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19 W (pat) 69/13

BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 69/13 Verkündet am 12. April 2016

…

BESCHLUSS In der Beschwerdesache …

BPatG 154 05.11

-2…

betreffend das Patent 199 10 239 hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. und 12. April 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Kleinschmidt, der Richterin Kirschneck sowie der Richter Dipl.-Ing. J. Müller und Dipl.-Ing. Matter beschlossen:

1. Auf die Beschwerden der Einsprechenden I bis IV wird der Beschluss der Patentabteilung 1.31 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. März 2013 aufgehoben und das Patent 199 10 239 in vollem Umfang widerrufen.

2. Die Beschwerde der Patentinhaberin wird zurückgewiesen.

Gründe I.

Auf die am 8. März 1999 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Patentanmeldung ist das Patent 199 10 239 mit der Bezeichnung

„Verfahren zur Vergabe von Zugriffsrechten auf einen Telekommuniaktionskanal [sic] an Teilnehmerstationen eines Telekommunikationsnetzes und Teilnehmerstation“

erteilt worden. Die Patenterteilung ist am 5. Januar 2011 veröffentlicht worden.

Gegen das Patent haben die N… in E…, F… (vormalige Einsprechende I), die T… (publ), in S…, S1… (Einsprechende II), die H… … in T1… (Einsprechende III) sowie die T… GmbH, in B…, mit jeweiligen Schriftsätzen vom 5. April 2011, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am selben Tag, Einspruch eingelegt und beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen. Die T… GmbH hat ihren Einspruch mit Schriftsatz vom 18. Juni 2013, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt per Fax am 26. Juni 2013, zurückgenommen.

Die Einsprechenden I bis III sowie die ehemalige Einsprechende T… haben geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. §§ 3, 4 PatG) und unzulässig erweitert, da er über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgehe (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG).

Zum Stand der Technik haben die Einsprechenden u. a. auf folgende Druckschriften Bezug genommen:

GSM 04.60 V6.2.0 GSM 04.60 V6.1.0 GSM 02.11 GSM 138 European Standard (Telecommunications series) GSM 04.60 V6.2.0 (1998-10) Digital cellular telecommunications system (Phase 2+); General Packet Radio Service (GPRS); Mobile Station (MS) - Base Station System (BSS) interface; Radio Link Control/ Medium Access Control (RLC/MAC) protocol (GSM 04.60 version 6.2.0 Release 1997); European Telecommunications Standards Institute (ETSI), Oktober 1998, Seiten 1 bis 172 European Standard (Telecommunications series) Draft EN 301 349 V6.1.0 (1998-08) Digital cellular telecommunications system (Phase 2+); General Packet Radio Service (GPRS); Mobile Station (MS) - Base Station System (BSS) interface; Radio Link Control / Medium Access Control (RLC/MAC) protocol (GSM 04.60 version 6.1.0 Release 1997); European Telecommunications Standards Institute (ETSI), August 1998, Seiten 1 bis 152 Technical Specification TS 100 921 V6.0.0 (1998-07) Digital cellular telecommunications system (Phase 2+); Service accessibility (GSM 02.11 version 6.0.0 Release 1997); European Telecommunications Standards Institute (ETSI), Juli 1998, Seiten 1 bis 11 WP3 138/(87): „minutes of the L1EG meeting“, CEPT/CCH/GSM/L1EG, 31. August bis 2. September 1987, Seiten 1 bis 12 GSM 74 MOULY UMTS 207/98 UMTS 468/98 L1EG 74/87: „A proposal for the design of the random access protocol on the CCCH“, GSM/L1EG, 31. August bis 2. September 1987, Stockholm, Seiten 1 bis 5 MOULY, Michel; PAUTET, Marie-Bernadette: The GSM System for Mobile Communications. CELL & SYS, Palaiseau, Frankreich, 1992, ISBN: 2-9507190-0-7, Seiten 11 bis 15, 368 bis 372, 427 Tdoc SMG2 UMTS-L23 207/98: „Proposal for RACH Access Control in UTRAN“, ETSI UMTS L23 Expert Group Meeting, Helsinki, Finnland, 1. bis 4. September 1998, Seiten 1 und 2 Tdoc SMG 2 UMTS-L23 468/98: „UE-UTRAN Radio Interface Protocol Architecture; Stage 2“, ETSI SMG/UMTS L2&L3 Expert Group, Sophia Antipolis, Frankreich, 9. bis 11. Dezember 1998, Seiten 1 bis 13 Die Patentinhaberin ist dem Vorbringen der Einsprechenden entgegengetreten und hat beantragt, das Patent in vollem Umfang, hilfsweise im Umfang eines Hilfsantrags, aufrechtzuerhalten. Zur Stützung ihrer Auffassung hat sie u. a. auf das Dokument WP1 168/87 verwiesen.

WP1 Doc. 168/87: „Minutes of the WP1 Meeting in Copenhagen 31 August to 04 September 1987“. CCH/GSM/WP1, Kopenhagen, 31. August bis 4. September 1997, Seiten 1 bis 11, Anhänge 1, 2, und 13 Mit am Ende der Anhörung am 6. März 2013 verkündetem Beschluss hat die Patentabteilung 31 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent beschränkt aufrechterhalten. Die Ausfertigungen der schriftlichen Beschlussbegründung vom

12. Juli 2013 sind den Beteiligten am 16., 17., 18. bzw. 19. Juli 2013 zugestellt worden.

Gegen diesen Beschluss richten sich die Beschwerde der Patentinhaberin vom 1. August 2013, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am 5. August 2013, die Beschwerde der vormaligen Einsprechenden I vom 9. August 2013, beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen am selben Tag, sowie die Beschwerden der Einsprechenden II und III vom 16. August 2013, jeweils beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen am selben Tag.

Mit Schriftsatz vom 8. August 2013, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am selben Tag, hat die A….in C…, K…, U… (Einsprechende IV), ihren Beitritt zu dem Einspruchsverfahren erklärt und begründet sowie mit Schriftsatz vom 9. August 2013, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am selben Tag, ebenfalls Beschwerde gegen den Beschluss der Patentabteilung eingelegt.

Der Senat hat mit Beschluss vom 25. Februar 2015 festgestellt, dass die M… … in E1…, F… (jetzige Einsprechende I), in die Einsprechendenstellung der N… in E…, F… (vormalige Einsprechende I), eingetreten ist, weil ein rechtlich abgrenzbares Vermögen, zu dem der Einspruch gehört, von der N… auf die M… übertragen worden ist.

Im Beschwerdeverfahren hat der Senat mit Ladungszusatz vom 20. Januar 2016 in Auszügen das Dokument GSM 04.08 GSM Technical Specification GSM 04.08 July 1996 Version 5.3.0, Digital cellular telecommunications system (Phase 2+); Mobile radio interface layer 3 specification (GSM 04.08); Juli 1996; Seiten 1 bis 24, 31, 33, 37 bis 39, 193, 385, 386 in das Verfahren eingeführt.

Die Patentinhaberin beantragt,

den Beschluss der Patentabteilung 1.31 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. März 2013 aufzuheben und das angegriffene Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten:

Patentansprüche 1 bis 19 gemäß Hauptantrag vom 3. Februar 2014,

hilfsweise,

Patentansprüche 1 bis 19 gemäß Hilfsantrag 1 vom 3. Februar 2014,

Patentansprüche 1 bis 16 gemäß Hilfsantrag 2 vom 3. Februar 2014,

Patentansprüche 1 bis 16 gemäß Hilfsantrag 3 vom 3. Februar 2014,

übrige Unterlagen zu dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen wie erteilt,

sowie im Übrigen die Beschwerden der Einsprechenden I, II, III und IV zurückzuweisen.

Die Einsprechenden I bis IV beantragen übereinstimmend,

den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent 199 10 239 in vollem Umfang zu widerrufen sowie die Beschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen.

