Paragraphen in 7 W (pat) 50/11
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BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 50/11 Verkündet am 30. Januar 2013
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend das Patent 102 29 972 …
BPatG 154 08.05 hat der 7. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. Januar 2013 durch den Vorsitzenden Richter Dipl.-Ing. Univ. Höppler und die Richter Schwarz, Dipl.-Phys. Dipl.-Wirt.-Phys. Maile und Dipl.-Phys. Dr. Schwengelbeck beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe I.
Die Einsprechende hat gegen das Patent 102 29 972 mit der Bezeichnung Tragbarer Datenträger mit einer polymerbasierten integrierten Schaltung dessen Erteilung am 1. Februar 2007 veröffentlicht worden ist, Einspruch mit der Begründung erhoben, dass der Gegenstand der Erfindung mangels Neuheit bzw. wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig und daher die Erteilung nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG zu widerrufen sei. Hierzu hat sie sich u. a. auf die Druckschriften E1: DE 199 35 527 A1, E3: EP 1 139 942 A1 sowie E4: Rankl/Effing, Handbuch der Chipkarten, S. 30, 31, Carl Hauser Verlag München, Wien, 1. Auflage, ISBN 3-446-17993-3, 1995 berufen (Nomenklatur gemäß Einspruchsverfahren).
Die Patentinhaberin hat das Patent im Einspruchsverfahren mit den neu vorgelegten Fassungen gemäß Hauptantrag bzw. den Fassungen nach Hilfsantrag 1 und 2 verteidigt. Die Einsprechende macht hierzu geltend, dass auch die Gegenstände der neu eingereichten Ansprüche nicht patentfähig seien; zudem sei Anspruch 1 nach Hauptantrag unzulässig erweitert.
Die Patentabteilung 1.53 hat daraufhin das Streitpatent mit Beschluss vom 7. Mai 2008 in vollem Umfang widerrufen. In ihrer Begründung führt sie aus, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag unzulässig erweitert sei; die jeweiligen Vorrichtungen nach den Ansprüchen 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 würden unter Berücksichtigung der Druckschriften E3 und E1 - im Falle des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 noch unter Berücksichtigung des fachmännischen Wissens - nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin vom 12. Juni 2008.
Im Beschwerdeverfahren verteidigt die Patentinhaberin ihr Patent mit den in der mündlichen Verhandlung vom 30. Januar 2013 überreichten Patentansprüchen 1 bis 11 gemäß Hauptantrag, hilfsweise mit den Patentansprüchen 1 bis 10 gemäß 1. Hilfsantrag, weiter hilfsweise mit den Patentansprüchen 1 bis 9 gemäß 2. Hilfsantrag, weiter hilfsweise mit den Patentansprüchen 1 bis 8 gemäß 3. Hilfsantrag und weiter hilfsweise mit den Patentansprüchen 1 bis 8 gemäß 4. Hilfsantrag und macht geltend, dass die jeweiligen Patentansprüche zulässig und patentfähig seien.
Die Einsprechende vertritt demgegenüber die Ansicht, dass keiner der vorgelegten Sätze von Patentansprüchen patentfähig sei.
Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag (mit vom Senat hinzugefügter Merkmalsgliederung) lautet:
M1 „Chipkarte mit einem Substrat (2; 9) und M2 einer polymerbasierten integrierten Schaltung (3; 11; 14) auf oder in dem Substrat, wobei M3 die integrierte Schaltung zumindest eine Schaltungsebene aus einem elektrisch leitfähigen Polymer aufweist, die drucktechnisch aufgebracht ist, mit M4 einem IC-Chip (10), wobei M5 der IC-Chip mit der polymerbasierten integrierten Schaltung gekoppelt ist, wobei M6 die polymerbasierte integrierte Schaltung einen kryptographischen Schlüssel beinhaltet, und wobei M7 der IC-Chip zur Auswertung des kryptographischen Schlüssels ausgebildet ist,
M8 um zu prüfen, ob der IC-Chip zu der polymerbasierten integrierten Schaltung gehört, wobei M9 die Chipkarte nur genutzt werden kann, wenn der IC-Chip zu der polymerbasierten integrierten Schaltung gehört, und M10 wobei im gegenteiligen Fall der IC-Chip eine Funktion der Chipkarte blockiert.“
Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 (mit vom Senat hinzugefügter Merkmalsgliederung) lautet:
M1* „Chipkarte, umfassend: ein Substrat (2; 9),
M2* eine polymerbasierte integrierte Schaltung (3; 11; 14) auf oder in dem Substrat, wobei M3* die Integrierte Schaltung zumindest eine Schaltungsebene aus einem elektrisch leitfähigen Polymer aufweist, und M4* einen IC-Chip (10), wobei M5* der IC-Chip mit der polymerbasierten integrierten Schaltung gekoppelt ist,
dadurch gekennzeichnet, dass M3.1* die zumindest eine Schaltungsebene drucktechnisch aufgebracht ist,
M11*
in dem IC-Chip ein Sicherheitsmerkmal gespeichert ist und M12*
die polymerbasierte integrierte Schaltung zur Auswertung des Sicherheitsmerkmals ausgebildet ist, und M6* die polymerbasierte integrierte Schaltung einen kryptographischen Schlüssel beinhaltet und M7* der IC-Chip zur Auswertung des kryptographischen Schlüssels ausgebildet ist,
M8* um zu prüfen, ob der IC-Chip zu der polymerbasierten integrierten Schaltung gehört, wobei M9* die Chipkarte nur genutzt werden kann, wenn der ICChip zu der polymerbasierten integrierten Schaltung gehört, und M10*
wobei im gegenteiligen Fall der IC-Chip eine Funktion der Chipkarte blockiert.“
Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 durch das Anfügen der weiteren Merkmale M13*
„...wobei der IC-Chip (10) und die polymerbasierte integrierte Schaltung (3; 11; 14) nebeneinander und einander nicht überlappend auf dem Substrat angeordnet sind, wobei M14*
das Substrat ferner eine Kavität aufweist zur Aufnahme eines Moduls (10) mit dem IC-Chip, wobei das Modul zur Kontaktierung durch ein Chipkartenlesegerät ausgebildet ist.“
Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3 unterscheidet sich vom Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 durch das Anfügen des weiteren Merkmals M15*
„...mit einem Funktionsmodul (14), welches mit der polymerbasierten integrierten Schaltung gekoppelt ist, und wobei die polymerbasierte integrierte Schaltung zur Ansteuerung des Funktionsmoduls ausgebildet ist.“
Anspruch 1 nach Hilfsantrag 4 unterscheidet sich vom Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3 durch das Streichen des Merkmals M13*.
In der mündlichen Verhandlung vom 30. Januar 2013 stellt die Beschwerdeführerin den Antrag,
den Beschluss der Patentabteilung 1.53 des Deutschen Patentund Markenamtes vom 7. Mai 2008 aufzuheben und das Patent 102 29 972 mit den folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:
- Patentansprüche 1 bis 11 laut dem in der mündlichen Verhandlung vom 30.01.2013 überreichten „Hauptantrag“
hilfsweise
(1. Hilfsantrag)
- Patentansprüche 1 bis 10 laut dem in der mündlichen Verhandlung vom 30.01.2013 überreichten „Hilfsantrag I“
(2. Hilfsantrag)
- Patentansprüche 1 bis 9 laut dem in der mündlichen Verhandlung vom 30.01.2013 überreichten „Hilfsantrag II“
(3. Hilfsantrag)
- Patentansprüche 1 bis 8 laut dem in der mündlichen Verhandlung vom 30.01.2013 überreichten „Hilfsantrag III“
(4. Hilfsantrag)
- Patentansprüche 1 bis 8 laut dem in der mündlichen Verhandlung vom 30.01.2013 überreichten „Hilfsantrag IV“
- Beschreibung und Zeichnungen (Fig. 1 bis 3) laut Patentschrift Die Beschwerdegegnerin stellt den Antrag,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der abhängigen Ansprüche nach Hauptantrag bzw. nach den Hilfsanträgen 1 bis 4 sowie wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ist die Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss des Patentamts zurückzuweisen, weil auch die jeweiligen Gegenstände der im Beschwerdeverfahren neu eingereichten Ansprüche nach Hauptantrag bzw. nach den Hilfsanträgen 1 bis 4 nicht patentfähig sind. Die Frage der Zulässigkeit der im Beschwerdeverfahren neu eingereichten Ansprüche kann somit dahinstehen (vgl. BGH GRUR 1991, 120, 121 li. Sp. Abs. 3 - „Elastische Bandage“; BGH BlPMZ 1998, 282, Leitsatz – „Polymermasse“).
