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5 Ni 7/11 (EP)

BUNDESPATENTGERICHT Ni 7/11 (EP) (Aktenzeichen)

…

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Verkündet am

16. Januar 2013 …

In der Patentnichtigkeitssache BPatG 253 08.05 betreffend das europäische Patent 1 474 927 (DE 603 15 953)

hat der 5. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16. Januar 2013 durch den Vorsitzenden Richter Gutermuth, die Richterin Martens sowie die Richter Dipl.-Ing. Gottstein, Dipl.-Ing. Kleinschmidt und Dipl.-Geophys. Dr. Wollny für Recht erkannt:

I. Das europäische Patent 1 474 927 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 12. Februar 2003 angemeldeten europäischen Patents 1 474 927 (Streitpatent), das auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilt wurde und die Bezeichnung „System und Verfahren zur Anzeige eines Bildstroms“ trägt. Das Streitpatent nimmt die Priorität der US-amerikanischen Patentanmeldung 60/355,796 vom 12. Februar 2002 in Anspruch und wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer DE 603 15 953 geführt. Es umfasst 10 Patentansprüche, die alle mit der Nichtigkeitsklage angegriffen sind.

Die nebengeordneten Patentansprüche 1 und 7 haben nach der erteilten Fassung des Streitpatents (EP 1 474 927 B1) in der Verfahrenssprache Englisch folgenden Wortlaut:

Patentanspruch 1

“1. A method for displaying an image stream, the method comprising:

receiving images acquired by a swallowable capsule (40), the images forming an original image stream; and displaying simultaneously on a monitor (300) at least two subset image streams, each subset image stream including a separate subset of images from the original image stream.”

Patentanspruch 7

“7. A system for displaying an image stream, the system comprising:

an image storage means (21) for accepting an original image stream; and an image display means (300) for displaying at least two subset image streams, each subset image stream including a separate subset of images from the original image stream, characterized that the at least two subset image streams can be displayed on the image display means (300) simultaneously.”

Wegen des Wortlauts der abhängigen Patentansprüche 2 bis 6 sowie 8 bis 10 wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.

Mit ihrer Nichtigkeitsklage macht die Klägerin geltend, beim Gegenstand der Patentansprüche handele es sich nicht um eine technische Erfindung im Sinne des Art. 52 Abs. 1 EPÜ sowie des Art. 52 Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 EPÜ. Zudem sei der Gegenstand als Diagnostizierverfahren zur chirurgischen Behandlung des menschlichen (oder tierischen) Körpers vom Patentschutz nach Art. 53 Buchstabe c) EPÜ ausgeschlossen. Dies begründe die Nichtigkeit des Streitpatents ebenso wie fehlende Neuheit (Art. 54 EPÜ) sowie das Nichtberuhen der geschützten Lehre auf erfinderischer Tätigkeit (Art. 56 EPÜ).

Die Klägerin stützt ihr Vorbringen auf folgende Dokumente:

D1 US 5,697,885 D2 US 5,604,531 D3 WO 99/40587 A1 D3´ DE 689 11 540 T2 (deutsche Übersetzung zu D3)

D4 US 4,698,664 D5 US 5,452,416 D6 US 5,803,914 D7 US 6,198,483 B1 D8 US 6,073,145 D9 JP 2000/047651 A D9´ englische Übersetzung zur D9.

Die Klägerin fügt ihrem Klageschriftsatz noch die weiteren Anlagen bei:

NK1 Kopie eines Schriftsatzes vom 3. September 2010 der hiesigen Beklagten in dem Patentverletzungsstreit (Aktenzeichen: 4a O 214/09) vor dem Landgericht Düsseldorf NK2 EP 1 474 927 B1 (Streitpatent)

NK3 DE 603 15 953 T2 (deutsche Übersetzung des Streitpatents)

NK4 Merkmalsanalyse Anspruch 1 sowie Ansprüche 7 bis 10.

