V ZB 28/24
BUNDESGERICHTSHOF V ZB 28/24 BESCHLUSS vom 22. Mai 2025 Nachschlagewerk: BGHZ: BGHR: JNEU:
ja nein ja nein BNotO § 15 Abs. 2; RVG VV Vorbemerkung 3.2.1 Nr. 2b; RVG VV Nr. 3200, Nr. 3500 In einem Beschwerdeverfahren nach § 15 Abs. 2 BNotO bemisst sich die bei dem Landgericht entstehende Verfahrensgebühr auch nach Inkrafttreten des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes zum 1. August 2013 nach RVG VV Nr. 3500 (im Anschluss an Senat, Beschluss vom 7. Oktober 2010 - V ZB 147/09, NJW-RR 2011, 286).
BGH, Beschluss vom 22. Mai 2025 - V ZB 28/24 - OLG Hamburg LG Hamburg ECLI:DE:BGH:2025:220525BVZB28.24.0 Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Mai 2025 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Brückner, den Richter Dr. Göbel und die Richterinnen Haberkamp, Laube und Dr. Grau beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts - 2. Zivilsenat - vom 10. Mai 2024 aufgehoben.
Auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Hamburg vom 9. Januar 2023 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die von dem Beteiligten zu 1 an die Beteiligte zu 2 nach dem Beschluss des Landgerichts Hamburg - Zivilkammer 21 - vom 28. Juni 2022 zu erstattenden Kosten werden auf 3.700,31 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 14. Oktober 2022 festgesetzt. Im Übrigen wird der Antrag der Beteiligten zu 2 auf Kostenfestsetzung vom 14. Oktober 2022 zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt die Beteiligte zu 2.
Gründe:
I.
Der Beteiligte zu 1 erhob Beschwerde nach § 15 Abs. 2 BNotO gegen den Vorbescheid eines Notars, mit dem dieser den Vollzug einer notariellen Urkunde ankündigte. Das Landgericht legte in seiner Entscheidung über die Beschwerde die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beteiligten zu 1 auf.
Das Landgericht hat antragsgemäß unter anderem eine 1,6-Verfahrensgebühr nach RVG VV Nr. 3200 zugunsten der Beteiligten zu 2 festgesetzt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1, der lediglich eine 0,5-Verfahrensgebühr nach RVG VV Nr. 3500 für richtig hält, hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Beteiligte zu 1 sein Begehren weiter.
II.
Das Beschwerdegericht meint, die Verfahrensgebühr für das Beschwerdeverfahren nach § 15 Abs. 2 BNotO bestimme sich nicht nach der Auffangvorschrift RVG VV Nr. 3500, da die speziellere Regelung RVG VV Nr. 3200 einschlägig sei. Zwar habe der Bundesgerichtshof entschieden, dass in einem Beschwerdeverfahren nach § 15 Abs. 2 BNotO bei dem Landgericht lediglich die Verfahrensgebühr nach RVG VV Nr. 3500 entstehe. Dieser Entscheidung habe aber das vor Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts zum 1. August 2013 geltende Recht zugrunde gelegen. Nunmehr finde der Vorbemerkung 3.2.1 zufolge RVG VV Nr. 3200 auf Verfahren über Beschwerden gegen die Endentscheidung wegen des Hauptgegenstandes in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Anwendung. Hierunter falle auch die Notarbeschwerde nach § 15 Abs. 2 BNotO, die rechtstechnisch wie eine erstinstanzliche Entscheidung behandelt werde. Das Beschwerdegericht habe eine vollständige Nachprüfung in sachlicher und rechtlicher Hinsicht vorzunehmen, indem es zu prüfen habe, ob der Notar pflichtwidrig handele. Gerade den dadurch begründeten erhöhten Anforderungen an den Rechtsanwalt habe die Neuregelung Rechnung tragen sollen.
III.