1. Die im Beschwerdeverfahren verteidigte Vorrichtung nach Hauptantrag bzw. nach den Hilfsanträgen 1 bis 4 betrifft eine Chipkarte. Eine Chipkarte ist im Allgemeinen so aufgebaut, dass in dem Chipkartenkörper eine Kavität vorgesehen ist, in die ein Modul eingesetzt wird, in dem sich ein integrierter Schaltkreis befindet (vgl. Streitpatent, Abs. [0006]).
Seit Neuerem sind aus dem Stand der Technik auch Chipkartensysteme bekannt, die eine interaktive Benutzung erlauben (vgl. Streitpatent, Abs. [0007]). Ein gemeinsamer Nachteil solcher vorbekannten Chipkarten ist, dass kein entsprechend sicherer Schutz gegen das Heraustrennen des Moduls aus dem Chipkartenkörper und ein Einsetzen des Moduls in einen anderen Chipkartenkörper gegeben ist. Dadurch besteht grundsätzlich die Möglichkeit von Manipulationen, indem beispielsweise das Modul aus einer Karte entfernt wird und in Verbindung mit einem gefälschten Kartenkörper missbraucht wird (vgl. Streitpatent, Abs. [0008]).
Ausgehend hiervon liegt dem Streitpatent sinngemäß die Aufgabe zugrunde, eine Chipkarte zu schaffen, der gut gegen Manipulationen geschützt ist und kostengünstig herstellbar ist (vgl. Streitpatent, Abs. [0011]).
Dies wird mit den nach Haupt- und Hilfsanträgen 1 bis 4 verteidigten Chipkarten der jeweiligen Ansprüche 1 erzielt.
Gemäß Hauptantrag soll hierbei u.a. wesentlich sein, dass der IC-Chip mit der polymerbasierten integrierten Schaltung gekoppelt ist. Diese beinhaltet einen kryptographischen Schlüssel, wobei der IC-Chip zur Auswertung des kryptographischen Schlüssels geeignet ist. Diese Vorgehensweise ist im erteilten Patent detailliert in Abs. [0036] beschrieben („Bei der Initialisierung der Chipkarte 8 nach der Kontaktierung mit dem Chipkartenlesegerät liest der IC-Chip des Moduls 10 den Inhalt des Speichers 13 der polymerbasierten integrierten Schaltung 13, der einen kryptographischen Schlüssel beinhaltet. Dieser kryptographische Schlüssel wird von dem IC-Chip ausgewertet, um zu prüfen, ob der IC-Chip des Moduls 10 zu der polymerbasierten integrierten Schaltung 11 gehört. Nur wenn dies der Fall ist, kann die Chipkarte 8 benutzt werden; im gegenteiligen Fall blockiert der IC-Chip in dem Modul 10 die Funktion der Chipkarte 8. Auf diese Art und Weise wird verhindert, dass das Modul 10 aus der Chipkarte 8 entfernt wird, um es gegen ein anderes zu ersetzen.“).
Gemäß Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 ist weiter wesentlich, dass auch in dem ICChip ein Sicherheitsmerkmal gespeichert ist und die polymerbasierte integrierte Schaltung zur Auswertung dieses Sicherheitsmerkmals ausgebildet ist. Hierbei ist im Streitpatent nicht konkret ausgeführt, wie das Sicherheitsmerkmal des IC-Chips ausgebildet sein soll (vgl. Streitpatent Abs. [0037], „Alternativ oder zusätzlich kann in dem IC-Chip des Moduls 10 ein Sicherheitsmerkmal gespeichert werden, welches von der polymerbasierten integrierten Schaltung 11 ausgewertet wird.“). Die Patentinhaberin spricht in ihrer Beschwerdebegründung in diesem Zusammenhang von einer „Überkreuzauswertung“.
Die Chipkarten nach den jeweiligen Ansprüchen gemäß den Hilfsanträgen 2 bis 4 weisen bei Vorliegen der vorherstehend beschriebenen „Überkreuzauswertung“ darüber hinaus weitere Merkmale auf, wie die Anordnung der polymerbasierten Schaltung relativ zur polymerbasierten Schaltung (hier: Ausschluss einer möglichen überlappenden Anordnung), das Vorsehen einer Kavität zur Aufnahme des Chipmoduls und das Vorsehen eines weiteren, von der polymerbasierten Schaltung angesteuerten Funktionsmoduls.