Die Klägerin beantragt,

das europäische Patent 1 474 927 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent in den Fassungen der Hilfsanträge 1 bis 5 gemäß Anlagen zum Schriftsatz vom 19. November 2012.

Die Beklagte tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen. Sie hält den Gegenstand des Streitpatents für den Patentschutz zugänglich und zumindest in den hilfsweise verteidigten Fassungen auch für gegenüber dem Stand der Technik neu und erfinderisch.

Wegen des Wortlauts der Hilfsanträge 1 bis 5 sowie zur Ergänzung des Tatbestands im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien sowie auf den Hinweis des Senats vom 10. Oktober 2012 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe Die Klage, mit der der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. a EPÜ i. V. m. Art. 52 bis Art. 57 EPÜ) geltend gemacht wird, ist zulässig und begründet. Der Gegenstand der verteidigten erteilten Fassung des Streitpatents ist nicht patentfähig. Die verteidigten Fassungen gemäß den Hilfsanträgen 3 bis 5 stellen keine zulässigen Beschränkungen des Patentgegenstandes dar, eine Prüfung hinsichtlich der Patentfähigkeit war daher nicht veranlasst. Den in zulässiger Weise beschränkten Gegenständen des Streitpatents gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 fehlt aber die Patentfähigkeit.

I. Zur erteilten Fassung

1. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren und ein System zum Anzeigen und/oder zum Überprüfen von Bildströmen. Ein Bildstrom kann dabei aus einer Folge von starren Bildern (Festbildern), die aus unterschiedlichen Quellen gesammelt werden, zusammengesetzt sein und einem Nutzer angezeigt werden.

Wie in der als bekannt vorausgesetzten US 5,604,531 (D2) beschrieben, können diese Bilder von einem Kamerasystem stammen, welches in einer verschluckbaren Kapsel angeordnet ist und bspw. während der Bewegung durch den MagenDarm-Trakt aufgenommene Bilder als Bildstrom an ein externes Aufnahmesystem mit einer bestimmten Stromrate überträgt (vgl. Streitpatent [0002]). Zum Zwecke der Überprüfung der Bilder kann der Nutzer die Stromrate zu irgendeiner Zeit erhöhen oder vermindern und/oder eine unterschiedliche Stromrate bestimmen, wobei die Rate, bei der ein Nutzer einen Bildstrom effektiv überprüfen kann, durch einen physiologischen Mittelungseffekt begrenzt wird, der bekannter Maßen bei ungefähr 15 Rahmen pro Sekunde liegt (vgl. Streitpatent [0003]).

Des Weiteren werden die WO 99/40587 A1 (D3), welche ein Videomedien-Steuerungssystem zum Senden von Befehlen an eine Video-Speichereinrichtung offenbart, um die Positionierung der Videomedien einer gewünschten Position durchzuführen, und die US 4,698,664 (D4), die ein audiovisuelles Überwachungssystem beschreibt, in dem ein analoger Datenstrom als eine Folge von Blöcken überwacht wird (vgl. Streitpatent [0005]), berücksichtigt.

Schließlich wird noch auf die US 5,697,885 (D1) Bezug genommen, die ein Endoskop zum Aufnehmen und Anzeigen von zeitlich aufeinander folgenden Bildern und Mechanismen zum Auswählen von starren Bildern aus den Bildfolgen beschreibt.

Ausgehend von diesem Stand der Technik hat es sich die Patentinhaberin zur Aufgabe gemacht, ein System und ein Verfahren vorzusehen, das einen Nutzer befähigt, die Rate zu erhöhen, mit welcher der Nutzer auf eine effektive und effiziente Art und Weise einen Bildstrom überprüfen kann.

