I ZR 101/23
BUNDESGERICHTSHOF I ZR 101/23 Nachschlagewerk: BGHZ: BGHR: JNEU:
BESCHLUSS vom
27. Juni 2024 in dem Rechtsstreit ja nein ja nein Essigspray Verordnung (EU) Nr. 528/2012 Art. 2 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Anhang V, Art. 2 Abs. 2 Unterabsatz 1 Buchst. e, Unterabsatz 2, Art. 3 Abs. 1 Buchst. a Satz 1; Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 Art. 1 Abs. 5 Buchst. e; Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 Art. 2 Abs. 6 Buchst. d in Verbindung mit Titel IV Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 2 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Anhang V, Art. 2 Abs. 2 Unterabsatz 1 Buchst. e, Unterabsatz 2, Art. 3 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten (ABl. L 167 vom 27. Juni 2012, S. 1), zur Auslegung von Art. 1 Abs. 5 Buchst. e der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31. Dezember 2008, S. 1) und zur Auslegung von Art. 2 Abs. 6 Buchst. d der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Agentur für chemische Stoffe, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (ABl. L 396 vom 30. Dezember 2006, S. 1) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 dahin auszulegen, dass die für die Biozideigenschaft eines Produkts erforderliche Zweckbestimmung den einzigen oder den überwiegenden Zweck darstellen muss, oder reicht es aus, dass ein Produkt auch - wenn auch nachrangig - als Biozidprodukt bestimmt ist?
ECLI:DE:BGH:2024:270624BIZR101.23.0
2. Ist Art. 2 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Anhang V der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 dahin auszulegen, dass ein Biozidprodukt, das (auch) zur Reinigung von Lebensmitteln bestimmt ist, als Produkt der Produktart 4 (Lebens- und Futtermittelbereich) in der Hauptgruppe 1 (Desinfektionsmittel) in den Geltungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 fällt?
3. Ist Art. 2 Abs. 2 Unterabsatz 1 Buchst. e, Unterabsatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 dahin auszulegen, dass ein Biozidprodukt, das (auch) zur Reinigung/Desinfektion von Lebensmitteln bestimmt ist, allein in den Geltungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene (ABl. L 139 vom 30. April 2004, S. 1) fällt, insbesondere nicht über die Rückausnahme gemäß Art. 2 Abs. 2 Unterabsatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 in deren Geltungsbereich einbezogen wird?
4. Ist die Bereichsausnahme für Lebensmittel gemäß Art. 1 Abs. 5 Buchst. e der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 dahin auszulegen, dass diese Verordnung auf ein Produkt, das sowohl als Lebensmittel gemäß Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1. Februar 2002, S. 1) als auch als Biozidprodukt gemäß Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 bestimmt ist, ungeachtet dieser Bereichsausnahme - gegebenenfalls unter der Voraussetzung, dass die Zweckbestimmung als Biozid überwiegt - anzuwenden ist?
5. Ist die Bereichsausnahme für Lebensmittel gemäß Art. 2 Abs. 6 Buchst. d in Verbindung mit Titel IV der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 dahin auszulegen, dass die Anwendung des Titels IV auf ein Produkt im Sinn der Vorlagefrage 4 ungeachtet dieser Bereichsausnahme - gegebenenfalls unter der Voraussetzung, dass die Zweckbestimmung als Biozid überwiegt - nicht ausgeschlossen ist?
BGH, Beschluss vom 27. Juni 2024 - I ZR 101/23 - OLG Frankfurt am Main LG Frankfurt am Main Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. Mai 2024 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Koch, den Richter Dr. Löffler und die Richterinnen Dr. Schwonke, Pohl und Dr. Schmaltz beschlossen:
I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 2 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Anhang V, Art. 2 Abs. 2 Unterabsatz 1 Buchst. e, Unterabsatz 2, Art. 3 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten (ABl. L 167 vom 27. Juni 2012, S. 1), zur Auslegung von Art. 1 Abs. 5 Buchst. e der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31. Dezember 2008, S. 1) und zur Auslegung von Art. 2 Abs. 6 Buchst. d der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Agentur für chemische Stoffe, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (ABl. L 396 vom 30. Dezember 2006, S. 1) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 dahin auszulegen, dass die für die Biozideigenschaft eines Produkts erforderliche Zweckbestimmung den einzigen oder den überwiegenden Zweck darstellen muss, oder reicht es aus, dass ein Produkt auch - wenn auch nachrangig als Biozidprodukt bestimmt ist?
2. Ist Art. 2 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Anhang V der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 dahin auszulegen, dass ein Biozidprodukt, das (auch) zur Reinigung von Lebensmitteln bestimmt ist, als Produkt der Produktart 4 (Lebens- und Futtermittelbereich) in der Hauptgruppe 1 (Desinfektionsmittel) in den Geltungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 fällt?
3. Ist Art. 2 Abs. 2 Unterabsatz 1 Buchst. e, Unterabsatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 dahin auszulegen, dass ein Biozidprodukt, das (auch) zur Reinigung/Desinfektion von Lebensmitteln bestimmt ist, allein in den Geltungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene (ABl. L 139 vom 30. April 2004, S. 1) fällt, insbesondere nicht über die Rückausnahme gemäß Art. 2 Abs. 2 Unterabsatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 in deren Geltungsbereich einbezogen wird?
4. Ist die Bereichsausnahme für Lebensmittel gemäß Art. 1 Abs. 5 Buchst. e der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 dahin auszulegen, dass diese Verordnung auf ein Produkt, das sowohl als Lebensmittel gemäß Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1. Februar 2002, S. 1) als auch als Biozidprodukt gemäß Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 bestimmt ist,
ungeachtet dieser Bereichsausnahme - gegebenenfalls unter der Voraussetzung, dass die Zweckbestimmung als Biozid überwiegt - anzuwenden ist?
5. Ist die Bereichsausnahme für Lebensmittel gemäß Art. 2 Abs. 6 Buchst. d in Verbindung mit Titel IV der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 dahin auszulegen, dass die Anwendung des Titels IV auf ein Produkt im Sinn der Vorlagefrage 4 ungeachtet dieser Bereichsausnahme - gegebenenfalls unter der Voraussetzung, dass die Zweckbestimmung als Biozid überwiegt - nicht ausgeschlossen ist?
