fläche, bezogen auf das Volumen des Hohlraums.
6. Bauteil nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass das Gettermaterial zumindest in Teilbereichen strukturiert ist.
7. Verfahren zum Herstellen eines Bauteils wie in einem der Ansprüche 1 bis 6 definiert, umfassend die folgenden Schritte:
a) Bereitstellen eines in den Bereichen des ersten Hohlraums mit einem ersten Gettermaterial beschichteten flächigen Substrats oder einer solchen, ggf. flächig ausgebildeten Kappenstruktur,
b) Justieren des flächigen Substrats oder der Kappenstruktur zu einem entsprechenden Kappen- oder Substratgegenstück,
c) Einbringen des Paars aus flächigem Substrat und ggf. flächig ausgebildeter Kappenstruktur in eine Prozesskammer,
d) Fluten der Prozesskammer mit einem Prozessgas, enthaltend eine oder bestehend aus einer Gassorte A, die von dem oder einem ersten Gettermaterial absorbiert werden kann, und ggf. einer Gassorte B, die von diesem Gettermaterial nicht oder in substantiell geringerem Ausmaß absorbiert werden kann, wobei die Gassorte A mit dem Partialdruck PA und Gassorte B mit dem Partialdruck PB vorliegt,
e) In-Kontakt-Bringen von Kappenstruktur und Substrat und Verbinden dieser beiden Teile mit Hilfe einer geeigneten Verbindungstechnik,
f) Aktivieren des ersten Gettermaterials derart, dass es Moleküle der Gassorte A absorbiert.
8. Verfahren nach Anspruch 7 zum Herstellen eines Bauteils mit mehr als zwei Hohlräumen und Gettermaterialien zumindest in den beiden ersten Hohlräumen, wobei das Prozessgas zusätzlich eine weitere Gassorte C aufweist und das Gettermaterial im ersten Hohlraum eine gegenüber der Gasmischung erste Absorptionseigenschaft und das Gettermaterial im zweiten Hohlraum eine gegenüber der Gasmischung zweite Absorptionseigenschaft hat, wobei die Gassorte A mit dem Partialdruck PA, die Gassorte B mit dem Partialdruck PB und die Gassorte C mit dem Partialdruck PC vorliegt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zwei Drittel und der Beklagte ein Drittel. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Von Rechts wegen Tatbestand:
Der Beklagte ist Inhaber des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 2 004 542 (Streitpatents), das am 4. April 2007 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 6. April 2006 angemeldet wurde und ein mikromechanisches Bauteil mit mindestens zwei Hohlräumen sowie ein Verfahren zu dessen Herstellung betrifft. Die Patentansprüche 1 und 7, auf die fünf bzw. zwei weitere Ansprüche zurückbezogen sind, lauten:
1. In der Mikrosystemtechnik einsetzbares Bauteil mit einem Substrat und einer Kappenstruktur, die so miteinander verbunden sind, dass sie mindestens einen ersten und einen zweiten Hohlraum umschließen, die gegeneinander und gegen die Außenumgebung abgedichtet sind, wobei wenigstens in dem ersten Hohlraum (5) ein Drehratensensor, Beschleunigungssensor, Aktuator, Resonator, Display, digitaler Mikrospiegel, Bolometer und/oder RF-Switch angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, dass der erste der beiden Hohlräume mit einem Gettermaterial versehen ist und aufgrund dieses Gettermaterials einen anderen Innendruck und/oder eine andere Gaszusammensetzung aufweist als der zweite Hohlraum.
7. Verfahren zum Herstellen eines Bauteils wie in einem der Ansprüche 1 bis 6 definiert, umfassend die folgenden Schritte: a) Bereitstellen eines in den Bereichen des ersten Hohlraums mit einem ersten Gettermaterial beschichteten flächigen Substrat oder einer solchen, ggfs. flächig ausgebildeten Kappenstruktur, b) Justieren des flächigen Substrats oder der Kappenstruktur zu einem entsprechenden Kappen- oder Substrat-Gegenstück, c) Einbringen des Paars aus flächigem Substrat und ggfs. flächig ausgebildeter Kappenstruktur in eine Prozesskammer, d) Fluten der Prozesskammer mit einem Prozessgas, enthaltend eine oder bestehend aus einer Gassorte B, die von diesem Gettermaterial nicht oder in substantiell geringem Ausmaß absorbiert werden kann, wobei die Gassorte A mit dem Partialdruck PA und Gassorte B mit dem Partialdruck PB vorliegt, e) In-Kontakt-Bringen von Kappenstruktur und Substrat und Verbinden dieser beiden Teile mit Hilfe einer geeigneten Verbindungstechnik, f) Aktivieren des ersten Gettermaterials derart, dass es Moleküle der Gassorte A absorbiert.
Die Klägerin hat das Streitpatent wegen unzulässiger Erweiterung, nicht ausführbarer Offenbarung und fehlender Patentfähigkeit angegriffen. Der Beklagte hat das Schutzrecht mit Haupt- und Hilfsantrag in zwei geänderten Fassungen verteidigt.
Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten, der seine erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat Erfolg und führt zur Abweisung der Klage, soweit der Beklagte das Streitpatent noch verteidigt.
I. Das Streitpatent betrifft ein mikromechanisches Bauteil mit mindestens zwei Hohlräumen sowie ein Verfahren zu dessen Herstellung.
1. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift waren mit Hilfe der Mikrosystemtechnik hergestellte Bauteile (mikroelektrische mechanische Systeme = MEMS) im Stand der Technik für die miniaturisierte und kostengünstige Herstellung von Sensoren und Aktoren etabliert. Unterschiedliche Sensoren erforderten je nach Auslegung einen bestimmten Arbeitsdruck, um die mechanische Dämpfung durch umgebendes Gas der Arbeitsweise des Sensors anzupassen. So würden resonante Drehratensensoren typischerweise mit einem Arbeitsdruck im Bereich von einem Mikrobar bis zu einigen Millibar betrieben, Beschleunigungssensoren hingegen in der Regel bei einigen hundert Millibar. In einer Tabelle werden als typische Werte für Drehratensensoren 0,1 mbar und für Beschleunigungssensoren 300 bis 700 mbar angegeben (Abs. 3).
Die erforderliche hermetische Verkapselung werde bei dem so genannten Wafer-Level-Packaging in einem Stadium durchgeführt, in dem die Sensoren noch auf dem zur Herstellung eingesetzten Wafer angeordnet seien. Hierbei werde ein Kappenwafer mit dem Sensorwafer gefügt, so dass jeder Sensorchip mit einem entsprechenden Gehäusechip fest verbunden werde. Erst danach werde das Waferpaar in einzelne Chips vereinzelt (Abs. 6).
Bei der Gehäusung würden das in der Prozesskammer befindliche Gas sowie der Prozessdruck in dem entstehenden Hohlraum eingeschlossen. Dadurch würden alle Bauteile des Wafers in Rahmen der Prozessuniformität mit dem gleichen Kavitätendruck versehen. In der Regel könne hierdurch ein Kavitätendruck von 1 bis 10 mbar erreicht werden. Um einen niedrigeren Druck zu erreichen, müssten zusätzliche funktionelle Schichten, sog. Getterschichten, eingebaut werden, die gezielt Gasmoleküle absorbierten (Abs. 8).
2. Der Erfindung liegt vor diesem Hintergrund das technische Problem zugrunde, auf möglichst einfache Art Bauteile zur Verfügung zu stellen, die mindestens zwei Hohlräume mit unterschiedlichem Gasdruck aufweisen.
3. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent ein Bauteil und ein Verfahren vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung sind hervorgehoben):
a) Patentanspruch 1
1. In der Mikrosystemtechnik einsetzbares Bauteil
1.1 mit einem Substrat und einer Kappenstruktur, die so durch einen hermetisch schließenden Bondrahmen miteinander verbunden sind, dass 1.1.1 sie mindestens einen ersten und einen zweiten Hohlraum umschließen, 1.1.2 die gegeneinander und gegen die Außenumgebung abgedichtet sind.
1.2 Wenigstens In dem ersten Hohlraum (5) ist ein Drehratensensor und in dem zweiten Hohlraum ein Beschleunigungssensor, Aktuator, Resonator, Display, digitaler Mikrospiegel, Bolometer und/oder RF-Switch angeordnet.
1.3 Der erste Hohlraum weist einen anderen Innendruck auf als der zweite Hohlraum.
1.4 Der erste der beiden Hohlräume ist mit einem Gettermaterial versehen und
1.5 sein Innendruck ist aufgrund des Gettermaterials anders einen anderen Innendruck und/oder eine andere Gaszusammensetzung aufweist als der Innendruck des zweiten Hohlraums.
b) Patentanspruch 7
7. Verfahren zum Herstellen eines Bauteils wie in einem der Ansprüche 1 bis 6 definiert, umfassend die folgenden Schritte:
a) Bereitstellen eines in den Bereich des ersten Hohlraums mit einem ersten Gettermaterial beschichteten flächigen Substrats oder einer solchen, gegebenenfalls flächig ausgebildeten Kappenstruktur,
b) Justieren des flächigen Substrats oder der Kappenstruktur zu einem entsprechenden Kappen- oder Substratgegenstück,
c) Einbringen des Paars aus flächigem Substrat und ggf. flächig ausgebildeter Kappenstruktur in eine Prozesskammer,
d) Fluten der Prozesskammer mit einem Prozessgas, enthaltend eine oder bestehend aus einer Gassorte A, die von dem oder einem ersten Gettermaterial absorbiert werden kann, und ggf. einer Gassorte B, die von diesem Gettermaterial nicht oder nicht substantiell geringerem Ausmaß absorbiert werden kann, wobei die Gassorte A mit dem Partialdruck PA und Gassorte B mit dem Partialdruck PB vorliegt,
e) In-Kontakt-Bringen von Kappenstruktur und Substrat und Verbinden dieser beiden Teile mit Hilfe einer geeigneten Verbindungstechnik,
f) Aktivieren des ersten Gettermaterials derart, dass es Moleküle der Gassorte A absorbiert.
4. Ein Beispiel für das Verfahren gemäß Patentanspruch 7 und ein damit hergestelltes Bauteil nach Patentanspruch 1 ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 4 der Streitpatentschrift schematisch dargestellt.
Auf die untenliegende Schicht mit zwei unterschiedlichen Sensoren wird ein Deckel aufgebracht, so dass zwei abgeschlossene Hohlräume entstehen. In diesen Hohlräumen herrscht zunächst der gleiche Gasdruck, der durch die Partialdrücke P1 und P2 von zwei in der Prozesskammer vorhandenen Gasen bestimmt wird. In einem der beiden Hohlräume ist ein Gettermaterial angeordnet, das nach Aktivierung das zweite Gas absorbiert. Dadurch entspricht der Druck in diesem Hohlraum dem Druck P1 (Abs. 27 f.).