Zur Lösung der vorstehenden Aufgabe schlägt das Patent ein Verfahren vor, das sich in folgende Merkmale gliedern lässt (deutsche Fassung kursiv):

M1.0 A method for displaying an image stream, the method comprising: Ein Verfahren zum Anzeigen eines Bildstroms, wobei das Verfahren umfasst:

M1.1 receiving images acquired by a swallowable capsule (40), Empfangen von durch eine verschluckbare Kapsel (40) erfassten Bildern,

M1.2 the images forming an original image stream; and wobei die Bilder einen ursprünglichen Bildstrom bilden; und M1.3 displaying simultaneously on a monitor (300) at least two subset image streams, gleichzeitiges Anzeigen von zumindest zwei Teilsatz-Bildströmen auf einem Monitor (300),

M1.4 each subset image stream including a separate subset of images from the original image stream. wobei jeder Teilsatz-Bildstrom einen getrennten Teilsatz von Bildern aus dem ursprünglichen Bildstrom enthält.

Das System nach dem Patentanspruch 7 lässt sich in folgende Merkmale gliedern (deutsche Fassung kursiv):

M7.0 A system for displaying an image stream, the system comprising: Ein System zum Anzeigen eines Bildstroms, wobei das System umfasst:

M7.1 an image storage means (21) for accepting an original image stream; and ein Bildspeichermittel (21) zum Aufnehmen eines ursprünglichen Bildstroms; und M7.2 an image display means (300) for displaying at least two subset image streams, ein Bildanzeigemittel (300) zum Anzeigen von zumindest zwei Teilsatz-Bildströmen,

M7.3 each subset image stream including a separate subset of images from the original image stream, wobei jeder Teilsatz-Bildstrom einen getrennten Teilsatz von Bildern aus dem ursprünglichen Bildstrom enthält,

characterized that dadurch gekennzeichnet, dass M7.4 the at least two subset image streams can be displayed on the image display means (300) simultaneously. die zumindest zwei Teilsatz-Bildströme gleichzeitig auf dem Bildanzeigemittel (300) angezeigt werden können.

2. Der Gegenstand des Streitpatents richtet sich an einen Diplomingenieur (FH) der Elektrotechnik, der auf dem Gebiet der Bildverarbeitungs- und Bildübertragungstechnik tätig ist.

3. Ausgehend vom Fach- und Erfahrungswissen des so definierten Fachmanns ergibt die Auslegung der Patentansprüche Folgendes:

Unter einem Bildstrom (image stream) versteht der Fachmann zunächst eine zeitliche Abfolge von optischen Bildern. Im Sinne des Patents ist unter Bildstrom auch ein elektrisches Signal zu verstehen, welches aus der Umwandlung zeitlich abfolgender optischer Bildsignale in ein elektrisches Signal resultiert und die Bildinformation beinhaltet.

Der Begriff Teilsatz-Bildströme (subset image streams) ist dabei so auszulegen, dass ausgehend von dem vorliegenden ursprünglichen Bildstrom zwei oder mehrere Teilmengen gebildet werden. Unter einem Teilsatz-Bildstrom subsumiert der Fachmann insbesondere auch aus dem ursprünglichen Bildstrom heraus gelöste Einzelbilder, die wiederum zu einem Bildstrom zusammengesetzt werden.

Unter einer Kapsel (capsule) ist gemeinhin ein kleiner, in sich abgeschlossener Behälter zu verstehen, der durch das Adjektiv verschluckbar (swallowable) hinsichtlich seiner räumlichen Dimensionierung und Formgebung so ausgestaltet ist, dass er ohne Schwierigkeiten von einem Menschen oder Tier verschluckt werden und so in den Magen-Darm-Trakt gelangen kann. Eine derartige Kapsel hat im Gegensatz zu einem Endoskop keinerlei mechanische Verbindung nach außen.

Mit dem Begriff Bildspeichermittel (image storage means) verbindet der Fachmann jedwedes Mittel, welches geeignet ist, Bilddaten zu speichern. Darunter fallen alle zum Prioritätszeitpunkt bekannten Speichereinrichtungen, die in der Lage sind, sowohl digitale Daten als auch analoge Signalfolgen abzuspeichern, bspw. Halbleiterspeicher, magnetische Band- und Plattenspeicher sowie optische Speicher.