Gründe:
A. Die Klägerin vertreibt Reinigungsmittel. Die Beklagte bewirbt und ver1 treibt Produkte unter dem Markennamen "S. ", unter anderem die Produkte "S. Essigspray UNIVERSAL" und "S. Essigspray EXTRA". Bei diesen Produkten handelt es sich um chemische Gemische, die jedenfalls aus Wasser und Essigsäure (7,5 %) (S. Essigspray UNIVERSAL) beziehungsweise aus Wasser, Essigsäure (10 %) und Zitronensäure (1,5 %) (S. Essigspray EXTRA) bestehen. Die Produkte werden in durchsichtigen Sprühflaschen vertrieben. Auf dem Etikett ist neben dem Marken- und dem Produktnamen im Vordergrund jeweils unverarbeitetes Gemüse und im Hintergrund eine glänzende Küchenspüle zu sehen. Auf einem runden Siegel auf dem Etikett heißt es "Bewährte Lebensmittelqualität", "100 % pflanzlich", "mit recycled PET". Die Produkte sind wie nachfolgend abgebildet gestaltet (vgl. Anlage K 1):
-62 Die rückseitigen Etiketten sind wie folgt gestaltet (vgl. Anlage K 1):
Es heißt dort jeweils auszugsweise:
… Mit der praktischen Sprühflasche ist das Benetzen von Salaten, Obst und Gemüse einfach möglich. 1 Sprühstoß entspricht etwa 1 ml.
… eignet sich nicht nur für leckere Salatdressings, es verfeinert auch andere Speisen …
Die Klägerin meint, das Angebot der beiden Produkte als Lebensmittel verstoße gegen das Irreführungsverbot, weil es sich tatsächlich um Reinigungsmittel handle. Zudem sei das Angebot unlauter, weil es gegen Marktverhaltensregelungen der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten (Biozid-VO), der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen (CLP-VO) sowie der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH-VO) verstoße.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
1. die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr a) die Produkte "S. Essigspray UNIVERSAL" und "S. Essigspray EXTRA" aa) als Lebensmittel zu bewerben und/oder bewerben zu lassen und/oder bb) anzubieten und/oder anbieten zu lassen, ohne dabei die in Art. 69 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 (Biozid-VO) aufgeführten Kennzeichnungen, insbesondere die dem Biozid-Produkt von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin oder der Europäischen Kommission zugewiesene Zulassungsnummer, anzugeben und/oder cc) zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, ohne dabei die in Art. 72 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 (Biozid-VO) aufgeführten Hinweise, insbesondere "Biozidprodukte vorsichtig verwenden. Vor Gebrauch stets Etikett und Produktinformationen lesen.", anzugeben und/oder b) das Produkt "S. Essigspray EXTRA" aa) anzubieten und/oder anbieten zu lassen, ohne dabei auf den jeweiligen Produktetiketten geeignete, sich aus der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP-VO) ergebende und geforderte, Warnhinweise in Bezug auf die mit diesen Produkten verbundenen Gesundheitsgefahren für die Haut und Augen anzubringen und/oder bb) anzubieten und/oder anbieten zu lassen, ohne dabei ein Sicherheitsdatenblatt zur Verfügung zu stellen, das den Anforderungen des Art. 31 in Verbindung mit Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACHVO) genügt,
wenn und soweit die Produkte "S. Essigspray UNIVERSAL" und "S. Essigspray EXTRA" angeboten und/oder vertrieben werden, wie ersichtlich in der Anlage K 1.
Die Klägerin hat außerdem Kostenerstattung für die vorgerichtliche Abmahnung und das Abschlussschreiben nebst Prozesszinsen sowie Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht verlangt.
Das Landgericht hat dem Unterlassungsantrag vollumfänglich, dem Zahlungsantrag teilweise stattgegeben und die Folgeansprüche auf Auskunft und Schadensersatzfeststellung zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Auf die Anschlussberufung der Klägerin hat das Berufungsgericht auch den Klageanträgen auf Auskunft und Schadensersatzfeststellung stattgegeben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klagabweisung weiter.
B. Der Erfolg der zulässigen Revision hängt hinsichtlich der Anträge 1 a aa, 1 a cc sowie 1 b von der Auslegung von Art. 2 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Anhang V, Art. 3 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 Biozid-VO, Art. 1 Abs. 5 Buchst. e CLPVO und Art. 2 Abs. 6 Buchst. d REACH-VO ab. Die sich insofern stellenden Fragen sind entscheidungserheblich, waren noch nicht Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union und die richtige Auslegung des Unionsrechts ist nicht derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2021 - C-561/19, NJW 2021,
[juris Rn. 32 f.] - Consorzio Italian Management und Catania Multiservizi). Vor einer Entscheidung über die Revision ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.
I. Das Berufungsgericht hat die Unterlassungsanträge für begründet erachtet und dazu - soweit für das Revisionsverfahren relevant - ausgeführt:
Das Angebot und der Vertrieb der streitgegenständlichen Produkte verstießen gegen die Kennzeichnungspflichten des Art. 69 Abs. 2 Biozid-VO sowie die Hinweispflichten des Art. 72 Abs. 1 Biozid-VO. Die Produkte unterfielen der Biozidverordnung. Maßgeblich sei insoweit eine objektive, für den Verkehr erkennbare Zweckbestimmung. Danach sei hier in der Gesamtschau eine Bestimmung als Biozid gegeben. Die Tatsache, dass das Produkt auch einem anderen Zweck - nämlich der Zubereitung von Lebensmitteln - dienen könne, führe nicht zu einer Nichtanwendung der Biozidverordnung. Dabei könne dahinstehen, ob der objektive Verwendungszweck eher Biozid oder eher Lebensmittel sei. Bei Dual-UseProdukten komme es nicht auf den Schwerpunkt der Verwendung an; eine Verwendungsmöglichkeit als Lebensmittel schließe die Anwendung der Biozidverordnung nicht aus. Die Anwendung der Biozidverordnung sei nicht aufgrund der Bereichsausnahme des Art. 2 Abs. 2 Unterabsatz 1 Buchst. e Biozid-VO ausgeschlossen. Jedenfalls würde die Rückausnahme des Art. 2 Abs. 2 Unterabsatz 2 Biozid-VO zu deren Anwendbarkeit führen. Es komme nicht in Betracht, die Anwendbarkeit der Biozidverordnung einzuschränken, weil das Produkt auch die Voraussetzungen des Lebensmittelbegriffs erfülle.
Das Produkt "S. Essigspray EXTRA" stelle zudem ein gefährliches Gemisch im Sinn der CLP-Verordnung dar. Die hieraus folgenden Kennzeichnungspflichten seien nicht eingehalten. Die Anwendung der CLP-Verordnung sei nicht durch die Bereichsausnahme in Art. 1 Abs. 5 Buchst. e Ziffer i CLP-VO ausgeschlossen. Mit dem Produkt "S. Essigspray EXTRA" verstoße die Beklagte darüber hinaus gegen die REACH-Verordnung, weil sie das aufgrund der Einstufung des Produkts als "gefährlich" notwendige Sicherheitsdatenblatt nicht zur Verfügung gestellt habe.
II. Soweit das Berufungsgericht die Verurteilung der Beklagten wegen eines Verstoßes gegen Art. 69 Abs. 2 Biozid-VO (Antrag 1 a bb) bestätigt hat, kann dies schon deswegen keinen Bestand haben, weil es an Feststellungen dazu fehlt, dass die Beklagte Normadressatin dieser Bestimmung ist, die sich an Zulassungsinhaber im Sinn von Art. 3 Abs. 1 Buchst. p Biozid-VO richtet (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 20. April 2023 - I ZR 108/22, GRUR 2023, 831 = WRP 2023, 820 [juris Rn. 10] - Hautfreundliches Desinfektionsmittel; Bendias, ZLR 2021, 129).
