19 W (pat) 49/17
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 49/17 Verkündet am 17. Januar 2018
…
BESCHLUSS In der Beschwerdesache
… betreffend das Patent 10 2005 048 724 ECLI:DE:BPatG:2018:170118B19Wpat49.17.0 hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 17. Januar 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Kleinschmidt, der Richterin Kirschneck sowie der Richter Dipl.-Phys. Dr. Haupt und Dr.-Ing. Kapels beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der Beschluss der Patentabteilung 1.54 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 13. April 2016 aufgehoben und das Patent 10 2005 048 724 mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:
Patentansprüche 1 bis 17 gemäß 1. Hilfsantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 17. Januar 2018,
Beschreibung, Seiten 2/11 bis 9/11, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 17. Januar 2018,
Zeichnung, eine Figur, wie erteilt.
2. Die weitergehende Beschwerde der Patentinhaberin wird zurückgewiesen.
Gründe I.
Auf die am 12. Oktober 2005 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Patentanmeldung ist die Erteilung des nachgesuchten Patents mit der Nummer 10 2005 048 724 am 21. August 2014 veröffentlicht worden. Es trägt die Bezeichnung
„Wägezelle mit Aufnahmehalterung“.
Gegen das Patent hat die Einsprechende mit Schriftsatz vom 21. Mai 2015, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am selben Tag, Einspruch erhoben mit der Begründung, der Gegenstand des erteilten Patents sei nach den §§ 1 bis 5 PatG nicht patentfähig.
Zum Stand der Technik hat die Einsprechende auf die folgenden Druckschriften Bezug genommen:
D1: DE 102 04 104 C1 E1: DE 10 2005 025 534 B3 E2: EP 1 400 789 A2 E3: DE 20 2004 010 859 U1 E4: US 5 518 418 A E5: US 4 236 190 A E6: WIPOTEC: Broschüre „Die intelligenten digitalen Wägezellen,
Typenreihen IW, WZ, SW, ZER und MTC“, Kaiserslautern, Druckvermerk „Stand: 96/03“, Deckblatt, Inhaltsverzeichnis, Seiten 1 – 23.
Mit dem am Ende der Anhörung vom 13. April 2016 verkündeten Beschluss hat die Patentabteilung 1.54 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent widerrufen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin vom 1. Juni 2016.
Die Patentinhaberin beantragt in der mündlichen Verhandlung am 17. Januar 2018,
den Beschluss der Patentabteilung 1.54 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 13. April 2016 aufzuheben und das Patent 10 2005 048 724 mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:
Patentansprüche 1 bis 18 gemäß Hauptantrag vom 11. Januar 2018, Beschreibung und Zeichnung, wie erteilt,
hilfsweise,
Patentanspruch 1 gemäß 1. Hilfsantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 17. Januar 2018, sowie als Patentansprüche 2 bis 17 die Patentansprüche 3 bis 18 gemäß Hauptantrag,
weiter hilfsweise,
Patentanspruch 1 gemäß 2. Hilfsantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 17. Januar 2018, sowie als Patentansprüche 2 bis 17 die Patentansprüche 3 bis 18 gemäß Hauptantrag weiter hilfsweise,
Patentanspruch 1 gemäß 3. Hilfsantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 17. Januar 2018,
sowie als Patentansprüche 2 bis 16 die Patentansprüche 3 bis 5 und 7 bis 18 gemäß Hauptantrag,
weiter hilfsweise,
Patentanspruch 1 gemäß 4. Hilfsantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 17. Januar 2018, sowie als Patentansprüche 2 bis 16 die Patentansprüche 3 bis 5 und 7 bis 18 gemäß Hauptantrag,
Beschreibung zu den Hilfsanträgen jeweils noch anzupassen,
Zeichnung zu den Hilfsanträgen jeweils wie erteilt.
Die Patentinhaberin überreicht in der mündlichen Verhandlung eine angepasste Beschreibung zu dem 1. Hilfsantrag sowie einen vollständigen Anspruchssatz mit Patentansprüchen 1 bis 17 gemäß 1. Hilfsantrag und beantragt ergänzend,
der beschränkten Aufrechterhaltung des Patents gemäß 1. Hilfsantrag diese Unterlagen zugrunde zu legen.