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die infolge der Zulassung nach § 15 Abs. 2 Satz 3 BNotO i.V.m. § 85 FamFG i.V.m. § 104 Abs. 3 Satz 1, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2013 - II ZB 4/13, NJW-RR 2014, 186 Rn. 12) und auch im Übrigen zulässige (§ 575 ZPO) Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg. Zu Unrecht nimmt das Beschwerdegericht an, dass in dem Beschwerdeverfahren nach § 15 Abs. 2 BNotO eine 1,6-Verfahrensgebühr nach RVG VV Nr. 3200 entsteht.
1. Zutreffend geht das Beschwerdegericht zunächst davon aus, dass die 0,5-Verfahrensgebühr nach RVG VV Nr. 3500 in Verfahren über Beschwerden nur anfällt, soweit im Gesetz nicht etwas anderes bestimmt ist. Richtig ist auch, dass RVG VV Nr. 3200 in Verbindung mit der Vorbemerkung 3.2.1 Nr. 2b eine solche andere Bestimmung darstellt. Hiernach entsteht die 1,6-Verfahrensgebühr nach RVG VV Nr. 3200 in Verfahren über Beschwerden gegen die Endentscheidung wegen des Hauptgegenstandes in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
2. Ob die Vorbemerkung 3.2.1 Nr. 2b auch das landgerichtliche Beschwerdeverfahren nach § 15 Abs. 2 Satz 1 BNotO umfasst, wird unterschiedlich beurteilt.
a) Zum Teil wird dies anknüpfend an die Rechtsprechung des Senats zu der Vorbemerkung 3.2.1 in der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Fassung (vgl. Senat, Beschluss vom 7. Oktober 2010 - V ZB 147/05, NJW-RR 2011, 286 Rn. 7 f.) verneint (vgl. BeckOF Prozess/Miller [1.4.2025], Formular 11.3.8 Anm. 4; Schütz in Ahlmann/Kapischke/Pankatz/Rech/H. Schneider/Schütz, RVG, 11. Aufl., VV 3500 Rn. 6; Grziwotz/Sauer/Heinemann, BeurkG, 4. Aufl., § 54 Rn. 61 [zu § 54 BeurkG]).
b) Nach anderer Ansicht, die auch das Beschwerdegericht vertritt, umfasst die Vorbemerkung 3.2.1 Nr. 2b hingegen das landgerichtliche Beschwerdeverfahren gemäß § 15 Abs. 2 BNotO (vgl. OLG Frankfurt a.M., AGS 2020, 466, 468 f.; Beschluss vom 20. April 2023 - 20 W 82/23, juris Rn. 12 ff.; Seggewiße in Schneider/Kurpart, Streitwert-Kommentar, 15. Aufl., § 3 ZPO Rn. 4.235; NKGK/H. Schneider, 3. Aufl., VV RVG Nr. 3500 Rn. 6; Reckin in: Schneider/Volpert, AnwK RVG, 9. Aufl., VV Vorb. 3.2.1 Rn. 90; Volpert in Schneider/Volpert, AnwK RVG, 9. Aufl., VV Vorb. 3.5, VV 3500 Rn. 10 [anders aber Rn. 11]; wohl auch Bischof in Bischof/Jungbauer/Bräuer/Klipstein/Klüsener/Kerber, RVG, 9. Aufl., Vorbem. 3.2.1 VV Rn. 7; Volpert, AGS 2020, 469, 470). Da der Gesetzgeber den Anwendungsbereich auf Beschwerden in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit erweitert habe, die notarielle Entscheidung einer Endentscheidung wegen des Hauptgegenstandes entspreche und im Rahmen der Notarbeschwerde eine umfassende Prüfung erfolge, sei nunmehr auch diese Beschwerde von der Regelung umfasst (vgl. OLG Frankfurt a.M., AGS 2020, 466, 468 f.).
