V ZR 110/56
BGHZ 23,61 Ist gegen den Willen des Eigentümers auf dessen Grundstück ein Bauwerk errichtet worden, das als wesentlicher Bestandteil des Grundstücks anzusehen ist, so kann der Eigentümer den auf § 951 BGB gestützten Bereicherungsanspruch des Erstellers dadurch abwehren, daß er das Bauwerk zum Abbruch dem Ersteller zur Verfügung stellt.
BGB § 951.
V. Zivilsenat. Urt. v. 21. Dezember 1956 [ 21.12.56 ]
i. S. Dr. V. (Kl.) w. V. (Bekl.).
V ZR 110/56.
I. Landgericht Göttingen II. Oberlandesgericht Celle Der Kläger hatte auf die Dauer von 9 Jahren das etwa 61/2 Morgen große Grundstück des Beklagten zum Anbau landwirtschaftlicher Erzeugnisse sowie zur Kleintierzucht und Kleintierhaltung gepachtet. Nach dem Pachtvertrag war der Pächter berechtigt, zum Zwecke von Kleintierzucht und Kleintierhaltung zweckentsprechende. Bauten auf dem Pachtgrundstück zu errichten. Mit Ausnahme eines Geflügelstalles durfte er aber massive Bauten nur mit ausdrücklicher schriftlicher Genehmigung des Verpächters erstellen. Alle errichteten Kleinbauten hatten nach Beendigung des Pachtverhältnisses auf dem Grundstück zurückzubleiben und waren vom Verpächter entsprechend der Wertsteigerung des Pachtgrundstückes, errechnet durch ein fachmännisches Gutachten, dem Pächter zu vergüten.
Der Kläger erstellte alsbald ein massives Gebäude; über dessen Bauweise, Ausgestaltung und Nutzungsart kam es zwischen den Parteien zu Meinungsverschiedenheiten und zur Kündi- [ Kündigung ] gung des Pachtverhältnisses. Das Pachtgrundstück wurde an den Beklagten zurückgegeben.
Der Kläger beanspruchte nunmehr ein angemessenes Entgelt für die durch die Errichtung des Gebäudes hervorgerufene Wertsteigerung des Grundstücks.
Die Klage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.
Aus den Gründen:
Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit dem Beschluß des erkennenden Senates als Senat für Landwirtschaftssachen vom 5. Mai 1953 angenommen, daß der Beklagte Eigentümer des errichteten Bauwerkes gemäß §§ 94, 946 BGB geworden ist, weil der Kläger das Bauwerk nicht etwa zu vorübergehenden Zwecken, sondern für die Dauer errichten wollte. Rechtliche Bedenken hat die Revision hierzu nicht angemeldet. Hätte allerdings der Pachtvertrag bestimmt, daß der Kläger nach Beendigung des Pachtverhältnisses etwa errichtete Bauten wieder entfernen müsse, so wäre es nicht von Bedeutung, daß er den Bau für nicht nur vorübergehende Zwecke erstellen wollte (Urteil vom 20. Juni 1952 - V ZR 167/51). Dieser Fall liegt hier nicht vor.
Den auf den Tatbestand der Verbindung von Fahrnis mit einem Grundstück (§ 946 BGB) gestützten Entschädigungsanspruch (§ 951 BGB) hat das Berufungsgericht abgelehnt. Es führt dazu aus, der Beklagte könne die Beseitigung des Bauwerkes verlangen, weil dieses eine Störung seines Eigentums darstelle (§ 1004 BGB). Dieser dingliche Anspruch gehe dem Bereicherungsanspruch (§§ 951, 812, 818 BGB) vor. Die Revision führt hierzu verschiedene Gedankengänge ins Feld, die zu den nachfolgenden Bemerkungen Anlaß geben:
a) Die Bestimmung des Pachtvertrages steht einem Verlangen des Verpächters, das Bauwerk zu beseitigen, nicht entgegen. Denn dort wird der Verpächter nur verpflichtet, jene Kleinbauten und Anlagen zu übernehmen und zu bezahlen, die sich im Rahmen des Pachtvertrages halten. Das ist aber hinsichtlich des hier in Frage stehenden Bauwerkes nicht der Fall.