2. Die Chipkarten nach den jeweiligen neu eingereichten Ansprüchen 1 gemäß Hauptantrag bzw. den Hilfsanträgen 1 bis 4 sind mangels erfinderischer Tätigkeit des zuständigen Fachmanns nicht patentfähig. Dieser ist beim vorliegenden Streitpatent aufgrund des beanspruchten kryptographischen Verfahrens als ein Diplom-Physiker mit fundierten Kenntnissen auf dem Gebiet der Entwicklung und Herstellung IC-basierter Chipkarten zu definieren. Die Frage der Zulässigkeit der im Einspruchsbeschwerdeverfahren geänderten Anspruchssätze kann somit dahinstehen (BGH, GRUR, 1991, 120, 121, li. Sp., Abs. 3 - „Elastische Bandage“).
a) Zum Hauptantrag Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag ist unter Berücksichtigung der Lehre der Druckschrift E3 in Verbindung mit dem fachmännischen Handeln nicht patentfähig.
Denn Druckschrift E3 offenbart eine Chipkarte mit einem Substrat (E3, Abs. [0002] Hinweis auf Chipkarten iVm Fig. 1, Bezugszeichen 1, Substrat, Merkmal M1). Diese weist in einem Ausführungsbeispiel eine polymerbasierte Schaltung auf (E3, Abs. [0013], „...ist die zweite Schaltung in Polymertechnologie gebildet.“ und weiter Hinweis in Spalte 2, Zeile 55 auf vollständig auf Polymerbasis gebildete integrierte Schaltungen). Die zweite Schaltung ist dabei auf dem Substrat ausgebildet (E3, Spalte 1, Z. 57). Somit offenbart die Druckschrift E3 das Merkmal M2 zumindest in einer beanspruchten Alternative.
Aus den genannten Textstellen geht ebenfalls zwingend hervor, dass die integrierte Schaltung zumindest eine Schaltungsebene aus einem elektrisch leitfähigen Polymer aufweist. Nicht offenbart in der E3 ist ein drucktechnisches Aufbringen der Polymerschicht (der in Abs. [0013] der Druckschrift E3 erwähnte Fachartikel befasst sich mit dem Aufschleudern [spin-on] und Belichten von Polymerschichten / Merkmal M3 ohne drucktechnisch). Was dieses im Stand der Technik nach E3 fehlende Teil-Merkmal anbelangt, so kann dahingestellt bleiben, ob der kategoriefremde Verfahrensschritt überhaupt ein Vorrichtungsmerkmal der beanspruchten Chipkarte darstellt. Denn der Fachmann wird aus den ihm bekannten, alternativen Herstellungsverfahren zwanglos Eines auswählen, ohne hierbei erfinderisch werden zu müssen. Zum Aufbringen der Polymerschaltung ist ihm dabei u.a. das drucktech- nische Aufbringen bekannt (vgl. zum Beleg des fachmännischen Wissens bspw. die Druckschrift E1, Sp. 3, Zn 51 bis 54 / Merkmal M3 drucktechnisch).
Darüber hinaus weist die Chipkarte der E3 einen IC-Chip auf (bspw. Abs. [0026], erste Schaltung in Siliziumtechnologie mit CMOS-Bauelementen / Merkmal M4), wobei der IC-Chip mit der polymerbasierten integrierten Schaltung gekoppelt ist (vgl. bspw. Fig. 2, Bezugszeichen 5, 6, 13 / Merkmal M5).