3. Richtig ist die erstgenannte Ansicht. Die Vorbemerkung 3.2.1 Nr. 2b umfasst das Beschwerdeverfahren nach § 15 Abs. 2 BNotO nicht. Da auch keine anderen Sonderregeln eingreifen, bemisst sich in einem Beschwerdeverfahren nach § 15 Abs. 2 BNotO die bei dem Landgericht entstehende Verfahrensgebühr auch nach Inkrafttreten des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes zum 1. August 2013 nach RVG VV Nr. 3500.
a) Eine direkte Anwendung der Vorbemerkung 3.2.1 Nr. 2b scheidet aus, weil es sich bei dem landgerichtlichen Beschwerdeverfahren nach § 15 Abs. 2 BNotO nicht um ein Beschwerdeverfahren gegen eine Endentscheidung in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt.
aa) Die Beschwerde nach § 15 Abs. 2 BNotO richtet sich - worauf die Rechtsbeschwerde zutreffend hinweist - schon nicht gegen eine „Endentscheidung“ im Sinne der Legaldefinition des § 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Hiernach liegt eine Endentscheidung vor, wenn das Gericht durch Beschluss den Verfahrensgegenstand ganz oder teilweise erledigt. Eine gerichtliche Entscheidung ist in dem Verfahren nach § 15 Abs. 2 BNotO aber nicht Gegenstand der Beschwerde, sondern die Amtsverweigerung des Notars oder die - wie hier im Wege eines Vorbescheids erfolgte - Ankündigung, eine Amtstätigkeit gegen den Willen eines Beteiligten vornehmen zu wollen (vgl. Senat, Beschluss vom 9. Juni 2016 - V ZB 37/15, WM 2016, 1874 Rn. 12).
Dass in § 15 Abs. 2 BNotO die Amtsverweigerung wie eine erstinstanzliche Gerichtsentscheidung behandelt wird, ändert hieran nichts. Mit dieser rechtstechnischen Gleichstellung soll nur erreicht werden, dass die Amtsverweigerung des Notars durch das Landgericht in dem für Beschwerden gegen Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vorgesehenen Verfahren überprüft wird. Sie führt nicht dazu, dass die Amtsverweigerung des Notars inhaltlich zu einer gerichtlichen Entscheidung wird (vgl. Senat, Beschluss vom 1. Oktober 2015 - V ZB 67/14, WM 2016, 226 Rn. 14).
bb) Die Beschwerde nach § 15 Abs. 2 BNotO richtet sich auch nicht gegen eine „Entscheidung in einer Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit“. Zwar handelt es sich bei dem Notarbeschwerdeverfahren selbst gemäß § 15 Abs. 2 Satz 3 BNotO i.V.m. § 23a Abs. 2 Nr. 11 GVG um eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. Volpert, AGS 2020, 469). Gegenstand des Notarbeschwerdeverfahrens ist aber - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht geltend macht - die Amtsverweigerung des Notars und damit keine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Zwar kann auch der Notar anstelle des Gerichts ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit durchführen, dann nämlich, wenn ihm durch Gesetz die Durchführung solcher Verfahren übertragen worden ist, wie etwa in § 344 Abs. 4a FamFG die Auseinandersetzung eines Nachlasses. Um ein solches Verfahren geht es bei der Notarbeschwerde nach § 15 Abs. 2 BNotO aber nicht (vgl. Senat, Beschluss vom 1. Oktober 2015 - V ZB 67/14, WM 2016, 226 Rn. 12).
b) Eine entsprechende Anwendung der Vorbemerkung 3.2.1 Nr. 2b auf das Beschwerdeverfahren nach § 15 Abs. 2 BNotO kommt nicht in Betracht. Dies wäre nur möglich, wenn die Regelung im Hinblick auf das Notarbeschwerdeverfahren nach § 15 Abs. 2 BNotO eine planwidrige Lücke enthielte. Es bestehen aber keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes die Notarbeschwerde versehentlich nicht in der Vorbemerkung 3.2.1 geregelt hat.