b) § 951 Abs. 1 Satz 2 BGB schließt allerdings die Wiederherstellung des früheren Zustandes aus. Diese Bestimmung be- [ bezieht ] zieht sich aber auf das Verlangen dessen, der die Verbindung gemäß § 946 BGB hergestellt hat. Er kann sonach von dem Bereicherten, abgesehen von der Bestimmung des § 951 Abs. 2 BGB, die Wiederherstellung des früheren Zustandes nicht beanspruchen. Das besagt aber nicht, daß auch der Bereicherte die Wiederherstellung, sei es aus irgendwelchen rechtlichen Gesichtspunkten, nicht fordern kann. Einen anderen Standpunkt hat der Senat, entgegen der Meinung der Revision, in seiner Entscheidung V ZR 38/52 vom 23. Oktober 1953 (NJW 1954, 265) nicht vertreten. Er hat dort vielmehr die Frage behandelt, in welchem Verhältnis der Anspruch aus § 951 Abs. 1 BGB zu dem Wegnahmerecht (§ 997 BGB) steht.
c) Die Auffassung des Oberlandesgerichtes, daß im Falle der Errichtung eines Bauwerkes auf fremdem Boden die Geltendmachung eines Anspruches nach § 951 Abs. 1 BGB zur Voraussetzung habe, daß der Bereicherte das Bauwerk auf seinem Boden dulden müsse, daß er also eine Entschädigung nicht zu bezahlen brauche, wenn er, sei es aus Vertrag (§§ 556, 581 BGB), sei es auf Grund der Bestimmungen über unerlaubte Handlungen oder als Eigentümer (§ 1004 BGB) die Beseitigung des Bauwerks verlangen kann, wird im Schrifttum zum Bürgerlichen Gesetzbuch vielfach vertreten (Staudinger 11. Aufl. § 951 Anm. 14 &bgr; Wolff, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts, Sachenrecht 9. Aufl. § 74 I 3 [S. 238]; derselbe, Der Bau auf fremdem Boden, Abhandlungen zum Privatrecht und Zivilprozeßrecht des Deutschen Reiches Bd 6 Heft 2 S. 66 f; Oertmann, Anm. zu RG JW 1931, 1552; Westermann, Lehrbuch des Sachenrechtes 3. Aufl. § 54 Nr. 3 S. 263). Soweit ersichtlich, hat hierzu in der Rechtsprechung nur das Oberlandesgericht Celle, und zwar in gleicher Weise Stellung genommen (MDR 1954, 294). Daß auch durch ein in unzulässiger Weise auf einem fremden Grundstück errichtetes Bauwerk eine Beeinträchtigung des Eigentums hervorgerufen werden kann, hat der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 17. September 1954, V ZR 35/54 (Lind-Möhr zu § 1004 Nr. 14) ausgesprochen. Ob der Auffassung des Oberlandesgerichtes beizutreten ist, insbesondere ob, wie die Revision geltend macht, einem etwa eingeklagten Beseitigungsanspruch der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung ent- [ entgegenstünde ] gegenstünde (vgl. das Urteil vom 16. Mai 1956 V ZR 146/54 Lind-Möhr PreisstopVO Nr. 7), kann indes ebenso dahingestellt bleiben wie die Beantwortung der Frage, ob, wie das Oberlandesgericht meint, das Vorliegen einer etwa notwendigen baupolizeilichen Genehmigung für den Abbruch des Bauwerkes (vgl. VO vom 3. April 1937, RGBl I, 440; Bundeswohnraumbewirtschaftungsgesetz vom 31. März 1953: § 22) erst für die Vollstreckung von Bedeutung wäre. Ein Antrag auf Beseitigung des Bauwerkes ist nämlich bisher nicht gestellt worden. Immerhin sei darauf hingewiesen, daß es sich in dem vom Senat in V ZR 146/54 behandelten Falle um