Die mit den erteilten Patentansprüchen 1, 6 und 9 übereinstimmenden unabhängigen Patentansprüche 1, 6 und 9 nach Hauptantrag vom 3. Februar 2014 lauten unter Hinzufügung einer Gliederung:

1a Verfahren zur Vergabe von Zugriffsrechten auf mindestens einen von mehreren Teilnehmerstationen gemeinsam nutzbaren Telekommunikationskanal eines Telekommunikationsnetzes an mindestens eine Teilnehmerstation (5, 10, 15, 20) des Telekommunikationsnetzes, 1b wobei Informationssignale an die mindestens eine Teilnehmerstation (5, 10, 15, 20) übertragen werden, 1c wobei für die Teilnehmerstationen (5, 10, 15, 20) auf ihrer Zugangsberechtigungskarte (75) die Zugehörigkeit zu einer Nutzerklasse (35, 40) gespeichert ist, dadurch gekennzeichnet, dass 1d mit den Informationssignalen Zugriffsberechtigungsdaten (45, 50, 55) zur mindestens einen Teilnehmerstation (5, 10, 15, 20) übertragen werden, (i) wobei die Zugriffsberechtigungsdaten (45, 50, 55) als Bitmuster ausgeführt sind (ii) und Zugriffsschwellwertbits (S3, S2, S1, S0) für einen Zugriffsschwellwert (S) und Zugriffsklassenbits (Z3, Z2, Z1, Z0), die für die Nutzerklassen (35, 40) der mehreren Teilnehmerstationen (5, 10, 15, 20) stehen, enthalten und 1e dass bei Empfang der Zugriffsberechtigungsdaten (45, 50, 55) in einer Auswerteeinheit (60) der mindestens einen Teilnehmerstation (5, 10, 15, 20) anhand der Zugriffsklassenbits (45, 50, 55) eine Prüfung erfolgt, (i) wobei Teilnehmerstationen, die einer Nutzerklasse angehören, für die das zugehörige Zugriffsklassenbit einen ersten Wert hat, unabhängig vom Zugriffsschwellwert (S) auf den Telekommunikationskanal zugreifen können, und (ii) Teilnehmerstationen, die einer Nutzerklasse angehören, deren zugeordnetes Zugriffsklassenbit einen zweiten Wert hat, zur Ermittlung ihrer Zugriffsberechtigung auf den Telekommunikationskanal eine Zugriffsschwellwertauswertung durchführen müssen, derart, dass der Zugriffsschwellwert (S) mit einer Zufallszahl oder einer Pseudo-Zufallszahl (R) verglichen wird, und das Zugriffsrecht auf einen Telekommunikationskanal der mindestens einen Teilnehmerstation (5, 10,

15, 20) in Abhängigkeit des Vergleichsergebnisses zugeteilt wird.

6a Teilnehmerstation (5, 10, 15, 20), der der Zugriff auf mindestens einen von mehreren Teilnehmerstationen gemeinsam nutzbaren Telekommunikationskanal erteilbar ist,

6b mit Mitteln (65) zum Empfang von Informationssignalen, 6c wobei die Teilnehmerstation (5, 10, 15, 20) derart ausgestaltet ist,

dass die Zugehörigkeit zu einer Nutzerklasse (35, 40) anhand einer Zugangsberechtigungskarte (75) entnehmbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass 6d eine Auswerteeinheit (60) derart ausgestaltet ist, dass eine Prüfung bei mit den Informationssignalen empfangenen Zugriffsberechtigungsdaten (45, 50, 55) anhand der Zugriffsklassenbits (Z3, Z2, Z1, Z0) erfolgt, (i) wobei die Zugriffsberechtigungsdaten (45, 50, 55) als Bitmuster ausgeführt sind (ii) und Zugriffsschwellwertbits (S3, S2, S1, S0) für einen Zugriffsschwellwert (S) und Zugriffsklassenbits (Z3, Z2, Z1, Z0), die für die Nutzerklassen (35, 40) der mehreren Teilnehmerstationen (5, 10, 15, 20) stehen, enthalten, 6e und dass die Prüfung derart erfolgt, (i) dass die Teilnehmerstation (5, 10, 15, 20) unabhängig von dem Zugriffsschwellwert (S) auf den Telekommunikationskanal zugreift, wenn das der Nutzerklasse der Teilnehmerstation (5, 10, 15, 20) zugeordnete Zugriffsklassenbit (Z3, Z2, Z1 , Z0) einen ersten Wert hat, (ii) und dass ihr in Abhängigkeit von dem Vergleichsergebnis des Zugriffsschwellwerts (S) mit einer Zufallszahl oder einer Pseudo-Zufallszahl (R) der Zugriff auf den Telekommunikationskanal freigegeben wird, wenn das Zugriffsklassenbit (Z3, Z2, Z1, Z0) einen zweiten Wert hat.

9a Verfahren zum Betrieb eines als Mobilfunknetz ausgebildeten Telekommunikationsnetzes

9b mit mindestens einer Basisstation (100), die eine Funkzelle aufspannt, in der sich mindestens zwei Teilnehmerstationen (5, 10, 15, 20) befinden,

9c wobei die Basisstation (100) an die mindestens zwei Teilnehmerstationen (5, 10, 15, 20) Informationssignale und mit den Informationssignalen Zugriffsberechtigungsdaten (55) sendet,

9d welche Informationen darüber enthalten, welche Rechte für welche Teilnehmerstation (5, 10, 15, 20) für das Senden zur Basisstation auf einen von mehreren Teilnehmerstationen gemeinsam nutzbaren Telekommunikationskanal (30) zugeteilt sind, dadurch gekennzeichnet, dass

9e die Zugriffsberechtigungsdaten (55), (i) Zugriffsschwellwertbits (S3, S2, S1, S0), die für einen Zugriffsschwellwert (S) stehen, (ii) und Zugriffsklasseninformationen (Z3, Z2, Z1, Z0), die für die Nutzerklassen (35, 40) der mehreren Teilnehmerstationen (5, 10, 15, 20) stehen, enthalten,

9f wobei die Zugriffsberechtigungsdaten (55) derart eingestellt sind, dass diese den Zugriff von Teilnehmerstationen (5, 10, 15, 20) auf den gemeinsam nutzbaren Telekommunikationskanal (30) derart erlauben, dass (i) Teilnehmerstationen, die einer Nutzerklasse angehören, für die das zugehörige Zugriffsklassenbit einen ersten Wert hat, unabhängig vom Zugriffsschwellwert (S) auf den Telekommunikationskanal zugreifen können, und (ii) Teilnehmerstationen, die einer Nutzerklasse angehören, deren zugeordnetes Zugriffsklassenbit einen zweiten Wert hat, zur Ermittlung ihrer Zugriffsberechtigung auf den Telekommunikationskanal eine Zugriffsschwellwertauswertung durchführen müssen, derart, dass der Zugriffsschwellwert (S) mit einer Zufallszahl oder einer Pseudo-Zufallszahl (R) verglichen wird, und das Zugriffsrecht auf einen Telekommunikationskanal der mindestens einen Teilnehmerstation (5, 10, 15, 20) in Abhängigkeit des Vergleichsergebnisses zugeteilt wird.

Die unabhängigen Ansprüche 1 und 6 nach Hilfsantrag 1 sind identisch mit den entsprechenden Ansprüchen des Hauptantrags. Der unabhängige Anspruch 9 nach Hilfsantrag 1 weist hingegen Änderungen in den Merkmalen 9e(ii) und 9f auf. Diese lauten:

9e 9fHA1

… (ii)HA1 und Zugriffsklassenbits, die für die Nutzerklassen (35,

40) der mehreren Teilnehmerstationen (5, 10, 15, 20) stehen, enthalten, wobei mittels der Zugriffsklassenbits den Teilnehmerstationen mitgeteilt wird, dass der Zugriff auf den gemeinsam nutzbaren Telekommunikationskanal derart erlaubt ist, dass Gegenüber dem Hauptantrag sind im Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 die Merkmale 1e(i) und 1e(ii) geändert; diese lauten:

1e … (i)HA2 wobei Teilnehmerstationen, die einer Nutzerklasse angehören, für die das zugehörige Zugriffsklassenbit 0 ist, unabhängig vom Zugriffsschwellwert (S) auf den Telekommunikationskanal zugreifen können, und (ii)HA2 Teilnehmerstationen, die einer Nutzerklasse angehören, deren zugeordnetes Zugriffsklassenbit 1 ist, zur Ermittlung ihrer Zugriffsberechtigung auf den Telekommunikationskanal eine Zugriffsschwellwertauswertung durchführen müssen, derart, dass der Zugriffsschwellwert (S) mit einer Zufallszahl oder einer Pseudo-Zufallszahl (R) verglichen wird, und das Zugriffsrecht auf einen Telekommunikationskanal der mindestens einen Teilnehmerstation (5, 10, 15, 20) in Abhängigkeit des Vergleichsergebnisses zugeteilt wird.