III. Hinsichtlich der Verurteilung der Beklagten nach dem Unterlassungsantrag 1 a cc hängt der Erfolg der Revision davon ab, ob die streitgegenständlichen Produkte Biozidprodukte im Sinn der Biozidverordnung sind (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 Biozid-VO) und in deren Geltungsbereich fallen (Art. 2 BiozidVO). Nur dann läge der mit diesem Antrag geltend gemachte Verstoß gegen Art. 72 Abs. 1 Biozid-VO vor, der eine nach § 3a UWG unlautere und nach § 3 Abs. 1 UWG unzulässige Handlung darstellte, die wegen der hier vorliegenden Wiederholungsgefahr einen Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG begründete, der von der Klägerin als Mitbewerberin (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG) geltend gemacht werden könnte.
1. Nach Art. 72 Abs. 1 Satz 1 Biozid-VO ist jeder Werbung für ein Biozidprodukt zusätzlich zur Einhaltung der CLP-Verordnung folgender Hinweis hinzuzufügen: "Biozidprodukte vorsichtig verwenden. Vor Gebrauch stets Etikett und Produktinformationen lesen." Diese Sätze müssen sich nach Art. 72 Abs. 1 Satz 2 Biozid-VO von der eigentlichen Werbung deutlich abheben und gut lesbar sein. Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. y Biozid-VO ist "Werbung" ein Mittel zur Förderung des Verkaufs oder der Verwendung von Biozidprodukten durch gedruckte, elektronische oder andere Medien. Die von Art. 72 Abs. 1 Biozid-VO geforderten Hinweise fehlen in der angegriffenen Werbung gemäß Anlage K 1.
2. Die Vorschrift des Art. 72 Abs. 1 Biozid-VO ist eine Marktverhaltensregelung im Sinn von § 3a UWG. Danach handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.
a) Die Vorschrift des Art. 72 Abs. 1 Biozid-VO ist dazu bestimmt, das Marktverhalten der Unternehmer im Interesse der Verbraucher zu regeln. Das Ziel der Biozidverordnung ist es nach ihrem Art. 1 Abs. 1, das Funktionieren des Binnenmarkts durch die Harmonisierung der Vorschriften für die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten bei gleichzeitiger Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt zu verbessern. Die Bestimmungen der Verordnung beruhen auf dem Vorsorgeprinzip, mit dem der Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier sowie der Umwelt sichergestellt werden soll (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 Biozid-VO). Art. 72 Abs. 1 Biozid-VO enthält Regelungen zur Werbung für Biozidprodukte, mit denen Verharmlosungen der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder die Umwelt oder seiner Wirksamkeit entgegengewirkt werden sollen (zu Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO vgl. BGH, GRUR 2023, 831 [juris Rn. 13] - Hautfreundliches Desinfektionsmittel; vgl. auch BeckOK.UWG/Niebel/Kerl, 24. Edition [Stand 1. April 2024], § 3a Rn. 195 mwN). Art. 72 Abs. 1 Biozid-VO ist damit eine Regelung, die das Verhalten der Unternehmer betreffend die Werbung für Biozidprodukte zum Schutz der Gesundheit und damit im Interesse der Verbraucher regelt.
b) Ein Verstoß gegen Art. 72 Abs. 1 Biozid-VO ist geeignet, die Interessen von Verbrauchern im Sinn von § 3a UWG spürbar zu beeinträchtigen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Verstöße gegen Marktverhaltensregelungen, die den Schutz der Gesundheit der Verbraucher bezwecken, ohne weiteres geeignet, die Interessen der Verbraucher im Sinn von § 3a UWG spürbar zu beeinträchtigen (vgl. BGH, GRUR 2023, 831 [juris Rn. 14] - Hautfreundliches Desinfektionsmittel mwN). Bei Art. 72 Abs. 1 Biozid-VO handelt es sich um eine solche (auch) dem Schutz der Gesundheit der Verbraucher dienende Marktverhaltensregelung.
c) Der Verfolgung eines Verstoßes gegen Art. 72 Abs. 1 Biozid-VO als unlautere geschäftliche Handlung steht nicht entgegen, dass die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken die Vorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern vollständig harmonisiert (Art. 3 Abs. 1, Art. 4 der Richtlinie 2005/29/EG) und keinen entsprechenden Tatbestand enthält. Die Richtlinie lässt nach ihrem Art. 3 Abs. 3 die Rechtsvorschriften der Union oder der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Gesundheits- und Sicherheitsaspekte von Produkten unberührt. Art. 72 Abs. 1 Biozid-VO ist eine solche Rechtsvorschrift.
3. Da Art. 72 Abs. 1 Biozid-VO die Werbung für Biozidprodukte regelt, liegt ein Verstoß gegen die Vorschrift nur vor, wenn es sich bei den streitgegenständlichen Produkten um Biozidprodukte im Sinn von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 Biozid-VO handelt. Für den Erfolg der Revision kommt es darauf an, ob Art. 3 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 Biozid-VO dahin auszulegen ist, dass die für die Biozideigenschaft eines Produkts erforderliche Zweckbestimmung den einzigen oder den überwiegenden Zweck darstellen muss, oder ob es ausreicht, dass ein Produkt auch - wenn auch nachrangig - als Biozidprodukt bestimmt ist (Dual-UseProdukt) (Vorlagefrage 1).
a) Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 erster Gedankenstrich Biozid-VO bezeichnet der Ausdruck Biozidprodukt für die Zwecke dieser Verordnung jegliches Gemisch (ebenso jeglichen Stoff) in der Form, in der es zum Verwender gelangt, und das aus einem oder mehreren Wirkstoffen besteht, diese enthält oder erzeugt, das dazu bestimmt ist, auf andere Art als durch bloße physikalische oder mechanische Einwirkung Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, ihre Wirkung zu verhindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen.
