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7 W (pat) 54/09

BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 54/09 Verkündet am 27. Februar 2013

…

BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend das Patent 44 26 677 …

BPatG 154 05.11

…

hat der 7. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2013 durch den Richter Dipl.-Phys. Dipl. Wirt.-Phys. Maile als Vorsitzenden und den Richtern Schwarz, Dipl.-Phys. Dr. Schwengelbeck und Dipl.-Ing. Altvater beschlossen: Unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen wird der Beschluss der Patentabteilung 1.21 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 25. November 2008 dahin abgeändert, dass das Patent 44 26 677 mit den folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht erhalten wird:

- Patentansprüche 1 bis 6 laut dem in der mündlichen Verhandlung vom 27. Februar 2013 überreichten 1. Hilfsantrag

- Beschreibung laut Patentschrift, jedoch mit der Maßgabe, dass in Absatz [0009] der Beschreibung die Worte „des Patentanspruchs 1” durch die Worte „die Patentansprüche 1, 5 und 6” ersetzt werden

- Zeichnung (1 Fig.) laut Patentschrift.

Gründe:

I.

Die Erteilung des unter Inanspruchnahme der inneren Priorität der deutschen Patentanmeldung P 43 28 072.2 vom 20. August 1993 eingereichten Patents 44 26 677 (Anmeldetag 28. Juli 1994) mit der Bezeichnung

„Insassenschutzvorichtung für ein Fahrzeug“

ist am 20. Juli 2006 unter Nennung folgender Druckschriften als Stand der Technik veröffentlicht worden:

(1) DE 44 10 402 A1 (ältere Anmeldung) (= D1) (2) DE 42 37 072 C1 (ältere Anmeldung), (3) DE 42 28 624 A1 (ältere Anmeldung), (4) DE 42 43 826 A1 (ältere Anmeldung), (5) DE 40 23 109 A1, (6) DE 91 12 752 U1, (7) US 3 992 028, (8) EP 0 520 537 A1 und (9) EP 0 458 102 A1.

Patentanspruch 1 lautet in der erteilten Fassung (Merkmalsgliederung seitens des Senats hinzugefügt):

M1 „Insassenschutzvorrichtung für ein Fahrzeug (1) mit einem wenigstens einem Fahrzeugsitz (3) zugeordneten, aufblasbaren Gaskissen (13), das über eine mit einer Sensorik (11) verbundene Steuereinrichtung (10) aktivierbar ist,

M2 wobei durch die Sensorik auch eine Belegung des Fahrzeugsitzes (3) feststellbar ist,

dadurch gekennzeichnet,

M3 dass an einem auf dem Fahrzeugsitz (3) absetzbaren Kindersitz (5) wenigstens ein Element einer Signalvorrichtung vorgesehen ist, durch das nach Einbau des Kindersitzes (5) die Steuereinrichtung (10) im Sinne einer Verhinderung oder kindgerechten Betätigung der Gaskissenauslösung selbsttätig beeinflusst ist, und M4 dass die Signalvorrichtung M4a - einen am Kindersitz (5) angeordneten Sender (16), der Funk-, Infrarot- oder Schallwellen oder ein Magnetfeld emittiert, und M4b - einen die Funk-, Infrarot- oder Schallwellen bzw. das Magnetfeld des Senders (16) aufnehmenden Empfänger (17), der mit der Steuereinrichtung (10) verbunden ist, aufweist.“

Die erteilten Patentansprüche 2 bis 5 betreffen vorteilhafte Ausführungsformen und sind direkt oder indirekt auf Patentanspruch 1 rückbezogen.

Gegen das Patent hat die Einsprechende Einspruch wegen fehlender Patentfähigkeit nach § 21 i. V. m. §§ 1 bis 5 PatG erhoben, der sich neben der Druckschrift D1 auf folgende Druckschriften stützt:

D2 Turbell, T.: Are Air Bags Compatible with Child Restraint Systems and Roadside Safety Features? In: 13th International Technical Conference on Experimental Safety Vehicles, Paris, France, mit strittigem Veröffentlichungsdatum 4-7 Nov. 1991 (NHTSA, Washington DC), D3 RD 344057, Research Disclosure, December 1992, No. 344 (Emsworth, GB), Anonymous, „Air Bag Inhibitor for Use with Infant Seat“, D4 WO 87 / 04801 A1 und D5 US 4 973 944.