5. Einige Merkmale bedürfen näherer Betrachtung.
a) Ein Bauteil im Sinne von Merkmal 1 ist eine einzelne Einheit, die für den in Rede stehenden Zweck, also als Beschleunigungs- und Drehratensensor eingesetzt werden kann.
Die Beschreibung des Streitpatents unterscheidet insoweit zwischen den einzelnen Bauteilen und größeren Einheiten wie etwa Wafern, aus denen sich solche Bauteile am Ende des Produktionsprozesses durch Trennen gewinnen lassen (Abs. 14). Anders als in der Anmeldung wird in Patentanspruch 1 Vorrichtungsschutz nur für ein Bauteil beansprucht, nicht für größere Einheiten. Das in Patentanspruch 7 geschützte Verfahren wird zwar an einem Wafer durchgeführt; es dient aber ebenfalls der Herstellung eines Bauteils im Sinne von Patentanspruch 1, also einer einzelnen Einheit, die einen Beschleunigungsund einen Drehratensensor aufweist.
b) Zentrale Bedeutung kommt dem in den Merkmalen 1.4 und 1.5 sowie 7 a und f vorgesehenen Gettermaterial zu.
aa) Dieses Material hat die Funktion, eine der in der Prozesskammer eingesetzten und deshalb in den Hohlräumen verbliebenen Gassorten zu absorbieren und damit eine Druckänderung herbeizuführen.
Das Streitpatent ermöglicht es auf diese Weise, zwei Hohlräume mit unterschiedlichem Druck herzustellen, ohne dass die Druckverhältnisse während des Produktionsvorgangs geändert werden müssen. Diese Anforderung wird in Merkmal 1.5 dahin formuliert, dass der Innendruck des ersten Hohlraums aufgrund des Gettermaterials anders ist als der Innendruck des zweiten Hohlraums.
bb) Die Auswahl eines geeigneten Materials bleibt dem Fachmann überlassen.
22 Die Beschreibung führt beispielhaft im Stand der Technik bekannte Metalle oder Legierungen an, insbesondere Barium, Aluminium, Titan, Zirkonium und Eisen. Um die aufgezeigte Funktion zu erzielen, muss das Gettermaterial auf das zu absorbierende Gas abgestimmt sein. Seine Absorptionsfähigkeit muss so hoch sein, dass sich der in den Merkmalen 1.3 und 1.5 vorgesehene Druckunterschied einstellt.
c) Das Ausmaß des nach den Merkmalen 1.3 und 1.5 erforderlichen Druckunterschieds ist in Patentanspruch 1 nicht ausdrücklich vorgegeben.
aa) Eine mittelbare Vorgabe ergibt sich aus Merkmal 1.2, wonach der eine Hohlraum einen Drehratensensor und der andere einen Beschleunigungssensor aufweisen muss. Aus dieser Festlegung ergibt sich, dass die Druckverhältnisse so eingestellt werden müssen, dass sie für den Betrieb solcher Sensoren geeignet sind.
Auch insoweit legt sich Patentanspruch 1 allerdings weder auf die in der erwähnten Tabelle angeführten Werte (die sich um drei Zehnerpotenzen voneinander unterscheiden) noch auf die im Text der Beschreibung als typisch bezeichneten Werte (die sich jedenfalls um mehr als eine Zehnerpotenz voneinander unterscheiden) fest. Damit gehören zum geschützten Gegenstand auch Ausgestaltungen, bei denen beide Sensoren mit einem außerhalb des üblichen Bereichs liegenden Druck betrieben werden und die beiden Hohlräume deshalb einen geringeren Druckunterschied aufweisen.
bb) Aus der Kombination der Merkmale 1.3 und 7 d ergibt sich für das Verfahren nach Patentanspruch 7 die Anforderung, dass das Gettermaterial den Druckunterschied jedenfalls auch dadurch bewirken muss, dass es eines der zugeführten Prozessgase absorbiert. Damit sind Ausgestaltungen ausgeschlossen, bei denen lediglich Gas absorbiert wird, das durch Kontamination, Oberflächendesorption und Materialausgasung in den Hohlraum gelangt.
27 Schadgase in dem zuletzt genannten Sinne sind nach der Beschreibung bei der Auswahl und Anordnung des Gettermaterials zwar ebenfalls zu berücksichtigen (Abs. 40). Nach dem Verfahrensmerkmal 7 d muss das Gettermaterial aber auch eines der Gase absorbieren, die als Prozessgas eingesetzt werden, also während der Herstellung des Bauteils zugeführt werden.
cc) Patentanspruch 1 enthält keine dem Verfahrensmerkmal 7 d entsprechende Festlegung. Aus dem bereits oben aufgezeigten Zusammenhang zwischen den Merkmalen 1.2 und 1.5 ergibt sich aber, dass aufgrund des Gettermaterials Druckverhältnisse bestehen müssen, die den Betrieb der beiden unterschiedlichen Sensortypen ermöglichen. Auch wenn Patentanspruch 1 insoweit keine Mindestdifferenz festlegt, hat dies zur Folge, dass die Druckverhältnisse in den beiden Hohlräumen sich in wesentlichem Umfang voneinander unterscheiden müssen.