Die Einsprechende beantragt,
die Beschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag vom 11. Januar 2018 lautet:
1. Wägesystem mit einer Wägezelle (100) und einer dazu komplementär ausgebildeten Aufnahmehalterung (200) zum Einsetzen der Wägezelle (100),
a) wobei die Wägezelle (100) Ausrichtelemente (104, 105, 106) aufweist, die zum Zusammenwirken mit Ausrichtelementen (204, 205, 206) der Aufnahmehalterung (200) ausgebildet sind, und b) wobei die Wägezelle (100) zur Herstellung wenigstens einer lösbaren mechanischen und elektrischen Verbindung mit der Halterung (200) durch Einsetzen der Wägezelle (100) in die Halterung (200) ausgebildet ist dadurch gekennzeichnet, c) dass die Wägezelle mit ihren Lasteinleitungselementen beim Einsetzen in die Aufnahmehalterung eine exakt vorgebbare Lage relativ zur Aufnahmehalterung einnimmt und sich anhand der Ausrichtelemente automatisch exakt justiert.
Der Patentanspruch 1 gemäß 1. Hilfsantrag vom 17. Januar 2018 lautet:
1. Wägesystem mit einer Wägezelle (100) und einer dazu komplementär ausgebildeten Aufnahmehalterung (200) zum Einsetzen der Wägezelle (100), a) wobei die Wägezelle (100) Ausrichtelemente (104, 105, 106) aufweist, die zum Zusammenwirken mit dazu komplementär ausgebildeten Ausrichtelementen (204, 205, 206) der Aufnahmehalterung (200) ausgebildet sind, und b) wobei die Wägezelle (100) zur Herstellung wenigstens einer lösbaren mechanischen und elektrischen Verbindung mit der Halterung (200) durch Einsetzen der Wägezelle (100) in die Halterung (200) ausgebildet ist, c) wobei die Wägezelle mit ihren Lasteinleitungselementen beim Einsetzen in die Aufnahmehalterung eine exakt vorgebbare Lage relativ zur Aufnahmehalterung einnimmt und sich anhand der Ausrichtelemente automatisch exakt justiert,
dadurch gekennzeichnet, d) dass wenigstens eine Schnellspannverbindung vorgesehen ist, mit der die Wägezelle (100) mit der Halterung (200) lösbar verbindbar ist.
Wegen weiterer Einzelheiten, insbesondere wegen des Wortlauts des jeweiligen Hauptanspruchs zu dem 2. bis 4. Hilfsantrag, wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
1. Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat nur insoweit Erfolg, als dass sie zur beschränkten Aufrechterhaltung des Patents nach dem 1. Hilfsantrag führt. Im Übrigen war die Beschwerde zurückzuweisen.
2. Das Patent betrifft eine Wägezelle und eine Halterung für die Aufnahme dieser Wägezelle (Patentschrift, Absatz 0001).
Bekannt sei, Wägezellen in Produktionsmaschinen zu integrieren, um die Wiegevorgänge zu beschleunigen und den apparativen Aufbau zu vereinfachen. Bekannt seien hier insbesondere Anwendungen aus der Lebensmittel- oder Pharmabranche, bei denen abzufüllende oder zu verpackende Produkte innerhalb der entsprechenden Maschine auch abgewogen würden, um vorgegebene Gewichtswerte einzuhalten bzw. abweichende Füllmengen zu erkennen und gegebenenfalls auszusortieren (Absatz 0002).
Nachteilig sei, dass die in die Produktionsmaschinen integrierten wägetechnischen Komponenten oft schwer zugänglich seien, was sich bei Montage-, Wartungs- und Reinigungsarbeiten besonders deutlich zeige. Entsprechend sei der Austausch von zu ersetzenden Wägezellen schwierig. Gerade bei Mehrspuranwendungen, wo es auf möglichst geringen Spurabstand ankomme, sei die leichte Zugänglichkeit der Wägekomponenten jedoch erforderlich. Des Weiteren erfordere die schlechte Zugänglichkeit oft eine längere Stillstandszeit für Wartungs- oder Montagearbeiten und schlage sich so insgesamt nachteilig auf den Produktionsprozess nieder (Absatz 0003).