Zudem beinhaltet die polymerbasierte integrierte Schaltung einen kryptographischen Schlüssel (Berechnungsalgorithmus im rückgekoppelten Schieberegister 12 im Zusammenwirken mit einem Zufallszahlengenerator / Merkmal M6). Der ICChip ist dabei zur Auswertung des kryptographischen Schlüssels ausgebildet (Fig. 2, Vergleicher 14 / Merkmal M7) um zu prüfen, ob der IC-Chip zu der polymerbasierten integrierten Schaltung gehört (vgl. Abs. [0016], „Dadurch kann eine Manipulation der ersten bzw. der zweiten Schaltung erkannt werden.“ / Merkmal M8). Zwar macht die Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung geltend, dass das in Druckschrift E3 offenbarte Schieberegister in der polymerbasierten integrierten Schaltung kein kryptographisches Verfahren im Sinne des Streitpatents darstelle. Dieser Auffassung vermag sich der Senat jedoch nicht anzuschließen. Denn gemäß den Ausführungen im Streitpatent, Abs. [0036] zum dortigen Verständnis des Begriffs „Kryptographie“ wird auch bei der Lehre der Druckschrift E3 der Inhalt des Speicher – hier vorliegend in Form des rückgekoppelten Schieberegisters – vom IC-Chip ausgelesen (Bezugszeichen 6) und anschließend ausgewertet (vgl. E3, Abs. [0018], „Das angegebene Verfahren führt einen Teil der Berechnung in der zweiten Schaltung aus und überträgt dieses Ergebnis an die erste Schaltung. In der ersten Schaltung kann dieses Ergebnis dazu verwendet werden, die ordnungsgemäße Funktion der zweiten Schaltung zu überprüfen.“). Somit stellt das rückgekoppelte Schieberegister (mit festgelegtem Berechnungsalgorithmus) der polymerbasierten integrierten Schaltung der Druckschrift E3 einen kryptographischen Schlüssel im Sinne des Streitpatents dar.
Gemäß Fig. 2 der E3 löst dabei der IC-Chip (erste Schaltung 2) einen Alarm 15 aus. Regelmäßiger Sinn des Alarms ist es, über eine entsprechende Manipulation der Chipkarte zu informieren und einen Kartenmissbrauch, vorliegend die fehlende Zuordnung von IC-Chip und polymerbasierten integrierten Schaltung, zu verhindern. Somit kann aufgrund der Alarmfunktion die Chipkarte nur genutzt werden kann, wenn der IC-Chip zu der polymerbasierten integrierten Schaltung gehört (Merkmal M9).
Dabei ist der in Druckschrift E3 angegebene Alarm 15 in der dortigen Gesamtoffenbarung nicht weiter beschrieben. Der Fachmann ist daher veranlasst, sich über eine entsprechende Ausgestaltung des Alarms Gedanken zu machen. Für Chipkarten, welche in von Menschen überwachten Bereichen eingesetzt werden (beispielsweise in überwachten Zutrittsbereichen) reicht es aus, den Alarm beispielsweise optisch oder akustisch anzuzeigen. In Bereichen ohne menschliche Überwachung (beispielsweise bei einer Anwendung als ec- oder Geldkarte) ist es jedoch nötig, den Alarm so auszugestalten, dass automatische Maßnahmen ergriffen werden, um die Funktionalität der Karte zumindest in Teilbereichen zu sperren. Der Fachmann ist aus diesen Überlegungen im vorliegenden sicherheitskritischen Anwendungsfalls somit zwingend veranlasst, den IC-Chip so auszugestalten, dass dieser nach dem Erkennen einer Manipulation im Vergleicher 14 eine Funktion der Chipkarte blockiert (Merkmal M10).
Somit ergeben sich die Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag aus Kenntnis der Druckschrift E3 in Verbindung mit dem fachmännischen Handeln in naheliegender Weise. Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag ist daher nicht patentfähig.
b) Zum 1. Hilfsantrag Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 ist - im Gegensatz zum einteilig formulierten Anspruch 1 nach Hauptantrag - zweiteilig abgefasst. Die Merkmale M1* bis M10*
entsprechen – bis auf sprachliche Umformulierungen – denen des Anspruchs 1 (M1 bis M10) nach Hauptantrag. Auf die entsprechenden Ausführungen zu den jeweiligen Merkmalen des Anspruchs 1 nach Hauptantrag wird verwiesen.
In den nach Hilfsantrag 1 verteidigten Anspruch 1 sind die Merkmale M11* und M12* neu aufgenommen. Gemäß den Ausführungen in der Beschwerdebegründung soll mit der Aufnahme der Merkmale eine „Überkreuzauswertung“ der Schaltungen (im Sinne einer redundanten Prüfung) sichergestellt werden. Diese zusätzlich aufgenommenen Merkmale sind – wie nachfolgend dargelegt - ebenfalls nicht geeignet, die erfinderische Tätigkeit zu begründen.