II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Berufungsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen wie folgt begründet:
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die US-amerikanische Patentschrift 6 713 828 (E3) offenbare ein mikroelektromechanisches System mit der Merkmalsgruppe 1.1. In der Beschreibung werde darauf hingewiesen, dass in den gegeneinander und hermetisch gegen die Außenumgebung abgedichteten Hohlräumen sowohl Drehratensensoren als auch Beschleunigungssensoren angeordnet werden könnten. Daraus erhalte der Fachmann die Anregung, in einem der beiden Hohlräume einen Drehratensensor und in dem anderen einen Beschleunigungssensor anzuordnen, wie dies die Merkmale 1.2 und 1.3 vorsähen. Die Entgegenhaltung lehre ferner eine titanhaltige Metallisierungsschicht, die im ersten Hohlraum angebracht sei und dem Auffangen (gettering) von störendem Gas in Form von Sauerstoff diene. Damit sei Merkmal 1.4 verwirklicht. Für den Fachmann sei zudem ersichtlich, dass der Innendruck des ersten Hohlraums aufgrund des dort ange- brachten Gettermaterials zwangsläufig anders sein müsse als im zweiten Hohlraum. Dies genüge zur Verwirklichung von Merkmal 1.5.
Die gesondert verteidigten Ansprüche 2 und 6 seien ebenfalls durch die E3 nahegelegt.
Auch der Gegenstand von Patentanspruch 7 beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Ausgehend von E3 gelange der Fachmann in Kombination mit der Veröffentlichung von G. Longom et al. (Q-Factor Enhancement for MEMS Devices: the Role of the Getter Film, International Symposium on Microelectronics, 2005, S. 801 ff., E5) zu dem beanspruchten Verfahren. Die Entgegenhaltungen offenbarten die Merkmale 7 a und 7 b. E5 lehre, das Bauteil-Paar im Rahmen der Herstellung in eine Vakuum-Prozesskammer einzubringen, wie dies Merkmal 7 c vorsehe, und diese anschließend mit einem Prozessgas in Form eines Trägergases zu fluten. Dieses enthalte als Verunreinigung ein Restgas, welches der Gassorte A entspreche. Das Trägergas sei ein Edelgas und entspreche der Gassorte B. Aufgrund seiner geringen Bindungsneigung werde es zwangsläufig nicht wesentlich vom Gettermaterial absorbiert. Damit sei Merkmal 7 d verwirklicht. Die Veröffentlichung offenbare darüber hinaus die Merkmale 7 e und 7 f. Das angebrachte Gettermaterial müsse zunächst aktiviert werden und bewirke auch ein Auffangen des mit dem Trägergas eingebrachten Restgases.
III. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Berufung nicht stand.
1. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 war dem Fachmann ausgehend von E3 nicht nahegelegt.
a) Der zwischen den Parteien umstrittenen Frage, ob E3 oder die europäische Patentanmeldung 1 167 969 (E7) als nächstliegender Stand der Technik anzusehen ist, kommt in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zu.
36 Ob sich dem Fachmann ein bestimmter Stand der Technik als möglicher Ausgangspunkt seiner Bemühungen anbot, hängt nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht davon ab, ob es sich hierbei um den nächstliegenden Stand der Technik handelt. Die Einordnung eines bestimmten Ausgangspunkts als - aus Ex-post-Sicht - nächstkommender Stand der Technik ist insoweit weder ausreichend noch erforderlich. Die Wahl des Ausgangspunkts bedarf stets einer Rechtfertigung. Diese liegt in der Regel in dem Bemühen des Fachmanns, für einen bestimmten Zweck eine bessere oder andere Lösung zu finden, als sie der Stand der Technik zur Verfügung stellt (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 - X ZR 89/07, BGHZ 179, 168 = GRUR 2009, 382 - Olanzapin; Urteil vom 5. Oktober 2016 - X ZR 78/14, GRUR 2017, 148 Rn. 42 f. Opto-Bauelement; Urteil vom 31. Januar 2017 - X ZR 119/14, GRUR 2017, 498 Rn. 28 - Gestricktes Schuhoberteil).
b) E3 offenbart einen mikromechanischen Drucksensor.
E3 setzt Sensoren dieses Typs als bekannt voraus und befasst sich mit dem Problem, einen kostengünstigen, zuverlässigen und robusten Sensor zur Verfügung zu stellen (Sp. 1 Z. 55-62). Als Lösung wird ein Halbleiterbauteil vorgeschlagen, das einen Wandler (Transducer) und einen elektrischen Schaltkreis in einer Vakuumkammer umfasst (Sp. 1 Z. 65-67).
Ein Ausführungsbeispiel für einen Drucksensor ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 2 dargestellt.
Diese Ausführungsform enthält mehrere Wandler (30) mit unterschiedlicher Druckempfindlichkeit, einen Referenzkondensator (32) und einen Schaltkreis (34) (Sp. 4 Z. 34-39). Diese Komponenten werden auf einem Wafer (26) ausgebildet. Dieser wird anschließend elektrostatisch mit einem Glassubstrat (24) verbunden (Sp. 4 Z. 43-48).
In dem fertigen Bauteil sind die Wandler (30) in Hohlräumen (36) angeordnet, der Schaltkreis in einem Hohlraum (40) oder (38) (Sp. 4 Z. 60-67; Sp. 8 Z. 15-17). Ein weiterer Hohlraum (54) enthält eine mikrobearbeitete Oberflächenvorrichtung (Sp. 5 Z. 1-3; Sp. 8 Z. 17 f.). Eine solche Vorrichtung kann aus einem Resonator, einem Gyroskop oder einem Beschleunigungssensor bestehen (Sp. 12 Z. 14-17).