Inhaltsgleiche Änderungen enthalten die nach Hilfsantrag 2 geltenden unabhängigen Patentansprüche 5 und 7, die ansonsten den unabhängigen Patentansprüchen 6 und 9 nach Hauptantrag entsprechen.

Die unabhängigen Patentansprüche 1 und 5 nach Hilfsantrag 3 sind identisch mit denen des Hilfsantrags 2. Die Merkmale 7e und 7f des nebengeordneten Patentanspruchs 7 nach Hilfsantrag 3 lauten anders als die entsprechenden Merkmale des Patentanspruchs 9 nach Hauptantrag:

7e 7fHA1 die Zugriffsberechtigungsdaten (55), (i) Zugriffsschwellwertbits (S3, S2, S1, S0), die für einen Zugriffsschwellwert (S) stehen, (ii)HA1 und Zugriffsklassenbits, die für die Nutzerklassen (35,

40) der mehreren Teilnehmerstationen (5, 10, 15, 20) stehen, enthalten, wobei mittels der Zugriffsklassenbits den Teilnehmerstationen mitgeteilt wird, dass der Zugriff auf den gemeinsam nutzbaren Telekommunikationskanal derart erlaubt ist, dass diese den Zugriff von Teilnehmerstationen (5, 10, 15, 20) auf den gemeinsam nutzbaren Telekommunikationskanal (30) derart erlauben, dass (i)HA2 Teilnehmerstationen, die einer Nutzerklasse angehören, für die das zugehörige Zugriffsklassenbit 0 ist, unabhängig vom Zugriffsschwellwert (S) auf den Telekommunikationskanal zugreifen können, und (ii)HA2 Teilnehmerstationen, die einer Nutzerklasse angehören, deren zugeordnetes Zugriffsklassenbit 1 ist, zur Ermittlung ihrer Zugriffsberechtigung auf den Telekommunikationskanal eine Zugriffsschwellwertauswertung durchführen müssen, derart, dass der Zugriffsschwellwert (S) mit einer Zufallszahl oder einer Pseudo-Zufallszahl (R) verglichen wird, und das Zugriffsrecht auf einen Telekommunikationskanal der mindestens einen Teilnehmerstation (5, 10, 15, 20) in Abhängigkeit des Vergleichsergebnisses zugeteilt wird.

Die Erfindung habe nach den Ausführungen in den Absätzen 0008, 0010, 0012 bis 0014, 0023 bis 0027 und 0051 der Patentschrift den Vorteil, ein Verfahren zur Vergabe von Zugriffsrechten auf einen von mehreren Teilnehmerstationen ge- meinsam nutzbaren wahlfreien Zugriffskanal eines Telekommunikationsnetzes an mindestens eine Teilnehmerstation des Telekommunikationsnetzes zu schaffen, welches eine Überlastung des RACH (Random Access Channel), z. B. im Mobilfunksystem UMTS, durch eine flexible Begrenzung der Anzahl der benutzerinitiierten Zugriffsversuche verhindert und für die Übertragung der die Teilnehmerstationen über ihre Zugriffsrechte informierenden Signale ein Minimum an Übertragungskapazität benötigt.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.

II.

1. Die Beschwerden der Patentinhaberin und der Einsprechenden I bis III sind statthaft und auch sonst zulässig (§ 73 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 PatG, § 6 Abs. 1 Satz 1 PatKostG).

Statthaft und zulässig ist auch die Beschwerde der Einsprechenden IV. Sie hat gemäß § 59 Abs. 2 PatG am 8. August 2013 zulässig den Beitritt zu dem Einspruchsverfahren innerhalb von drei Monaten erklärt, nachdem ihr vom Landgericht Mannheim am 17. Mai 2013 die Erweiterung der von der Patentinhaberin gegen sie gerichteten Verletzungsklage, Az. 2 O 53/12, um das mit Einspruch angegriffene deutsche Patent 199 10 239 zugestellt worden ist. Der Einspruch ist innerhalb der Dreimonatsfrist substantiiert begründet und die Einspruchsgebühr bezahlt worden. Damit hat sie innerhalb der Beschwerdefrist die Stellung als Einsprechende erlangt und konnte selbst Beschwerde einlegen (vgl. Schulte, PatG, 9. Aufl., 2014, § 59 Rdn. 249).

2. Die Beschwerde der Patentinhaberin hat keinen Erfolg. Die Beschwerden der Einsprechenden haben Erfolg, da sie zur Aufhebung des Beschlusses der Patentabteilung 31 und zum vollständigen Widerruf des Patents führen.

2.1 Der Senat legt seiner Entscheidung als zuständigen Fachmann einen Diplomingenieur der elektrischen Übertragungstechnik mit besonderen Kenntnissen der Datenübertragung und Datenstrukturierung zugrunde, der schwerpunktmäßig mit der Verteilung von Ressourcen in der Mobilfunktelekommunikation befasst ist. Ein solcher Fachmann verfügt über eine langjährige Berufserfahrung in der Entwicklung und Spezifikation von Mobiltelefonen und Kenntnisse der zugehörigen Nachrichtenübertragungsstandards.

2.2. Einzelne Merkmale der Patentansprüche bedürfen der näheren Erläuterung.

a) Die Merkmale 1c und 6c der Ansprüche 1 bzw. 6 nach Hauptantrag versteht der Fachmann nach Überzeugung des Senat derart, dass alle angesprochenen Teilnehmerstationen über eine Zugangsberechtigungskarte verfügen, auf der jeweils gespeichert ist, welcher Nutzerklasse die jeweilige Teilnehmerstation angehört. Patentanspruch 1 ist damit nicht auf Verfahren gerichtet, bei denen die Teilnehmerstationen, an die die Zugriffsrechte vergeben werden sollen, entweder über keine Zugangsberechtigungskarte verfügen oder deren Zugangsberechtigungskarte die Information, welcher Nutzerklasse die jeweilige Teilnehmerstation angehört, nicht entnommen werden kann. Entsprechend ist Patentanspruch 6 nicht auf Teilnehmerstationen gerichtet, die entweder über keine Zugangsberechtigungskarte verfügen oder deren Zugangsberechtigungskarte die Information, welcher Nutzerklasse die jeweilige Teilnehmerstation angehört, nicht entnommen werden kann.

Mangels eines entsprechenden Merkmals im Patentanspruch 9 könnten unter den im Merkmal 9e(ii) des Anspruchs 9 erwähnten Teilnehmerstationen des Telekommunikationsnetzes gemäß Merkmal 9a auch solche sein, die keine Zugangsberechtigungskarte aufweisen oder auf deren Zugangsberechtigungskarte keine Nutzerklasse gespeichert ist. Solche Teilnehmerstationen erhalten allerdings kein Zugriffsrecht auf den gemeinsam nutzbaren Telekommunikationskanal – jedenfalls nicht nach dem Verfahren gemäß Anspruch 9.

b) Die Ausführung der Zugriffsberechtigungsdaten als Bitmuster nach den Merkmalen 1d(i) und 6d(i) bringt lediglich zum Ausdruck, dass durch das Bitmuster festgelegt ist, an welcher Stelle des durch eine Teilnehmerstation aus den empfangenen Informationssignalen zurückgewonnenen Bitstroms sich die einzelnen Zugriffsschwellwert- und Zugriffsklassenbits befinden, denn nur dann ist eine kor- rekte Auswertung möglich. Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass sich innerhalb des Bitmusters zusätzliche Bits befinden, die weder zu den Zugriffsschwellwertbits noch zu den Zugriffsklassenbits gehören.

c) Entgegen der Auffassung der Patentinhaberin entnimmt der Fachmann den Merkmalen 1d(ii), 1e(i) und 1e(ii) des Anspruchs 1 eindeutig, dass über die Zugriffsberechtigung einer Teilnehmerstation genau ein einziges der Nutzerklasse dieser Teilnehmerstation zugeordnetes Zugriffsklassenbit aus der Menge aller Zugriffsklassenbits (Z3, Z2, Z1, Z0) entscheidet. Dies ergibt sich schon ohne weiteres aus der Verwendung des Singulars des Wortes „Zugriffsklassenbit“ in den Merkmalen 1e(i) und 1e(ii) („Teilnehmerstationen, die einer Nutzerklasse angehören, deren zugeordnetes Zugriffsklassenbit …“). Der hier angesprochene Fachmann versteht den Begriff „Bit“ im hier maßgeblichen Sachzusammenhang in der Weise, dass damit eine bestimmte Stelle aus einer Gruppe von binären Stellen bezeichnet wird, hier also der Menge aller Zugriffsklassenbits (Z3, Z2, Z1, Z0).