Denn auch die Druckschrift E3 offenbart die Möglichkeit, das Sicherheitskonzept redundant auszubilden (vgl. Abs. [0016], „Eine weitere vorteilhafte Ausgestaltung der Erfindung sieht vor, dass in der ersten Schaltung und in der zweiten Schaltung ein rückgekoppeltes Schieberegister angeordnet ist [...] Beispielsweise wird in der ersten Schaltung und in der zweiten Schaltung ein äquivalentes rückgekoppeltes Schieberegister gebildet...“). Durch diesen Hinweis ist der Fachmann veranlasst, vorstehende Ausgestaltung zur Erhöhung der Sicherheit auf die jeweils andere Schaltung zu übertragen, was bedeutet, dass auch der IC-Chip einen kryptographischen Schlüssel beinhaltet (Merkmal M11*) und die polymerbasierte integrierte Schaltung zur Auswertung des kryptographischen Schlüssels ausgebildet ist (Merkmal 12*). Da das Streitpatent nicht weiter ausgeführt, wie das im Zusammenhang mit den Merkmalen M11* und M12* beanspruchte Sicherheitsmerkmal des IC-Chips ausgebildet ist (vgl. Streitpatent, Abs. [0037]), fällt unter den allgemeinen Begriff „Sicherheitsmerkmal“ auch ein zweiter kryptographischer Schlüssel, welcher gegebenenfalls auch zum ersten kryptographischen Schlüssel identisch ist. Somit sind dem Fachmann ausgehend von der vorstehend genannten Textstelle der E3 die Merkmale M11* und M12* zumindest in dieser - vom Wortlaut des Anspruchs 1 mitumfassten - Ausführungsform nahegelegt.
Die Chipkarte nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist daher nicht patentfähig.
c) Zum 2. Hilfsantrag Die Chipkarte nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von der nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 durch die Hinzunahme der weiteren Merkmale M13*
„...wobei der IC-Chip (9) und die polymerbasierte integrierte Schaltung (3; 11; 14) nebeneinander und einander nicht überlappend auf dem Substrat angeordnet sind, wobei M14*
das Substrat ferner eine Kavität aufweist zur Aufnahme eines Moduls (10) mit dem IC-Chip, wobei das Modul zur Kontaktierung durch ein Chipkartenlesegerät ausgebildet ist.“
Mit dem Merkmal M13* wird die geometrische Anordnung des IC-Chips und der polymerbasierten integrierten Schaltung so konkretisiert, dass sich diese vom einem als vorteilhaft beschriebenen Ausführungsbeispiel der Druckschrift E3, nämlich der Möglichkeit des Abdeckens bzw. des Abschirmens der zweiten Schaltung durch die erste Schaltung, unterscheidet (vgl. E3, Ansprüche 7 und 8). Die allgemeine technische Lehre der Druckschrift E3 – wie sie beispielsweise im dortigen Anspruch 1 unter Schutz gestellt ist - lässt jedoch eine allgemeine Anordnung der beiden Schichten zueinander zu. Die Anordnung gemäß Merkmal M13* ist daher bereits von der Lehre der Druckschrift E3 umfasst, wobei die jetzt beanspruchte Anordnung für den Fachmann ersichtlich lediglich den Nachteil in Kauf nimmt, dass sich die Schichten nicht gegenseitig abschirmen. Ein mit der jetzt beanspruchten geometrischen Anordnung verbundener Vorteil ist weder im Streitpatent offenbart noch ist dieser für den Fachmann ersichtlich. Somit vermag das Merkmal M13* nicht die erfinderische Tätigkeit des Fachmanns begründen.
Auch das weitere Merkmal M14* vermag keine erfinderische Tätigkeit zu begründen. Denn eine Ausgestaltung, bei welcher das Substrat eine Kavität zur Aufnahme eines Moduls mit dem IC-Chip aufweist, wobei das Modul zur Kontaktierung durch ein Chipkartenlesegerät ausgebildet ist, ist dem Fachmann bekannt. Entsprechende Chipmodule zur Kontaktierung durch ein Chipkartenlesegerät sind in der Druckschrift E4, Seite 31, Bild 3.15 gezeigt. Der möglichst flächenbündige Einbau dieser (dreidimensionalen) von außen zu kontaktierenden Module in eine Chipkarte erfordert selbstverständlich regelmäßig eine Kavität.