Auch an anderer Stelle wird die Eignung der eingesetzten Fertigungsprozesse für solche Bauteile mehrfach erwähnt (Sp. 2 Z. 43-48; Sp. 8 Z. 7-11; Sp. 10 Z. 61-64). An den beiden zuletzt zitierten Stellen wird ausgeführt, die unterschiedlichen Bauteile seien erfolgreich auf Chips (dies) hergestellt worden, die sich auf demselben Maskenset befunden hätten wie die Drucksensoren.
- 17 43 Das näher beschriebene Ausführungsbeispiel ist unter anderem in den nachfolgend wiedergegebenen Figuren 4 und 15 dargestellt.
Wafer (26) und Substrat (24) sind durch eine umlaufende Schicht aus Polysilizium abgedichtet. Weil die Vorrichtung in einer Vakuumkammer hergestellt wird, herrscht in den abgedichteten Hohlräumen ebenfalls ein Vakuum (Sp. 6 Z. 56-60).
Auf dem Glassubstrat (24) kann eine Beschichtung (86) angebracht werden, die aus Titan, Platin und Gold (Ti/Pt/Au) bestehen kann. Titan dient hierbei zur Adhäsion und zum Gettern von Sauerstoff, der aus dem Glas ausdiffundiert (Sp. 10 Z. 33-38). Eine Beschichtung mit diesem Bezugszeichen ist in der oben dargestellten Figur 4 im Hohlraum (36) dargestellt.
46 An anderer Stelle der Beschreibung wird ausgeführt, auf das Substrat werde vor der Verbindung mit dem Wafer eine Reihe von metallischen Elektrodenschichten aufgebracht, die aus Titan, Platin und Gold bestehen könnten und die elektrische Verbindungen zwischen den Wandlern (30), dem Referenzkondensator (32) und dem Schaltkreis (34) sowie zu elektrischen Anschlüssen außerhalb der Hohlräume definierten (Sp. 6 Z. 66 bis Sp. 7 Z. 5).
c) Ob damit neben den Merkmalen 1 und 1.4 auch die Merkmalsgruppe 1.1 offenbart ist, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls sind die Merkmale 1.2, 1.3 und 1.5 nicht vorweggenommen.
aa) Merkmal 1.4 ist entgegen der Auffassung der Berufung in E3 offenbart.
Wie bereits oben ausgeführt wurde, überlässt das Streitpatent die Auswahl eines geeigneten Gettermaterials im Sinne von Merkmal 1.4 dem Fachmann. Angesichts dessen ist der Einsatz des Gettermaterials Titan zur Offenbarung dieses Merkmals ausreichend. Titan gehört zudem zu den Materialien, die in der Beschreibung des Streitpatents ausdrücklich als in Betracht kommend angeführt werden (Abs. 9).
bb) Nicht eindeutig und unmittelbar offenbart ist Merkmal 1.2.
(1) Offenbart ist allerdings der Einsatz verschiedener Sensortypen auf einem Chip.
Sowohl in der Beschreibung von E3 als auch in den in der Entgegenhaltung formulierten Ansprüchen 7 bis 10 wird ausgeführt, dass anstelle des Drucksensors in Hohlraum (36) auch andere Sensortypen angeordnet sein können, wie sie auch im Streitpatent aufgezählt werden. Darüber hinaus ist mit der im Hohlraum (54) angeordneten Oberflächenvorrichtung ein weiterer Sensor auf demselben Chip vorhanden. Entgegen der Auffassung der Berufung muss diese Vorrichtung auch nicht zwingend als Kondensator ausgebildet sein.
Nach den bereits erwähnten Ausführungen in der Beschreibung kann es sich vielmehr um einen Resonator, ein Gyroskop oder einen Beschleunigungssensor handeln, also wiederum um einen Sensortyp, den auch das Streitpatent vorsieht.
(2) Nicht eindeutig und unmittelbar offenbart ist jedoch, dass auf demselben Chip zwei unterschiedliche Sensorenarten angeordnet sind, für deren Betrieb unterschiedliche Druckverhältnisse erforderlich sind, wie dies insbesondere für Beschleunigungs- und Drehratensensoren der Fall ist.
Dabei kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass der Fachmann auch ohne ausdrückliche Erwähnung in E3 davon ausging, dass nicht jeder Sensortyp unter denselben Druckverhältnissen betrieben werden kann. Aus dieser Erkenntnis ergab sich indes nicht die eindeutige Schlussfolgerung, dass die in E3 offenbarten Vorrichtungen Sensorenarten mit unterschiedlichen Anforderungen an den Betriebsdruck auf demselben Chip kombinieren.
Wie bereits oben dargelegt wurde, wird in E3 ausgeführt, die Hohlräume wiesen ein Vakuum auf, weil die Herstellung in einer Vakuumkammer erfolge. Dem lassen sich keine Hinweise auf unterschiedliche Druckverhältnisse in den einzelnen Hohlräumen entnehmen.
Die Ausführungen zu dem Ausführungsbeispiel mit Drucksensoren und einer weiteren mikrobearbeiteten Oberflächenvorrichtung geben schon deshalb keinen weitergehenden Aufschluss, weil die Funktion dieser zweiten Vorrichtung nicht explizit benannt wird und deshalb die Möglichkeit offenbleibt, dass sie unter denselben Druckverhältnissen betrieben werden kann wie ein Drucksensor.