Jede Teilnehmerstation, die einer bestimmter Nutzerklasse angehört, stellt anhand des Wertes des dieser Nutzerklasse zugeordneten einen Zugriffsklassenbits fest, ob sie gemäß Merkmal 1e(i) unabhängig von Zugriffsschwellwert oder gemäß Merkmal 1e(ii) in Abhängigkeit eines Vergleichsergebnisses auf den Telekommunikationskanal zugreifen darf. In Verbindung mit der Nennung eines einzelnen Bits liest der Fachmann auch mit, dass der im Merkmal 1e(i) genannte erste Wert des Zugriffsklassenbits sich von dem im Merkmal 1e(ii) angegebenen zweiten Wert unterscheidet und die beiden Werte ein Gegensatzpaar bilden. Außer diesen beiden Werten sind keine weiteren möglich, denn der Fachmann versteht unter einem Bit (binary digit) ein Informationselement, das einen von genau zwei möglichen Werten oder Zuständen aufweist. Diese Sichtweise stimmt mit den Angaben in der Beschreibung und der Zeichnung der Patentschrift überein (Absätze 0037, 0038, 0045; Figur 3c).

Für die von der Patentinhaberin vertretene Auslegung, dass der Begriff „Zugriffsklassenbit“ breiter zu verstehen sei und beispielsweise auch eine mehrstellige Binärzahl sein könne, kann weder durch das Wissen des hier maßgeblichen Fachmanns noch durch die Erfindungsbeschreibung gestützt werden.

Die in dem von der Patentinhaberin als relevant erachteten Absatz 0047 der Patentschrift genannte Erhöhung bzw. Verringerung der Anzahlen der Bits für die Zugriffsklasseninformation Z0, Z1, Z2, Z3 versteht der Fachmann nämlich lediglich als Möglichkeit, weitere Bits, z. B. Z4, Z5 etc., vorzusehen bzw. auf einzelne Bits zu verzichten, um damit einer größeren oder kleineren Anzahl von Nutzerklassen unabhängig voneinander die Prüfung zu ermöglichen, ob auf den gemeinsam nutzbaren Telekommunikationskanal unabhängig vom Zugriffsschwellwert (S) zugegriffen werden kann (Merkmal 1e(i)) oder die Zugriffsberechtigung durch eine Zugriffsschwellwertauswertung ermittelt werden muss (Merkmal 1e(ii)). Dabei ist es zwar denkbar, dass mehreren Nutzerklassen gemeinsam ein Zugriffsklassenbit zugeordnet ist, dass also ein Zugriffsklassenbit über das Zugriffsrecht mehrerer Nutzerklassen entscheidet. Umgekehrt ermittelt aber die Teilnehmerstation ihre Berechtigung nicht anhand mehrerer ihr zugeordneter Zugriffsklassenbits.

d) Die in den Merkmalen 1e, 1e(i) und 1e(ii) beschriebene Prüfung der Zugriffsberechtigungsdaten in der Auswerteeinheit der Teilnehmerstation findet in einer festen zeitlichen Reihenfolge statt. Wenn die Teilnehmerstation gemäß Merkmal 1e(i) anhand der Prüfung des Wertes des ihrer Nutzerklasse zugehörigen Zugriffsklassenbits festgestellt hat, das sie unabhängig vom Zugriffsschwellwert auf den Telekommunikationskanal zugreifen kann, führt sie die in Merkmal 1e(ii) näher beschriebene Zugriffsschwellwertauswertung und die weiteren dort genannten Verfahrensschritte nicht durch. Nur wenn dass der Nutzerklasse der Teilnehmerstation zugehörige Zugriffsklassenbit einen zweiten Wert aufweist, die Teilnehmerstation mithin nicht zu einer bevorrechtigten Nutzerklasse angehört, muss sie die Zugriffsschwellwertauswertung vornehmen, den dabei ermittelten Zugriffsschwellwert (S) mit einer Zufallszahl oder einer Pseudo-zufallszahl (R) vergleichen und bekommt das Zugriffsrecht in Abhängigkeit des Vergleichsergebnisses zugeteilt.

3. Das Patent ist in der Fassung nach dem Hauptantrag nicht bestandsfähig, da sein Gegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 4 PatG). Er ergibt sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus seiner Kenntnis des GSM- und des UMTS-Mobilfunksystems, hier repräsentiert durch die technischen Spezifikationen GSM 02.11, GSM 04.08, GSM 04.60

(in den Versionen V6.2.0 und V6.1.0) sowie die Dokumente GSM 138 und UMTS 207/98.

3.1 In einem nach dem GSM-Standard arbeitenden Mobilfunksystem befinden sich die eingeschalteten, aber keine aktive Telefon- oder Datenverbindung bedienenden Teilnehmerstationen in einem als „idle mode“ bezeichneten inaktiven Zustand (vgl. GSM 04.08, Seite 31, Kapitel 2.2, erster Spiegelstrich; Seite 33, Kapitel 3.1.2.1). Dabei empfangen sie von der Basisstation ihrer Funkzelle über einen als BCCH (broadcast control channel) bezeichneten Kanal regelmäßig rundgesendete Systemnachrichten, die sie u. a. darüber informieren, ob und wie sie Zugang zu dem Mobilfunknetz erhalten können (vgl. GSM 04.08, Seite 37, Kapitel 3.2.2.1, Absatz 1: „SYSTEM IMFORMATION TYPE 2 to 4 messages … are regularly broadcast by the network on the BCCH. Based on this information the mobile station is able to decide whether and how it may gain access to the system via the current cell.“). Wenn eine Teilnehmerstation aus dem inaktiven „idle mode“ heraus eine Telefonoder Datenverbindung aufbauen möchte, muss sie der Basisstation diesen Wunsch über einen speziellen, als RACH (random access channel) bezeichneten, unidirektionalen Kanal mitteilen (vgl. GSM 04.08, Seite 24, Punkt iv: „Random Access CHannel (RACH): uplink only, used to request a Dedicated Control CHannel“; Seite 39, Kapitel 3.3.1.1.2, Absatz 1: „… sending on the RACH and leaving idle mode …“; Absatz 2: „… CHANNEL REQUEST messages on the RACH …“). Da diese von den einzelnen Teilnehmerstationen auf dem RACH ausgesendeten Signale zeitlich unkoordiniert (random) sind, kann es zu Überlappungen an der Basisstation kommen, die eine Signalauswertung unmöglich machen. Um solche Überschneidungen zu vermeiden und die dadurch verursachte erneute Aussendung eines Zugriffswunsches einer Teilnehmerstation auf dem RACH zu verhindern, ist im GSM-Standard vorgesehen, die Zugriffsversuche der einzelnen Teilnehmerstationen statistisch unabhängig voneinander zeitlich zu verteilen und die Anzahl der Zugriffsversuche zu begrenzen (vgl. GSM 04.08, Seite 39, Kapitel 3.3.1.1.2, Absatz 2: „… maximally M+1 CHANNEL REQUEST messages on the RACH … number of slots … between initiation of the immediate assignment procedure and the first CHANNEL REQUEST message … is a random value … number of slots … between two successive CHANNEL REQUEST messages … is a random value“).

