19 W (pat) 43/10
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 43/10 Verkündet am 7. April 2014
…
BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
betreffend die Patentanmeldung 10 2008 036 810.5-32 hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 7. April 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Hartung, der Richterin Kirschneck und der Richter Dr.-Ing. Scholz und Dipl.-Ing. J. Müller BPatG 154 05.11 beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe I.
Das Deutsche Patent- und Markenamt - Prüfungsstelle für Klasse H 02 M - hat die am 7. August 2008 eingereichte Anmeldung durch Beschluss vom 17. Dezember 2009 zurückgewiesen. In der schriftlichen Begründung ist ausgeführt, dass der Gegenstand des Patentanspruchs gegenüber dem Stand der Technik nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 10. Februar 2010. Sie reicht in der mündlichen Verhandlung neue Unterlagen ein und stellt den Antrag:
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 02 M des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. Dezember 2009 aufzuheben und das beanspruchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen,
Patentanspruch gemäß Hauptantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung,
Beschreibung und Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 12, vom Anmeldetag,
hilfsweise,
Patentanspruch gemäß 1. Hilfsantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung,
übrige Unterlagen wie Hauptantrag.
Der geltende, einzige Anspruch nach Hauptantrag lautet (mit einer eingefügten Gliederung):
Verfahren zur Steuerung eines Stromrichters,
a) wobei der Stromrichter wenigstens zwei Phasenmodule (100) aufweist, wobei das Phasenmodul (100) einen oberen und einen unteren Ventilzweig (T1, ..., T6) aufweist,
b) wobei der obere und der untere Ventilzweig (T1, ..., T6) jeweils wenigstens drei in Reihe geschaltete zweipolige Subsysteme (10) aufweist,
c) wobei bei einer Störung wenigstens eines Subsystems (10), der gestörte Ventilzweig (T1, ..., T6) mit dem gestörten Subsystem (10) ermittelt wird,
c) und wobei jeweils ein Subsystem (10) eines zum gestörten Ventilzweig (T1, ..., T6) korrespondierenden Ventilzweigs (T1, ..., T6) eines jeden ungestörten Phasenmoduls (100) derart angesteuert wird, dass dessen Klemmenspannung (UX21) jeweils Null ist,
dadurch gekennzeichnet,
d) dass ein Subsystem (10) eines zum gestörten Ventilzweig (T1, ..., T6) korrespondierenden Ventilzweigs (T1, ..., T6) des gestörten Phasenmoduls (100) derart angesteuert wird, dass dessen Klemmenspannung (UX21) gleich Null ist, und f) dass jeweils ein Subsystem (10) eines zu diesem Ventilzweig (T1, ..., T6) korrespondierenden Ventilzweigs (T1, ..., T6) eines jeden ungestörten Phasenmoduls (100) derart angesteuert wird, dass dessen Klemmenspannung (UX21) gleich Null ist.
Nach Hilfsantrag wurde hieran angefügt:
g) und dass Ausgangsspannungen (UL1o, UL20, UL3o), die jeweils zwischen einem wechselspannungsseitigen Anschluss (L1, L2, L3) und einem virtuellen Mittelpunkt (0) anliegen, keinen Gleichanteil aufweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Anmeldung betrifft ein Verfahren zur Steuerung eines Stromrichters mit verteilten Energiespeichern. Stromrichter mit verteilten Energiespeichern dieser Art sind in der DE 101 03 031 A1, der DE 10 2005 045 091 A1 und der DE 10 2005 040 543 A1 beschrieben. Ein Schaltbild eines derartigen Stromrichters ist in Figur 1 der Anmeldung dargestellt:
Gemäß diesem Schaltbild weist dieser bekannte Stromrichter drei Phasenmodule auf, die jeweils mit 100 bezeichnet sind. Die Phasenmodule 100 sind gleichspannungsseitig jeweils mit einer positiven und einer negativen Gleichspannungs-Sammelschiene P0 und N0 elektrisch leitend verbunden. Jeder der Brückenzweige T1 bis T6 - in der Anmeldung als (Teil-)Ventilzweige bezeichnet - weist eine Anzahl von elektrisch in Reihe geschalteten zweipoligen Subsystemen 10 auf, die beispielsweise in Figur 2 dargestellt sind:
Damit dieser Stromrichter mit verteilten Energiespeichern gemäß Figur 1 redundant (auch im Störungsfall) arbeiten kann, muss sichergestellt werden, dass ein fehlerhaftes bzw. gestörtes Subsystem 10 (in Fig. 1 im Zweig T2 schraffiert dargestellt) an seinen Klemmen X1 und X2 dauerhaft kurzgeschlossen ist. Das heißt, dass die Klemmenspannung Ux21 des gestörten Subsystems 10 unabhängig von der Stromrichtung durch die Klemmen X1 und X2 Null ist. Dadurch wird die Wechselrichterbrücke unsymmetrisch, und es treten Gleichspannungsanteile auf. Die DE 101 03 031 A1 beschreibt zwar Maßnahmen zur Symmetrierung, kann jedoch Gleichspannungsanteile nicht vollkommen verhindern. Als Aufgabe wird angegeben, das bekannte Steuerverfahren derart weiterzubilden, dass in den Ausgangsspannungen des Stromrichters mit verteilten Energiespeichern im Störungsfall keine Gleichspannungsanteile mehr auftreten (Abs. 0015 der Offenlegungsschrift).
