7 W (pat) 86/14
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 86/14 Verkündet am 30. April 2015
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
betreffend das Patent 696 27 365 (= EP 0 859 597) wegen Wiedereinsetzung hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. April 2015 durch den Vorsitzenden Richter Rauch, die Richterin Püschel und die Richterin Dr. Schnurr BPatG 154 05.11 beschlossen:
-2Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe I.
Auf die am 25. September 1996 eingereichte Anmeldung wurde der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin, der Firma L… Corp., mit Wirkung auch für die Bundesrepublik Deutschland das europäische Patent EP 0 859 597 mit der Bezeichnung „Verabreichungssystem mit verzögerter Freisetzung sowie langwirkende narkotische Analgetika und Antagonisten“ erteilt, das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) unter der Nummer DE 696 27 365 geführt wird. Die Patenterteilung wurde vom Europäischen Patentamt am 9. April 2003 veröffentlicht.
Nachdem die zehnte Jahresgebühr für das vorliegende Patent nicht gezahlt worden war, wurde vom DPMA das Erlöschen des Schutzrechts zum 1. April 2006 festgestellt und am 13. Juli 2006 im Patentblatt veröffentlicht.
Am 30. Juli 2008 schloss die Antragstellerin mit der LAM Pharmaceutical Corp. einen Kaufvertrag über den Erwerb des Patents. Am 30. Juni 2014 wurde sodann der deutsche Teil des europäischen Patents auf die Antragstellerin umgeschrieben.
Mit Telefaxschreiben vom 6. Dezember 2013 beantragte die Antragstellerin Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der zehnten Jahresgebühr und erteilte gleichzeitig eine Einzugsermächtigung für diese Jahresgebühr in Höhe von 350,- € nebst 50,-- € Verspätungszuschlag.
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages führte die Antragstellerin aus, die Frist für die Zahlung der Jahresgebühr sei ohne Verschulden der früheren Patentinhaberin versäumt worden. Am 7. Oktober 2013 habe sie zufällig in der Akte eines US-Patents Dokumente entdeckt, die - entgegen einer anderslautenden Erklärung im Kaufvertrag - beweisen würden, dass US-Patentanwalt N…, der mit der Verwaltung des gesamten Patentportfolios der Rechtsvorgängerin beauftragt gewesen sei, die deutschen Inlandsvertreter angewiesen habe, die fällige zehnte Jahresgebühr nicht einzuzahlen. Das Fallenlassen des Patents durch US-Patentanwalt N… sei sittenwidrig, erfülle einen Deliktstatbestand und könne weder der früheren, noch der jetzigen Patentinhaberin zugerechnet werden. US-Patentanwalt N… habe gegen die ausdrückliche Weisung der früheren Patentinhaberin gehandelt, diese falsch informiert und dadurch deren Rechtsposition in systematischer Weise geschwächt. Dies rechtfertige die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch nach Ablauf der Einjahresfrist des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG.
Zur Glaubhaftmachung ihres Vortrages legte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 30. April 2014 eine eidesstattliche Versicherung von Herrn K… vom 27. März 2014 vor. Zu deren Inhalt wird auf die patentamtliche Akte Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 29. August 2014 hat die Patentabteilung 41.EP des DPMA den Antrag auf Wiedereinsetzung aus den Gründen ihres Zwischenbescheids vom 4. Juli 2014 als unzulässig verworfen. In diesem Zwischenbescheid hat die Patentabteilung ausgeführt, nach Ablauf von einem Jahr nach der letzten Zahlungsfrist sei eine Wiedereinsetzung ausgeschlossen, § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG. Ein Abweichen von dieser gesetzlichen Vorschrift sei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur in bestimmten, hier nicht gegebenen Ausnahmefällen möglich, insbesondere dann, wenn die Ursache der Zeitüberschreitung nicht in der Sphäre des Antragstellers, sondern im Einflussbereich des DPMA liege. Das nach Auffassung der Antragstellerin sittenwidrige Verhalten des Patentanwalts N… begründe keinen weiteren Ausnahmetatbestand, der ein Abweichen von der Jahresfrist rechtfertigen könnte.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde. Sie hält eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter Abweichung von der Vorschrift des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG auch dann für geboten, wenn für sie als Rechtsnachfolgerin erst mehrere Jahre nach Ablauf der letzten Zahlungsfrist ersichtlich werde, dass der Vertreter der Rechtsvorgängerin das in Streit stehende Patent gegen deren ausdrückliche Weisung habe erlöschen lassen und ein Wiedereinsetzungsantrag in die Frist zur Zahlung der zehnten Jahresgebühr aus diesem Grunde erst nach Ablauf der Jahresfrist gestellt werde.