Bezüglich des in den hilfsweise verteidigten Anspruchsfassungen nach den Hilfsanträgen 2 bis 5 enthaltenen Begriffs sich bewegende Bilder (moving images) teilt der Senat die Auslegung der Beklagten, dass darunter im patentgemäßen Sinn die Anzeige von mehreren Einzelbildern innerhalb eines bestimmten Betrachtungszeitraums zu verstehen ist.

4. Die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 7 erweisen sich als technisch und sind nicht gemäß Art. 53 c) EPÜ von der Patentierbarkeit ausgenommen.

Der Fachmann versteht den Patentanspruch 1 zur Überzeugung des Senats dahingehend, dass Bilder zunächst in Form eines Bildstroms empfangen werden und in zwei Teilsatz-Bildströme getrennt auf einem Monitor zur Anzeige gebracht werden. Die Anspruchsfassung lässt dabei zunächst offen, ob es sich bei den übertragenen Bildern um Standbilder oder um Bewegtbilder handelt.

Das Verfahren erweist sich als technisch, da die im Patentanspruch 1 zur Anwendung kommenden Verfahrensabläufe der Bildaufnahme (Merkmal M1.1), der Zusammenfassung der Bilder zu einem Bilddatenstrom (Merkmal M1.2) und letztendlich die Anzeige von Teilsatz-Bildströmen auf einem Monitor zweifellos typische technische Verfahrensabläufe auf dem Gebiet der Bildverarbeitungs- und Bildübertragungstechnik wiedergeben.

Dass bei dem Verfahren als Bildaufnahmegerät eine verschluckbare Kapsel zur Anwendung kommt, mithin ein körperlich speziell ausgestaltetes Bildaufnahmegerät, mag das Verfahren zwar für ein Diagnoseverfahren prädestinieren, bis auf diesen aber nur implizit abzuleitenden verwendungsorientierten Aspekt sind dem Anspruch keinerlei Ausführungen zu einem Diagnoseverfahren entnehmbar. Vielmehr sind die die Bildverarbeitung und Bildanzeige betreffenden Merkmale so allgemein gehalten, dass jede beliebige Quelle für die Erzeugung eines Bildstroms dem Verfahren zugrunde gelegt werden kann.

Selbst wenn, wie die Klägerin ausführt, im Hintergrund für die beanspruchten Verfahrensabläufe ein Computerprogramm ablaufen sollte, wäre die Technizität gewährleistet, da dieses für die bildtechnischen Übertragungs- und Umsetzungsmaßnahmen im Hinblick auf die beabsichtigte Bilddarstellung auf einem Monitor herangezogen würde, mithin selbst bei engster Auslegung der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dienen würde, nämlich der gleichzeitigen Bildanzeige zweier Teilsatz-Bildströme auf einem Monitor (vgl. BGH Urteil vom 24. Februar 2012, X ZR 121/09, GRUR 2011, 610 - Webseitenanzeige).

Die Technizität des Systems nach dem Patentanspruch 7 steht allein schon aufgrund der dort enthaltenen technischen Subsysteme für eine Bildanzeige außer Zweifel.

Dies gilt gleichermaßen auch für die Patentansprüche 8 bis 10, welche das System bezüglich der Bildquellen ohne jegliche diagnostische Wertung konkretisieren.

5. Das Verfahren zum Anzeigen eines Bildstroms gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Art. 56 EPÜ); das System zum Anzeigen eines Bildstroms gemäß dem erteilten Patentanspruch 7 gilt als nicht mehr neu (Art. 54 Abs. 1, 2 EPÜ).

Die Druckschrift D1 betrifft ein Endoskop zum Aufnehmen und Anzeigen von zeitlich aufeinander folgenden Bildern, also zum Anzeigen eines Bildstroms (timeserial images), mit denen Veränderungen eines Objekts während einer Zeitspanne beobachtet werden können (vgl. Spalte 1, Zeilen 13 bis 18) (Merkmale M1.0 und M7.0).