Bekannt sei die Befestigung von Wägezellen mittels an diesen abgeordneten Adapterplatten. Dabei würden die Adapterplatten mit bzw. in der jeweiligen Maschine verschraubt. Dieses könne jedoch mechanische Spannungen erzeugen, die auf die Wägezelle einwirkten und ihre Funktion beeinträchtigen. Alternativ könnten Wägezellen unmittelbar und ohne Adapterplatten befestigt werden, in dem geeignete (Gewinde-)Bohrungen an der Wägezellenunterseite verwendet würden. Auch hierbei könnten mechanische Spannungen auftreten, und die Herstellung der Bohrungen koste Zeit und Geld (Absatz 0004).
Bei der Aufbringung der zu wiegenden Last auf die Lasteinleitung der Wägezelle seien Stöße in jeglicher Richtung zu vermeiden, um ein rasches Einschwingen des Messwertes nicht zu gefährden. Daher sei eine genaue räumliche Ausrichtung der Lasteinleitung relativ zu den aufzubringenden Lasten oder Lasttransportmitteln erforderlich (Absatz 0005).
Der Stand der Technik offenbare eine Anordnung zur Überwachung des Füllungsgrades von einzelnen Behältern in einem Lagersystem, bei dem jedem einzelnen Behälter ein Wägesystem zugeordnet sei. Über eine parallel geführte und gefederte Auflagefläche des Systems werde bei Überschreiten einer Mindestlast ein Schaltelement betätigt. Eine Positionierung der Wägezelle des Systems sei nicht näher erläutert (Absatz 0006).
Dem Streitpatent liege daher die Aufgabe zugrunde, eine leicht austauschbare Wägezelle anzubieten, die exakt justiert, d. h. räumlich ausgerichtet werden könne (Absatz 0007).
2.1 Als Fachmann legt der Senat seiner Entscheidung vor diesem Hintergrund einen Diplomingenieur (FH) oder Bachelor der Fachrichtung Maschinenbau mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Wägetechnik zugrunde.
2.2 Die gestellte Aufgabe soll durch den Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag gelöst werden, der sich wie folgt gliedern lässt:
M1 Wägesystem mit einer Wägezelle (100) und einer dazu komplementär ausgebildeten Aufnahmehalterung (200) zum Einsetzen der Wägezelle (100),
M2 a) wobei die Wägezelle (100) Ausrichtelemente (104, 105, 106) aufweist, die zum Zusammenwirken mit Ausrichtelementen (204, 205, 206) der Aufnahmehalterung (200) ausgebildet sind, und M3 b) wobei die Wägezelle (100) zur Herstellung wenigstens einer lösbaren mechanischen und elektrischen Verbindung mit der Halterung (200) durch Einsetzen der Wägezelle (100) in die Halterung (200) ausgebildet ist dadurch gekennzeichnet, M4 c) dass die Wägezelle mit ihren Lasteinleitungselementen beim Einsetzen in die Aufnahmehalterung eine exakt vorgebbare Lage relativ zur Aufnahmehalterung einnimmt und sich anhand der Ausrichtelemente automatisch exakt justiert.
Gegenüber dem Hauptantrag ist im Patentanspruch 1 gemäß dem 1. Hilfsantrag das Merkmal M2 wie folgt geändert (Änderung unterstrichen) und das Merkmal M5 hinzugefügt:
M2Hi1 a) wobei die Wägezelle (100) Ausrichtelemente (104, 105, 106) aufweist, die zum Zusammenwirken mit dazu kom- plementär ausgebildeten Ausrichtelementen (204, 205, 206) der Aufnahmehalterung (200) ausgebildet sind, und M5 d) dass wenigstens eine Schnellspannverbindung vorgesehen ist, mit der die Wägezelle (100) mit der Halterung (200) lösbar verbindbar ist.