Trotz dieser Maßnahmen können in besonderen Situationen von den Teilnehmerstationen so viele Signale gleichzeitig auf dem RACH gesendet werden, dass es nahezu keine erfolgreichen Zugriffsversuche mehr gibt. Um das zu verhindern und bestimmten ausgewählten Nutzern wie Polizei und Feuerwehr einen bevorzugten Zugang zu ermöglichen, sind gemäß GSM-Standard die Teilnehmerstationen bestimmten Nutzerklassen zugeordnet. Auf der Zugangsberechtigungskarte (SIMKarte) jeder Teilnehmerstation ist die Zugehörigkeit zu einer von 10 „normalen“ Nutzerklassen abgespeichert. Auf den SIM-Karten der „bevorrechtigten“ Nutzer ist zusätzlich die Zugehörigkeit zu einer oder mehreren von 5 „speziellen“ Nutzerklassen gespeichert (vgl. GSM 04.08, Seite 38, Kapitel 3.3.1.1.1, Absatz 1: „All mobile stations with an inserted SIM are member of one out of 10 access classes numbered 0 to 9. … In addition, mobile stations may be members of one or more out of 5 special access classes“; vgl. GSM 02.11, Seite 9, Kapitel 4.1: „Under certain circumstances, it will be desirable to prevent MS users from making access attempts …or responding to pages in specified areas of a GSM PLMN. Such situations may arise during states of emergency, or where 1 of 2 or more co-located PLMNs has failed.“). Bei einer z. B. krisenbedingten Überlastung des RACHs können Nutzerklassen gesperrt werden, d. h. die entsprechenden Teilnehmerstationen dürfen nicht mehr auf den RACH zugreifen, womit sich die Belastung des RACHs verringert und sich die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Zugriffsversuchs für die nicht-gesperrten Teilnehmerstationen vergrößert. Die Information über die gesperrten und nicht-gesperrten Nutzerklassen ist Teil der regelmäßig über den Rundfunkkanal BCCH von der Basisstation zu allen Teilnehmerstationen gesendeten Signale (vgl. GSM 04.08, Seiten 385, 386, Kapitel 10.5.2.29).

Ob in der Praxis in solchen Krisensituationen die Nutzerklassen 0 bis 9 der „nichtbevorrechtigten“ Nutzer für einen längeren Zeitraum gesperrt bleiben oder ob immer nur ein Teil dieser Klassen für einen kurzen Zeitraum gesperrt wird und die jeweils gesperrten Klassen zyklisch wechseln – wie von den Einsprechenden I und IV anhand eines Fachbuchs (vgl. MOULY, Seite 371, Absatz 2) dargelegt – konnte in der Verhandlung nicht abschließend geklärt werden. Hierauf kommt es aber auch nicht an. Für den Fachmann liegen beide Verfahrensweisen zur Überzeugung des Senats gleichermaßen nahe.

3.2 Im GSM-System sind neben Telefon- nur relativ langsame Datenverbindungen im leitungsvermittelten Modus möglich. Zur Erzielung höherer Datenübertragungsraten wurde der auf dem GSM-Standard aufbauende und mit ihm kompatible GPRS-Dienst (general packet radio service) entwickelt, der eine paketorientierte Datenübertragung ermöglicht. Ein zum GPRS-Dienst gehörendes Dokument ist GSM 04.60 V6.2.0, in dem die vorstehend genannten GSM-Standards 04.08 und 02.11 referenziert werden (vgl. GSM 04.60 V6.2.0, Seite 10, Kapitel 1, Absatz 8; Seite 24, Kapitel 7.1.1, Absatz 2).

GPRS-fähige Teilnehmerstationen können über zwei sich ähnelnde Sätze von Kanälen mit den Basisstationen kommunizieren. Daher gibt es neben dem GSMRundfunkkanal BCCH beim GPRS-Dienst den PBCCH (packet broadcast control channel) und als wahlfreien Zugriffskanal zur Übertragung der Zugriffswünsche der Teilnehmerstationen außer dem RACH den PRACH (packet random access channel) (vgl. GSM 04.60 V6.2.0, Seiten 10, 11, Abschnitt „Use of logical channels“). Sollte in einer GSM-Funkzelle der GPRS-Dienst nicht verfügbar sein, so empfangen die Teilnehmerstationen die notwendigen Systeminformationen über den BCCH (vgl. GSM 04.60 V6.2.0, Seite 18, Kapitel 5.5.1.3).

Das Verfahren zur Vergabe von Zugriffsrechten auf den PRACH des GPRSDienstes sieht neben der im Zusammenhang mit GSM geschilderten zeitlichen Verteilung der Zugriffsversuche und der Begrenzung ihrer Anzahl (vgl. GSM 04.60 V6.2.0, Seiten 24 und 25, Kapitel 7.1.2.1.1: Parameter M, T und S), sowie dem Sperren bestimmter Nutzerklassen (vgl. GSM 04.60 V6.2.0, Seite 24, Kapitel 7.1.1) einen zusätzlichen Mechanismus zur Beschränkung der Zugriffsversuche der Teilnehmerstationen vor. Diese dürfen nur dann einen Zugriffsversuch starten, wenn der Vergleich zwischen einem „gezogenen“ (i. S. v. „erwürfelten“) Zufallswert und einem über den PBCCH übermittelten Zugriffsschwellwert positiv ausgegangen ist. Diese weitere Zugriffsbeschränkung auf den PRACH stellt eine Art „Lotterieverfahren“ dar. Dabei gehören die über den PRACH gesendeten Anforderungsnachrichten für eine paketorientierte Datenübertragung einer von vier möglichen Prioritätsstufen („radio priority“) an; für jede Prioritätsstufe gilt ein eigener variabler Zugriffsschwellwert (vgl. GSM 04.60 V6.2.0, Seiten 24, 25, Parameter „PERSISTANCE_LEVEL, which consists of the PERSISTENCE_LEVEL P(i) for each radio priority i (i = 1, 2, 3, 4)“). Dadurch können über den PRACH wichtige oder bevorrechtigte Datenverbindungen im statistischen Mittel schneller angefordert werden als solche, die eine niedrigere Priorität haben.

In der Vorgängerversion GSM 04.60 V6.1.0 ist als Alternative zu dem Lotterieverfahren mit den vier prioritätsstufenabhängigen Zugriffsschwellwerten P(i) ein weiteres Zugriffsbeschränkungsverfahren beschrieben, bei dem mit Hilfe eines über den PBCCH gesendeten drei Bits umfassenden sogenannten „PRIORITY_ACCESS_THR“-Wertes festgelegt wird, für welche der vier Prioritätsklassen („priority class“) ein Zugriff auf den PRACH erlaubt ist und für welche nicht (vgl. GSM 04.60 V6.1.0, Seite 24, Absatz 2; Seite 24, Kapitel 7.1.2.1, letzter Absatz; Seiten 24, 25, Kapitel 7.1.2.1.1 und 7.1.2.1.2; Seiten 130 bis 132, Kapitel 12.14). In GSM 04.60 V6.1.0 bestimmt das Netz, ob diese prioritätsklassenabhängige Sperrung bzw. Freigabe oder das Lotterieverfahren mit den verschiedenen prioritätsstufenabhängigen Zugriffsschwellwerten verwendet wird (vgl. GSM 04.60 V6.1.0, Seite 24, Kapitel 7.1.2.1, letzter Absatz).

Im GPRS-Dienst wird somit die Anzahl der Zugriffsversuche auf den PRACH über die prioritätsstufenabhängigen Zugriffsschwellwerte eines Lotterieverfahrens (GSM 04.60 V6.2.0 und GSM 04.60 V6.1.0) bzw. über das Sperren von Datenpaketen bestimmter Prioritätsklassen (nur GSM 04.60 V6.1.0) gesteuert.

Diese zusätzlichen Zugriffsbeschränkungsverfahren sind für den GPRS-Dienst erforderlich, weil im Vergleich zu GSM (ohne GPRS) mit einer wesentlich größeren Anzahl von über den PRACH aufzubauenden Datenverbindungen zu rechnen ist. Dabei ist noch zu berücksichtigen, dass bei GPRS für den Aufbau einer Telefonverbindung bzw. einer leitungsvermittelten Datenverbindung der wahlfreie Zugriffskanal RACH verwendet wird, der durch die zusätzliche GPRS-Funktionalität nicht stärker belastet ist und für den die im Zusammenhang mit dem GSM-System genannten Zugriffsbeschränkungsverfahren – insbesondere in Notsituationen – zur Verfügung stehen.

Der Fachmann wird beide Versionen des Standards GSM 04.60 gemeinsam in Betracht ziehen. Insoweit verweist der Senat auf die Erwägungen in dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. Oktober 2014 – X ZR 35/11, GRUR 2015, 159 – Zugriffsrechte vom 14. Oktober 2014 (insbesondere Rdn. 89, 90, 103, 104), mit dem das europäische Patent 1 186 189, das die Priorität des streitgegenständlichen Patents in Anspruch genommen hat, für nichtig erklärt wurde.