Der Hinweis auf die erfolgreiche Anordnung von Bauteilen mit anderen Funktionen mit demselben Maskensatz wirft zwar die Frage auf, wie die hierfür erforderlichen Druckverhältnisse geschaffen werden können. Der in diesem Zusammenhang gegebene Hinweis, diese Anordnungen seien zu Testzwecken hergestellt worden, lässt es aber als möglich erscheinen, dass auf die Einstellung unterschiedlicher Druckverhältnisse verzichtet worden ist.
cc) Vor diesem Hintergrund sind auch die Merkmale 1.3 und 1.5 nicht eindeutig und unmittelbar offenbart.
Die absorbierende Wirkung des im Hohlraum (36) angeordneten Gettermaterials kann zwar zu einer Beeinflussung der Druckverhältnisse führen, wenn dieser gegenüber dem benachbarten Hohlraum (54) abgedichtet ist, was zugunsten der Klägerin unterstellt werden kann. Mangels eines eindeutigen Hinweises darauf, dass die beiden in diesen Hohlräumen angeordneten Sensoren unterschiedliche Druckverhältnisse benötigen, kann hieraus jedoch nicht die eindeutige Schlussfolgerung gezogen werden, dass ein Druckunterschied in dem hierfür erforderlichen Umfang besteht.
Gegen eine diesbezügliche Schlussfolgerung spricht zudem der Umstand, dass E3 als Funktion des Gettermaterials ausschließlich die Absorption von aus dem Glas austretendem Sauerstoff beschreibt. Diese Angabe deutet eher darauf hin, dass das Gettermaterial nur zur Kompensation von störenden Einflüssen eingesetzt wird, um die bei der Herstellung bestehenden Druckverhältnisse dauerhaft beizubehalten, nicht aber zur Erzeugung einer wesentlichen Druckdifferenz, die den Betrieb von unterschiedlichen Sensorentypen mit unterschiedlichen Anforderungen an den Betriebsdruck ermöglicht.
d) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ergab sich aus E3 keine hinreichende Anregung, auf einem einzelnen Bauteil einen Drehratenund einen Beschleunigungssensor anzubringen und den hierfür erforderlichen Druckunterschied durch Anbringung eines Gettermaterials herbeizuführen.
Wie bereits oben dargelegt wurde, ergeben sich aus dem Umstand, dass die in E3 geschilderte Vorgehensweise dort ausdrücklich als für beide Sensortypen geeignet bezeichnet wird und dass E3 mehrfach auf die erfolgreiche Herstellung unterschiedlicher Sensortypen mit demselben Maskenset hinweist, kei- ne konkreten Anhaltspunkte dafür, dass dabei auch die für den jeweiligen Typ erforderlichen unterschiedlichen Druckverhältnisse hergestellt wurden.
Bei dieser Ausgangslage ergab sich weder aus E3 alleine noch aus einer ergänzenden Heranziehung des allgemeinen Fachwissens eine hinreichende Anregung, mit Hilfe von Gettermaterial einen Druckunterschied in diesem Sinne zu erzeugen.
2. Aus der Veröffentlichung von Yazdi et al. (Micromachined Inertial Sensors, Proceedings of the IEEE 1998, 1640-1655, E6) ergeben sich ebenfalls keine diesbezüglichen Anregungen.
In E6 wird ausgeführt, insbesondere im Automobilsektor bestehe ein großes Bedürfnis nach mikromechanischen Inertialsensoren, die aus Beschleunigungsmessern und Gyroskopen bestünden (S. 1640 links unter I). Der Einsatz von Mikromechanik könne die Sensorengröße um Größenordnungen verringern und erlaubt die Integration der Elektronik auf demselben Siliziumchip (S. 1630 rechts Abs. 2).
Daraus mag sich die Veranlassung ergeben haben, nach Wegen zu suchen, um die in E3 offenbarte Technologie auch für die Kombination von Beschleunigungsmessern und Gyroskopen auf einem Chip einsetzen zu können. Auch aus dieser zusätzlichen Information folgte für den Fachmann aber noch nicht die Veranlassung, die in E3 offenbarte Anordnung von Gettermaterial nicht nur zur Kompensation störender Einflüsse einzusetzen, sondern zur Erzeugung eines Druckunterschieds, der die Kombination solcher Sensoren auf einem Chip ermöglicht.
3. Aus E5 ergaben sich keine weitergehenden Anregungen.
a) E5 befasst sich mit der Verbesserung bekannter MEMS-Gehäuse, für deren Herstellung die Vakuum-Wafer-Bonding-Technologie eingesetzt wird.
69 In E5 wird unter anderem hervorgehoben, dass solche Bauteile je nach Funktion unterschiedliche Druckverhältnisse benötigen. In Tabelle 1 werden hierzu Werte angegeben, deren Größenordnung den in der Patentschrift genannten weitgehend entspricht. Das Zusammenfügen unter Vakuum auf Waferebene wird als anspruchsvoll bezeichnet. Um Lebenserwartung und Zuverlässigkeit zu verbessern, sei eine kontrollierte Einkapselung der Atmosphäre erforderlich (S. 802 links). Als in Betracht kommende Verbindungsmethode wird das eutektische Bonding hervorgehoben (S. 802 rechts), je nach Verarbeitungsmethode etwa mit Mischungen aus Gold und Silizium, Gold und Germanium, Aluminium und Silizium oder Gold und Zinn (S. 803 links).
Um ein geeignetes Vakuum mit einem Gesamtdruck von 0,1 µbar oder weniger und eine langfristige Stabilität zu gewährleisten, sei der Einsatz eines nicht flüchtigen (non-evaporable) Gettermaterials in Form einer Zirkoniumlegierung erforderlich. Diese Materialien könnten alle aktiven Gase chemisch absorbieren, insbesondere Wasser, Kohlenmonoxid, Kohlendioxid, Sauerstoff, Stickstoff und Wasserstoff (S. 803 links). Der Getterfilm habe genügend Absorptionskapazität, um alle Gasverunreinigungen zu entfernen, die durch Ausgasung interner Oberflächen sowie durch kleine Leckagen und Permeationen verursacht würden (S. 803 rechts).