2. Bei dieser Sachlage sieht der Senat einen Diplomingenieur (FH) der Fachrichtung Elektrotechnik mit Erfahrung in der Entwicklung von Hochleistungs- bzw. Hochspannungsumrichtern als Fachmann.
3. Einzelne Merkmale des Anspruchs 1 bedürfen näherer Erläuterung:
Für das Verständnis des Anspruchs ist vorauszusetzen, dass ihm eine übliche Brückenschaltung mit je zwei an die Gleichspannungsschienen angeschlossenen Brückenzweigen pro Phase zugrunde liegt, wie in Figur 1 dargestellt, und dass das gestörte Subsystem kurzgeschlossen ist, auch wenn das im Anspruch nicht gesondert erwähnt ist. Die Merkmale d) bis f) besagen zusammen mit dem kurzgeschlossenen gestörten Subsystem, dass in jedem Brückenzweig ein Subsystem kurzgeschlossen ist. Auf diese Weise ist die Symmetrie wieder vollkommen hergestellt. Außerdem werden Gleichanteile aufgabengemäß und nach Merkmal g) vermieden. Dabei ist vorauszusetzen, dass die Subsysteme dauerhaft kurzgeschlossen werden, im Unterschied zu der betriebsmäßig zeitweisen Steuerung auf Spannung Null in den Schaltzuständen I bzw. III, wie sie in Abs. 0006 der Offenlegungsschrift beschrieben sind.
Der virtuelle Mittelpunkt nach Merkmal g) ist im Anspruch nicht definiert. Nach der Beschreibung (Abs. 0002 der Offenlegungsschrift) ist das die Systemmasse, die bei Vollweggleich- und Wechselrichtern regelmäßig gleich dem Mittenpotential des Gleichspannungs-Zwischenkreises ist. Nach Figur 1 ist dieses Mittenpotential zwischen zwei (gleich großen) Zwischenkreiskondensatoren C1, C2 abgreifbar, wobei gemäß Fig. 1 und 4 ff. stets gilt: Ud/2 = 2Uc.
4. Das Verfahren nach dem Anspruch gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag ist neu (§ 3 PatG).
Die DE 10 2005 045 091 A1 zeigt ein Verfahren zur Steuerung eines Stromrichters wie er in der Figur 1 der Anmeldung gezeigt ist. Auch dort wird das Ziel verfolgt, im Störungsfall die Symmetrie wiederherzustellen und Gleichspannungskomponenten zu vermeiden (Abs. 0010, 0012 und 0027). Damit ist mit den Worten des Anspruchs bekannt ein:
Verfahren zur Steuerung eines Stromrichters,
a) wobei der Stromrichter wenigstens zwei Phasenmodule (100) aufweist, wobei das Phasenmodul (100) einen oberen und einen unteren Ventilzweig (T1, ..., T6) aufweist,
b) wobei der obere und der untere Ventilzweig (T1, ..., T6) jeweils wenigstens drei in Reihe geschaltete zweipolige Subsysteme (10) aufweist,
c) wobei bei einer Störung wenigstens eines Subsystems (10), der gestörte Ventilzweig (T1, ..., T6) mit dem gestörten Subsystem (10) ermittelt wird,
d) und wobei jeweils ein Subsystem (10) eines zum gestörten Ventilzweig (T1, ..., T6) korrespondierenden Ventilzweigs (T1, ..., T6) eines jeden ungestörten Phasenmoduls (100) derart angesteuert wird, dass dessen Klemmenspannung (UX21) jeweils Null ist. (Vgl. Fig. 1 und dortigen Anspruch 1).
Damit ist jeweils ein Subsystem 10 in jedem Zweig der gestörten – im Ausführungsbeispiel der unteren - Brückenhälfte dauerhaft kurzgeschlossen.
Im Unterschied zum anmeldungsgemäßen Verfahren, Merkmal e) und f), wird aber in der ungestörten (hier oberen) Brückenhälfte kein Subsystem dauerhaft kurzgeschlossen. Damit wird ein Gleichanteil der Spannung zwar nicht vollkommen vermieden, aber für alle Phasen gleich groß.