Der Begriff des Wirkstoffs bezeichnet nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. c BiozidVO einen Stoff oder einen Mikroorganismus, der eine Wirkung auf oder gegen Schadorganismen entfaltet. Als Gemisch werden nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. b Biozid-VO, Art. 3 Nr. 2 REACH-VO Gemenge, Gemische oder Lösungen bezeichnet, die aus zwei oder mehr Stoffen bestehen.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union handelt es sich bei der Eigenschaft als (Wirk-)Stoff, der Zweckbestimmung und der Art der Einwirkung um drei kumulative Voraussetzungen, die für die Einstufung eines Produkts als Biozidprodukt erfüllt sein müssen. Es ist Sache des nationalen Gerichts zu prüfen, ob das betreffende Produkt alle in dieser Vorschrift für eine Subsumtion unter diesen Begriff vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2021 - C-29/20, GRUR 2022, 96 [Rn. 23 und 26] = WRP 2022, 38 - Biofa AG; zur Vorgängerregelung in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 98/8/EG über das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten vgl. EuGH, Urteil vom 1. März 2012 - C-420/10, PharmR 2012, 208 [juris Rn. 24] - Söll).
b) Die (jedenfalls konkludente) Annahme des Berufungsgerichts, die erste (Eigenschaft als Wirkstoff) und die dritte Voraussetzung (Art der Einwirkung) für die Einstufung der hier in Rede stehenden Produkte als Biozidprodukte lägen vor, wird von der Revision letztlich nicht in Frage gestellt. Insbesondere macht sie nicht geltend, Vortrag der Beklagten dazu, dass es an der Eigenschaft als Wirkstoff fehle oder die Art der Anwendung nicht Art. 3 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 BiozidVO entspreche, sei vom Berufungsgericht übergangen worden. Rechtsfehler sind nicht ersichtlich.
c) Unionsrechtlicher Klärungsbedarf besteht hinsichtlich der zweiten Voraussetzung bei Dual-Use-Produkten. Fraglich ist, ob die insofern erforderliche Zweckbestimmung als Biozid den einzigen oder den überwiegenden Zweck darstellen muss, oder ob es ausreicht, dass ein Produkt auch, wenn auch nachrangig, als Biozidprodukt bestimmt ist.
aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, es sei eine objektive, für den Verkehr erkennbare Zweckbestimmung zu verlangen. In der Gesamtschau sei im Streitfall danach eine Bestimmung als Biozid gegeben. Ein ganz entscheidendes Indiz sei die Gestaltung der Flasche in der typischen Form, die der Verkehr ausschließlich aus dem Bereich der Reinigungsmittel kenne. Die textlichen Hinweise auf der Rückseite nehme der flüchtige Verkehr weniger wahr als die großen optischen Elemente und die Form der Flasche. Zudem komme es nicht auf eine überwiegende Zweckbestimmung an; es reiche aus, wenn das Produkt - für die Verkehrskreise erkennbar - auch zum Reinigen von Lebensmitteln eingesetzt werden solle. Die Tatsache, dass das Produkt auch einem anderen Zweck - nämlich der Zubereitung von Lebensmitteln - dienen könne, führe nicht zur Unanwendbarkeit der Biozidverordnung. Bei derartigen Dual-Use-Produkten komme es nicht auf den Schwerpunkt der Verwendung an; eine Verwendungsmöglichkeit als Lebensmittel schließe die Anwendung der Biozidverordnung nicht aus.
bb) Die Annahme des Berufungsgerichts, für die Bestimmung als Biozid im Sinn der zweiten Voraussetzung des Art. 3 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 Biozid-VO sei eine objektive, für den Verkehr erkennbare Zweckbestimmung zu verlangen und dafür eine Gesamtschau des Produkts und seiner Aufmachung vorzunehmen, wird von der Revision nicht angegriffen. Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich.
cc) Soweit sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts wendet, die Produkte seien (objektiv) zumindest auch als Biozid bestimmt, ersetzt sie lediglich die Würdigung des Tatgerichts durch ihre eigene, ohne Rechtsfehler aufzuzeigen. Das Berufungsgericht ist auch von einem zutreffenden Verbraucherleitbild ausgegangen und hat insbesondere die Gebrauchshinweise auf der Rückseite der Produkte berücksichtigt, ihnen aber im Verhältnis zur Gestaltung der Flasche ein geringeres Gewicht beigemessen, als von der Revision angestrebt. Entgegen der Revision ist das Berufungsgericht auch nicht davon ausgegangen, dass jedes Reinigungsmittel ein Biozid ist. Die Revision verkennt insoweit, dass die Zweckbestimmung nur eine der drei Voraussetzungen für ein Biozidprodukt gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 Biozid-VO ist. Dass die beiden weiteren Voraussetzungen (Eigenschaft als Wirkstoff und Art der Einwirkung) im Streitfall vorliegen, stellt die Revision letztlich nicht in Abrede.
dd) Klärungsbedürftig ist jedoch, ob das Berufungsgericht mit Recht davon ausgegangen ist, für die Biozideigenschaft gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 Biozid-VO reiche es aus, dass ein Produkt auch, und sei es auch nur nachrangig, als Biozidprodukt bestimmt sei.
Nach Auffassung des Senats ist dem Berufungsgericht darin zuzustimmen, dass es für die Qualifizierung von Dual-Use-Produkten als Biozid im Sinn von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 Biozid-VO nicht darauf ankommt, ob die Bestimmung als Biozid den einzigen oder den überwiegenden Zweck darstellt. Es ist vielmehr ausreichend, wenn dem Produkt zumindest auch eine Zweckbestimmung als Biozid zukommt. Dabei ist insbesondere das in Art. 1 Abs. 1 Biozid-VO genannte, auf dem Vorsorgeprinzip beruhende Ziel der Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt zu berücksichtigen, das auch in Erwägungsgrund 3 der Biozidverordnung betont wird. Dieses hohe Schutzniveau kann nur gewährleistet werden, wenn die Bestimmungen der Biozidverordnung bereits dann greifen, wenn einem Produkt, das die erste (Eigenschaft als [Wirk-]Stoff) und die dritte Voraussetzung (Art der Einwirkung) des Art. 3 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 Biozid-VO erfüllt, zumindest auch - wenn auch nicht ausschließlich - eine Zweckbestimmung als Biozid im Sinn der zweiten Voraussetzung zukommt. Dem entspricht es, dass der Gerichtshof der Europäischen Union darauf hingewiesen hat, dass das bloße Vorhandensein eines Wirkstoffs als solchem in einem Produkt eine Gefahr für die Umwelt darstellen kann (vgl. EuGH, GRUR 2022, 96 [juris Rn. 35] - Biofa AG, mwN).
4. Der Geltungsbereich der Biozidverordnung könnte gemäß Art. 2 Abs. 1 Biozid-VO zudem bereits deswegen eröffnet sein, weil die streitgegenständlichen Produkte in den Katalog der unter die Biozidverordnung fallenden Arten von Biozidprodukten gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Anhang V Biozid-VO eingeordnet werden können. Insoweit stellt sich jedoch die weitere klärungsbedürftige Frage, ob Art. 2 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Anhang V der BiozidVO dahin auszulegen ist, dass ein Biozidprodukt, das (auch) zur Reinigung von Lebensmitteln bestimmt ist, als Produkt der Produktart 4 (Lebens- und Futtermittelbereich) in der Hauptgruppe 1 (Desinfektionsmittel) in den Geltungsbereich der Biozidverordnung fällt (Vorlagefrage 2).
a) Nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Biozid-VO gilt die Verordnung für Biozidprodukte und behandelte Waren. Art. 2 Abs. 1 Satz 2 Biozid-VO verweist auf Anhang V, der eine Liste der unter die Biozidverordnung fallenden Arten von Biozidprodukten mit ihrer Beschreibung enthält. In Anhang V sind als Hauptgruppe 1
"Desinfektionsmittel" genannt. Im Einleitungssatz zu dieser Hauptgruppe heißt es, dass diese Produktarten keine Reinigungsmittel umfassen, bei denen eine biozide Wirkung nicht beabsichtigt ist; dies gilt auch für Waschflüssigkeiten, Waschpulver und ähnliche Produkte. Zu der nachfolgend genannten "Produktart 4: Lebens- und Futtermittelbereich" zählen Produkte zur Desinfektion von Einrichtungen, Behältern, Besteck und Geschirr, Oberflächen und Leitungen, die im Zusammenhang mit der Herstellung, Beförderung, Lagerung oder dem Verzehr von Lebens- oder Futtermitteln (einschließlich Trinkwasser) für Menschen und Tiere Verwendung finden. Außerdem werden dort Produkte zur Aufnahme in Materialien, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen können, aufgeführt.
b) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Essigprodukte der Beklagten gehörten gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Anhang V Biozid-VO der Hauptgruppe 1, Produktart 4 an.
c) Die vom Berufungsgericht ohne nähere Ausführungen bejahte Frage, ob Produkte, die (auch) zur Reinigung/Desinfektion von Lebensmitteln selbst vorgesehen sind, unter die Produktgruppe 4 der Hauptgruppe 1 des Anhangs V BiozidVO fallen, ist nicht eindeutig zu beantworten.
aa) Mit der Revision könnte davon auszugehen sein, dass es sich bei der umfangreichen Liste der Produktarten in Anhang V der Biozidverordnung um eine abschließende Aufzählung handelt. Aus der Nennung (nur) von Produkten zur Desinfektion von Trinkwasser als Produktart 5 in Hauptgruppe 1 könnte zudem folgen, dass Produkte zur Reinigung anderer Lebensmittel nicht unter die Verordnung fallen sollen. Die Revision macht weiter geltend, in Anhang V der (Vorgänger-)Richtlinie 98/8/EG über das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten seien "Produkte zum Schutz von Lebens- und Futtermitteln gegen Schadorganismen" separat in der Produktart 20 "Schutzmittel für Lebens- und Futtermittel" aufgeführt gewesen. Nachdem diese Produktart vom Verordnungsgeber nicht übernommen worden sei, könne nur davon ausgegangen werden, dass er die bewusste Entscheidung getroffen habe, Produkte zum Schutz von Lebensmitteln als solche nicht mehr in den Geltungsbereich der Verordnung aufzunehmen.
bb) Nach Auffassung des Senats sprechen die besseren Argumente dafür, mit der Revisionserwiderung davon auszugehen, dass Produkte zur Reinigung und Desinfektion von Lebensmitteln von der Produktart 4 der Hauptgruppe 1 des Anhangs V Biozid-VO umfasst sind.
(1) Nach ihrem Wortlaut umfasst die Produktart 4 Produkte zur Desinfektion von Oberflächen, die im Zusammenhang mit dem Verzehr von Lebensmitteln für Menschen Verwendung finden. Darunter lässt sich die Desinfektion der Oberflächen von Lebensmitteln fassen. Zudem schließt der von der Produktart 4 umfasste "Lebens- und Futtermittelbereich" auch Lebensmittel selbst ein.
(2) Der systematische Zusammenhang der Norm spricht für einen weiten Anwendungsbereich. Nach Erwägungsgrund 18 der Biozidverordnung handelt es sich bei den Beschreibungen der Produktarten nur um Beispiele. Entgegen der Auffassung der Revision kann mithin nicht von einer abschließenden Aufzählung ausgegangen werden.
(3) Auch die Auslegung nach Sinn und Zweck der Vorschrift ergibt, dass Produkte zur Reinigung von Lebensmitteln von der Produktart 4 umfasst sind. Nur so wird dem Vorsorgeprinzip, mit dem der Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier sowie der Umwelt sichergestellt werden soll (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 Biozid-VO), hinreichend Rechnung getragen.
(4) Der Verweis auf die Produktart 5 "Trinkwasser", die Produkte zur Desinfektion von Trinkwasser für Menschen und Tiere umfasst und aus der folgen soll, dass Produkte zur Reinigung "anderer Lebensmittel" nicht unter die Verord- nung fallen, überzeugt ebenfalls nicht. Das ergibt sich bereits aus der grundsätzlichen Trennung zwischen "Lebens- und Futtermittelbereich" (Produktgruppe 4) einerseits und "Trinkwasser" (Produktgruppe 5) andererseits in den Produktgruppen in Anhang V der Biozidverordnung.
(5) Der Nichtübernahme der Produktart 20 aus der (Vorgänger-)Richtlinie 98/8/EG in die Biozidverordnung kommt ebenfalls keine Bedeutung zu. Nach Erwägungsgrund 23 der Biozidverordnung fallen Produkte zum Schutz von Lebens- und Futtermitteln gegen Schadorganismen, die bisher von der Produktart 20 erfasst waren, unter die Verordnungen (EG) Nr. 1831/2003 und (EG) Nr. 1333/2008, so dass es nicht angebracht ist, diese Produktart beizubehalten. Die Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 betrifft Futtermittel, die Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 Lebensmittelzusatzstoffe. Da eine Einordnung der streitgegenständlichen Produkte als Futtermittel nicht in Betracht kommt und die Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 nach ihrem Art. 1 Bestimmungen über die "in" Lebensmitteln verwendeten Zusatzstoffe enthält, umfasste die ehemalige Produktart 20 von vornherein keine Produkte wie die streitgegenständlichen.
(6) Soweit in Anhang V Reinigungsmittel, bei denen keine biozide Wirkung "beabsichtigt" ist, nach dem Einleitungssatz zur "Hauptgruppe 1: Desinfektionsmittel" von diesen Produktarten ausgeschlossen sind, ist davon auszugehen, dass damit in Übereinstimmung mit Art. 3 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 Biozid-VO die - objektive - Zweckbestimmung gemeint ist (siehe oben Rn. 26). Das wird belegt durch die englische und französische Sprachfassung, die insoweit keine unterschiedlichen Begriffe verwenden, sondern sowohl in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 Biozid-VO als auch im Einleitungssatz zur Hauptgruppe 1: Desinfektionsmittel jeweils von "intended to/intention" beziehungsweise "destiné/destinés" sprechen.