Die Antragstellerin beantragt,
den angefochtenen Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts - Patentabteilung 41.EP - vom 29. August 2014 aufzuheben und ihr Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der zehnten Jahresgebühr nebst Verspätungszuschlag zu gewähren.
Mit Schreiben vom 25. November 2014 hat der Senat die Antragstellerin auf Zweifel an den Erfolgsaussichten ihrer Beschwerde hingewiesen. In der daraufhin auf ihren Antrag anberaumten mündlichen Verhandlung vom 30. April 2015 hat die Antragstellerin ihren Standpunkt nochmals verteidigt. Ergänzend wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Patentabteilung hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Zahlung der zehnten Jahresgebühr nebst dem Verspätungszuschlag zu Recht als unzulässig verworfen.
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist zwar statthaft.
Die Antragstellerin hat die Frist zur Zahlung der zehnten Patentjahresgebühr gemäß § 17 Abs. 1 PatG in der bis zum 31. März 2014 gültigen Fassung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erlitten. Die Jahresgebühr war - ausgehend vom Anmeldetag 25. September 1996 - am 30. September 2005 fällig geworden, § 3 Abs. 2 PatKostG. Sie hätte bis zum 30. November 2005 ohne Zuschlag und mit Verspätungszuschlag noch bis zum 31. März 2006 gezahlt werden können, § 7 Abs. 1 PatKostG. Die Antragstellerin hat die Gebühr in Höhe von 350,-- € und den Verspätungszuschlag in Höhe von 50,-- € jedoch erst am 6. Dezember 2013 und damit mehr als sieben Jahre später eingezahlt. Wegen der nicht rechtzeitigen Zahlung der Jahresgebühr ist das vorliegende Patent mit Wirkung vom 1. April 2006 erloschen, § 20 Abs. 1 Nr. 3 PatG i. d. F. bis 31. März 2014.
2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist jedoch unzulässig, da er nicht vor Ablauf der Jahresausschlussfrist des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG gestellt worden ist.
Die Frist für die Zahlung der zehnten Jahresgebühr mit Verspätungszuschlag ist am 31. März 2006 abgelaufen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung hätte demnach, da der 31. März 2007 ein Samstag und der 1. April 2007 ein Sonntag war, bis spätestens zum 2. April 2007 gestellt werden müssen (§ 99 Abs. 1 PatG, § 222 Abs. 2 ZPO). Tatsächlich hat die Antragstellerin den Antrag jedoch erst am 6. Dezember 2013 und damit mehr als sieben Jahre verspätet gestellt.
Die Vorschrift des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG, wonach ein Jahr nach Ablauf der versäumten Frist die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt und die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden kann, hat als Höchstfrist absoluten Charakter und verfolgt - wie die entsprechende Regelung in § 234 Abs. 3 ZPO - im Interesse der Rechtssicherheit den Zweck, eine unangemessene Verzögerung von Prozessen zu verhindern und den Eintritt der Rechtskraft zu gewährleisten (BGH NJW 2013, 1684 m. w. N.; NJW-RR 2004, 1651, 1652 f.). Ihr begegnen grundsätzlich keine verfassungsrechtlichen Bedenken (BVerfG NJW 2004, 2149, 2150); als uneigentliche Frist läuft sie unabhängig von Kenntnis und Verschulden (vgl. Busse/Baumgärtner, PatG, 7. Aufl., Rn. 66 zu § 123 unter Hinweis auf BPatG, Beschluss vom 27. Mai 2002, 10 W (pat) 20/01; Schulte/Schell, PatG mit EPÜ, 9. Aufl., § 123 Rn. 30; BPatG, Beschluss vom 25. September 2014, 7 W (pat) 18/14).