Das Endoskop umfasst gemäß Fig. 2 unter anderem einen Aufnahmekopf 9, der zwar in den Magen-Darm-Trakt einführbar ist, aber nicht im Sinne einer Kapsel verschluckbar ist (Merkmal M1.1teilw.). In diesem Aufnahmekopf ist, wie in der Fig. 1 dargestellt, ein CCD-Sensor 18 angeordnet, der die optischen Bildsignale in elektrische Bildsignale umwandelt (Spalte 6, Zeilen 30 bis 31) und für den Empfang in der nachgeschalteten bildverarbeitenden Einrichtung 3 bereitstellt (Merkmal M1.1Rest).

Die so gewonnenen elektrischen zeit-seriellen Bildsignale (time-serial images), die einen ursprünglichen Bildstrom im Sinne des Patents bilden (Merkmal M1.2), werden einer bildverarbeitenden Einrichtung 3 zugeführt, die daraus Videosignale generiert, die auf einem Monitor 4 zur Anzeige gebracht werden (vgl. Spalte 6, Zeilen 1 bis 8 und 30 bis 44). Mit einer implementierten Aufzeichnungseinrichtung soll es insbesondere auch möglich sein, gleichzeitig Bilder zu betrachten, die aus der zeitlichen Abfolge der Bilder separiert worden sind (vgl. Spalte 3, Zeilen 18 bis 20). Eine mögliche simultane Darstellung mindestens zweier Bildbereiche ist in der Fig. 6 (vgl. Spalte 9, Zeilen 39 bis 64) oder auch in der Fig. 22 wiedergegeben. Eine derartige Bildwiedergabe setzt voraus, dass der Bildstrom in mindestens zwei Teilsatz-Bildströme derart unterteilt wird (Merkmale M1.3, M7.2 und M7.4), dass jeder Teilsatz-Bildstrom einen getrennten Teilsatz von Bildern aus dem ursprünglichen Bildstrom enthält (Merkmale M1.4 und M7.3). Dies geschieht, wie in der Fig. 22 dargestellt, dadurch, dass aus Bildspeichermitteln der dort abgelegte Bildstrom (vgl. Spalte 21, Zeilen 41 bis 45) (Merkmal M7.1) Bild für Bild ausgelesen wird, die Bilder mit der Rahmennummer 4, 8, 11 und 14 herausgelöst werden und gleichzeitig mit den im Bildanzeigebereich 366 sich weiter fortbewegenden Bildern in den Bildanzeigebereichen 367a und 367b dem Betrachter zur Ansicht gebracht werden (vgl. Spalte 21, Zeilen 41 bis Spalte 22, Zeile 7).

Damit entnimmt der Fachmann der D1 ein System zum Anzeigen eines Bildstroms, das alle Merkmale des Patentanspruchs 7 aufweist.

Das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 unterscheidet sich von dem aus der D1 bekannten Verfahren nur dadurch, dass die empfangenen Bilder von einer verschluckbaren Kapsel geliefert werden.

Die Beklagte argumentiert diesbezüglich, dass das Verfahren folglich insbesondere im Hinblick auf eine verschluckbare Kapsel für Untersuchungen des menschlichen Gastrointestinaltrakts zu bewerten sei.