3.3 Anders stellt sich die Lage bei UMTS dar. Dieses auf die GSM-Mobilfunksysteme der zweiten Generation (GSM: 2G; GPRS: 2.5G) folgende Mobifunksystem zählt zu der dritten Generation (3G) und ermöglicht Datenverbindungen mit deutlich höheren Datenübertragungsraten. Die UMTS-Netze wurden zwar erst ab dem Jahr 2001 in Betrieb genommen, die dazu vorbereitenden Standardisierungsarbeiten auf Expertenebene im Rahmen der ETSI waren jedoch am Anmeldetag weitgehend abgeschlossen.

Bei UMTS gibt es wieder, wie bei GSM, nur einen einzigen wahlfreien Zugriffskanal, den RACH (vgl. die Dokumente UMTS 207/98 und UMTS 468/98), obwohl über ihn drei verschiedene Teilnehmerdienste angefordert bzw. abgewickelt werden müssen: Die direkte Übertragung einer geringen Datenmenge, die Anforderung eines Kanals für eine Datenverbindung zur Übertragung größerer Datenmengen und der Aufbau einer Telefonverbindung (vgl. UMTS 207/98, Seite 1, Tabelle 1: „packet data transmission on the RACH, capacity requests for packet transfer on dedicated channels on the RACH“; Seite 2, Kapitel III, letzter Satz: „basic circuit switched services like speech“; vgl. UMTS 468/98, den die Seiten 12 und 13 übergreifender Absatz).

Hierdurch und durch die steigende Teilnehmerzahl pro Funkzelle ergibt sich eine hohe Belastung des RACHs auch ohne Krisensituationen bereits im Normalbetrieb und daraus resultierend die Aufgabe, eine Überlastung des RACHs im Normalbetrieb zu verhindern. (vgl. UMTS 207/98, Seite 1, Kapitel I, Abs. 3: „in high traffic situations with far more than 80 mobile stations served by one base station and more frequent packet transmissions the delay for conveying reservation requests can become very (too) high. Therefore means to prevent RACH overload caused by too many access attempts either for packet transmission of for resource requests are needed in UMTS“).

3.4 Bei der Entwicklung eines Verfahrens zur Vergabe von Zugriffsrechten auf den RACH in UMTS knüpft der Fachmann bevorzugt an die Verfahrensweise bei den bestehenden GSM- bzw. insbesondere GPRS-Mobilfunksystemen an. Denn wie vorstehend dargelegt, lehrt das zum GPRS-Dienst gehörende Standarddokument GSM 04.60 V6.2.0 mit dem prioritätsstufenabhängigen Lotterieverfahren bereits eine Reduzierung der Anzahl der Zugriffsversuche auf einen relativ stark belasteten wahlfreien Zugriffskanal, den PRACH.

Das Dokument GSM 04.60 V6.2.0 offenbart – ausgedrückt in den Worten des Anspruchs 1 nach Hauptantrag – ein

1a Verfahren zur Vergabe von Zugriffsrechten (vgl. Titel: „Medium Access Control … protocol“) auf einen von mehreren Teilnehmerstationen (mobile stations) gemeinsam nutzbaren Telekommunikationskanal (vgl. Seite 9, letzter Spiegelstrich: „PRACH“) eines Telekommunikationsnetzes (vgl. Titel: „GPRS“) an mindestens eine Teilnehmerstation (mobile station) des Telekommunikationsnetzes (GPRS), (vgl. Seite 23, Kapitel 7.1; Seite 14: „For the mobile station originating access, the MAC function provides the procedures, including the contention resolution procedures, for the arbitration between multiple mobile stations simultaneously attempting to access the shared transmission medium.“)

1b wobei Informationssignale (vgl. Seite 17: „System information on PBCCH“; Seite 147, Kapitel 12.14: „PRACH Control Parameters“) an die mindestens eine Teilnehmerstation (mobile station) übertragen werden, (vgl. Seite 17, letzter Absatz: „the mobile station shall read system information on PBCCH.“)

1c wobei für die Teilnehmerstationen (mobile stations) auf ihrer Zugangsberechtigungskarte (SIM) die Zugehörigkeit zu einer Nutzerklasse (access class) gespeichert ist, (vgl. Seite 24, Kapitel 7.1.1, Absatz 2 mit Querverweis auf GSM 02.11; dort Seite 9, Kapitel 4.2: „All MSs are members of one out of ten randomly allocated mobile populations, defined as Access Classes 0 to 9. The population number is stored in the SIM. In addition, mobiles may be members of one or more out of 5 special categories (Access Classes 11 to 15), also held in the SIM.“)

1d mit den Informationssignalen (System information on PBCCH; PRACH Control Parameters) Zugriffsberechtigungsdaten

(RANDOM_ACCESS_RETRY,

ACC_CONTR_CLASS,

MAX_RETRANS, S, TX_INT; PERSISTENCE_LEVEL) zur mindestens einen Teilnehmerstation (mobile station) übertragen werden,

(vgl. Seite 19, Kapitel 5.5.2.1, Absatz 2: „PACKET SYSTEM INFORMATION TYPE 1 to 3 messages, and optionally 3 bis,

4, 5, 5 bis and 6 and further types are regularly broadcast by the network on the PBCCH. Based on this information the mobile station is able to decide whether and how it may gain access to the system via the current cell.“; vgl. Seite 24,

Kapitel 7.1.1: „The network broadcasts on PBCCH and PCCCH, the list of authorised access classes and authorised special access classes in the ACC_CONTR_CLASS parameter.“; vgl. Seite 24, Kapitel 7.1.2.1.1, Absatz 3: „The PRACH Control Parameters IE contains the access persistence control parameters and shall be broadcast on PBCCH and PCCCH“; vgl. Seite 147, Tabelle 85: „PRACH Control Parameters Information elements.“)

(i) wobei die Zugriffsberechtigungsdaten

(RANDOM_ACCESS_RETRY,

ACC_CONTR_CLASS,

MAX_RETRANS, S, TX_INT; PERSISTENCE_LEVEL) als Bitmuster ausgeführt sind

(vgl. Seite 147, Tabelle 85)

(ii) und Zugriffsschwellwertbits (PERSISTENCE_LEVEL) für einen Zugriffsschwellwert (P(i))

(vgl. Seite 24, letzter Absatz: „PERSISTENCE_LEVEL,

which consists of the PERSISTENCE_LEVEL P(i) for each radio priority i (i = 1, 2, 3, 4); where P(i)  {0, 1,

...14, 16}; vgl. Seite 147, Tabelle 85:

„{L | H < PERSISTENCE_LEVEL : bit(4) > 4}“)

und Zugriffsklassenbits (ACC_CONTR_CLASS parameter),

die für die Nutzerklassen (access classes; special access classes) der mehreren Teilnehmerstationen (mobile stations)

stehen, enthalten (vgl. Seite 24, Kapitel 7.1.1: „The network broadcasts on PBCCH and PCCCH, the list of authorised access classes and authorised special access classes in the ACC_CONTR_CLASS parameter.“; vgl. Seite 147, Tabelle 85: „<ACC_CONTR_CLASS : bit(16)>“)

1e bei Empfang der Zugriffsberechtigungsdaten

(RANDOM_ACCESS_RETRY,

ACC_CONTR_CLASS,

MAX_RETRANS, S, TX_INT; PERSISTENCE_LEVEL) in einer Auswerteeinheit der mindestens einen Teilnehmerstation (mobile station) anhand der Zugriffsklassenbits (ACC_CONTR_CLASS parameter) eine Prüfung erfolgt, (vgl. Seite 24, Kapitel 7.1.1, Absatz 2: „Access to the network is allowed if the mobile station is a member of at least one authorised access class or special access class as defined in GSM 02.11.“; vgl. Seite 149, Tabelle 84, letzter Eintrag ACC_CONTR_CLASS: „For a mobile station with Access Control Class = N access is not barred if the Access Control Class N bit is coded with a „0“; N = 0, 1, …, 9, 11, ..., 15.“)

wobei

(ii) Teilnehmerstationen (mobile stations), die einer Nutzerklasse angehören, deren zugeordnetes Zugriffsklassenbit einen zweiten Wert („0“) hat, zur Ermittlung ihrer Zugriffsberechtigung auf den Telekommunikationskanal (PRACH) eine Zugriffsschwellwertauswertung durchführen müssen, derart,

dass der Zugriffsschwellwert (P(i)) mit einer Zufallszahl (R)

oder einer Pseudo-Zufallszahl verglichen wird, und das Zugriffsrecht auf einen Telekommunikationskanal (PRACH) der mindestens einen Teilnehmerstation (mobile station) in Abhängigkeit des Vergleichsergebnisses zugeteilt wird. (vgl. Seite 25, Absatz 1, Satz 2: „For each attempt, the mobile station shall draw a random value R with uniform probability distribution in the set {0, 1, ..., 15}. The mobile station is allowed to transmit a PACKET CHANNEL REQUEST message if P(i), where i is the radio priority of the TBF being established, is less or equal to R.“)

Als Unterschied des Verfahrens gemäß Anspruch 1 nach Hauptantrag gegenüber dem Verfahren zur Vergabe von Zugriffsrechten auf den PRACH gemäß GSM 04.60 V6.2.0 verbleibt somit lediglich das Merkmal 1e(i),

dass Teilnehmerstationen (mobile stations), die einer Nutzerklasse angehören, für die das zugehörige Zugriffsklassenbit einen ersten Wert („1“) hat, unabhängig vom Zugriffsschwellwert (PERSISTENCE_LEVEL) auf den Telekommunikationskanal zugreifen können.