Die Patentabteilung 21 hat das Patent 199 44 939 mit Beschluss vom 25. November 2008 in vollem Umfang mit der Begründung aufrechterhalten, dass der Einspruch zwar zulässig aber unbegründet sei, weil der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatent in der erteilten Fassung gegenüber dem Stand der Technik neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden.

Zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung hat der Senat die Verfahrensbeteiligten schriftsätzlich auf den nachfolgend genannten Stand der Technik hingewiesen:

D6 US 4 971 392 und D7 DE 38 09 074 A1.

Die Patentinhaberin hat ihr Patent in der mündlichen Verhandlung vom 27. Februar 2013 nach Hauptantrag mit den erteilten Patentansprüchen sowie mit vier Hilfsanträgen in beschränkter Form verteidigt. Sie führt hierzu aus, dass die Erfindung nach den jeweiligen Anspruchsfassungen gemäß Hauptantrag sowie den vier Hilfsanträgen patentfähig sei.

Dem hat die Einsprechende in der mündlichen Verhandlung vollumfänglich widersprochen. Sie macht bezüglich dem Gegenstand des Hauptantrags und den jeweiligen Gegenständen der vier Hilfsanträge fehlende Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit geltend. Die Einsprechende hat in der mündlichen Verhandlung Abschriften von Unterlagen überreicht, bei denen es sich um die - vor dem Anmeldetag des Streitpatents eingereichte - Patentanmeldung P 43 09 800.2 (in Folge D1‘) handeln soll, deren Priorität von der nachveröffentlichten Druckschrift D1 in Anspruch genommen wurde. Die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin), der in der mündlichen Verhandlung eine Ausfertigung überreicht worden ist, bestreitet, dass die nachveröffentlichte Druckschrift D1 die innere Priorität der D1’ vom 27. März 1993 - und somit einen älteren Zeitrang als das Streitpatent - zurecht in Anspruch nimmt und dass die D1‘ bzw. die den in der mündlichen Verhandlung überreichten Abschriften zugrunde liegenden Unterlagen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind.

Die Einsprechende stellt den Antrag,

den Beschluss der Patentabteilung 1.21 des Deutschen Patentund Markenamtes vom 25. November 2008 aufzuheben und das Patent 44 26 677 zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen,

hilfsweise unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen den Beschluss der Patentabteilung 1.21 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 25. November 2008 dahin abzuändern, dass das Patent 44 26 677 mit den folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht erhalten wird:

- Patentansprüche 1 bis 6 laut dem in der mündlichen Verhandlung vom 27. Februar 2013 überreichten 1. Hilfsantrag hilfsweise:

Patentansprüche 1 bis 4 laut dem in der mündlichen Verhandlung vom 27. Februar 2013 überreichten 2. Hilfsantrag weiter hilfsweise:

Patentansprüche 1 bis 3 laut dem in der mündlichen Verhandlung vom 27. Februar 2013 überreichten 3. Hilfsantrag weiter hilfsweise:

Patentansprüche 1 bis 3 laut dem in der mündlichen Verhandlung vom 27. Februar 2013 überreichten 4. Hilfsantrag Beschreibung und Zeichnung (1 Fig.) laut Patentschrift, bei Hilfsantrag 1 jedoch mit der Maßgabe, dass in Absatz [0009] der Beschreibung die Worte “des Patentanspruchs 1” durch die Worte “die Patentansprüche 1, 5 und 6” ersetzt werden.

Anspruch 1 nach 1. Hilfsantrag weist die Merkmale des erteilten Anspruchs 1 auf unter Ersetzung der Teilmerkmale M4a und M4b durch folgende Merkmale (Änderungen gegenüber dem erteilten Anspruch 1 hervorgehoben):

M4a'

- einen am Kindersitz (5) angeordneten Sender (16), der Funk-, Infrarot- oder Schallwellen oder ein Magnetfeldemittiert, und M4b'

- einen die Funk-, Infrarot- oder Schallwellen bzw. das Magnetfeld des Senders (16) aufnehmenden Empfänger (17), der mit der Steuereinrichtung (10) verbunden ist, “Der nebengeordnete Anspruch 5 nach 1. Hilfsantrag weist die Merkmale M1 und M2 des erteilten Anspruchs 1 auf unter Hinzufügung der folgenden Merkmale (Änderungen gegenüber dem erteilten Anspruch 1 hervorgehoben):

N3‘ „dass an einem auf dem Fahrzeugsitz (3) absetzbaren Kindersitz (5) wenigstens ein Element einer Signalvorrichtung vorgesehen ist, durch das nach Einbau des Kindersitzes (5) die Steuereinrichtung (10) im Sinne einer Verhinderung oder kindgerechten Betätigung der Gaskissenauslösung derart dergestalt selbsttätig beeinflusst ist, dass bei einer Aktivierung der Insassenschutzvorrichtung der Ausblaswinkel des Gaskissens (13) verstellt wird, und N4‘ dass die Signalvorrichtung N4a‘ - einen am Kindersitz (5) angeordneten Sender (16), der Funk-, Infrarot- oder Schallwellen oder ein Magnetfeld emittiert, und N4b‘ - einen die Funk-, Infrarot- oder Schallwellen bzw. das Magnetfeld des Senders (16) aufnehmenden Empfänger (17), der mit der Steuereinrichtung (10) verbunden ist,

aufweist.“

Der nebengeordnete Anspruch 6 nach 1. Hilfsantrag weist die Merkmale M1 bis M3 des erteilten Anspruchs 1 auf unter Hinzufügung folgender Merkmale (Änderungen gegenüber dem erteilten Anspruch 1 hervorgehoben):

N4'' „dass die Signalvorrichtung N4a'' - einen am Kindersitz (5) angeordneten Sender (16), der Funk-, Infrarot- oder Schallwellen oder ein Magnetfeld emittiert, und N4b'' - einen die Funk-, Infrarot- oder Schallwellen bzw. das Magnetfeld des Senders (16) aufnehmenden Empfänger (17), der mit der Steuereinrichtung (10) verbunden ist, aufweist, und N5‘‘ dass vom Sender (16) zudem ein die Bauart des Kindersitzes (5) kennzeichnendes Signal ausstrahlbar ist.“

Wegen des Wortlauts der jeweiligen Unteransprüche zum Hauptantrag bzw. zum Hilfsantrag 1, wegen des Wortlauts der Anspruchssätze nach den Hilfsanträgen 2 bis 4 und wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache insoweit Erfolg, als sie zu einer beschränkten Aufrechterhaltung des Patents im Umfang der Anspruchsfassung nach 1. Hilfsantrag führt, da die Gegenstände der nebengeordneten Ansprüche 1, 5 und 6 gemäß 1. Hilfsantrag nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung gegenüber den im Verfahren befindlichen Druckschriften neu sind und auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmann beruhen. Dieser ist vorliegend als DiplomIngenieur mit Fachhochschulabschluss und mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet des Fahrzeug-Insassenschutzes zu definieren.

1. Die Erfindung betrifft eine Insassenschutzvorrichtung für ein Fahrzeug mit einem wenigstens einem Fahrzeugsitz zugeordneten, aufblasbaren Gaskissen, das über eine mit einer Sensorik verbundene Steuereinrichtung aktivierbar ist, wobei durch die Sensorik auch eine Belegung des Fahrzeugsitzes feststellbar ist (vgl. Patentschrift, Abs. [0001]).

Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, gattungsgemäße Insassenschutzvorrichtungen so weiterzubilden, dass den besonderen Verhältnisses bei der Unterbringung von Kindern Rechnung getragen werden kann (Patentschrift, Abs. [0008]).

Die Aufgabe wird durch die Merkmale der Insassenschutzvorrichtungen gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag bzw. der unabhängigen Patentansprüche 1, 5 und 6 nach 1. Hilfsantrag gelöst.