aa) Der Senat hatte für die Rechtslage vor dem 1. August 2013 entschieden, dass die Vorbemerkung 3.2.1 in der damaligen Fassung das landgerichtliche Beschwerdeverfahren nach § 15 Abs. 2 BNotO nicht umfasste, weshalb die für Beschwerden geltende Auffangvorschrift RVG VV Nr. 3500 anzuwenden war (vgl. Beschluss vom 7. Oktober 2010 - V ZB 147/09, NJW-RR 2011, 286 Rn. 7 f.). Jedenfalls aufgrund dieser Entscheidung war die besondere Stellung dieses Beschwerdeverfahrens im Rahmen des anwaltlichen Gebührenrechts bekannt. Eine Regelung dahingehend, dass die Beschwerde nach § 15 Abs. 2 BNotO nicht unter RVG VV Nr. 3500 fallen sollte, hat der Gesetzgeber gleichwohl nicht getroffen.
bb) Auch die Gesetzesbegründung spricht - wie die Rechtsbeschwerde zutreffend ausführt - gegen ein Versehen des Gesetzgebers.
(1) In der Gesetzesbegründung wird erläutert, dass von der Vorbemerkung 3.2.1 die Angelegenheiten umfasst sein sollten, bei denen in der ersten Instanz Gebühren nach Teil 3 Abschnitt 1 VV RVG anfielen (BT-Drucks. 17/11471 [neu] S. 148 u. 276). Um ein solches Verfahren handelt es sich bei der Beschwerde nach § 15 Abs. 2 BNotO aber nicht. Denn insoweit fehlt es schon an einem erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren, bei dem Gebühren erster Instanz nach Teil 3 Abschnitt 1 VV RVG anfallen könnten.
(2) Darüber hinaus wird die Neuregelung damit begründet, dass die Beschwerdeverfahren gegen den Rechtszug beendenden Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit wegen des Hauptgegenstands einem Berufungsverfahren der streitigen Gerichtsbarkeit entsprächen; das Beschwerdegericht habe eine vollständige Nachprüfung in sachlicher und rechtlicher Hinsicht vorzunehmen (BT-Drucks. 17/11471 [neu] S. 148 u. 276). Auch diese Erwägungen treffen auf das landgerichtliche Beschwerdeverfahren nach § 15 Abs. 2 BNotO nicht zu. Im Unterschied zu sonstigen Beschwerdeentscheidungen nach dem FamFG ist in diesem Verfahren nämlich nur zu prüfen, ob der Notar pflichtwidrig handelt; eine abschließende Klärung des Rechtsverhältnisses der Beteiligten erfolgt nicht (vgl. Senat, Beschluss vom 7. Oktober 2010 - V ZB
147/09, NJW-RR 2011, 286 Rn. 8; Beschluss vom 9. Dezember 2021 - V ZB 25/21, NJW-RR 2022, 428 Rn. 5).
IV.
Danach ist der angefochtene Beschluss aufzuheben. Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, da die Aufhebung der Entscheidung nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 15 Abs. 2 Satz 3 BNotO i.V.m. § 85 FamFG i.V.m. § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO). Dementsprechend ist der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1 teilweise abzuändern und lediglich eine 0,5-Verfahrensgebühr nach RVG VV Nr. 3500 nach dem Gegenstandswert von 1,3 Mio. € festzusetzen. Diese beläuft sich auf 3.089,50 € zuzüglich Umsatzsteuer in Höhe von 587,01 €. Unter Berücksichtigung der nicht angegriffenen Festsetzung der Pauschale gemäß VV RVG Nr. 7001 nebst Umsatzsteuer ergibt sich der tenorierte Betrag, der gemäß der auch insoweit nicht angegriffenen Festsetzung zu verzinsen ist.
V.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 15 Abs. 2 Satz 3 BNotO i.V.m. § 85 FamFG i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2013 - II ZB 4/13, NJW-RR 2014, 186 Rn. 21; Beschluss vom 29. Januar 2025 - IV ZB
2/24, juris Rn. 17 mwN, insoweit nicht abgedruckt in den übrigen Veröffentlichungen). Da für das erfolgreiche Rechtsbeschwerdeverfahren keine Gerichtsgebühren anfallen, bedarf es keiner Festsetzung des Gegenstandswerts.
Brückner Laube Göbel Grau Haberkamp Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 28.06.2022 - 321 T 3/21 OLG Hamburg, Entscheidung vom 10.05.2024 - 2 W 31/23 -