2.3 Einige Merkmale bedürfen der Erläuterung:
Dem Merkmal M1 entnimmt der Fachmann ein Wägesystem, das eine Wägezelle und eine Aufnahmehalterung aufweist. Die Aufnahmehalterung soll dabei komplementär zur Wägezelle ausgebildet sein. Unter einer komplementär ausgebildeten Aufnahmehalterung versteht der Fachmann eine zur Wägezelle passende geometrische Ausbildung, die ein Einsetzen der Wägezelle erlaubt. Die Komplementarität muss dabei nicht mehrdimensional sein, eine eindimensionale Komplementarität ist ausreichend.
Gemäß dem Merkmal M2 weisen die Wägezelle und die Aufnahmehalterung Ausrichtelemente auf, die zum Zusammenwirken ausgebildet sind. Der Fachmann versteht darunter, dass durch das Zusammenwirken der jeweiligen Ausrichtelemente ein Ausrichten der Wägezelle und der Aufnahmehalterung zueinander erfolgt. Eine bestimmte Form der Ausrichtelemente oder eine Genauigkeit der Ausrichtung kann der Fachmann dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag nicht entnehmen. Im Merkmal M2Hi1 wird präzisiert, dass die Ausrichtelemente der Aufnahmehalterung komplementär zu den Ausrichtelementen der Wägezelle ausgebildet sind.
Ferner soll die Wägezelle gemäß Merkmal M3 derart ausgebildet sein, dass durch das Einsetzen der Wägezelle in die Aufnahmehalterung eine lösbare mechanische und elektrische Verbindung hergestellt wird.
Unter dem Justieren gemäß Merkmal M4 ist im Sinne des Streitpatents ein exaktes Ausrichten nach Lage und Position im Raum zu verstehen (vgl. Absatz 0017). Der Fachmann versteht unter einer Position den Standort bzw. die räumlichen Koordinaten einer Vorrichtung und unter einer Lage die räumliche Ausrichtung bzw. Orientierung. Das Ausrichten soll derart exakt erfolgen, dass nach dem Einsetzen kein zusätzlicher Justiervorgang notwendig ist (vgl. Absatz 0017) und somit so genau sein, dass der dennoch auftretende, aus der etwaigen Ungenauigkeit der Positionierung resultierende Messfehler für die betreffende Messaufgabe tolerabel ist. Die im Absatz 0019 des Streitpatents beschriebene exakte Positionierung der Wägezelle relativ zur Aufnahmehalterung im Bereich von Hundertstel Millimetern ist in den Anträgen nicht beansprucht. Des Weiteren entnimmt der Fachmann insbesondere dem Absatz 0009 der Streitpatentschrift, dass der Einsetzvorgang der Wägezelle erst dann abgeschlossen ist, wenn die Wägezelle eingespannt ist.
Gemäß Merkmal M5 des 1. Hilfsantrags soll wenigstens eine Schnellspannverbindung vorgesehen sein. Der Formulierung „wenigstens eine“ ist zu entnehmen, dass das Wägesystem sowohl eine, als auch mehrere Schnellspannverbindungen aufweisen kann. Unter einer Schnellspannverbindung wird im Streitpatent eine Vorrichtung verstanden, die eine schnelle, manuelle, gegen unbeabsichtigtes Lösen gesicherte Ankopplung der Wägezelle an die Halterung ermöglichen soll, ohne dass dazu besonderes Werkzeug erforderlich wäre. Beispielhaft werden eine manuell betätigbare Spannschraube oder ein federbelasteter lösbarer Rastmechanismus genannt (vgl. Absatz 0014). Diesen Angaben entnimmt der Fachmann, dass durch die Schnellspannverbindung zumindest eine Spannung zwischen Wägezelle und Halterung manuell aufgebaut werden soll und die Ankopplung gegen unbeabsichtigtes Lösen, beispielhaft mittels Schraube oder Rastmechanismus, gesichert ist.
3. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag ist nicht neu (§ 1 i. V. m. § 3 PatG).
3.1 Die nachveröffentlichte Druckschrift DE 10 2005 025 534 B3 (E1), deren Figuren 1 bis 3 nachfolgend wiedergegeben sind,
Figur 1 der E1 Figur 2 der Druckschrift E1 Figur 3 der Druckschrift E1 offenbart, ausgedrückt in Worten des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag, ein M1 Wägesystem (Absatz 0020: „Wägeanlage 1“) mit einer Wägezelle („Wägemodul 3“) und einer dazu komplementär ausgebildeten Aufnahmehalterung („Trägerelement 6“, „Fixierplatte 9“, „Verdrahtungsplatine 13“ und „Verbindungselemente 16“) zum Einsetzen der Wägezelle („Wägemodul 3“),
M2 a) wobei die Wägezelle („Wägemodul 3“) Ausrichtelemente (Absatz 0021: „Bund 8“ und „komplementäres Gegenstück zu Fase 17“) aufweist, die zum Zusammenwirken mit Ausrichtelementen (Absatz 0021: „wabenförmiger Ausbruch 7“ und „Fase 17“) der Aufnahmehalterung (6, 9, 13 und 16) ausgebildet sind, und M3 b) wobei die Wägezelle („Wägemodul 3“) zur Herstellung wenigstens einer lösbaren mechanischen und elektrischen Verbindung mit der Halterung (6, 9, 13 und 16) durch Ein- setzen der Wägezelle („Wägemodul 3“) in die Halterung (6, 9, 13 und 16) ausgebildet ist (Absätze 0018, 0019) und, M4 c) dass die Wägezelle (3) mit ihren Lasteinleitungselementen beim Einsetzen in die Aufnahmehalterung (6, 9, 13 und 16) eine exakt vorgebbare Lage relativ zur Aufnahmehalterung (6, 9, 13 und 16) einnimmt und sich anhand der Ausrichtelemente automatisch exakt justiert (Absatz 0024: „Anschließend kann das neue Wägemodul 3 in den wabenförmigen Ausbruch 7 des Trägerelementes 6 eingesetzt werden, wobei über den Bund 8 sowohl die exakte Positionierung in x- und y-Richtung, als auch die exakte Positionierung in z-Richtung und über die Fase 17 des wabenförmigen Ausbruches 7 der exakte Richtungssinn gewährleistet wird.“).
Damit ist aus der nachveröffentlichten Druckschrift E1 eine Vorrichtung mit allen Merkmalen des Anspruchs 1 nach Hauptantrag bekannt.
3.2 Der Druckschrift EP 1 400 789 A2 (E2), deren Figuren 4 und 6 nachfolgend wiedergegeben sind,
Figur 4 der Druckschrift E2 Figur 6 der Druckschrift E2 ist in Worten des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag ausgedrückt, Folgendes entnehmbar: ein M1 Wägesystem (Absatz 0034: „combination weigher 10“) mit einer Wägezelle (Absätze 0034, 0035, 0046: „weighing head 11“) und einer dazu komplementär ausgebildeten Aufnahmehalterung (Absatz 0042 und Figur 6: „cylindrical supporting structure 21“, „connector 22“, Boden mit Nut und horizontale Halterung oben) zum Einsetzen der Wägezelle (11),
M2 a) wobei die Wägezelle (11) Ausrichtelemente (Absätze 0047, 0048 und Figur 6: „contacts“, „centering pin 26“, Feder unten und rechtwinklige Ausnehmung oben) aufweist, die zum Zusammenwirken mit Ausrichtelementen (Absätze 0047, 0048 und Figur 6: „connector 22“, „centering hole 27“, Nut im Boden und rechtwinkliges Ende der horizontalen Halterung oben) der Aufnahmehalterung ausgebildet sind, und M3 b) wobei die Wägezelle (11) zur Herstellung wenigstens einer lösbaren mechanischen und elektrischen Verbindung mit der Halterung durch Einsetzen der Wägezelle (11) in die Halterung ausgebildet ist (Absatz 0046: „The connection portion of an electronic board 25 is fitted on each one of the multiple connectors 22“)
und, M4 c) dass die Wägezelle (11) mit ihren Lasteinleitungselementen beim Einsetzen in die Aufnahmehalterung („cylindrical supporting structure 21“, „connector 22“, Boden mit Nut und horizontale Halterung oben) eine exakt vorgebbare Lage relativ zur Aufnahmehalterung einnimmt und sich anhand der Ausrichtelemente („contacts“, „centering pin 26“, Feder unten und rechtwinklige Ausnehmung oben,
„connector 22“, „centering hole 27“, Nut im Boden und rechtwinkliges Ende der horizontalen Halterung oben) automatisch exakt justiert (Absätze 0046 bis 0051).