2. Zum Hauptantrag a) Die Frage der Zulässigkeit der Ansprüche nach Hauptantrag kann dahinstehen, da sich der Anspruch 1 nach Hauptantrag nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung als nicht patentfähig erweist (vgl. BGH, GRUR 1991, 120, 121 li. Sp. Abs. 3 - „elastische Bandage“).

b) Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Ausgehend von einer gattungsgemäßen Insassenschutzvorrichtung (belegt durch die Druckschriften (5) – vgl. u. a. Sp. 3, Z. 25-30 – und (9) – vgl. u. a. Sp. 3, Z. 1426) für ein Fahrzeug mit einem (wenigstens) einem Fahrzeugsitz zugeordneten aufblasbaren Gaskissen, das über eine mit einer Sensorik verbundenen Steuereinrichtung aktivierbar ist, wobei durch die Sensorik auch eine Belegung des Fahrzeugsitzes feststellbar ist (vgl. Streitpatent, Abs. [0002] i. V. m. den Druckschriften (5) und (9) / Merkmale M1 und M2), hat der Fachmann, der vor die Aufgabe gestellt ist, eine gattungsgemäße Insassenschutzvorrichtung so weiterzubilden, dass den besonderen Verhältnissen bei der Unterbringung von Kindern Rechnung getragen wird, Veranlassung, die vorveröffentlichte Druckschrift D3, die sich ebenfalls mit der gleichen Aufgabenstellung befasst (vgl. die Figuren 1 und 2 mitsamt zugehörigem Text), heranzuziehen.

Dabei lehrt die D3, dass an einem auf einem Fahrzeugsitz („vehicle seat 12“) absetzbaren Kindersitz („child seat 10“) ein Element („chip 20“ mit zwei in der Figur 2 dargestellten Kontakten) einer Signalvorrichtung vorgesehen ist, durch das nach dem Einbau des Kindersitzes die Steuereinrichtung („air bag control circuitry“) der Insassenschutzvorrichtung im Sinne einer Verhinderung der Gaskissenauslösung selbsttätig dahingehend beeinflussbar ist, dass die Auslösung eines aufblasbaren Gaskissens verhindert wird (D3: vorletzter Satz: „to [...] inhibit the actuation of the air bag when the child seat […]“ / Merkmal M3 in einer beanspruchten Alternative).

Im Unterschied zum Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag weist die aus der D3 bekannte Insassenschutzvorrichtung jedoch keinen am Kindersitz angeordneten Sender auf, der Funk-, Infrarot- oder Schallwellen oder ein Magnetfeld emittiert (Merkmal M4a fehlt). Dementsprechend offenbart die D3 auch keinen Funk-, Infrarot- oder Schallwellen bzw. ein Magnetfeld eines Senders aufnehmenden Empfänger, der mit der Steuereinrichtung verbunden ist (Merkmal M4b fehlt).

In der D3 wird jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das vorstehend zitierte Element („chip 20“ mit zugehörigen Kontakten) nur ein Beispiel für ein Element zur Beeinflussung der Betätigung des Airbags ist, wenn ein Kindersitz auf dem Fahrzeugsitz befestigt ist (D3, letzter Satz: „The chip 20 is only one example of an electrical device which can be actuated when the child seat is in place to modify the operation of the air bag system.“). Der Fachmann, dem bekannt ist,

dass ein Chip mit verschleißanfälligen Kontakten bei einer Insassenschutzvorrichtung nachteilig, wenn nicht gar sicherheitsgefährdend sein kann, hat somit hinreichend Veranlassung, Alternativen für den vorstehend zitierten Chip in Betracht zu ziehen.