Gemäß dem bekannten Verfahren wird nämlich die Eingruppierung der Teilnehmerstationen in Nutzerklassen nur in Notfällen genutzt, um den Großteil der Nutzer zumindest zeitweise zu sperren (vgl. Seite 149, Tabelle 84, letzter Eintrag ACC_CONTR_CLASS: „For a mobile station with Access Control Class = N access is not barred if the Access Control Class N bit is coded with a „0“; N = 0, 1, …, 9, 11, ..., 15.“; d.h. wenn das entsprechende Zugriffsklassenbit den Wert „1“ hat, ist der Zugriff gesperrt („barred“ = ausgeschlossen, versperrt, blockiert)) und nur bevorrechtigen Nutzern ist Zugriff auf den PRACH möglich. Im „Normalfall“ (= keine Notsituation) ist keinem Nutzer aufgrund seiner Nutzerklasse der Zugriff gesperrt. Jedoch müssen sich stets alle über ihre Nutzerklasse nicht-gesperrten Nutzer, also auch die bevorrechtigten Nutzer in Notsituationen, für einen PRACHZugriff dem Lotterieverfahren unterziehen.

Dem Anhang 5 (annex 5) von GSM 138 entnimmt der Fachmann hierzu, dass bei steigender Auslastung des wahlfreien Zugriffskanals neben dem Absenken der Rate, mit der die Teilnehmerstationen Zugriffsversuche starten dürfen, bis zum vollständigen Aussperren bestimmter Nutzergruppen auch das Einräumen einer „sofortigen“ Zugriffserlaubnis für spezielle Nutzergruppen angedacht ist, vgl. GSM 138, Annex 5:

„To prevent this overload, there is a need to control the number of access attempts per time Unit. This is done globally by signaling to able MSs to lower the retransmission rate for initial access. This rate may be lowered to a certain threshold beyond which the quality of service is reduced to an unacceptable level. If this rate is reached there is no alternative but to exclude certain groups of users. On the other hand it might be necessary to allow 'immediate' access to special groups of users. The first measure may be taken when one of two PLMNs in a country suffers a major failure and all subscribers try to access the remaining system. In this case one might want to block the access of all roaming subscribers. The second possibility occurs in emergency cases where 'every' subscriber wants to access the system and the overload prevents emergency services (which may be in a closed user group) to access the system.“

Bereits den einleitenden Formulierungen „The first measure may be taken …“ und „The second possibility occurs …“ (Unterstreichungen hinzugefügt) entnimmt der Fachmann, dass es sich bei dem Aussperren bestimmter Nutzergruppen einerseits und dem Erlauben eines „sofortigen“ Zugriffs („‘immediate‘ access“) für spezielle Nutzergruppen andererseits um zwei voneinander unabhängige Maßnahmen handelt, das Verhalten des Mobilfunksystems in Ausnahmesituationen zu regeln.

Zudem weisen die beiden beschriebenen Beispielszenarien keine Übereinstimmungen oder Zusammenhänge auf:

- In dem vollständigen Ausschluss der nicht zum Heimatnetzwerk gehörenden Teilnehmer bei Totalausfall eines Mobilfunknetzes („to block access of all roaming subscribers“) sieht der Fachmann eine wirkungsvolle Maßnahme zum Schutz der Heimatnetzwerkteilnehmer, um ihnen trotz des Ausfalls des fremden Mobilfunknetzes ihre Zugriffschancen ungeschmälert zu bewahren. Eine Überlastung des Kanals CCCH wird so in den Funkzellen des Heimatnetzwerkes sicher vermieden. - Notfälle dagegen unterscheiden sich in ihren Auswirkungen auf das Mobilfunknetz deutlich von einem Netzausfall. Bei einem Notfall kommt es zu einem starken Anstieg der Zugriffswünsche nahezu aller Teilnehmer in einer Mobilfunkzelle, so dass ohne Gegenmaßnahmen auch die sich in diesem Bereich befindlichen bzw. eintreffenden Rettungsdienste eine immer geringere Zugriffswahrscheinlichkeit hätten („in emergency cases where ‚every‘ subscriber wants to access the system and the overload prevents emergency services … to access the system“).

Beim Eintritt eines Notfalls schlägt das Dokument GSM 138 also vor, bestimmten Nutzergruppen – insbesondere Rettungsdiensten – einen „sofortigen“ Zugriff zu erlauben. Ob dies durch eine zusätzliche Maßnahme oder durch Aussperren der anderen Nutzergruppen erreicht werden soll, ist in diesem Dokument nicht angegeben. Ebenso bleibt offen, wie das eine und/oder das andere technisch umgesetzt werden soll.

Die von der Patentinhaberin vertretene Auffassung, der Anhang 5 des Dokuments GSM 138 beträfe ausschließlich den Notfall und offenbare dafür ausschließlich das Aussperren bestimmter Nutzergruppen, so dass sich der sofortige Zugriff für die speziellen Nutzergruppen automatisch ergebe, lässt sich jedoch aus dieser Druckschrift nicht ableiten.

Für ein einschränkendes Verständnis des Anhangs 5 des Dokuments GSM 138 anhand der späteren Spezifikation GSM 02.11, Seite 9, auf die die Patentinhaberin zur Stützung ihrer Sichtweise Bezug genommen hat, gibt es nach Überzeugung des Senats keine zwingenden Anhaltspunkte.

Auch das Dokument WP1 168/87 kann die Sichtweise der Patentinhaberin nicht unterstützen, denn dort wird ausgeführt, dass die in GSM 138 (dort als WP1 160/87 bezeichnet) gemachten Vorschläge gerade nicht Eingang in die Spezifikation GSM 02.11 gefunden haben. Stattdessen wurde lediglich das Aussperren von Nutzerklassen gemäß WP1 146/87 übernommen, vgl. WP1 168/87, Seite 7, Kapitel 5.5, Absatz 2:

„Doc. WP1 146/87 dealt with prevention of access attempt to a GSM PLMN. The document proposed it should be possible to barr classes of subscribers in for example emergency situations. The proposal was accepted by WP1 with some amendments and will be included into Rec. 02.11 under a new heading "Access control". Doc. WP1 160/87 from L1EG was dealing with the same issue but WP1 considered that Doc. WP1 146/87 covered the whole context. WP2, WP3, L1EG and PN/OMG now should take note of in GSM 02.11 (see Annex 13).“

Im Übrigen beachtet der Fachmann Überlegungen aus der Anfangsphase der Definition eines technischen Standards auch dann, wenn diese nicht oder nur teilweise Eingang in die entsprechenden Spezifikationen gefunden haben.

Nach alledem veranlasst der Anhang 5 zu GSM 138 den Fachmann, das durch GSM 04.60 V6.2.0 festgelegte „access class barring“, d. h. das vollständige Aussperren nicht privilegierter Nutzerguppen zumindest in Frage zu stellen und stattdessen unter Umgehung des „Lotterieverfahrens“, das den belastungsabhängigen Regelzugang darstellt, einen direkten Zugang für bevorrechtigte Nutzergruppen zu ermöglichen.

Dazu kommt, dass sich Nutzern, die zu einer nicht bevorrechtigten Nutzergruppe gehören, zunehmend schwer vermitteln lässt, dass ihnen gerade in Not- und Krisensituationen der Zugang zu den Kommunikationsnetzen verwehrt werden soll.