Vor diesem Hintergrund berichtet E5 über Versuche mit verschiedenen Vorrichtungen, die mittels eutektischer Gold-Silizium-Technologie hergestellt worden seien. Bei der Herstellung solcher Vorrichtungen sei auf ein kontrolliertes Verfahren zur Gasfüllung zu achten. Nur Inertgase oder Gase, die den Getter nicht verbrauchten oder dessen Sorptionsleistung nicht veränderten, dürften in die Hohlräume verfüllt werden (S. 804 links unten und rechts oben).
Bei der Darstellung der Ergebnisse wird zunächst der Zusammenhang zwischen Qualitätsfaktor und Innendruck aufgezeigt. Hierbei wird ausgeführt, der Innenraumdruck in der Vakuumkammer könne auf einen beliebigen Wert zwischen 0,1 µbar und 1000 mbar eingestellt werden. Der gemessene Quali- tätsfaktor sei aber lediglich ein Maß für den Gesamtdruck im Innenraum. Deshalb sei eine Reihe von Restgasanalysen durchgeführt worden (S. 805 links).
Hierzu seien zunächst je eine Probe mit und ohne Getter eingesetzt worden, die beide keine Auffüllung aufgewiesen hätten. Die Probe ohne Getter habe ein Vakuum im Bereich von 1 mbar gezeigt, hauptsächlich aufgrund der Ausgasung der inneren Oberflächen während des Erhitzens im Laufe des Produktionsprozesses. Die Probe mit Getter habe einen Druck von 0,41 mbar aufgewiesen; dieser sei durch die Edelgase dominiert worden, die bei den durchgeführten Metallisierungsprozessen freigesetzt würden (S. 806 rechts).
Zur weiteren Erforschung seien drei weitere Proben mit Getter untersucht worden, von denen zwei mit und eine ohne Auffüllung versehen gewesen seien. Schon die erste dieser Proben sei mit einem Druck von 0,18 mbar von Interesse für die praktische Anwendung. Die zweite Probe mit einem Druck von 0,07 mbar zeige, dass dieses Ergebnis durch Feinabstimmung des Auffüllvorgangs verbessert werden könne. Aus der dritten Probe ergebe sich, dass ein Gesamtdruck von bis zu 0,1 µbar erzielt werden könne (S. 807 links).
b) Daraus ergab sich für den Fachmann keine Anregung, innerhalb desselben Produktionsprozesses durch gezielte Auswahl und Anordnung des Gettermaterials unterschiedliche Druckverhältnisse in unterschiedlichen Hohlräumen herzustellen, die den Betrieb von unterschiedlichen Sensorentypen ermöglichen.
E5 zeigt zwar in plausibler Weise auf, dass der Gasdruck in einem Hohlraum durch Einsatz eines geeigneten Gettermaterials beeinflusst werden kann. Zugleich zeigt die Entgegenhaltung aber auf, dass der Befüllung, also der Auswahl der während des Produktionsprozesses eingesetzten Gase und den dabei herrschenden Druckverhältnissen, ebenfalls entscheidende Bedeutung zukommt. Daraus ergab sich ohne zusätzlichen Hinweis nicht die Anregung, bei unveränderten Produktionsbedingungen allein durch die Variation von Art oder Anordnung des Gettermaterials Druckunterschiede herbeizuführen. E5 zeigt eine solche Vorgehensweise nicht auf. 77 4. Für den Gegenstand von Patentanspruch 7 gilt nichts anderes.
Vor dem aufgezeigten Hintergrund ergab sich weder aus E3 noch aus E5 eine Anregung, einen Druckunterschied durch Auswahl und Anordnung des Gettermaterials und der Prozessgase herbeizuführen.
IV. Die Entscheidung erweist sich nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis zutreffend.
1. Dass sich aus anderen Entgegenhaltungen eine weitergehende Anregung ergeben könnte, ist weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.
2. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Erfindung im Streitpatent so offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
a) Dabei kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass der Fachmann am Prioritätstag nicht ohne weiteres in der Lage war, einen Hohlraum mit einem Druck von rund 0,1 mbar, wie er typischerweise für einen Drehratensensor eingesetzt wird, mit einem anderen Hohlraum zu kombinieren, in dem der Druck mehr als 200 mbar beträgt.
Unter dieser Prämisse war es zwar nicht ohne erfinderisches Zutun möglich, im zweiten Hohlraum einen Betriebsdruck zu erzeugen, der innerhalb des in der Tabelle in Abs. 3 der Streitpatentschrift als typisch angegebenen Bereichs für Beschleunigungssensoren liegt. Wie bereits im Zusammenhang mit der Auslegung des Streitpatents dargelegt wurde, haben die Zahlenwerte aus dieser Tabelle aber keinen unmittelbaren Niederschlag in Patentanspruch 1 gefunden. Deshalb reicht es aus, wenn der Betriebsdruck jedenfalls die für Beschleunigungssensoren erforderliche Größenordnung erreicht. Diese wird in der Beschreibung des Streitpatents mit einigen hundert Millibar angegeben. Diese Voraussetzung ist bei einem Druck von rund 200 mbar noch erfüllt.
b) An einer ausführbaren Offenbarung fehlt es auch nicht deshalb, weil das Streitpatent einen weitergehenden Druckbereich beansprucht.