Somit offenbart auch die Druckschrift E2 eine Vorrichtung mit allen Merkmalen des Anspruchs 1 nach Hauptantrag.
4. In der Fassung gemäß dem 1. Hilfsantrag kann das Streitpatent erfolgreich verteidigt werden.
4.1 Die Patentansprüche gemäß 1. Hilfsantrag sind zulässig. Ihre Gegenstände gehen nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen hinaus (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG).
Die Merkmale des Anspruchs 1 gemäß 1. Hilfsantrag sind an den folgenden Stellen der Anmeldeunterlagen offenbart:
M1 Ansprüche 1 und 19; M2 Anspruch 1, Beschreibung, Seite 2, Zeilen 28 bis 30; M3 Anspruch 1; M4 Beschreibung, Seite 2, Zeile 30 bis Seite 3, Zeile 6 und Seite 5,
Zeilen 1 bis 10; M5 Anspruch 2, Seite 4, Zeile 22 und Seite 16, Zeilen 6 bis 7.
Im Gegensatz zur Auffassung der Patentabteilung, kann der Fachmann dem ursprünglichen Anspruch 2, der Zeile 22 auf der Seite 4 und den Zeilen 6 bis 7 auf der Seite 16 der ursprünglichen Beschreibung unmittelbar und eindeutig entnehmen, dass es sich aufgrund der Formulierung „wenigstens eine Schnellspannverbindung“ auch um mehrere, sowohl gleichartige als auch unterschiedliche Schnellspannverbindungen handeln kann und somit auch um eine Kombination aus einer manuell betätigbaren Spannschraube und einem federbelasteten lösbaren Rast- mechanismus. Überdies ist in der gesamten Anmeldung nicht offenbart, dass jeweils nur gleichartige Schnellspannverbindungen eingesetzt werden dürfen.
Die Patentansprüche 2 bis 17 stützen sich auf die ursprünglichen Ansprüche 3 bis 11, 13 bis 17, 20 und 21 und sind somit ebenfalls zulässig.
Mit den geänderten Merkmalen in dem Anspruch 1 gemäß 1. Hilfsantrag geht ferner keine Erweiterung des Schutzumfangs gegenüber der erteilten Fassung des Patents einher (§ 22 Abs. 1 2. Alternative PatG).
4.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß 1. Hilfsantrag gilt gegenüber dem im Verfahren entgegengehaltenen Stand der Technik als neu und auch bei Einbeziehung des Wissens und Könnens des Fachmanns als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend (§ 1 Abs. 1 PatG i. V. m. § 3 PatG sowie § 4 PatG).
