III ZB 23/21
BUNDESGERICHTSHOF III ZB 23/21 BESCHLUSS vom 19. August 2021 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2021:190821BIIIZB23.21.0 Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. August 2021 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, den Richter Reiter, die Richterinnen Dr. Arend und Dr. Böttcher sowie den Richter Dr. Kessen beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts - 7. Zivilsenat - vom 24. Februar 2021 - 7 U 162/20 - wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf bis 7.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Kläger, der neben seiner Schwester Erbe nach seiner im Jahr 2009 verstorbenen Großmutter (nachfolgend Erblasserin) ist, macht gegen die Beklagte - die zweite Ehefrau seines (vorverstorbenen) Vaters - in der dritten Stufe einer Klage gemäß § 254 ZPO Wert- beziehungsweise Schadensersatz für Nachlassgegenstände geltend.
Die Beklagte verfügte über eine ihr von der Erblasserin erteilte umfassende Vorsorgevollmacht und hatte mit einem eigenen Schlüssel Zugang zu deren Wohnung. Sie kümmerte sich zu Lebzeiten auch um verschiedene Vermögensangelegenheiten der Erblasserin. Der Kläger wirft der Beklagten - soweit für das Verfahren noch von Interesse - zum einen vor, den nach Laufzeitende auf dem Girokonto der Erblasserin gutgeschriebenen Gegenwert eines Zertifikats nicht wieder gewinnbringend investiert zu haben. Zum anderen habe die Beklagte - so hat er behauptet - nach dem Tod der Erblasserin verschiedene Wertgegenstände aus deren Wohnung (Schmuck und Kristallschalen und -vasen) an sich genommen. Der Kläger hat von der Beklagten zuletzt noch den Ersatz des Werts der vorstehend bezeichneten Gegenstände, den er mit 1.000 € beziffert, und überdies die Erstattung entgangener Anlagezinsen in Höhe von 5.331 € verlangt.
Ein erstes klageabweisendes Urteil des Landgerichts hat das Berufungsgericht teilweise aufgehoben und die Sache an die erste Instanz zurückverwiesen. Im neuen Verfahren hat das Landgericht - von einem weiteren, hier nicht mehr gegenständlichen Herausgabeersuchen, das die Beklagte anerkannt hat, abgesehen - die Leistungsklage abgewiesen. Den geltend gemachten Zahlungsanspruch über 1.000 € könne der Kläger weder auf §§ 2018, 2021 in Verbindung mit § 812, § 818 Abs. 1 BGB noch auf §§ 989, 990 BGB stützen. Die Beklagte sei nicht Erbschaftsbesitzerin. Dies sei nur derjenige, der aufgrund eines ihm nicht zustehenden Erbrechts etwas aus der Erbschaft erlangt habe. Der Kläger behaupte zwar, dass die Beklagte mit dem Erbfall Besitzerin der in Rede stehenden Gegenstände geworden sei, woraus er dies entnehme, lege er aber nicht dar. Selbst wenn man unterstelle, die Beklagte sei Erbschaftsbesitzerin, bestehe kein Anspruch auf Ersatz des Erlangten, denn der Erbschaftsbesitzer müsse zur Herausgabe der Nachlassgegenstände außer Stande sein. Dazu habe der Kläger nicht vorgetragen. Auch ein Anspruch aus §§ 989, 990 BGB bestehe nicht. Es fehle an den tatbestandlichen Voraussetzungen einer Vindikationslage. Der Kläger habe nicht darlegen und beweisen können, dass die Beklagte unberechtigte Besitzerin der Gegenstände sei. Zudem sei nicht dargelegt, woraus sich die Unmöglichkeit der Herausgabe ergebe, wenn der Kläger den Besitz der Beklagten unterstelle. Ein Anspruch gemäß § 280 Abs. 1, § 662, § 668, § 1922 BGB auf Erstattung eines Zinsschadens in Höhe von 5.331 € stehe dem Kläger gegen die Beklagte ebenfalls nicht zu. Zwar habe zwischen der Erblasserin und der Beklagten aufgrund einer umfassenden Vorsorgevollmacht ein Auftragsverhältnis bestanden, daraus folge jedoch keine Pflicht zur Mehrung des Geldes der Erblasserin. Jedenfalls sei ein solcher Anspruch verjährt.