5. Das Verfahren nach dem Anspruch gemäß Hauptantrag beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit und ist deshalb nicht patentfähig (§ 1 Abs. 1 i. V. m. § 4 PatG).
Dem Verfahren nach DE 10 2005 045 091 A1 liegt ebenfalls die anmeldungsgemäße Aufgabe, über die Herstellung der Symmetrie Gleichspannungsanteile zu vermeiden, zugrunde. Sie löst diese Aufgabe aber nur teilweise. So ist die Unsymmetrie in den beiden Brückenhälften für den Fachmann ebenso offensichtlich, wie in den Figuren 6 bis 13 der verbleibende Gleichspannungsanteil gegenüber der Systemmasse (in den Figuren 4 ff. ist die Systemmasse bzw. das Gleichspannungs-Mittenpotential = 2Uc). Das ist für viele Anwendungsfälle durchaus sinnvoll, denn bei potentialfrei angeschlossenen Verbrauchern, zum Beispiel in Dreieckschaltung oder in Sternschaltung ohne Sternpunktsverbindung, wirkt sich ein in allen Phasen gleicher Gleichspannungsanteil nicht aus, und die Ausgangsspannung muss nicht (nochmals) vermindert werden (vgl. Offenlegungsschrift, Abs. 0029). Lediglich für Verbraucher mit einer Verbindung zur Systemmasse, wie zum Beispiel einer Sternpunktsverbindung, ist ein derartiger Gleichspannungsanteil in der Regel nicht mehr tolerierbar. Dann ist es aber auch ohne Weiteres naheliegend die Anzahl der aktiven Subsysteme in beiden Brückenhälften gleich zu machen, wie vorher im ungestörten Zustand, und wie in allen Brückenschaltungen mit Reihenschaltungen von Schaltern, Ventilen oder Subsystemen in den Brückenzweigen üblich. Auch in der DE 101 03 031 A1 die sowohl in der Anmeldung als auch in der DE 10 2005 045 091 A1 als Stand der Technik genannt ist, wird eine solche Gleichverteilung für diese spezielle Art Umrichter ausdrücklich als besonders vorteilhaft erwähnt (Abs. 0024, 0025, insb. Z. 53, n = k/2).
Die Anmeldung erschöpft sich also darin, die in der DE 10 2005 045 091 A1 nur teilweise gelöste Aufgabe vollständig zu lösen, indem der dort bereits vorgezeichnete Weg der Symmetrierung in naheliegender Weise zu Ende gegangen wird.
Damit ist der Anspruch 1 nach Hauptantrag nicht gewährbar.
6. Aus dem gleichen Grund ist auch der Anspruch nach Hilfsantrag nicht gewährbar, denn er nennt über den Anspruch nach Hauptantrag hinaus nur die bereits berücksichtige Vermeidung des Gleichspannungsanteils.
7. Auf die angefügte Rechtsmittelbelehrung wird hingewiesen.
Dr. Hartung Kirschneck Dr. Scholz J. Müller Pü Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den an dem Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu, wenn der Beschwerdesenat sie in dem Beschluss zugelassen hat (§§ 99 Abs. 2, 100 Abs. 1, 101 Abs. 1 Patentgesetz (PatG)).
Hat der Beschwerdesenat in dem Beschluss die Einlegung der Rechtsbeschwerde nicht zugelassen, ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn einer der nachfolgenden Verfahrensmängel durch substanziierten Vortrag gerügt wird (§ 100 Abs. 3 PatG):
1. Das beschließende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt. 2. Bei dem Beschluss hat ein Richter mitgewirkt, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war. 3. Einem Beteiligten war das rechtliche Gehör versagt. 4. Ein Beteiligter war im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat. 5. Der Beschluss ist aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind. 6. Der Beschluss ist nicht mit Gründen versehen.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, schriftlich einzulegen (§ 102 Abs. 1 PatG).
Die Rechtsbeschwerde kann auch als elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen ist, durch Übertragung in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes eingelegt werden (§ 125a Abs. 3 Nr. 1 PatG i. V. m. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 2a, Anlage (zu § 1) Nr. 6 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV)). Die elektronische Poststelle ist über die auf der Internetseite des Bundesgerichtshofes www.bundesgerichtshof.de/erv.html bezeichneten Kommunikationswege erreichbar (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGH/BPatGERVV). Dort sind auch die Einzelheiten zu den Betriebsvoraussetzungen bekanntgegeben (§ 3 BGH/BPatGERVV).
Die Rechtsbeschwerde muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten des Rechtsbeschwerdeführers eingelegt werden (§ 102 Abs. 5 Satz 1 PatG).