ein Bauwerk handelte, durch das mehrere Wohnungen geschaffen waren, die bereits bewohnt wurden. Im vorliegenden Falle handelt es sich dagegen um ein Bauwerk, das nach dem Sachverständigengutachten erst mit einem Aufwand von 8 000 DM zu bezugsfähigen Wohnräumen umgestaltet werden kann. Daß das Bauwerk in der Zwischenzeit von der Erfassungsbehörde für Wohnungszwecke in Anspruch genommen wurde, ist von keiner Seite behauptet worden. Nicht unbeachtet dürfte auch bei der Frage der Unzulässigkeit der Rechtsausübung bleiben, daß der Beklagte die Errichtung des Bauwerkes nie genehmigt hatte. Es erscheint fraglich, ob ihm mit Hilfe dieses Einwandes im Ergebnis die Übernahme des unerwünschten Bauwerkes aufgedrängt werden könnte. Die Abweisung des auf § 951 Abs. 1 BGB gestützten Anspruches ergibt sich indes, ohne daß die vorstehend aufgeworfenen Fragen abschließend zu beantworten sind, aus folgender rechtlicher Erwägung:
§ 951 Abs. 1 Satz 2 BGB stellt eine im Interesse des Bereicherten getroffene Regelung dar. Sie schützt vor dem Verlangen des Entreicherten, den alten Zustand wieder herzustellen. Aus der zu beachtenden Interessenlage ergibt sich aber, daß sich der Bereicherte des Entschädigungsanspruches durch Verweisung auf die Möglichkeit der Wiederherstellung des alten Zustandes erwehren kann, zum mindesten dann, wenn ihm ein Bauwerk aufgedrängt werden soll, das er nur unter Aufwendung erheblicher Kosten zu einen Ertragswert umgestalten kann. In einem solchen Falle kann es nicht als Verstoß gegen Treu und Glauben bezeichnet werden, wenn der Bereicherte, statt zu zahlen, entweder selbst den alten Zustand herstellt oder, falls ihm dies wegen der erheblichen Unkosten für die Wiederherstellung des alten Zustandes nicht zugemutet werden kann, dies dem überläßt, der den Bau erstellt hat. In entsprechender Anwendung der in § 1001 Satz 2 BGB getroffenen Regelung muß es sonach dem Schuldner der Wertsteigerungsentschädigung jedenfalls unter der bezeichneten Voraussetzung zugebilligt werden, die Zahlung durch Gestattung der Wegnahme zu ersetzen und dies einredeweise einem Klagebegehren gegenüber geltend zu machen (Tobias, ArchZivPrax 94, 371, 456; Westermann aaO Nr. 5 aE; Planck § 951, 1 c; Staudinger aaO § 951 Anm. 6 a; Wolff, Sachenrecht aaO). Indem der Beklagte wiederholt während des Rechtsstreits vom Kläger die Beseitigung des Bauwerkes verlangt hat, hat er ihn damit auf die Wegnahme der Bereicherung verwiesen und von seiner Ersetzungsbefugnis Gebrauch gemacht. Da er den Bau nie genehmigt hatte, der im vorliegenden Falle keinen Ertrag in seinem gegenwärtigen Zustande abwirft und für den Beklagten eine Störung seines Eigentums bedeutet, ist die Verweisung auf die Wegnahme auch mit Treu und Glauben zu vereinbaren. Ein Zahlungsanspruch des Klägers besteht sonach nicht. Es wird nunmehr seine Sache sein, sich die für den Abbruch des Gebäudes etwa erforderlichen Genehmigungen zu beschaffen. Mit der Geltendmachung der Ersetzungsbefugnis hat sich andererseits der Beklagte verpflichtet, den Abbruch des Gebäudes geschehen zu lassen.