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5 StR 416/22

BUNDESGERICHTSHOF StR 416/22 BESCHLUSS vom 22. November 2022 in der Strafsache gegen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ECLI:DE:BGH:2022:221122B5STR416.22.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. November 2022 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 9. Mai 2022 aufgehoben, soweit von einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist; die zugehörigen Feststellungen bleiben jedoch bestehen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen; allerdings wird der Schuldspruch dahingehend neu gefasst, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist.

Gründe: 1 Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge – „wobei der Angeklagte [...] gewerbsmäßig handelte“ – schuldig gesprochen und ihn zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Von seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat es abgesehen. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Die Überprüfung des Schuld- und Strafausspruches hat keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.

2. Die Entscheidung, von einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abzusehen, hat jedoch keinen Bestand.

a) Das Landgericht hat, soweit für die Frage der Maßregel relevant, folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

Der 23-jährige Angeklagte, der unter einer Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) leidet und das ihm verordnete Medikament Ritalin im Alter von 16 oder 17 Jahren absetzte, begann nunmehr, sich selbst mittels Konsums von Betäubungsmitteln zu behandeln, zunächst vor allem mit Cannabis. Als dessen Wirkungen nach einiger Zeit nicht mehr ausreichten, um „high“ zu werden, fing er mit 17 oder 18 Jahren an, auch Kokain und MDMA zu konsumieren. Darüber hinaus nahm er Tilidin, Tramadol und Diazepam ein und rauchte weiterhin täglich Cannabis. Nachdem er von der Schwangerschaft seiner Freundin erfuhr, beschloss er, den Betäubungsmittelkonsum einzustellen, wobei er lediglich einmal Entzugserscheinungen verspürte, die er mit CBD-Öl behandelte. Etwa zehn Tage vor seiner Inhaftierung in anderer Sache wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in mehreren Fällen am 7. April 2022 gelang es ihm „tatsächlich“, den Konsum von Betäubungsmitteln selbständig einzustellen; Entzugserscheinungen hat er keine „mehr“. Die sachverständig beratene Strafkammer hat angenommen, dass eine Substanzabhängigkeit beim Angeklagten nicht vorliege und ein Hang im Sinne des § 64 StGB zu verneinen sei.

b) Diesen Ausführungen liegt ein rechtsfehlerhaftes Verständnis des Landgerichts vom Begriff des Hanges im Sinne des § 64 StGB zugrunde.

aa) Für einen Hang genügt nach ständiger Rechtsprechung eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln im Sinne des § 64 StGB ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betreffende auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 2020 – 6 StR 28/20 Rn. 12, StV 2021, 248 f. mwN). Diesem Maßstab werden die Erwägungen des Landgerichts nicht gerecht.

bb) Bereits der festgestellte jahrelange tägliche Konsum von Betäubungsmitteln – dazu noch zur Selbstbehandlung einer fortbestehenden Störung – legt die Annahme eines Hangs des Angeklagten nahe. Die Tatsache, dass es dem Angeklagten wenige Tage vor seiner Inhaftierung in anderer Sache gelang, den Konsum von Betäubungsmitteln „tatsächlich“ einzustellen, hat für sich genommen kein ausschlaggebendes Gewicht. Dass ein Angeklagter kurzzeitig in der Lage ist, seinen Rauschmittelkonsum zu verringern oder einzustellen, steht dem Vorliegen eines Hanges ebenso wenig entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 2019 – 2 StR 93/19 Rn. 9, NStZ-RR 2020, 37 f.; Urteil vom 15. Mai 2014 – 3 StR 386/13 Rn. 10 mwN) wie zwischenzeitliche Abstinenzphasen (BGH, Urteil vom 14. April 2021 – 5 StR 102/20 Rn. 12 mwN) oder das Ausbleiben ausgeprägter Entzugssymptome (BGH, Beschluss vom 21. März 2019 – 1 StR 582/18 Rn. 6). Dies hat das Landgericht nicht erkennbar bedacht. Zudem bleibt unerörtert, dass der Angeklagte mit dem durch den Betäubungsmittelhandel eingenommenen Geld seinen Eigenkonsum zur Tatzeit finanzierte, was für seine soziale Gefährdung und Gefährlichkeit jedenfalls in dieser Zeit, nur etwa ein halbes Jahr vor seiner Inhaftierung in anderer Sache, sprechen könnte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. Juli 2019 – 2 StR 93/19 Rn. 9, NStZ-RR 2020, 37 f.; vom 21. März 2019 – 1 StR 582/18).

c) Da das Vorliegen der übrigen Unterbringungsvoraussetzungen nicht von vornherein ausscheidet, muss – unter erneuter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) – über die Frage einer Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt neu verhandelt und entschieden werden. Soweit der bisherige Sachverständige eingeschätzt hat, dass „mangels Vorliegens einer Substanzabhängigkeit“ die Maßnahme nicht erfolgversprechend sei, weil der Angeklagte nicht lernen müsse, ohne Drogen zu leben, dies „sei ihm bereits gelungen“, beruht diese Wertung, welche das Landgericht übernommen hat, ebenfalls auf dem aufgezeigten Rechtsfehler.

Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, steht der Aufhebung in diesem Umfang nicht entgegen (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO). Die zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben, da es sich um reine Wertungsfehler handelt. Das neue Tatgericht darf ergänzende Feststellungen treffen, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.

3. Aufgrund des Teilerfolgs des Rechtsmittels mit der Sachrüge kommt es auf die mit gleicher Zielrichtung erhobenen Verfahrensrügen nicht mehr an.

4. Der Schuldspruch ist dahin neu zu fassen, dass der Zusatz „gewerbsmäßig“ entfällt; denn das gewerbsmäßige Handeln als Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall nach § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG betrifft nur die Strafzumessung und ist deshalb gemäß § 260 Abs. 4 Satz 2 StPO nicht in die Urteilsformel aufzunehmen (BGH, Beschluss vom 3. Februar 2015 – 3 StR 632/14).

Gericke Mosbacher Resch von Häfen Werner Vorinstanz: Landgericht Berlin, 09.05.2022 - (509 KLs) 274 Js 5756/21 (3/22)

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