Daher stellt sich in der Praxis unter Berücksichtigung der Festlegung, dass bei UMTS nur ein einziger gemeinsam nutzbarer wahlfreier Zugriffskanal, nämlich der RACH, bei dessen gleichzeitig verstärkter Nutzung, zur Verfügung steht, die Aufgabe von selbst, einerseits Not- und Rettungsdiensten einen unmittelbaren Zugang auf den RACH zu ermöglichen, aber andererseits die anderen Nutzer zumindest dem Anschein nach, nie gänzlich zu sperren, sondern deren Zugangsberechtigung durch geeignete Maßnahmen zu regulieren.

Es liegt im Rahmen des selbstverständlichen Handelns des Fachmanns, dass er bevorzugt die ihm hierzu vertrauten Methoden zum Einsatz bringt, also die Verwendung der Zugriffsklassenbits und das Zugriffslotterieverfahren.

Zu dieser Vorgehensweise gibt es weder die von der Patentabteilung in ihrer Beschlussbegründung angenommene Möglichkeit, „alternative bzw. dedizierte Telekommunikationskanäle“ für spezielle Nutzergruppen vorzusehen, da sich die Standardisierungsgremien für UMTS auf die Verwendung eines einzigen Kanals verständigt hatten, noch geht dabei die Option der generellen Zugriffsverwehrung verloren, da es dem Netzbetreiber unbenommen ist, den Schwellwert im Lotterieverfahren so zu setzen, dass die Zugriffswahrscheinlichkeit für die nicht-bevorrechtigten Nutzer auf null reduziert wird und somit diese Nutzer den RACH nicht mit Zugriffsversuchen belasten Somit gelangt der Fachmann ausgehend von GSM 04.60 V6.2.0 bei Berücksichtigung der Randbedingungen für den UMTS-Standard in naheliegender Weise zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag durch Erfüllung der in GSM 138, einschließlich dessen Anhang 5, formulierten Anforderungen.

4. Für die Teilnehmerstation nach Anspruch 6 des Hauptantrags vom 3. Februar 2014 und für das Verfahren zum Betrieb eines als Mobilfunknetz ausgebildeten Telekommunikationsnetzes nach Anspruch 9 des Hauptantrags vom 3. Februar 2014 gilt nichts anderes als für das Verfahren nach Anspruch 1.

5. Die Gegenstände der Ansprüche 1, 6 und 9 nach Hilfsantrag 1 vom 3. Februar 2014 beruhen gleichfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG).

Die in den Merkmalen 9e(ii)HA1 und 9fHA1 genannten Zugriffsklassenbits sind fachüblich und werden dementsprechend in den Dokumenten GSM 02.11, GSM 04.08, GSM 04.60 und UMTS 207/98 verwendet. Selbstverständlich wird den Teilnehmerstationen mit ihrer Hilfe mitgeteilt, in welcher Weise der Zugriff auf den gemeinsam nutzbaren Telekommunikationskanal erlaubt ist (vgl. GSM 04.08, Seite 386, Tabelle 10.48; GSM 04.60 V6.2.0, Seite 149, Tabelle 86; UMTS 207/98, Seite 1, Tabelle 1).

6. Die Gegenstände der Ansprüche 1, 5 und 7 nach Hilfsantrag 2 vom 3. Februar 2014 beruhen ebenso nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG).

Die Konkretisierung des ersten bzw. zweiten Wertes auf die üblichen Werte eines Bits, nämlich „0“ bzw. „1“ ist in den Dokumenten GSM 04.08, GSM 04.60 und UMTS 207/98 genannt bzw. nahegelegt (vgl. GSM 04.08, Seite 386, Tabelle 10.48; GSM 04.60 V6.2.0, Seite 149, Tabelle 86; UMTS 207/98, Seite 1, Tabelle 1). Die spezielle Zuordnung einer „0“ oder „1“ zu einer bestimmten Bedingung hat keine technische Wirkung und liegt daher im Belieben des Fachmanns.

7. Da der Hilfsantrag 3 vom 3. Februar 2014 die Änderungen gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 kombiniert, wird auf die dortigen Ausführungen verwiesen, die hier entsprechend gelten. Eine besondere Wirkung, die aus dem gemeinsamen Vorsehen der in den Hilfsanträgen 1 und 2 vorgesehenen abgewandelten Merkmalen resultieren würde, ist nicht ersichtlich und auch nicht geltend gemacht worden.

8. Nachdem die Patentinhaberin ihr Patent ausschließlich in der Fassung vollständiger Anspruchssätze gemäß dem Hauptantrag und gemäß den Hilfsanträge 1 bis 3 verteidigt hat und sich keiner der unabhängigen Ansprüche als patentfähig erwiesen hat, war den Beschwerden der Einsprechenden stattzugeben und das angegriffene Patent insgesamt zu widerrufen (BGH, Beschluss vom 27. Februar 2008 – X ZB 10/07, GRUR-RR 2008, 456 – Installiereinrichtung, Rdn. 22).

9. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sah der Senat keine Veranlassung. Weder war eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (§ 100 Abs. 2 Nr. 1 und 2 PatG). Die Entscheidung des Senats beruht vielmehr auf der Subsumption des konkret vorliegenden Sachverhalts unter das Recht auf der Grundlage gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung. Über den Einzelfall hinausgehende entscheidungserhebliche Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung waren nicht zu entscheiden. Auch ist nicht zu ersehen, dass in einer entschei- dungserheblichen Rechtsfrage von einer Entscheidung eines anderen Senats des Bundespatentgerichts, eines Oberlandesgerichts oder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs abgewichen worden ist. Insbesondere befindet sich die Entscheidung des Senats hinsichtlich der zu beurteilenden Rechtsfragen im Einklang mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. Oktober 2014 in der Patentnichtigkeitssache X ZR 35/11 betreffend das europäische Patent 1 186 189. Im Übrigen sind die vom Senat getroffenen Tatsachenfeststellungen nicht im Rahmen einer Rechtsbeschwerde nachprüfbar.

Es bleibt darauf hinzuweisen, dass der nach Verkündung des Beschlusses am 12. April 2016 per Fax am 22. April 2016 eingegangene Antrag der Patentinhaberin vom selben Tag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde keine Berücksichtigung finden kann.

Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den an dem Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Abs. 2, § 100 Abs. 1, § 101 Abs. 1 PatG).

Nachdem der Beschwerdesenat in dem Beschluss die Einlegung der Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn einer der nachfolgenden Verfahrensmängel durch substanziierten Vortrag gerügt wird (§ 100 Abs. 3 PatG):

1. Das beschließende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt. 2. Bei dem Beschluss hat ein Richter mitgewirkt, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war. 3. Einem Beteiligten war das rechtliche Gehör versagt. 4. Ein Beteiligter war im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat.

5. Der Beschluss ist aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind.

6. Der Beschluss ist nicht mit Gründen versehen.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, schriftlich einzulegen (§ 102 Abs. 1 PatG).

Die Rechtsbeschwerde kann auch als elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen ist, durch Übertragung in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes eingelegt werden (§ 125a Abs. 3 Nr. 1 PatG i. V. m. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 2a, Anlage (zu § 1) Nr. 6 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV)). Die elektronische Poststelle ist über die auf der Internetseite des Bundesgerichtshofes www.bundesgerichtshof.de/erv.html bezeichneten Kommunikationswege erreichbar (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGH/BPatGERVV). Dort sind auch die Einzelheiten zu den Betriebsvoraussetzungen bekanntgegeben (§ 3 BGH/BPatGERVV).

Die Rechtsbeschwerde muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten des Rechtsbeschwerdeführers eingelegt werden (§ 102 Abs. 5 Satz 1 PatG).

Kleinschmidt Kirschneck J. Müller Matter Hu

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Paragraphen in 19 W (pat) 69/13

Sortiert nach der Häufigkeit
Häufigkeit Paragraph
4 4 PatG
3 100 PatG
2 102 PatG
1 2 PatG
1 3 PatG
1 21 PatG
1 59 PatG
1 73 PatG
1 99 PatG
1 101 PatG
1 125 PatG
1 6 PatKostG

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Sortiert nach dem Alphabet
Häufigkeit Paragraph
1 2 PatG
1 3 PatG
4 4 PatG
1 21 PatG
1 59 PatG
1 73 PatG
1 99 PatG
3 100 PatG
1 101 PatG
2 102 PatG
1 125 PatG
1 6 PatKostG

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