Somit sind auch die beiden in Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 zusätzlich aufgenommenen Merkmale nicht geeignet, eine erfinderische Tätigkeit zu begründen. Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 ist daher ebenfalls nicht patentfähig.
d) Zum 3. Hilfsantrag Auch das im Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3 zusätzlich aufgenommene Merkmal M15*, wonach die Chipkarte ein Funktionsmodul (14) aufweist, welches mit der polymerbasierten integrierten Schaltung gekoppelt ist, und wobei die polymerbasierte integrierte Schaltung zur Ansteuerung des Funktionsmoduls ausgebildet ist, vermag eine erfinderische Tätigkeit des Fachmanns nicht zu begründen. Denn die Ansteuerung eines Funktionsmoduls durch die polymerbasierte integrierte Schaltung ist bereits aus der Druckschrift E3 bekannt (vgl. Fig. 2 Ansteuerung des Alarms 15, im Sinne eines Funktionsmoduls, durch die Schaltung 2 via Datenaustausch 6 und Vergleicher 14). Das jeweilige Funktionsmodul kann dabei wahlweise in der Chipkarte integriert sein oder extern, beispielsweise am Lesegerät, angeordnet sein, wobei eine Anordnung von Funktionsmodulen auf bzw. in einer Chipkarte - verbunden mit einer Ansteuerung durch die polymerbasierte integrierte Schaltung - dem Fachmann bekannt sind (vgl. bspw. E1, Ansteuerung eines Funktionsmoduls - hier eines Displays - in einer Chipkarte durch eine organische elektronische Schaltung (vgl. Sp. 2, Z. 24) wobei die E1 explizit darauf abstellt, dass die Ansteuerschaltung für das dort genannte Display nur wenige Schaltkreise benötigt und daher eine organische Schaltung hierfür vollständig ausreicht (Sp. 2, Zn. 32ff)). Eine wahlweise Anordnung des Funktionsmoduls auf der Chipkarte liegt somit im Griffbereich des Fachmanns.
Einen – wie von der Patentinhaberin vorgetragenen – synergistischen Effekt zwischen Verschlüsselung und Ansteuerung vermag der Senat hierbei nicht erkennen. Ein solcher Effekt ist weder im Streitpatent beschrieben noch aus diesem für den Fachmann ersichtlich. Zudem ist eine - wie von der Patentinhaberin in ihrer Argumentation in der mündlichen Verhandlung unterstellte - alleinige Ansteuerung des Funktionsmoduls durch die polymere integrierte Schaltung im vorliegenden Anspruchswortlaut und im Übrigen auch durch die zugehörige Beschreibung (vgl. [0038], „Das Funktionsmodul ist über Leitungen mit der polymerbasierten integrierten Schaltung verbunden.“) nicht gefordert.
Auch das jetzt zusätzlich aufgenommene Merkmal M15* ist somit nicht geeignet, eine erfinderische Tätigkeit der nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 verteidigten Chipkarte zu begründen.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 ist daher ebenfalls nicht patentfähig.
e) Zum 4. Hilfsantrag Anspruch 1 nach Hilfsantrag 4 unterscheidet sich von Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3 durch das Streichen des Merkmals M13*. Der mit Hilfsantrag 4 verteidigte Anspruchsgegenstand ist somit erkennbar weiter gefasst als derjenige nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3. Das Argument, wonach eine solche Anordnung der Schichten es nicht ermöglicht, das Chipmodul von außen zu kontaktieren, vermag in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht zu überzeugen. Denn bei der Anordnung der Schichten wird der Fachmann immer die Kontaktflächen des Chipmoduls zur bestimmungsgemäßen Verwendung freihalten. Entsprechende Aussparungen oder das Anordnen der zweiten Schicht auf die den Modulkontakten abgewandte Seite fallen aber, genauso wie eine Anordnung der Schichten seitlich zueinander, unter den Wortlaut des nunmehr verteidigten Anspruchs 1.
Mit Verweis auf die vorstehenden Ausführungen zu den restlichen Merkmalen ist somit auch die Vorrichtung nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 nicht patentfähig.
3. Ob unabhängig von den jeweils nicht patentfähigen Ansprüchen 1 nach Hauptantrag bzw. nach den Hilfsanträgen 1 bis 4 hinsichtlich der geltenden jeweiligen Unteransprüchen eine patentfähige Erfindung vorliegt, bedarf keiner Klärung, da auf die jeweiligen Unteransprüche kein eigenständiges Patentbegehren gerichtet war (vgl. BGH, GRUR 2007, 882, Leitsatz – „Informationsübermittlungsverfahren“).
Bei dieser Sachlage war die Beschwerde zurückzuweisen.
VRi BPatG Höppler ist wegen Urlaub an der Unterschrift gehindert.
Maile Schwarz Maile Dr. Schwengelbeck Hu
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