Aus der Druckschrift D6 (vgl. Sp. 2, Z. 30 ff, sowie Sp. 3, zweiter Abs., Sp. 6, Z. 15-34, und Sp. 8, Z. 28-30) ist dem Fachmann bekannt, dass eine Signalvorrichtung im Zusammenhang mit einer Insassenschutzvorrichtung und einem Kindersitz („child’s safety seat“) auch kontaktlos durch magnetische Mittel („magnetic material“) bzw. durch ein hierdurch ausgesendetes Magnetfeld und einen zugehörigen, das Magnetfeld empfangenden Detektor / Empfänger („magnetic material detector“), der mit einer Steuervorrichtung („appropiate electronic circuitry“) verbunden ist, ausgebildet werden kann (vgl. D6, Sp. 2, Z. 30 ff, i. V. m. Sp. 3, Z. 614). Für den Fachmann, der nach einer Alternative zu einem Chip mit verschleißanfälligen Kontakten sucht, liegt es damit nahe, die Signalvorrichtung mit einem Element, das ein Magnetfeld emittiert – mithin einem Sender, der ein Magnetfeld emittiert – auszubilden (Merkmal M4a in einer beanspruchten Alternative) sowie einen zugehörigen Empfänger für dieses Magnetfeld vorzusehen, der mit der Steuereinrichtung der Insassenschutzvorrichtung verbunden ist (Merkmal M4b in einer beanspruchten Alternative), um die Auslösung des Gaskissens zu verhindern.

Somit gelangt der Fachmann in nahe liegender Weise zum Gegenstand einer im Anspruch 1 nach Hauptantrag beanspruchten Alternative, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen.

Der Anspruch 1 nach Hauptantrag ist daher nicht patentfähig.

c) Mit dem nicht patentfähigen Anspruch 1 nach Hauptantrag sind auch die auf den Anspruch 1 direkt oder indirekt rückbezogenen Ansprüche 2 bis 5 nach Hauptantrag nicht rechtsbeständig, da auf diese erkennbar kein eigenständiges Patentbegehren gerichtet war (vgl. BGH, GRUR 2007, 862 Leitsatz – Informationsübermittlungsverfahren II).

3. Zum 1. Hilfsantrag a) Die geltenden Ansprüche 1 bis 6 nach Hilfsantrag sind zulässig, wobei die jeweiligen Anspruchsgegenstände ausführbar sind. Ihre Merkmale sind in der Streitpatentschrift sowie in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen des Streitpatents und den entsprechenden Unterlagen der deutschen Patentanmeldung P 43 28 072.2, deren innere Prioriät vom Streitpatent in Anspruch genommen wird, ursprünglich offenbart worden (vgl. Streitpatent, insbesondere die erteilten Ansprüche 1 bis 4, sowie die Beschreibung, Abs. [0010] und [0011], und die entsprechenden ursprünglichen Anmeldeunterlagen). Zudem schränken die geltenden Ansprüche die erteilte Vorrichtung ein und begründen kein Aliud.

b) Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt in der beschränkt verteidigten Fassung der geltenden Patentansprüche 1 bis 6 nach 1. Hilfsantrag eine patentfähige Erfindung i. S. d. §§ 1 bis 5 PatG dar. Die Erfindung ist dabei so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

c) Die Insassenschutzvorrichtung gemäß Anspruch 1 nach 1. Hilfsantrag sowie die Insassenschutzvorrichtungen gemäß den nebengeordneten Ansprüchen 5 und 6 gemäß 1. Hilfsantrag sind neu gegenüber der nachveröffentlichten Druckschrift D1 sowie der von der Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung überreichten Abschrift der Voranmeldung D1’, deren innere Priorität und älterer Zeitrang von der Druckschrift D1 in Anspruch genommen wird.

Die Frage, ob und in welchem Umfang die nachveröffentlichte Druckschrift D1 die innere Priorität der D1’ vom 27. März 1993 und somit einen älteren Zeitrang als das Streitpatent zurecht in Anspruch nimmt, was von der Patentinhaberin bestrit- ten wird, kann damit im Übrigen dahinstehen. Es kann damit auch dahinstehen, ob die Voranmeldung D1’ vom 27. März 1993 als solche, die mit der wirksamen Inanspruchnahme der inneren Priorität durch die D1 im Mai 1994 als zurückgenommen und damit als nicht mehr anhängig galt, sodass eine amtliche Veröffentlichung der Voranmeldung in der gesetzlich vorgeschriebenen Form, d.h. im Patentblatt gemäß § 32 Abs. 5 PatG bzw. als Offenlegungsschrift oder als Patentschrift, unterblieben ist, überhaupt einen nachveröffentlichten Stand der Technik mit älterem Zeitrang darstellt.