Von der Einhaltung der Jahresfrist kann nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur entsprechenden Regelung in § 234 Abs. 3 ZPO unter Wahrung des Rechtsstaatsprinzips ausnahmsweise abgesehen werden, wenn die Ursache der Überschreitung der Jahresfrist nicht in der Sphäre der Partei lag, sondern allein dem Gericht zuzurechnen ist (BGH NJW 2013, 1684 m. w. N.; Mitt. 2011, 24 Rn. 18 – Crimpwerkzeug IV m. w. N.). Dementsprechend hat der Senat anerkannt, dass auch im patentamtlichen Verfahren die Stellung eines Antrags auf Wiedereinsetzung trotz Ablaufs der Jahresfrist des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG in besonders gelagerten Ausnahmefällen als zulässig anzusehen ist, sofern die Fristüberschreitung auf Umstände zurückzuführen ist, die ausschließlich der Sphäre des DPMA zuzurechnen sind (BPatG, Beschluss vom 16. Juli 2014, 7 W (pat) 29/14; Beschluss vom 10. September 2013, 10 W (pat) 13/13; Beschluss vom 10. Februar 2012, 10 W (pat) 38/08, Mitt. 2012, 293 f. – Wäschespinne; Beschluss vom 26. Februar 2009, 10 W (pat) 40/06, BPatGE 51, 197, 202 - Überwachungsvorrichtung).
Dass die Ursache der Fristüberschreitung dem DPMA zuzurechnen sein könnte, behauptet die Antragstellerin nicht und ist auch sonst nicht ersichtlich. Insbesondere wurde das Erlöschen des Patents am 13. Juli 2006 im Patentblatt zu einem Zeitpunkt veröffentlicht, zu dem die Jahresfrist des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG noch nicht abgelaufen war.
Vielmehr lag nach dem Vortrag der Antragstellerin und unter Berücksichtigung des Inhalts der eidesstattlichen Versicherung von Herrn K… vom 27. März 2014 die Ursache für das fruchtlose Verstreichenlassen der Frist zur Zahlung der zehnten Jahresgebühr sowie zur rechtzeitigen Stellung eines Wiedereinsetzungsantrags allein in der Sphäre der Patentinhaberin und nicht im Verantwortungsbereich des Amtes. Denn die Antragstellerin beschreibt das angeblich schuldhafte Unterlassen der Zahlung als im Einflussbereich des ihre Rechtsvorgängerin vertretenden US-Patentanwalts N… liegend, und das Verschulden eines (Verfahrens)-Bevollmächtigten steht insoweit entsprechend § 85 Abs. 2 ZPO dem Verschulden eines Verfahrensbeteiligten gleich (vgl. Busse/Baumgärtner, a. a. O, Rn. 31 zu § 123 m. w. N.; vgl. zuletzt BPatG, Beschluss vom 16. Oktober 2014, 30 W (pat) 527/13). Der Tatsachenvortrag der Antragstellerin, der somit bereits nicht geeignet wäre, das weitere Tatbestandsmerkmal des § 123 Abs. 1 Satz 1 PatG „ohne Verschulden“ zu erfüllen, stellt keinen Ausnahmefall dar, in dem von der Einhaltung der Jahresfrist des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG ausnahmsweise abgesehen werden könnte; die Verletzung eines Rechts oder Prinzips von Verfassungsrang durch die Anwendung der Vorschrift des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG ist hier nicht ersichtlich. Darüber hinausgehende Billigkeitserwägungen können insoweit von Gesetzes wegen keine Berücksichtigung finden (vgl. BPatG BlPMZ 1996, 357, 358).
Da das Patent wegen der Nichtzahlung der zehnten Jahresgebühr mit Wirkung vom 1. April 2006 erloschen war, ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der zehnten Jahresgebühr unzulässig, und die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.
3. Ein Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 100 Abs. 2 PatG ist nicht gegeben. Die grundsätzliche Rechtsfrage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Durchbrechung der Jahresausschlussfrist bei der Wiedereinsetzung anzunehmen ist, ist höchstrichterlich bereits geklärt (vgl. BGH Mitt. 2011, 24 Rn. 18 – Crimpwerkzeug IV m. w. N.).
III. Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde nur gegeben, wenn gerügt wird, dass 1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht werden. Die Frist kann nicht verlängert werden.
Rauch Püschel Dr. Schnurr Pr