Die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig verworfen, weil die Berufungsbegründung den Anforderungen nach § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO nicht genüge. Wegen der Abweisung des Zahlungsanspruchs über 1.000 € gemäß §§ 2018, 2021 BGB in Verbindung mit §§ 812, 818 BGB oder §§ 989, 990 BGB wende sich die Berufung lediglich gegen die Auffassung des Landgerichts, die Beklagte sei nicht Besitzerin der in Rede stehenden Gegenstände geworden. Mit dem weiteren - die Entscheidung tragenden - Grund des Fehlens von Vortrag zur Unmöglichkeit ihrer Herausgabe befasse sich die Berufung hingegen nicht. Es bleibe vielmehr offen, weshalb der Kläger entgegen der Auffassung des Landgerichts meine, statt der Herausgabe der fraglichen Gegenstände die Zahlung von Wert/Schadensersatz in Geld beanspruchen zu können. Auch in Bezug auf die Schadensersatzforderung in Höhe von 5.331 € beruhe das Urteil auf zwei selbständig tragenden Gründen. Einerseits habe das Landgericht eine Pflichtverletzung der Beklagten verneint; andererseits habe es den Anspruch als verjährt angesehen. Die Berufung wende sich im Wesentlichen nur gegen die Würdigung der für die Verjährung maßgebenden Umstände. Mit Blick auf die vom Landgericht verneinte Pflichtverletzung zeige sie weder unzureichend beurteilte rechtliche Aspekte auf noch berufe sie sich auf konkrete Gründe, aus denen sich eine fehlerhafte Rechtsauffassung des Landgerichts und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergebe.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft, aber nicht zulässig. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO). Insbesondere verletzt der angefochtene Beschluss den Kläger nicht in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip) oder in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).
1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO muss sie konkrete Anhaltspunkte bezeichnen, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt. Erforderlich und ausreichend ist die Mitteilung der Umstände, die aus der Sicht des Berufungsklägers den Bestand des angefochtenen Urteils gefährden; die Vorschrift stellt keine besonderen formalen Anforderungen hierfür auf. Für die Zulässigkeit der Berufung ist auch ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind. Zur Bezeichnung des Umstands, aus dem sich die Entscheidungserheblichkeit der Verletzung materiellen Rechts ergibt, genügt regelmäßig die Darlegung einer Rechtsansicht, die dem Berufungskläger zufolge zu einem anderen Ergebnis als dem in dem angefochtenen Urteil führt. Die Berufungsbegründung muss aber auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen in erster Instanz zu verweisen (vgl. zu allem Vorstehenden zB Senat, Beschlüsse vom 30. Juli 2020 - III ZB 48/19, juris Rn. 10 und vom 30. Januar 2013 - III ZB 49/12, NJW-RR 2013, 309 Rn. 7; BGH, Beschlüsse vom 8. Juni 2021 - VI ZB 22/20, WM 2021, 1354 Rn. 6; vom 3. März 2015 - VI ZB 6/14, NJW-RR 2015, 757 Rn. 5 und vom 10. Februar 2015 - VI ZB 26/14, NJW-RR 2015, 756 Rn. 7; jew. mwN).
Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung in dieser Weise jede tragende Erwägung angreifen; anderenfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (zB Senat, Beschlüsse vom 29. November 2018 - III ZB 19/18, NJW-RR, 2019, 180 Rn. 11; vom 28. Januar 2014 - III ZB 32/13, BeckRS 2014, 3372 Rn. 13 und vom 30. Januar 2013 aaO Rn. 8; BGH, Beschlüsse vom 3. März 2015 aaO Rn. 6; vom 10. Februar 2015 aaO Rn. 8 und vom 18. Oktober 2005 - VI ZB 81/04, NJW-RR 2006, 285). Der Grund hierfür liegt darin, dass in derartigen Fällen jede der gleichwertigen Begründungen des Erstgerichts seine Entscheidung trägt. Selbst wenn die gegen einen Grund vorgebrachten Angriffe durchgreifen, ändert sich nichts daran, dass die Klage aus einem anderen Grund weiterhin abweisungsreif ist (zB Senat jew. aaO sowie BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2005 aaO).
2. Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung des Klägers nicht mehr gerecht.
a) Der Kläger hat darin in Bezug auf den geltend gemachten Zahlungsanspruch über 1.000 € gerügt, das Landgericht habe sich in tatsächlicher Hinsicht nicht mit seinem Vortrag auseinandergesetzt, die Beklagte habe trotz Kenntnis ihrer fehlenden Erbberechtigung nach dem Tod der Erblasserin mehr als einen Monat unberechtigten Zugang zu deren Wohnung gehabt, wohingegen sie dem Kläger den Zutritt verwehrt habe. Ferner sei es den erstinstanzlich angebotenen Beweisen dazu, dass zu diesem Zeitpunkt noch diverse Kunstgegenstände - zum Beispiel Bleikristall - und Schmuck vorhanden gewesen seien, nicht nachgegangen, obwohl hiernach der Schluss zu ziehen gewesen sei, dass die entsprechenden Gegenstände während der Besitzzeit der Beklagten entfernt worden seien.
Dieser Vortrag war zwar geeignet, die Würdigung des Landgerichts in Frage zu stellen, der Kläger habe nicht hinreichend dargelegt, dass die Beklagte (unberechtigt) in den Besitz der Kunstgegenstände und der Schmuckstücke gelangt sei. Er bezog sich jedoch nicht auf die weitere selbständig tragende Erwägung des Landgerichts, Ansprüche auf Schadens- beziehungsweise Wertersatz bestünden - den Klägervortrag als zutreffend unterstellt - zudem nur bei Unmöglichkeit der Herausgabe, die es aber nicht habe feststellen können. Da der Erbe einen Wertersatzanspruch aus § 2021 BGB nur dann mit Erfolg geltend machen kann, wenn die Herausgabe unmöglich ist (vgl. MüKo/Helms, BGB, 8. Aufl., § 2021 Rn. 2), hätte der Kläger in der Berufungsbegründung zwingend auch diese Erwägung des Landgerichts angreifen müssen. Nichts anderes gilt für den vom Landgericht weiter in Betracht gezogenen Schadensersatzanspruch gemäß §§ 989, 990 BGB, der (ebenso wie § 2023 BGB) eine Verschlechterung der herauszugebenden Sache, deren Untergang oder eine aus anderen Gründen eintretende Unmöglichkeit der Herausgabe voraussetzt, oder für einen Anspruch aus § 280 Abs. 1 in Verbindung mit § 667 BGB (vgl. zB Senat, Urteile vom 17. April 2008 - III ZR 27/06, NJW-RR 2008, 1373 Rn. 12 und vom 6. Juni 2002 - III ZR 206/01, NJW 2002, 2459, 2460).
b) Die Abweisung des auf § 280 Abs. 1 in Verbindung mit § 662 und § 1922 BGB gestützten Schadensersatzanspruchs wegen entgangener Zinsen aufgrund der unterbliebenen Wiederanlage von Geld der Erblasserin hat das Landgericht ebenfalls auf zwei unterschiedliche - selbständig tragende - Gesichtspunkte gestützt, zum einen auf die fehlende Pflicht zur Anlage des Geldes aus einem mit der Vorsorgevollmacht verbundenen Auftragsverhältnis zwischen der Erblasserin und der Beklagten und zum anderen auf die Verjährung eines solchen Anspruchs (§ 195, § 199 Abs. 1 BGB).