Die nachveröffentlichte Patentanmeldung D1, die die innere Priorität der Voranmeldung D1’ vom 27. März 1993 und somit einen älteren Zeitrang als das Streitpatent in Anspruch nimmt, offenbart nicht unmittelbar und eindeutig, dass eine Sensorik ausgebildet ist, über die ein Gaskissen aktivierbar ist, wobei durch die Sensorik auch eine Belegung eines Fahrzeugsitzes feststellbar ist (Merkmal M2 fehlt). Im Übrigen offenbart auch die D1‘ dieses Merkmal nicht.

Somit ist die im Anspruch 1 nach 1. Hilfsantrag beanspruchte Insassenschutzvorrichtung neu gegenüber der D1 bzw. der D1‘. Die Frage des Zeitrangs der D1 bzw. der D1‘ kann somit dahinstehen.

Den Ausführungen der Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung, dass sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 nach 1. Hilfsantrag aus der D1 bekannt seien, kann nicht zugestimmt werden. Die Einsprechende verweist dabei insbesondere auf Sp. 1, Z. 25-33 der D1 (hier wird ein „Metalldetektor“ im Beifahrersitz aufgeführt, der auf „Metall anspricht“) und den Patentanspruch 1 der Druckschrift D1 (vgl. Sp. 1, Z. 59 ff. i. V. m. Sp. 2, Z. 15-20), in dem aufgeführt wird, dass eine „Airbagsicherung [...] mit beliebigen Mitteln und/oder Schaltungen versehen sind, durch deren Zusammenwirken entweder der oder die Airbags insbesondere automatisch außer Funktion gesetzt werden“ und „die beliebigen Mittel und/oder Schaltungen beliebig miteinander verbunden sind, kabel- oder drahtverbunden oder nicht, insbesondere mit Licht, IR-Strahlung, Laserstrahl, Ultraschall, Funk oder unter Ausnutzung anderer physikalischer oder/ und chemischer Effekte“. Entgegen der Auffassung der Einsprechenden offenbaren aber weder die vorstehende zitierten Zitatstellen noch andere Stellen in der D1 unmittelbar und eindeutig, dass der Airbag durch eine Sensorik aktivierbar ist und durch die Sensorik auch eine Belegung des Fahrzeugsitzes feststellbar ist. Das Streitpatent unterscheidet somit zwischen einer Sensorik (Bezugszeichen 11 in Fig. 1), durch welche mittels der Steuereinrichtung (10) der Airbag aktivierbar und die Belegung des Sitzes feststellbar ist, sowie dem am Kindersitz angebrachten Sender (16), welcher mittels Empfänger (17) und Steuereinrichtung (10) die Gaskissenauslösung beeinflusst. Vielmehr müsste der Fachmann zusätzlich Überlegungen einfließen lassen, um zum Gegenstand des Anspruchs 1 nach 1. Hilfsantrag mit dem Merkmal M2 zu gelangen.

Ob es für den Fachmann aufgrund der vorstehend genannten Zitatstellen in der D1 nahe liegt, eine Sensorik vorzusehen, die eine Belegung des Fahrzeugsitzes feststellt, sowie einen am Kindersitz angeordneten Sender auszubilden, der Funk-, Infrarot- oder Schallwellen emittiert, ist jedoch keine Frage der Neuheit, sondern eine Frage der erfinderischen Tätigkeit, die bei der Beurteilung des Anspruchs 1 nach 1. Hilfsantrag im Hinblick auf die nachveröffentlichte Druckschrift D1 außer Betracht zu bleiben hat.

d) Die Insassenschutzvorrichtung gemäß Anspruch 1 nach 1. Hilfsantrag ist auch neu gegenüber dem weiteren im Verfahren befindlichen Stand der Technik. Denn keine der weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften offenbart zumindest eine Insassenschutzvorrichtung mit einem an einem Kindersitz angeordneten Sender, der Funk-, Infrarot- oder Schallwellen emittiert (Merkmal M4a‘ fehlt jeweils).