5. Soweit die Produkte grundsätzlich in den Geltungsbereich der Biozidverordnung fallen, ist ferner die Auslegung der Bereichsausnahme gemäß Art. 2 Abs. 2 Unterabsatz 1 Buchst. e Biozid-VO sowie der Rückausnahme gemäß Art. 2 Abs. 2 Unterabsatz 2 Biozid-VO klärungsbedürftig. Die Revision der Beklagten hat Erfolg, wenn die streitgegenständlichen Produkte von dieser Bereichsausnahme erfasst werden und die Voraussetzungen der Rückausnahme nicht vorliegen. Es stellt sich danach die Frage, ob Art. 2 Abs. 2 Unterabsatz 1 Buchst. e, Unterabsatz 2 Biozid-VO dahin auszulegen sind, dass ein Biozidprodukt, das (auch) zur Reinigung/Desinfektion von Lebensmitteln bestimmt ist, allein in den Geltungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene fällt, insbesondere nicht über die Rückausnahme gemäß Art. 2 Abs. 2 Unterabsatz 2 Biozid-VO in den Geltungsbereich der Biozidverordnung einbezogen wird (Vorlagefrage 3).
a) Nach Art. 2 Abs. 2 Unterabsatz 1 Buchst. e Biozid-VO gilt die Biozidverordnung, sofern in der Verordnung oder in anderen Unionsvorschriften nicht ausdrücklich anders geregelt, nicht für Biozidprodukte oder behandelte Waren, die in den Geltungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene fallen. Nach Art. 2 Abs. 2 Unterabsatz 2 Biozid-VO gilt die Verordnung unbeschadet des Unterabsatzes 1 auch für Biozidprodukte, die in den Geltungsbereich eines der vorstehend genannten Rechtsinstrumente fallen und für die Verwendung zu Zwecken gedacht sind, die nicht von diesen Instrumenten abgedeckt werden, soweit diese Zwecke nicht von diesen Instrumenten erfasst sind.
b) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Geltungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 sei nach deren Art. 1 beschränkt auf Lebensmittelhygienevorschriften für Lebensmittelunternehmer. Zum Schutz der öffentlichen Gesundheit enthalte die Verordnung nach ihrem Erwägungsgrund 4 "gemeinsame Grundregeln, insbesondere betreffend die Pflichten der Hersteller und der zuständigen Behörden, die Anforderungen an Struktur, Betrieb und Hygiene der Unternehmen, die Verfahren für die Zulassung von Unternehmen, die Lager- und Transportbedingungen und die Genusstauglichkeitskennzeichnung". Es sei nicht erkennbar, dass der Verordnungsgeber damit grundsätzlich Lebensmittel aus dem Anwendungsbereich der Biozidverordnung habe herausnehmen wollen. Dies hätte durch eine Negativ-Definition leichter erreicht werden können.
Jedenfalls würde die Rückausnahme des Art. 2 Abs. 2 Unterabsatz 2 Biozid-VO zur Anwendbarkeit der Biozidverordnung führen. Danach gelte die Biozidverordnung auch dann, wenn zwar der Anwendungsbereich der Bereichsausnahme eröffnet wäre, die gedachte Verwendung allerdings nicht vom Zweck der Bereichsausnahme erfasst werde. So liege der Fall hier. Der Verwendungszweck der Produkte als Reinigungsmittel sei nicht vom Schutzzweck der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 umfasst, die die Herstellung, Lagerung und den Vertrieb von Lebensmitteln regle, jedoch nicht die Gefährlichkeit des Stoffes oder Stoffgemisches als solche im Blick habe.
c) Diese Auslegung des Berufungsgerichts unterliegt Zweifeln.
aa) Die Verordnung (EG) Nr. 852/2004 regelt den Herstellungs- und Verarbeitungsprozess von Lebensmitteln. Ihre Grundregeln stellen die allgemeine Grundlage für die hygienische Herstellung aller Lebensmittel dar (Erwägungsgrund 5). Nach Art. 1 Unterabsatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 enthält diese Verordnung allgemeine Lebensmittelhygienevorschriften für Lebensmittelunternehmer unter besonderer Berücksichtigung bestimmter, näher bezeichneter Grundsätze. Nach Art. 1 Unterabsatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 gilt die Verordnung für alle Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen von Lebensmitteln und für Ausfuhren sowie unbeschadet spezifischerer Vorschriften für die Hygiene von Lebensmitteln. Der Begriff der "Lebensmittelhygiene" bezeichnet gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 die Maßnahmen und Vorkehrungen, die notwendig sind, um Gefahren unter Kontrolle zu bringen und zu gewährleisten, dass ein Lebensmittel unter Berücksichtigung seines Verwendungszwecks für den menschlichen Verzehr tauglich ist. In Anhang I und II der Verordnung finden sich allgemeine Hygienevorschriften für Lebensmittelunternehmer, darunter in Anhang II Kapitel IX Vorschriften für Lebensmittel, wonach zum Beispiel geeignete Verfahren zur Bekämpfung von Schädlingen vorzusehen sind (Ziffer 4 Satz 1).
bb) Danach könnte ein Biozidprodukt, das (auch) - wie die streitgegenständlichen Produkte - zur Reinigung von Lebensmitteln bestimmt ist, in den Geltungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 fallen, weil es im Rahmen der Lebensmittelhygiene - zum Beispiel zur Bekämpfung von Schädlingen - im Sinn dieser Verordnung eingesetzt werden kann.
cc) Die Zulässigkeit der Verwendung von Biozidprodukten zur Reinigung und Desinfektion wird in der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 nicht geregelt. Zweifelhaft ist deshalb, ob sämtliche in der Lebensmittelhygiene im Sinn der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 eingesetzten und für diesen Zweck (auch) bestimmten Biozidprodukte tatsächlich über die Bereichsausnahme des Art. 2 Abs. 2 Unterabsatz 1 Buchst. e Biozid-VO vom Geltungsbereich der Biozidverordnung ausgenommen sein sollen. Dagegen spricht, dass Anhang V der Biozidverordnung mit der Produktgruppe 4 "Lebens- und Futtermittelbereich" der Hauptgruppe 1 "Desinfektionsmittel" ausdrücklich Produkte zur Desinfektion im Lebens- und Futtermittelbereich als Produktart von Biozidprodukten im Sinn von Art. 2 Abs. 1 Satz 2 Biozid-VO nennt. Daraus könnte zu entnehmen sein, dass Desinfektionsmittel auch im Bereich der Lebensmittelherstellung und in Abgrenzung zu anderen Rechtsakten von der Biozidverordnung erfasst sein sollen. Die Biozidverordnung nimmt damit auch die Risiken bei der Verwendung von Biozidprodukten für Menschen, Tiere und die Umwelt im Umfeld der Lebensmittelherstellung in den Blick.
Für eine Abgrenzung der Geltungsbereiche der Biozidverordnung und der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 könnte darauf abgestellt werden, ob die Verordnung (EG) Nr. 852/2004 das betreffende Biozidprodukt und seine Verwendung einem spezielleren oder abschließenden Regelungsregime unterwirft, zum Beispiel, weil es spezifische Risiken für die Lebensmittelhygiene birgt (vgl. VG Bremen, Urteil vom 4. September 2023 - 5 K 1389/21, juris Rn. 43). Für Biozidprodukte, die - wie im Streitfall - zur Desinfektion von Lebensmitteln verwendet werden, stellt die Verordnung (EG) Nr. 852/2004 kein spezielleres Regelungsregime dar. Auch die Zulässigkeit der Verwendung von (konkreten) Biozidprodukten als Reinigungs- und Desinfektionsmittel für Produktionsstätten und -mittel ist nicht speziell oder abschließend in der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 geregelt (vgl. VG Bremen, Urteil vom 4. September 2023 - 5 K 1389/21, juris Rn. 44). Diese Verordnung enthält vielmehr nur allgemeine Hygienevorschriften.