Die nachveröffentlichte Druckschrift E1 offenbart zwar komplementär zueinander ausgebildete Ausrichtelemente („Bund 8“, „komplementäres Gegenstück zu Fase 17“, „wabenförmiger Ausbruch 7“, „Fase 17“), gemäß dem Merkmal M2Hi1 (vgl. Absatz 0021). Der Druckschrift E1 ist jedoch – entgegen dem Beschluss der Patentabteilung – nicht zu entnehmen, dass, gemäß dem Merkmal M5, wenigstens eine Schnellspannverbindung vorgesehen ist, mit der die Wägezelle mit der Halterung lösbar verbindbar ist. Der Druckschrift E1 ist zwar eine Fixierplatte 9 zu entnehmen, die mit den Fixierelementen 10 der Wägemodule 3 zusammenwirkt, um eine Verdrehung der Wägemodule um eine der drei Raumachsen zu verhindern (Absatz 0019). Diese Fixierplatte wird auf die Anordnung aufgesetzt (Absatz 0024) und über Verbindungselemente 16 relativ zum Trägerelement 6 positioniert (Absatz 0020). Ein Aufbau einer Spannung zwischen Wägemodul 3 und Halterung, sowie eine Sicherung gegen unbeabsichtigtes Lösen der Ankopplung im Sinne einer Schnellspannverbindung gemäß Streitpatent sind der Druckschrift E1 jedoch nicht zu entnehmen. Das Wägesystem gemäß Anspruch 1 nach
1. Hilfsantrag ist daher neu gegenüber dem Gegenstand der nachveröffentlichten Druckschrift E1.
Auch die Druckschrift E2 offenbart dem Fachmann komplementär zueinander ausgebildete Ausrichtelemente („contacts“, „centering pin 26“, Feder unten, rechtwinklige Ausnehmung oben, „connector 22“, „centering hole 27“, Nut im Boden, rechtwinkliges Ende der horizontalen Halterung oben) im Sinne des Merkmals M2Hi1, jedoch keine Schnellspannverbindung gemäß dem Merkmal M5. Weshalb der Fachmann eine Schnellspannverbindung vorsehen sollte, ist nicht ersichtlich. Die von der Beschwerdegegnerin vorgetragene Argumentation, wonach dem Fachmann aus seinem Fachwissen das „box-and-tray“-Prinzip und Schnellspannverbindungen bekannt seien und er diese daher mit dem in der Druckschrift E2 offenbarten Wägesystem kombinieren würde, konnte den Senat nicht überzeugen. So ist in der Druckschrift E2 kein Anlass erkennbar, aus dem der Fachmann in Betracht gezogen hätte, zusätzlich zu den bereits vorhandenen Ausrichtelementen, die eine genaue Fixierung der Wägezelle ermöglichen, eine Schnellspannverbindung hinzuzufügen.
Da auch die anderen im Verfahren berücksichtigten Entgegenhaltungen keine Anregung in diese Richtung geben, gilt diese Maßnahme im Sinne des § 4 PatG als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend.
5. Das Patent war daher unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses im gemäß 1. Hilfsantrag beantragten beschränkten Umfang aufrechtzuerhalten und die weitergehende Beschwerde zurückzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den an dem Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Abs. 2, § 100 Abs. 1, § 101 Abs. 1 PatG).
Nachdem der Beschwerdesenat in dem Beschluss die Einlegung der Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn einer der nachfolgenden Verfahrensmängel durch substanziierten Vortrag gerügt wird (§ 100 Abs. 3 PatG):
1. Das beschließende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt. 2. Bei dem Beschluss hat ein Richter mitgewirkt, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war. 3. Einem Beteiligten war das rechtliche Gehör versagt. 4. Ein Beteiligter war im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat. 5. Der Beschluss ist aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind. 6. Der Beschluss ist nicht mit Gründen versehen.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, schriftlich einzulegen (§ 102 Abs. 1 PatG).
Die Rechtsbeschwerde kann auch als elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen ist, durch Übertragung in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes eingelegt werden (§ 125a Abs. 3 Nr. 1 PatG i. V. m. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 2a, Anlage (zu § 1) Nr. 6 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV)). Die elektronische Poststelle ist über die auf der Internetseite des Bundesgerichtshofes www.bundesgerichtshof.de/erv.html bezeichneten Kom- munikationswege erreichbar (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGH/BPatGERVV). Dort sind auch die Einzelheiten zu den Betriebsvoraussetzungen bekanntgegeben (§ 3 BGH/BPatGERVV).
Die Rechtsbeschwerde muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten des Rechtsbeschwerdeführers eingelegt werden (§ 102 Abs. 5 Satz 1 PatG).
Kleinschmidt Kirschneck Dr. Haupt Dr. Kapels Ko