Dem stehen allerdings die im Streitpatent enthaltenen Erläuterungen entgegen, dass das System und das Verfahren nach der vorliegenden Erfindung auch mit anderen Konfigurationen durchgeführt werden könne. So müssen die die Bildinformationen erfassenden Komponenten nicht zwangsweise in einer Kapsel, sondern können auch in irgendeiner anderen Fahreinrichtung implementiert sein, wie z. B. in einem Endoskop, einem Stent, einem Katheter, einer Nadel etc. (vgl. Patentschrift [0022]). Auch sei die Verarbeitung von Bildinformation mit einzubeziehen, die aus Rohren oder anderen Höhlen, auch in geologischen oder marinen Formationen gesammelt werde (vgl. Patentschrift [0023]). Aus dem Vorstehenden schließt der Fachmann daher, dass für den beanspruchten Verfahrensablauf einzig der empfangene Bildstrom maßgebend ist, die konkrete Ausgestaltung des Bildaufnahmegeräts und die Generierung des Bildstroms in diesem insofern bedeutungslos bleibt, als die aufgeführten Varianten der körperlichen Ausgestaltung der Aufnahmegeräte den Angaben im Streitpatent folgend keinen Einfluss auf das beanspruchte Bildverarbeitungsverfahren nehmen. Dementsprechend weist die Beklagte in ihrer Widerspruchsbegründung vom 10. Januar 2012 ausdrücklich darauf hin, dass das Verfahren nicht das Verschlucken der Kapsel beanspruche, sich das Verfahren nicht mit der Frage beschäftigte, wie die Kapsel die Bilder aufgenommen hat und das gesamte beanspruchte Verfahren keinen Schritt umfasse, der speziell auf den menschlichen oder tierischen Körper gerichtet wäre.

Da bei der Prüfung der Erfindung auf erfinderische Tätigkeit nur diejenigen Anweisungen zu berücksichtigen sind, die die Lösung des technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflussen (vgl. BGH Urteil vom 26. Oktober 2010, X ZR 47/07, GRUR 2011, 125 - Wiedergabe topografischer Informationen), kann die spezielle Ausgestaltung des Bildaufnahmegeräts als verschluckbare Kapsel insoweit unberücksichtigt bleiben, als diese in ihrer technischen Ausprägung auf den beanspruchten Bildverarbeitungsvorgang, wie in der Patentschrift ausdrücklich angegeben, keinen Einfluss nimmt und der Fachmann wahlweise auch die in der Beschreibung aufgeführten Varianten von Bildaufnahmegeräten gleichwertig zur Anwendung bringen kann (vgl. einmal mehr Patentschrift [0022]).

Der Fachmann wird daher das mit dem Patentanspruch 1 beanspruchte Bildverarbeitungsverfahren nach den Merkmalen M1.2 bis M1.4 wahlweise bei jedem Bildaufnahmegerät zum Einsatz bringen, welches ein Bildsignal, nach Lesart des Streitpatents einen ursprünglichen Bildstrom, bereit stellt, das mit den beanspruchten Bildbearbeitungsverfahren bearbeitbar ist.

Unabhängig davon erfüllt zweifellos auch das aus der D2 bekannte In-Vivo-VideoCamera-System, bei dem Bilder, die von einer verschluckbaren Kapsel 10 (Merkmal M1.1teilw.) aufgenommen und in Form von Videodaten übertragen, einem Empfängersystem 12 zugeführt und anschließend in einen Bildverarbeitungsprozessor 14 verarbeitet (vgl. Spalte 3, Zeilen 13 bis 22) oder wahlweise in der Speichereinheit 19 gespeichert werden (vgl. Spalte 4, Zeilen 58 bis 62 und Spalte 5,

Zeilen 14 bis 16), alle Voraussetzungen für die Generierung eines Bildstroms für das beanspruchte Bildverarbeitungsverfahren.

Damit ist auch der an sich zu einer erfinderischen Tätigkeit nicht beitragende Aspekt einer für die eigentliche Bildverarbeitung bedeutungslosen Quelle in Form einer verschluckbaren Kapsel dem Fachmann durch die D2 nahe gelegt.

Hinsichtlich der Unteransprüche 2 bis 6 und 8 bis 9 ist ein weitergehender erfinderischer Gehalt von der Beklagten weder geltend gemacht noch sonst für den Senat ersichtlich (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2006 - X ZR 131/02, GRUR 2007, 309 Rn. 42 - Schussfädentransport).

III. Zu den Hilfsanträgen

1. Der Patentanspruch 1 gemäß 1. Hilfsantrag ist identisch mit dem erteilten Patentanspruch 1. Es gilt daher das zum erteilten Patentanspruch 1 Gesagte.

Der Patentanspruch 7 gemäß 1. Hilfsantrag ist eine Zusammenfassung der Merkmale der erteilten Patentansprüche 7 und 10. Der Patentanspruch 7 gemäß 1. Hilfsantrag unterscheidet sich vom erteilten Patentanspruch 7 dadurch, dass sich die zusätzlichen Merkmale M7.1aH1 a swallowable capsule (40) for obtaining images of the gastrointestinal tract; eine verschluckbare Kapsel (40) zum Erhalten von Bildern des Magen-Darm-Trakts und M7.1bH1 a receiving device (12) located outside a patient's body to receive the images; eine Empfangsvorrichtung (12), welche außerhalb des Körpers eines Patienten angeordnet ist, um die Bilder zu empfangen unmittelbar an das Merkmal M7.0 anschließen.

Durch die Hinzunahme der Merkmale M7.1aH1 und M7.1bH1 wurde der erteilte Patentanspruch 7 lediglich mit Vorrichtungsmerkmalen ergänzt, die für die Durchführung des Verfahrens ohnehin als funktionsnotwendig vorhanden vorauszusetzen sind und funktional bereits im erteilten Patentanspruch 1 ihre Berücksichtigung finden. Soweit in Anbetracht der Antragsstellung auf die Patentfähigkeit des Patentanspruchs 7 noch eingegangen werden muss, gelten für diesen ebenfalls die zum erteilten Patenanspruch 1 gemachten Ausführungen.

Hinsichtlich der Unteransprüche 2 bis 6 ist ein weitergehender erfinderischer Gehalt von der Beklagten weder geltend gemacht noch sonst für den Senat ersichtlich (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2006 - X ZR 131/02, GRUR 2007, 309 Rn. 42 - Schussfädentransport).

2. Der Patentanspruch 1 in seiner verteidigten Fassung gemäß 2. Hilfsantrag umfasst die Merkmale des erteilten Patentanspruchs 1 und unterscheidet sich von diesem dadurch, dass die Merkmale M1.1 bis M1.3 folgende Fassung erhalten (Änderungen fett):

M1.1H2 receiving a series of images acquired by a swallowable capsule (40), Empfangen von durch eine verschluckbare Kapsel (40) erfassten Serie von Bildern,

M1.2H2 the images being combined consecutively and forming an original image stream; and wobei die Bilder fortlaufend verbunden und einen ursprünglichen Bildstrom bilden; und M1.3H2 displaying simultaneously on a monitor (300) at least two subset image streams for viewing as moving images, gleichzeitiges Anzeigen von zumindest zwei TeilsatzBildströmen für die Betrachtung als sich bewegende Bilder auf einem Monitor (300),

Die vorgenommenen Änderungen sind zulässig und sind den ursprünglich eingereichten Unterlagen (vgl. WO 03/069913 A1) als zur Erfindung gehörig entnehmbar (vgl. zu M1.1H2 Seite 6, Zeile 3; zu M1.2H2 Seite 6, Zeilen 21 bis 22 und zu M1.3H2 Seite 4, Zeile 18; Seite 14, Zeilen 10 bis 13; Seite 15, Zeilen 17 bis 20).

Die in den Merkmalen M1.1H2 und M1.2H2 vorgenommenen Änderungen werfen sachlich keine neuen Aspekte auf, da sie lediglich die charakteristischen Eigenschaften eines Bildstroms (image stream) explizit hervorheben, die der Fachmann unter den Begriff Bildstrom unmittelbar subsumiert (vgl. auch Ausführungen unter I. 4.).