6. Ergibt sich aus den Antworten auf die Vorlagefragen 1 bis 3, dass die streitgegenständlichen Produkte als Biozidprodukte einzuordnen sind, hat die Revision keinen Erfolg, soweit sie geltend macht, die Produkte seien (auch) als Lebensmittel bestimmt und bereits aus diesem Grund vom Geltungsbereich der Biozidverordnung ausgenommen. Für eine solche Bereichsausnahme ist nichts ersichtlich.
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, das Produkt der Beklagten erfülle zwar auch die Definition des Lebensmittels in Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit. Die Biozidverordnung enthalte aber nur für bestimmte Arten von Lebensmitteln ausdrückliche Ausnahmetatbestände (vgl. Art. 2 Abs. 2 Unterabsatz 1 Buchst. e, f und g, Abs. 5 Buchst. a Biozid-VO). Lebensmittel im Übrigen sollten danach ohne Einschränkungen unter die Biozidverordnung fallen. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
b) Art. 2 Abs. 2 Unterabsatz 1 Biozid-VO enthält keine allgemeine Bereichsausnahme für Lebensmittel im Sinn der Verordnung (EG) Nr. 178/2002. Insbesondere hat das Berufungsgericht mit Recht darauf verwiesen, dass nach Art. 2 Abs. 5 Buchst. a Biozid-VO die Biozidverordnung nur für solche Lebensoder Futtermittel keine Anwendung findet, die als Repellentien oder Lockmittel verwendet werden. Danach können Lebensmittel im Übrigen grundsätzlich der Biozidverordnung unterfallen.
c) Art. 25 Satz 1 und 2 Buchst. a in Verbindung mit Anhang I Biozid-VO spricht ebenfalls dafür, dass die Biozidverordnung auch auf Lebensmittel, insbesondere auf Essig, Anwendung finden kann. Nach dieser Regelung kann für geeignete Biozidprodukte ein Antrag auf Zulassung im Rahmen eines vereinfachten Zulassungsverfahrens gestellt werden. Ein Biozidprodukt kommt dafür in Betracht, wenn alle seine Wirkstoffe in Anhang I aufgeführt sind und den dort genannten Beschränkungen genügen. In der Liste der unter Art. 25 Satz 2 Buchst. a Biozid-VO fallenden Wirkstoffe gemäß Anhang I ist in Kategorie 2 "Essig" mit der Einschränkung aufgeführt "ausgenommen Essig, bei dem es sich nicht um ein Lebensmittel handelt, und ausgenommen Essig, der mehr als 10 % Essigsäure enthält (unabhängig davon, ob es sich um ein Lebensmittel handelt)" (vgl. auch Delegierte Verordnung [EU] Nr. 528/2012 zur Änderung der Verordnung [EU] Nr. 528/2012 zwecks Aufnahme des Wirkstoffs Essig in Anhang I). Danach kommt gerade Essig als Lebensmittel (auch) als Biozidprodukt in Betracht.
7. Aus dem Umstand, dass die Essigprodukte der Beklagten sowohl als Lebensmittel gemäß Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 als auch als Biozidprodukt gemäß Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 der Biozidverordnung bestimmt sind (Dual-Use-Produkt), folgt auch nicht, dass sie den Anforderungen der Biozidverordnung, soweit sie nach den Antworten auf die Vorlagefragen 1 bis 3 dieser Verordnung unterfallen, nicht uneingeschränkt genügen müssten.
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, eine Einschränkung der Anwendbarkeit der Biozidverordnung im Hinblick darauf, dass die Produkte auch die Voraussetzungen des Lebensmittelbegriffs erfüllten, komme nicht in Betracht. Auch ein solches Produkt müsse den Anforderungen der Biozidverordnung uneingeschränkt genügen. Dafür spreche schon das Ziel der Verordnung, ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt zu gewährleisten. Anders als zum Beispiel bei Arzneimitteln, die vom Lebensmittelbegriff ausgenommen seien (vgl. Art. 2 Abs. 3 Buchst. d VO [EG] Nr. 178/2002), fehle es an einer solchen expliziten Abgrenzung von Lebensmitteln und Biozidprodukten. Daher müsse ein Produkt, das als Zweckbestimmung zugleich die Funktion als Biozid habe, selbst wenn dies nicht die überwiegende Zweckbestimmung sein sollte, auch den Anforderungen der Biozidverordnung entsprechen. Bei Dual-Use-Produkten seien daher immer auch die strengen Deklarationspflichten der Biozidverordnung einzuhalten, selbst wenn die Biozidfunktion untergeordnet sei. Ein solches Dual-Use-Produkt unterfalle dann sowohl den Regelungen für Lebensmittel als auch denen für Biozidprodukte.
b) Diese Beurteilung begegnet revisionsrechtlich keinen Bedenken. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Anforderungen der Biozidverordnung nur eingeschränkt einzuhalten wären, wenn die Zweckbestimmung als Biozid nicht den einzigen Zweck, sondern nur eine weitere - gegebenenfalls sogar untergeordnete - Zweckbestimmung des Produkts darstellt. Gegen eine eingeschränkte Anwendbarkeit der Biozidverordnung für Dual-Use-Produkte spricht neben dem mit der Biozidverordnung verfolgten hohen Schutzniveau auch das fehlende Exklusivverhältnis zwischen den Kategorien "Lebensmittel" und "Biozidprodukt".
IV. Soweit sich die Revision gegen die Verurteilung nach dem Antrag 1 a aa richtet, hängt ihr Erfolg ebenfalls von der Frage ab, ob die streitgegenständlichen Produkte unter die Biozidverordnung fallen (Vorlagefragen 1 bis 3). Nur dann kommt die vom Landgericht angenommene Irreführung wegen einer Bewerbung als Lebensmittel in Betracht.
V. Die gegen die Verurteilung nach dem Unterlassungsantrag 1 b aa gerichtete Revision der Beklagten hat Erfolg, wenn die streitgegenständlichen Produkte nicht in den Anwendungsbereich der CLP-Verordnung fallen. Insoweit stellt sich die Frage, ob die Bereichsausnahme für Lebensmittel gemäß Art. 1 Abs. 5 Buchst. e CLP-VO dahin auszulegen ist, dass die CLP-Verordnung auf ein Produkt, das sowohl als Lebensmittel gemäß Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 als auch als Biozidprodukt gemäß Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 Biozid-VO bestimmt ist, ungeachtet dieser Bereichsausnahme - gegebenenfalls unter der Voraussetzung, dass die Zweckbestimmung als Biozid überwiegt - anzuwenden ist (Vorlagefrage 4).