Somit ist aus keiner der im Verfahren befindlichen Druckschriften der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 vollständig zu entnehmen. Der Anspruchsgegenstand ist somit neu.

e) Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach 1. Hilfsantrag beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns.

Entsprechend den vorstehenden Ausführungen ist keiner der vorveröffentlichten Druckschriften (5) bis (9) und D2 bis D7, die bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nur zu berücksichtigen sind, eine Insassenschutzvorrichtung zu entnehmen, die einen an einem Kindersitz angeordneten Sender, der Funk-, Infrarot- oder Schallwellen emittiert aufweist, so dass auch eine beliebige Kombination dieser Druckschriften nicht zum beanspruchten Gegenstand mit den Merkmalen der Insassenschutzvorrichtung nach dem Anspruch 1 nach 1. Hilfsantrag führt.

Die Merkmale des Anspruchs 1 nach 1. Hilfsantrag führen bei der verteidigten Insassenschutzvorrichtung zu einem für den Fachmann weder vorhersehbaren noch selbstverständlichen Vorteil gegenüber dem Stand der Technik, nämlich dass mit einer derartigen Vorrichtung eine ggf. erforderliche Verhinderung bzw. kindgerechte Betätigung der Gaskissenauslösung auf funktionssichere Weise selbsttätig möglich ist (vgl. die geltende Beschreibung, Abs. [0010]), sodass die Vorrichtung des geltenden Anspruchs 1 nach 1. Hilfsantrag dem Fachmann auch unter Einbeziehung seines Fachwissens nicht nahegelegt wird.

f) Die Insassenschutzvorrichtung gemäß dem nebengeordneten Anspruch 5 nach 1. Hilfsantrag ist neu, denn aus keiner der zum Stand der Technik genannten Druckschriften ist eine Insassenschutzvorrichtung mit sämtlichen Merkmalen des Gegenstands des nebengeordneten Anspruchs 5 nach 1. Hilfsantrag bekannt.

Die Druckschrift D7 (vgl. Sp. 1, erster und vierter Abs., sowie Fig. 1 und den zugehörigen Text), die die einzige im Verfahren befindliche Druckschrift darstellt, die sich mit der Art und Weise der Füllung eines Gaskissens befasst, offenbart dabei lediglich eine Insassenschutzvorrichtung („Sicherheitssystem für Kraftfahrzeuge unter Einbeziehung eines aufblasbaren Aufprallschutzkissens“), bei dem ein aufblasbares Gaskissen in Form von einem „Aufprallschutzkissen“ bzw. einem „Air- bag“ in Abhängigkeit von der Haltung und der Sitzposition eines Fahrzeuginsassens ggf. nur teilweise gefüllt wird (D7: Sp. 3, dritter Abs.). Eine Verstellung des Aufblaswinkels des Airbags ist dabei jedoch nicht offenbart (Merkmal N3‘ ohne Verstellung des Ausblaswinkels des Gaskissens bei einer Aktivierung der Insassenschutzvorrichtung). Die Insassenschutzvorrichtung gemäß dem nebengeordneten Anspruch 5 nach 1. Hilfsantrag ist somit auch neu gegenüber der Druckschrift D7.

Auch die weiteren Druckschriften im Stand der Technik offenbaren keine Insassenschutzvorrichtung, bei deren Aktivierung der Ausblaswinkel des Gaskissens verstellt wird.

g) Der Gegenstand des nebengeordneten Anspruchs 5 nach 1. Hilfsantrag beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns.

Entsprechend den Ausführungen unter cc) ist keiner der vorveröffentlichten Druckschriften (5) bis (9) und D2 bis D7, die bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit zu berücksichtigen sind, eine Insassenschutzvorrichtung zu entnehmen, bei deren Aktivierung der Ausblaswinkel des Gaskissens verstellt wird, so dass auch eine beliebige Kombination dieser Druckschriften nicht zum beanspruchten Gegenstand mit den Merkmalen der Insassenschutzvorrichtung nach dem nebengeordneten Anspruch 5 nach 1. Hilfsantrag führt.