Soweit im Merkmal M1.3H2 auf die Betrachtung als sich bewegende Bilder (for viewing as moving images) abgehoben wird, ist dieses Merkmal aus der Druckschrift D1 dem Fachmann dadurch vorgegeben, als dort aus den Bildspeichermitteln der dort abgelegte Bildstrom (vgl. Spalte 21, Zeilen 41 bis 45) Bild für Bild ausgelesen wird und die Bilder mit der Rahmennummer 4, 8, 11 und 14 herausgelöst werden und gleichzeitig mit den im Bildanzeigebereich 366 sich weiter fortbewegenden Bildern in den Bildanzeigebereichen 367a und 367b dem Betrachter zur Ansicht gebracht werden (vgl. Spalte 21, Zeilen 41 bis Spalte 22, Zeile 7). Mithin ist in der D1 eine Anzeigeeinrichtung realisiert, die dem Nutzer in einem Betrachtungszeitraum gleichzeitig den fortlaufenden Bildstrom an sich (Bildanzeigebe- reich 366) und eine Abfolge aus diesem Bildstrom heraus gelöster Einzelbilder (Bildanzeigebereiche 367a und 367b), mithin eine Anzeige von mehreren Einzelbildern innerhalb eines bestimmten Betrachtungszeitraums auf einem Monitor darstellt.

Das Merkmal M1.3H2 kann folglich das Beruhen auf einer erfinderischen Tätigkeit nicht begründen.

Der Patentanspruch 7 gemäß 2. Hilfsantrag geht mit seinen funktionalen Merkmalen konform zum Patentanspruch 1 gemäß 2. Hilfsantrag. Es gilt daher das hierzu Gesagte.

Hinsichtlich der Unteransprüche 2 bis 6 ist ein weitergehender erfinderischer Gehalt von der Beklagten weder geltend gemacht noch sonst für den Senat ersichtlich (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2006 - X ZR 131/02, GRUR 2007, 309 Rn. 42 - Schussfädentransport).

3. Mit dem 3. bis 5. Hilfsantrag kann die Beklagte das Streitpatent nicht in zulässiger Weise verteidigen, da es mit diesen verteidigten Fassungen über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus geht (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. c EPÜ).

Die Fassungen des Patentanspruchs 1 nach dem 3. bis 5. Hilfsantrag erweisen sich als unzulässig, weil das zusätzliche Merkmal „displaying ... two subset image streams at the same rate“ (Anzeigen zweier Teilsatz-Bildströme bei derselben Rate), in den ursprünglichen Unterlagen nicht unmittelbar und eindeutig als zur Erfindung gehörend offenbart ist (BGH, Urteil vom 8. Juli 2010 – Xa ZR 124/07, GRUR 2010, 910 – Fälschungssicheres Dokument; BGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 – X ZR 89/07, BGHZ 179, 168 – Olanzapin).

Die Beklagte ist zwar der Auffassung, dass sich dem Fachmann aus der Offenlegungsschrift WO 03/069913 A1, Seite 9, Zeilen 7 bis 20, insbesondere Zeilen 19 bis 20, das zusätzliche Merkmal „displaying ... two subset image streams at the same rate“ (Anzeigen zweier Teilsatz-Bildströme bei derselben Rate) unmittelbar erschließe. Dem kann sich der Senat aber insofern nicht anschließen, als in der angegebenen Zitatstelle ausdrücklich nur ausgeführt wird, dass mehrere Bildströme, in diesem Sinne auch Teilsatz-Bildströme, bei derselben Rate wie der Ursprungsbildstrom angezeigt werden können. Der Fachmann erhält damit die Lehre, dass die Wiedergaberate stets gleich der Rate des ursprünglichen Bildstroms ist und demnach mit dieser direkt verknüpft ist. Eine von der Rate des ursprünglichen Bildstroms losgelöste Wiederholrate der Teilsatz-Bildströme im verallgemeinerten Sinne der Anspruchsfassungen nach dem 3. bis 5. Hilfsantrag ist in den ursprünglichen Unterlagen nicht offenbart.

IV.

Als Unterlegene hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 PatG, § 709 ZPO.

Gutermuth Martens Gottstein Kleinschmidt Dr. Wollny Pü

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