Nach der Rechtsprechung des Senats ist es bei einem Merkmal, das in verallgemeinerter Form beansprucht ist, nicht generell erforderlich, dass die Patentschrift dem Fachmann für jede denkbare Ausführungsform einen gangbaren Weg zu deren Verwirklichung aufzeigt. Die Frage, ob die Erfindung ausführbar offenbart ist, bedarf in solchen Fällen stets einer wertenden Betrachtung. Welches Maß an Verallgemeinerung zulässig ist, richtet sich im Einzelfall danach, ob der mit der jeweiligen Anspruchsfassung erschlossene Schutz sich im Rahmen dessen hält, was dem Patent aus Sicht des Fachmanns unter Berücksichtigung der Beschreibung und der darin enthaltenen Ausführungsbeispiele als allgemeinste Form der technischen Lehre zu entnehmen ist, durch die das der Erfindung zu Grunde liegende Problem gelöst wird (BGH, Beschluss vom 11. September 2013 - X ZB 8/12, BGHZ 198, 205 = GRUR 2013, 1210 Rn. 21 - Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren; Urteil vom 17. Januar 2017 X ZR 11/15, GRUR 2017, 493 Rn. 36 - Borrelioseassay).
Nach diesen Grundsätzen kann ein nur in einer Richtung begrenzter Wertebereich ausführbar offenbart sein, wenn sich die Erfindung nicht in der Eröffnung eines bestimmten Bereichs erschöpft, sondern eine darüber hinausgehende, verallgemeinerbare Lehre aufzeigt, die es dem Fachmann erstmals ermöglicht, nach weiteren Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen und den im Patent konkret aufgezeigten Höchstwert zu übertreffen. Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, beruht eine spätere Erfindung, die den vom Patent aufgezeigten Ansatz nutzt und durch zusätzliche oder abgewandelte Maßnahmen zu weiteren Verbesserungen führt, auf dem Beitrag, den das Patent zum Stand der Technik geleistet hat (BGH, Urteil vom 12. März 2019 - X ZR 32/17, GRUR 2019, 713 Rn. 42 - Cer-Zirkonium-Mischoxid I).
Im Streitfall zeigt das Streitpatent eine verallgemeinerbare Lehre auf, die es dem Fachmann unabhängig von konkreten Druckbereichen ermöglicht, trotz gleicher Druckverhältnisse während des Herstellungsvorgangs unterschiedliche Hohlräume mit unterschiedlichen Druckverhältnissen zu erzeugen. Es hat damit einen neuen Weg aufgezeigt, auf dem im Wege der Optimierung noch größere Druckunterschiede herbeigeführt werden können. Bei dieser Ausgangslage ist die Erfindung auch ohne Vorgabe eines konkreten Druckbereichs ausführbar offenbart.
3. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die mit dem Hauptantrag verteidigte Kombination aus einem Beschleunigungs- und einem Drehratensensor in den ursprünglich eingereichten Unterlagen, die als WO 2007/113325 (NK4) veröffentlicht sind, als zur Erfindung gehörend offenbart.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob jede beliebige Kombination zwischen zwei der in der Anmeldung angeführten Arten von Sensoren und sonstigen Bauteilen in der erforderlichen Weise offenbart ist. Für eine Kombination aus Beschleunigungs- und Drehratensensor ist diese Frage jedenfalls deshalb zu bejahen, weil diese in den einleitenden Passagen der Beschreibung (NK4 S. 1 Z. 38 bis S. 2 Z. 3 = Patentschrift Abs. 3) und die weiteren Ausführungen in der Patentschrift das Bestreben erkennen lassen, eine möglichst große Anzahl an verschiedenen Kombinationen zu ermöglichen.
V. Der Rechtsstreit ist zur Entscheidung reif.
Das Streitpatent erweist sich in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung aus den oben aufgezeigten Gründen als rechtsbeständig.
VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 91 Abs. 1 und § 92 Abs. 1 ZPO.
Bacher Marx Grabinski Rensen Hoffmann Vorinstanz: Bundespatentgericht, Entscheidung vom 16.05.2018 - 6 Ni 66/16 (EP) -
Urheber dieses Dokuments ist der Bundesgerichtshof. Nach § 5 UrhG geniessen Entscheidungen und Gesetze keinen urheberrechtlichen Schutz. Auflagen des Gerichts können aber die kommerzielle Verwertung einschränken. In Anlehnung an Creative Commons Lizenzen ist die Nutzung mit einer CC BY-NC-SA 3.0 DE Lizenz vergleichbar. Bitte beachten Sie, dass diese Entscheidung urheberrechtlich geschützte Abbildungen enthalten kann. Vor einer Nutzung - über die reine Wiedergabe der Entscheidung hinaus - sind in solchen Fällen entsprechende Nutzungsrechte bei den jeweiligen Rechteinhabern einzuholen.
Häufigkeit | Paragraph | |
---|---|---|
1 | 121 | PatG |
1 | 91 | ZPO |
1 | 92 | ZPO |
Häufigkeit | Paragraph | |
---|---|---|
1 | 121 | PatG |
1 | 91 | ZPO |
1 | 92 | ZPO |
Der nachfolgende Link führt Sie zum originalen Dokument. Aufgrund der technischen Natur des Internets ist es möglich, dass der Link zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr gültig ist. Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass wir nicht alle Links einer ständigen Prüfung unterziehen können.
Öffnen