Der Kläger hat sich mit der Berufungsbegründung jedoch allein gegen die - vom Landgericht seiner Auffassung nach zu Unrecht bejahten - Voraussetzungen des Verjährungseintritts gewandt und nicht zum Ausdruck gebracht, dass er auch dessen Rechtsauffassung, aus dem Auftragsverhältnis folge bereits keine Verpflichtung der Beklagten, mit dem freigewordenen Geld gewinnbringend zu wirtschaften und es insoweit erneut anzulegen, aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen für angreifbar hält. Daran ändert der in der Berufungsbegründung enthaltene konkrete Verweis auf Seite 4 des erstinstanzlichen Schriftsatzes vom 30. Juli 2020 nichts. Denn auch dort ging es vor allem um die Frage der Verjährung eines Anspruchs wegen der der Beklagten vorgeworfenen unzureichenden Vermögensverwaltung. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang ferner die Auffassung geäußert hat, aus der ersten Berufungsentscheidung des Oberlandesgerichts ergebe sich, dass es seinerzeit angenommen habe, ein Schadensersatzanspruch bestehe "dem Grunde nach", denn anderenfalls hätte die Berufung bereits damals zurückgewiesen werden müssen, stellt dies keinen ausreichenden Berufungsangriff dar. Damit mag sich der Kläger im Ansatz zwar noch gegen die Annahme des Landgerichts wenden, ein Schadensersatzanspruch stehe ihm schon mangels Pflichtverletzung der Beklagten nicht zu. Es fehlt jedoch an jeglicher - für einen tauglichen Berufungsangriff im Sinne von § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und 3 ZPO erforderlichen - Angabe, welche inhaltlichen, tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er mit seiner Berufung der genannten Erwägung des Erstgerichts entgegensetzt. Der bloße Verweis auf ein vorangegangenes Berufungsurteil und eine etwaige damit verbundene - letztlich jedoch rein spekulative - indizielle Bedeutung der dort getroffenen Zurückverweisungsentscheidung für die damalige Einschätzung der Sach- und Rechtslage durch das Oberlandesgericht genügt dafür nicht. Der Bezug auf das erste Berufungsurteil, das sich mit der Frage der Pflichtverletzung überhaupt nicht befasst hat, geht über eine inhaltslose Kritik an der angefochtenen Entscheidung nicht hinaus und lässt nicht erkennen, aus welchen konkreten materiellen oder verfahrensrechtlichen Gründen das erstinstanzliche Urteil unrichtig sein soll (vgl. dazu zB BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2012 - XI ZB 25/11, NJW 2013, 174 Rn. 15 f).
c) Im Übrigen erschöpft sich die in der Berufungsbegründung enthaltene bloße Bezugnahme auf die erstinstanzlichen Schriftsätze - wie vorstehend ausgeführt - in einem nicht ausreichenden Verweis auf das Vorbringen im ersten Rechtszug (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Januar 2015 - VI ZB 40/14, NJW-RR 2015, 511 Rn. 11 und Urteil vom 18. Juni 1998 - IX ZR 389/97, NJW 1998, 3126).
d) Auf die Ausführungen des Klägers in dem Schriftsatz vom 10. Februar 2021 kommt es nicht an, denn eine unzulängliche Berufungsbegründung kann nach Fristablauf nicht mehr geheilt werden (BGH, Beschluss vom 27. Januar 2015 aaO Rn. 15 mwN).
Herrmann Reiter Arend Böttcher Kessen Vorinstanzen: LG Cottbus, Entscheidung vom 20.08.2020 - 6 O 16/18 OLG Brandenburg, Entscheidung vom 24.02.2021 - 7 U 162/20 -