Die Merkmale des nebengeordneten Anspruchs 5 nach 1. Hilfsantrag führen bei der verteidigten Insassenschutzvorrichtung zu einem für den Fachmann weder vorhersehbaren noch selbstverständlichen Vorteil gegenüber dem Stand der Technik, nämlich dass mit einer derartigen Vorrichtung eine kindgerechte Betätigung des Gaskissens unter Verstellung des Ausblaswinkels möglich ist, so dass ein vorgelagert sitzendes Kind auf einem Kindersitz durch den Aufblasvorgang nicht beeinträchtigt wird (vgl. die geltende Beschreibung, Abs. [0011]). Die Vorrichtung des nebengeordneten Anspruchs 5 nach 1. Hilfsantrag wird dem Fachmann somit auch unter Einbeziehung seines Fachwissens nicht nahegelegt.

h) Auch die Insassenschutzvorrichtung gemäß dem nebengeordneten Anspruch 6 nach 1. Hilfsantrag ist neu, denn aus keiner der zum Stand der Technik genannten Druckschriften ist eine Insassenschutzvorrichtung mit sämtlichen Merkmalen des Gegenstand des nebengeordneten Anspruchs 6 nach 1. Hilfsantrag bekannt.

Keine der Druckschriften im Stand der Technik offenbart eine Insassenschutzvorrichtung, bei der von einem Sender ein die Bauart des Kindersitzes kennzeichnendes Signal ausstrahlbar ist (Merkmal N5‘‘ fehlt).

i) Der Gegenstand des nebengeordneten Anspruchs 6 nach 1. Hilfsantrag beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns.

Denn keiner der vorveröffentlichten Druckschriften (5) bis (9) und D2 bis D7, die bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit zu berücksichtigen sind, ist eine Insassenschutzvorrichtung zu entnehmen, mit einem an einem Kindersitz angeordneten Sender, der ein Magnetfeld emittiert, wobei vom Sender zudem ein die Bauart des Kindersitzes kennzeichnendes Signal ausstrahlbar ist, so dass auch eine beliebige Kombination dieser Druckschriften nicht zum beanspruchten Gegenstand mit den Merkmalen der Insassenschutzvorrichtung nach dem nebengeordneten Anspruch 6 nach 1. Hilfsantrag führt.

Die Merkmale des nebengeordneten Anspruchs 5 nach 1. Hilfsantrag führen bei der verteidigten Insassenschutzvorrichtung zu einem für den Fachmann weder vorhersehbaren noch selbstverständlichen Vorteil gegenüber dem Stand der Technik, nämlich dass mit einer derartigen Insassenschutzvorrichtung eine kindgerechte Betätigung der Gaskissenauslösung auf funktionssichere Weise möglich ist (vgl. die geltende Beschreibung, Abs. [0010] i. V. m. Abs. [0015]), sodass die Vorrichtung des nebengeordneten Anspruchs 6 nach 1. Hilfsantrag dem Fachmann auch unter Einbeziehung seines Fachwissens nicht nahegelegt wird.

j) Da die zweifelsfrei gewerblich anwendbaren Vorrichtungen des Anspruchs 1 nach 1. Hilfsantrag bzw. der nebengeordneten Ansprüche 5 und 6 nach 1. Hilfsantrag neu sind und auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns beruhen, sind sie patentfähig.

k) Die direkt oder indirekt auf den Patentanspruch 1 nach 1. Hilfsantrag rückbezogenen abhängigen Patentansprüche 2 bis 4 betreffen über das Selbstverständliche hinausgehende Ausgestaltungen des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 und sind daher ebenfalls patentfähig.

4. Da mit dem Hilfsantrag 1 ein patentfähiger Anspruchssatz vorliegt, ist über die jeweiligen Ansprüche nach den Hilfsanträgen 2 bis 4 vorliegend nicht zu entscheiden.

5. Da die vorgelegten geltenden Unterlagen auch den formellen Anforderungen des § 34 PatG genügen, war das Patent im Umfang des 1. Hilfsantrags zu erteilen.

Maile Schwarz Dr. Schwengelbeck Altvater prö

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