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, das Produkt "S. Essigspray EXTRA" sei ein Gemisch gemäß Art. 2 Unterabsatz 1 Nr. 8 CLP-VO, das gemäß Art. 3 Unterabsatz 1, Anhang I Teil 3 CLP-VO gefährlich sei. Die Anwendung der CLP-Verordnung sei nicht durch die Bereichsausnahme des Art. 1 Abs. 5 Buchst. e CLP-VO ausgeschlossen. Die Beklagte habe die daraus folgenden Kennzeichnungspflichten nicht eingehalten.
2. Gegen die Einordnung des Produkts "S. Essigspray EXTRA" als ein Gemisch gemäß Art. 2 Unterabsatz 1 Nr. 8 CLP-VO, das gemäß Art. 3 Unterabsatz 1, Anhang I Teil 3.2.3.3.3 in Verbindung mit der Tabelle 3.2.3 CLP-VO gefährlich ist, wendet sich die Revision nicht. Rechtsfehler sind nicht ersichtlich.
3. Die Auslegung der Bereichsausnahme durch das Berufungsgericht begegnet dagegen Bedenken.
Nach Art. 1 Abs. 5 Buchst. e CLP-VO gilt die CLP-Verordnung nicht für Lebensmittel im Sinn der Verordnung (EG) Nr. 178/2002, die für den Endverbraucher bestimmte Stoffe und Gemische in Form von Fertigerzeugnissen darstellen. Diese Bereichsausnahme ist ihrem Wortlaut nach einschlägig, weil das Produkt "S. Essigspray EXTRA" (auch) ein Lebensmittel im Sinn von Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 ist. Die Bereichsausnahme kann entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht für solche Produkte eingeschränkt ausgelegt werden, die - wie hier - nicht nur als Lebensmittel, sondern auch, gegebenenfalls überwiegend, als Biozidprodukt bestimmt sind. Anders als bei der Biozidverordnung, die keine klare Bereichsausnahme für Lebensmittel im Sinn des Art. 2 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 enthält, stehen dem der eindeutige Wortlaut von Art. 1 Abs. 5 Buchst. e CLP-VO und der Erwägungsgrund 11 der CLP-Verordnung entgegen. Danach soll die Verordnung grundsätzlich für alle Stoffe und Gemische gelten, die in der Gemeinschaft ausgeliefert werden, mit Ausnahme der Fälle, in denen andere gemeinschaftliche Rechtsvorschriften spezifischere Vorschriften für die Einstufung und Kennzeichnung vorsehen, wie beispielsweise - im Streitfall - die Verordnung (EG) Nr. 178/2002. Mit Blick darauf, dass in Art. 14 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit einschließlich eines Verbots des Inverkehrbringens nicht sicherer Lebensmittel (Art. 14 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 178/2002) und in Art. 16 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 ein Irreführungsverbot für die Kennzeichnung, Werbung und Aufmachung von Lebensmitteln normiert sind, enthält diese Verordnung spezifischere Vorschriften für die Einstufung sowie die Kennzeichnung von Lebensmitteln, so dass sie nach Auffassung des Senats insoweit der CLP-Verordnung vorgeht.
VI. Die Revision der Beklagten gegen die Verurteilung nach dem Unterlassungsantrag 1 b bb hat Erfolg, wenn die streitgegenständlichen Produkte nicht in den Anwendungsbereich der REACH-Verordnung fallen. Auch in diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die Bereichsausnahme für Lebensmittel gemäß Art. 2 Abs. 6 Buchst. d in Verbindung mit Titel IV REACH-VO dahin auszulegen ist, dass die Anwendung des Titels IV auf ein Produkt im Sinn der Vorlagefrage 4 ungeachtet dieser Bereichsausnahme - gegebenenfalls unter der Voraussetzung, dass die Zweckbestimmung als Biozid überwiegt - nicht ausgeschlossen ist (Vorlagefrage 5).
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte habe gegen die REACH-Verordnung verstoßen, da sie das aufgrund der Einstufung des Produkts als "gefährlich" notwendige Sicherheitsdatenblatt mit den Informationen nach Anhang II gemäß Art. 31 Abs. 1 Buchst. a REACH-VO nicht zur Verfügung gestellt habe. Mit der Bereichsausnahme nach Art. 2 Abs. 6 Buchst. d REACH-VO, wonach Titel IV der Verordnung, zu dem Art. 31 REACH-VO gehört, nicht für Lebensmittel nach der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 als für den Endverbraucher bestimmte Gemische gilt, hat sich das Berufungsgericht nicht befasst. Das Landgericht hat insofern gemeint, es müsse auf die Zweckbestimmung abgestellt werden.
2. Die Revision wendet sich nicht dagegen, dass im Grundsatz die Voraussetzungen des Art. 31 Abs. 1 Buchst. a REACH-VO für das "S. Essigspray EXTRA" erfüllt sind und ein Sicherheitsdatenblatt mit den Informationen nach Anhang II zur Verfügung zu stellen ist. Rechtsfehler sind nicht ersichtlich.
3. Soweit das Berufungsgericht aber - konkludent - davon ausgegangen ist, dass die Bereichsausnahme für Titel IV gemäß Art. 2 Abs. 6 Buchst. d REACHVO für Lebensmittel nicht einschlägig ist, begegnet dies Bedenken.
a) Nach Art. 2 Abs. 6 Buchst. d REACH-VO gilt Titel IV nicht für Lebensmittel oder Futtermittel gemäß der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 als für den Endverbraucher bestimmte Gemische in Form von Fertigerzeugnissen. In Titel IV findet sich auch Art. 31 Abs. 1 Buchst. a REACH-VO, auf den das Berufungsgericht die Verurteilung stützt, wonach der Lieferant eines Stoffes oder eines Gemisches dem Abnehmer des Stoffes oder des Gemisches ein Sicherheitsdatenblatt nach Anhang II zur Verfügung stellt, wenn der Stoff oder das Gemisch die Kriterien für die Einstufung als gefährlich gemäß der CLP-Verordnung erfüllt.
b) Die Bereichsausnahme gemäß Art. 2 Abs. 6 Buchst. d REACH-VO für Titel IV ist nach ihrem Wortlaut einschlägig. Es erscheint zweifelhaft, ob sie gegen ihren eindeutigen Wortlaut unter Berücksichtigung der Ziele der REACH-Verordnung, ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt sicherzustellen (vgl. Erwägungsgrund 1), bei Dual-Use-Produkten wie dem streitgegenständlichen "S. Essigspray EXTRA" einschränkend ausgelegt werden kann.
VII. Der Erfolg der Revision gegen die Verurteilung zum Ersatz vorgerichtlicher Kosten sowie auf Feststellung der Schadensersatzpflicht und Auskunft hängt von der Begründetheit der Unterlassungsanträge ab.
Koch Pohl Löffler Schwonke Schmaltz Vorinstanzen: LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 24.06.2022 - 3 - 10 O 21/21 OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 20.07.2023 - 6 U 128/22 - Verkündet am 27. Juni 2024 Wächter, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle