• Suche
  • Impressum

caselaw.de²

  • caselaw.de²

  • Suche
  • Impressum

  • Suche
  • Filter
  • Ergebnis
  • Entscheidung
Entscheidung
Paragraphen
Original
Teilen

7 Ni 31/14

BUNDESPATENTGERICHT Ni 31/14 (Aktenzeichen)

…

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Verkündet am

6. November 2014 …

In der Patentnichtigkeitssache BPatG 253 08.05 betreffend das deutsche Patent 10 2004 015 694 hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 6. November 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Rauch, der Richterin Püschel und der Richter Dipl.-Ing. Hildebrandt, Dr.-Ing. Großmann und Dipl.-Ing. Univ. Richter für Recht erkannt:

1. Das deutsche Patent 10 2004 015 694 wird für nichtig erklärt.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 10 2004 015 694 (Streitpatent), das auf eine Anmeldung vom 29. März 2004 zurückgeht. Das Patent ist bezeichnet mit „Verbundmatte“ und umfasst neun Ansprüche, die alle mit der vorliegenden Klage angegriffen werden. Anspruch 1 und die darauf rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 5 stellen eine Verbundmatte, Anspruch 6 ein Verfahren zur Herstellung einer Verbundmatte nach einem der Ansprüche 1 bis 5, Anspruch 7 einen Verbund aus einer Verbundmatte nach Ansprüchen 1 bis 5 und Beton, Anspruch 8 ein Verfahren zur Herstellung eines Verbundes nach Anspruch 7 und Anspruch 9 die Verwendung einer Verbundmatte gemäß einem der Ansprüche 1 bis 5 unter Schutz.

Die nebengeordneten Patentansprüche 1, 6, 7, 8 und 9 haben folgenden Wortlaut:

1. Verbundmatte (1) zur Verschalung von Betonwänden, wobei die Verbundmatte (1) aus zwei miteinander verbundenen Schichten besteht, nämlich einer Oberschicht (3) aus Gewebematerial (4), in das schlingenförmig gelegte Kunststoffdrähte oder –fäden (5) eingearbeitet sind, die aus der sichtbaren Oberfläche des Flechtgewebes herausragen, und aus einer Unterschicht (2) aus einem elastischen Kunststoff zum Schutz von Oberflächen gegenüber aggressiven Fluiden, wobei die Unterschicht (2) eine glatte, geschlossenflächige, gegenüber Angriffsmedien, insbesondere Wasser, undurchlässige Oberfläche aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die Oberschicht (3) aus Gewebematerial (4) und Schlingen (5) und die Unterschicht (2) jeweils aus Polypropylen bestehen, die durch ein Heißverbundverfahren innig miteinander verbunden sind, wodurch die Verbundmatte (1) gasundurchlässig ist.

6. Verfahren zur Herstellung einer Verbundmatte (1) zur Verschalung von Betonwänden nach einem der Ansprüche 1 bis 5, wobei die mit schlingenförmig gelegten Polypropylendrähten oder –fäden (5) versehene Polypropylen-Oberschicht (3) mit einer aus Polypropylen bestehenden Unterschicht (2) vollflächig miteinander verbunden ist und wobei die Verbindung zwischen Oberschicht (3) und Unterschicht (2) im Heißverbundverfahren erfolgt, wobei die noch warme zähe Folie der Unterschicht (2) unmittelbar nach der Extrusion auf das Gewebematerial (4) der Oberschicht (3) aufgebracht und in das Gewebematerial (4) eingebracht wird.

7. Verbund bestehend aus einer Verbundmatte (1) gemäß einem der Ansprüche 1 bis 5 und Beton (7), indem der Verbund zwischen dem Beton (7) und den schlingenförmigen Polypropylendrähten oder –fäden (5) der Oberschicht (3) hergestellt wird, dadurch gekennzeichnet, dass die geschlossene, wasserundurchlässige Unterschicht (2) zum Schutz des Beton (7) vor aggressiven Angriffsmedien nach außen weist.

8. Verfahren zur Herstellung eines Verbundes gemäß Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, dass eine Verbundmatte (1) gemäß einem der Ansprüche 1 bis 5 verwendet wird, wobei beim Verschalen der Beton (7) in die schlingenförmigen Polypropylendrähte oder –fäden (5) der Oberschicht (3) eindringt, wodurch nach Erhärten des Betons (7) ein sicherer Verbund zwischen Verbundmatte (1) und Beton (7) hergestellt wird, so dass die Unterschicht (2) nach außen weist und den Beton gegenüber aggressiven Angriffsmedien schützt.

9. Verwendung einer Verbundmatte (1) gemäß einem der Ansprüche 1 bis 5 zum Schutz von Betonwänden (9) gegenüber austretenden flüssigen und gasförmigen Angriffsmedien, UV und/oder mechanischen und witterungsbedingten Beanspruchungen in der Agrartechnik.

Wegen des Wortlauts der Unteransprüche 2 bis 5 wird auf die Streitpatentschrift DE 10 2004 015 694 B4 Bezug genommen.

Die Klägerin macht den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend (§ 22 Abs. 1 PatG i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG). Sie beruft sich hierfür u. a. auf folgenden Stand der Technik:

K2 EP 0 288 393 A1 K3 DE 102 19 459 A1 K4 DE 692 08 479 T2 (= Übersetzung der EP 0 617 659 B1)

Die Klägerin beantragt,

das deutsche Patent 10 2004 015 694 in vollem Umfang für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage insgesamt abzuweisen, hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen die Patentansprüche in der Fassung der mit Schriftsatz vom 19. September 2014 (Bl. 103 ff. d. A.) eingereichten, in der Reihenfolge ihrer Nummerierung gestellten Hilfsanträge 1 bis 15 richtet.

In der Fassung der Hilfsanträge soll der Gegenstand des Anspruchs 1 zusätzliche, den erteilten Unteransprüchen entnommene Merkmale aufweisen. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Merkmalskombinationen:

Hilfsantrag 1: Hilfsantrag 2: Hilfsantrag 3: Hilfsantrag 4: Hilfsantrag 5: Hilfsantrag 6: Hilfsantrag 7: Hilfsantrag 8: Hilfsantrag 9: Hilfsantrag 10: Hilfsantrag 11: Hilfsantrag 12: Hilfsantrag 13:

Merkmale der erteilten Ansprüche 1 und 3 Merkmale der erteilten Ansprüche 1, 2 und 3 Merkmale der erteilten Ansprüche 1, 3 und 4 Merkmale der erteilten Ansprüche 1, 2, 3 und 4 Merkmale der erteilten Ansprüche 1 und 2 Merkmale der erteilten Ansprüche 1 und 4 Merkmale der erteilten Ansprüche 1, 2 und 4 Merkmale der erteilten Ansprüche 1 und 5 Merkmale der erteilten Ansprüche 1, 2 und 5 Merkmale der erteilten Ansprüche 1, 3 und 5 Merkmale der erteilten Ansprüche 1, 4 und 5 Merkmale der erteilten Ansprüche 1, 2, 3 und 5 Merkmale der erteilten Ansprüche 1, 2, 4 und 5 Hilfsantrag 14: Hilfsantrag 15:

Merkmale der erteilten Ansprüche 1, 3, 4 und 5 Merkmale der erteilten Ansprüche 1, 2, 3, 4 und 5 Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber der K2 nicht neu ist, jedenfalls aber die Gegenstände der nebengeordneten Ansprüche 1 und 6 bis 9 dem Fachmann durch eine Zusammenschau der Schriften K2 mit K3 oder K4 nahegelegt seien. Die zusätzlichen Merkmale der Unteransprüche 2 bis 5 seien ebenfalls aus dem Stand der Technik bekannt oder bewegten sich im üblichen fachnotorischen Wertebereich.

Die Beklagte tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen und hält den Gegenstand des Streitpatents gegenüber dem Stand der Technik für patentfähig, zumindest in einer der hilfsweise verteidigten Fassungen.

Der Senat hat den Parteien mit Schreiben vom 28. Juli 2014 einen frühen Hinweis gemäß § 83 Abs. 1 PatG übersandt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere auf die Schriftsätze der Parteien mit sämtlichen Anlagen, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe Die zulässige Klage, mit der der in § 22 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG vorgesehene Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht wird, ist begründet. Der Gegenstand des Streitpatents ergibt sich sowohl in seiner erteilten Fassung als auch in den mit den Hilfsanträgen 1 bis 15 verteidigten Fassungen in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

I.

1. Die patentierte Erfindung betrifft eine Verbundmatte aus Kunststoffmaterial zur Anwendung bei der Verschalung von Betonwänden (Streitpatentschrift Absatz 1). Unter anderem in der Agrartechnik stelle sich das Problem der Abdichtung von aus Beton gegossenen Gebäude-, Stallungs- oder Silo- und Güllewänden gegenüber austretenden Gasen, Dämpfen oder Flüssigkeiten, welche die aus Beton gefertigten Wandungen angriffen. Insbesondere organische Medien, wie beispielsweise Biogase, könnten in die offenen Poren der Betonwandung eindringen und bei einer länger andauernden Einwirkung eine Betonwandung zerstören. Zur Abhilfe dieses Problems seien Isolierplatten bekannt, die bei der Schalung der Betonwände mit der Betonwand verbunden würden und als Schutz der Betonwand dienen sollten. Da dadurch aber keine geschlossenflächige Isolation ermöglicht werde, bestehe kein vollständiger Schutz einer Betonwand insbesondere gegenüber gasförmigen oder flüssigen Angriffsmedien. Bei einer anderen Lösung würden die ausgeschalten Betonwände mit einem Bitumenanstrich versehen, welcher zwar eine ausreichende Abdichtung gegen Wasser gewährleiste, aber nicht notwendigerweise gegen aggressive Gasmedien, die insbesondere bei nur dünnen Bitumenschichten diese ohne weiteres durchdringen könnten. Bei allen bekannten Anstrichen und Beschichtungen bestehe grundsätzlich das Problem, dass infolge von Temperaturschwankungen feinste Risse in der Beschichtung entstünden, insbesondere an den Verbindungs- und Stoßstellen, und die Beschichtung auf Grund solcher Mikrorisse wasser- und erst recht gasdurchlässig werde (Beschreibung Absatz 2).

Die europäische Offenlegungsschrift EP 0 288 393 A1 (= Anlage K2) offenbare eine als Dichtungsmittel bezeichnete Verbundmatte aus einem textilen Trägermaterial mit synthetischen Fäden und Schlingen und einem weiteren Überzug, der Dichtheit und Widerstandsfähigkeit gegenüber aggressiven Substanzen verleihe (Beschreibung Absatz 3).

Dem Streitpatent liege die Aufgabe zu Grunde, eine Verbundmatte sowie ein Verfahren zu deren Herstellung zur Verfügung zu stellen, welche den hohen mechanischen und witterungsbedingten Beanspruchungen in der Agrartechnik genüge, d. h. UV- und witterungsbeständig, absolut wasser- und vor allem gasdicht sei, und dabei möglichst einfach und daher kostengünstig hergestellt werden könne, und welche mit einer Betonwand zum Schutz der Wand gegenüber flüssigen und gasförmigen Angriffsmedien dauerhaft und sicher verbindbar sei.

2. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent in Anspruch 1 eine Verbundmatte vor, deren Merkmale wie folgt gegliedert werden können:

1.1 Verbundmatte zur Verschalung von Betonwänden,

1.2 die Verbundmatte besteht aus zwei miteinander verbundenen Schichten,

1.2.1 nämlich einer Oberschicht aus Gewebematerial,

1.2.1a. in das schlingenförmig gelegte Kunststoffdrähte oder -fäden eingearbeitet sind,

1.2.1b die aus der sichtbaren Oberfläche des Flechtgewebes herausragen,

1.2.2 und aus einer Unterschicht aus einem elastischen Kunststoff zum Schutz von Oberflächen gegenüber aggressiven Fluiden,

1.2.2a wobei die Unterschicht eine glatte,

geschlossenflächige, gegenüber Angriffsmedien,

insbesondere Wasser, undurchlässige Oberflä- che aufweist,

1.3 die Oberschicht aus Gewebematerial und Schlingen und die Unterschicht bestehen jeweils aus Polypropylen,

1.4 die Ober- und die Unterschicht sind durch ein Heißverbundverfahren innig miteinander verbunden,

1.5 wodurch die Verbundmatte gasundurchlässig ist.

3. Der auf dem vorliegenden Gebiet tätige Durchschnittsfachmann, der sich mit der Entwicklung und Herstellung von Verbundmatten der genannten Art sowie mit der Verwendung solcher Verbundmatten bei der Herstellung eines Verbundes mit Betonwänden befasst, muss sich einerseits in der Bautechnik, insbesondere in der Konstruktion von Betonbauten, gut auskennen. Andererseits muss er fundierte Kenntnisse und Erfahrungen auf den Gebieten der Kunststofffolien und der Textilprodukte für die Landwirtschaft besitzen. Es handelt sich daher bei ihm entweder um einen Ingenieur des Bauwesens oder um einen Maschinenbauingenieur mit Schwerpunkt in der Kunststoff-, Fertigungs- oder Textiltechnik, der selber über entsprechende zusätzliche Qualifikationen auf den jeweils anderen Gebieten verfügt, bzw. der die entsprechenden Informationen bei Fachleuten, deren Gebiete im vorliegenden Fall ersichtlich berührt sind, einholt (vgl. Schulte/Moufang, PatG, 9. Aufl., § 4 Rn. 48).

4. Dieser Durchschnittsfachmann legt das Merkmal 1.5 in der Weise aus, dass es sich hierbei um eine Wirkungsangabe handelt (vgl. Schulte/Moufang, PatG, 9. Aufl., § 34 Rn. 124), wobei sich die Gasundurchlässigkeit ohne weiteres ergibt, wenn die Verbundmatte nach den vorangehenden Merkmalen hergestellt wird und dabei bestimmte, dem Fachmann bekannte Bemessungen (etwa bzgl. der Dicke der Unterschicht) eingehalten werden.

II.

Patentanspruch 1 hat in der erteilten Fassung keinen Bestand. Sein Gegenstand ist zwar gegenüber dem von der Klägerin genannten Stand der Technik neu, er beruht jedoch nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

1. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung steht dem erteilten Anspruch 1 keine der von der Klägerin genannten Entgegenhaltungen neuheitsschädlich entgegen.

Dies gilt (insoweit abweichend von der Einschätzung in dem frühen gerichtlichen Hinweis) auch hinsichtlich der in der Streitpatentschrift (Beschreibung Absatz 3) als Ausgangspunkt der vorliegenden Erfindung genannten europäischen Offenlegungsschrift EP 0 288 393 A1 (K2). Diese Schrift beansprucht in Patentanspruch 1 ein Dichtungsmaterial u. a. für Beton. Dieses ist mehrteilig zusammengesetzt. Zum einen besteht es aus einem textilen Trägermaterial aus synthetischen Fäden, in das im Verlauf der Herstellung ein Monofil aus ebenfalls synthetischem Material eingefügt ist, wobei das Monofil eine Reihe von Schlingen bildet, die senkrecht auf der einen Seite des Trägermaterials in die Höhe gerichtet sind. Zum anderen besteht das Dichtungsmittel aus einem Überzug aus Plastomer oder Elastomer, der am Trägermaterial angebracht ist, und der die Dichtigkeit und Widerstandsfähigkeit gegen aggressive Substanzen verleiht.

Somit offenbart K2 die im Oberbegriff des erteilten Anspruchs 1 des Streitpatents genannten Merkmale 1.1 bis 1.2.2a; darüber hinaus auch die innige Verbindung von Ober- und Unterschicht durch ein Heißverbundverfahren (Merkmal 1.4, siehe K2, Spalte 1, Zeile 52, bis Spalte 2, Zeile 5).

Hingegen kann der Fachmann der K2 das Merkmal 1.3 nicht mit der im Rahmen der Neuheitsprüfung erforderlichen Unmittelbarkeit und Eindeutigkeit entnehmen (vgl. BGH GRUR 2009, 382, 384 [25] - Olanzapin; GRUR 2012, 1124 - Polymerschaum, m. w. N.). Zwar werden in den Ansprüchen 3 bis 5 der K2 und in der dortigen Beschreibung (Spalte 2, Zeilen 6 bis 14) jeweils eine Vielzahl von Werkstoffen ausgeführt, welche für die Komponenten verwendet werden können. Dabei werden für das textile Trägergewebe (entsprechend der streitpatentgemäßen Oberschicht) u. a. Polypropylen sowie für die Schlaufen und die Beschichtung jeweils Polyolefine vorgeschlagen, wobei Polypropylen zur Gruppe der Polyolefine gehört (vgl. Auszug aus Wikipedia zum Stichwort „Polypropylen“, Anlage K9). Damit ist eine Auswahl an möglichen Werkstoffen, wie sie in Merkmal 1.3 gefordert wird, grundsätzlich von der Offenbarung der K2 mitumfasst. Jedoch geht aus K2 der Gedanke, dass alle drei Komponenten aus dem gleichen Werkstoff, nämlich aus Polypropylen, bestehen, nicht unmittelbar hervor.

2. Ausgehend von K2 konnte der Fachmann am Anmeldetag jedoch in naheliegender Weise zu dem Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 gelangen.

Das in K2 offenbarte Dichtungsmaterial genügte für den Fachmann erkennbar bereits den Anforderungen, die in der Streitpatentschrift (Beschreibung Absatz 4) im Hinblick auf die erfindungsgemäße Dichtungsmatte formuliert sind, nämlich den hohen mechanischen und witterungsbedingten Beanspruchungen in der Agrartechnik bzgl. UV- und Witterungsbeständigkeit sowie Wasser- und Gasdichtigkeit zu genügen (vgl. K2, Patentanspruch 1 a. E.: „Dichtheit und Widerstandsfähigkeit gegen aggressive Substanzen“).

a) Somit konnte es für den Fachmann nur noch darum gehen, das Produkt der K2 zu optimieren. Es liegt für den Fachmann auf der Hand, dass die Verwendung desselben Werkstoffs für die Ober- und Unterschicht der Verbundmatte verschiedene Vorteile bietet, zum einen weil dadurch eine besonders gute Verbindung zwischen den beiden Schichten beim Verschmelzen erzielt werden kann, zum anderen weil eine aus einheitlichem Kunststoffmaterial hergestellte Verbundmatte leichter zu recyceln ist.

Der Fachmann war bereits durch die Schrift K2, in der eine Vielzahl von möglichen Kunststoffen genannt ist, angeregt, nach einem für alle Bestandteile des Dichtungsmittels geeigneten Kunststoff zu suchen. Gemäß Anspruch 3 der K2 wird für das textile Trägermaterial (entsprechend Merkmal 1.2) u. a. Polypropylen genannt. Für das Monofil (entsprechend Merkmalen 1.2.1a, 1.2.1b) und für den Überzug (entsprechend Merkmal 1.2.2) kommen nach K2 synthetische Materialen in Betracht, die u. a. aus Polyolefinen bestehen können, wobei - wie bereits erwähnt unter diesen Begriff auch das Polypropylen zu fassen ist. Dem Fachmann ist Polypropylen als ein Kunststoff bekannt, der über die geforderten Eigenschaften verfügt, d. h. der insbesondere widerstandsfähig gegen aggressive Substanzen und dabei wasser- sowie gasdicht ist (vgl. auch Wikipedia-Auszug zum Stichwort „Polypropylen“, Anlage K9, Seite 1, „Eigenschaften“: Polypropylen ist bei Raumtemperatur gegen Fette und fast alle organischen Lösungsmittel beständig; nicht- oxidierende Säuren und Laugen können in Behältern aus Polypropylen gelagert werden). Auf der Suche nach einem einheitlichen Material für die Bestandteile der Verbundmatte hat es daher für den Fachmann nahegelegen, Polypropylen für sämtliche Bestandteile des in K2 beanspruchten Dichtungsmittels zu verwenden und dadurch zum Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents zu gelangen.

b) Einen wichtigen Hinweis zur Auswahl von Polypropylen als Material, aus dem sowohl die Oberschicht der Verbundmatte samt der darin eingearbeiteten Kunststoffdrähte als auch die Unterschicht hergestellt ist, konnte der Fachmann auch der Offenlegungsschrift DE 102 19 459 A1 (K3) entnehmen. Diese Schrift betrifft nach ihrem Hauptanspruch 1 eine Verbundmatte mit einer rauen, strukturierten Oberfläche auf der Oberseite und einer glatten, geschlossenflächigen, wasserundurchlässigen Oberfläche auf der Unterfläche, bestehend aus zwei miteinander verbundenen, insbesondere verschweißten, verklebten oder dergleichen zusammengefügten Schichten, nämlich einer Oberschicht aus Gewebematerial und einer Unterschicht aus einem elastischen Kunststoffmaterial. Diese Verbundmatte soll zwar nicht - wie die des Streitpatents - zum Schutz von Betonwänden eingesetzt werden. Vielmehr geht es bei K3 um Kunststoffmatten für verschiedene Anwendungen in der Landwirtschaft, u. a. als sogenannte Kuhmatratze. Die Aufgabenstellung der K3, die auf denselben Erfinder wie das Streitpatent zurückgeht, ist aber teilweise dieselbe wie im Streitpatent. Auch bei K3 soll eine Matte geschaffen werden, die den hohen mechanischen und witterungsbedingten Beanspruchungen in der Agrartechnik genügt, d. h. u. a. UV- und witterungsbeständig sowie absolut wasserdicht ist. Für den Fachmann, der nach Möglichkeiten Ausschau hält, die aus dem Stand der Technik bekannte Verbundmatte zu optimieren, ist es angesichts der mit dem Streitpatent vergleichbaren Problemstellung der K3 somit naheliegend gewesen, die K3 ergänzend heranzuziehen.

Nach dem einzigen Ausführungsbeispiel, das in der K3 dargelegt ist, sollen beide Schichten der Verbundmatte aus demselben Kunststoffmaterial, nämlich vorzugsweise Polypropylen oder Polyethylen, bestehen. Der Fachmann erhielt dadurch unmittelbar die Anregung, auch die entsprechenden Schichten des aus K2 be- kannten Dichtmittels (textiles Trägermaterial und Überzug) aus einem einheitlichen Material, nämlich Polypropylen, herzustellen. Auch wenn die Verbundmatte der K3 keine schlingenförmig in die textile Oberschicht eingearbeiteten Kunststoffdrähte (Merkmale 1.2.1a, 1.2.1b) vorsieht, so lag es für den Fachmann doch nahe, den aus K3 bekannten Grundgedanken der Verwendung eines einheitlichen Materials für die gesamte Verbundmatte auch auf die Kunststoffdrähte anzuwenden und diese ebenfalls aus Polypropylen herzustellen.

c) Der Verwendung von Polypropylen als Material für alle Bestandteile der Verbundmatte einschließlich der in die Oberschicht eingearbeiteten Kunststoffdrähte steht - entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung - die Lehre der Entgegenhaltung DE 692 08 479 T2 (K4) nicht entgegen.

Diese Druckschrift betrifft ein Laminat mit einer thermoplastischen Folie, die mit ungewebten Fasern versehen ist, welche von beiden Seiten der Folie abstehen. Auf eine Seite der Folie ist eine Schicht aus thermoplastischem Material aufgebracht, wobei die ungewebten Fasern so ausgewählt sind, dass sie beim Aufbringen des thermoplastischen Materials nicht schmelzen. Mit der anderen Seite der Folie soll ein Substrat, z. B. ein Betonkörper, bedeckt werden.

Vorzugsweise sollen nach der Beschreibung der K4 (Seite 2, vierter Absatz) Folie und thermoplastisches Material dieselbe Polymerzusammensetzung aufweisen, während das Material, aus dem die ungewebten Fasern bestehen, einen höheren Schmelzpunkt aufweisen soll, damit die Fasern beim Verschmelzen von Folie und thermoplastischem Material nicht ebenfalls schmelzen, sondern von dem Material (und vom Betonkörper) vollständig umschlossen und darin verankert bleiben.

Dieser in K4 vermittelte Gedanke, wonach die von der Folie in beide Richtungen wegstehenden Fasern aus einem anderen Material als die beiden zu einem Laminat verschmolzenen Schichten gebildet sind, damit die Fasern bestehen bleiben und sich in dem thermoplastischen Material (entsprechend der Unterschicht gemäß Merkmal 1.2.2) verankern, ist auf das Dichtungsmittel der K2 nicht ohne weiteres anwendbar. Dies ergibt sich schon daraus, dass bei K2 keine Fasern vorgesehen sind, die von beiden Seiten der Folie (entsprechend dem textilen Trägermaterial der K4) abstehen. Vielmehr sind bei K2 die durch das Monofil gebildeten, fest in das textile Trägermaterial eingefügten Schlingen lediglich auf der einen Seite des Trägermaterials (d. h. in der von dem Dichtmittel, entsprechend der streitpatentgemäßen Unterschicht, abgewandten Seite) in die Höhe gerichtet. Die Gefahr, dass die Schlingen beim Verschmelzen von textilem Trägermaterial und Dichtmittel ebenfalls schmelzen, ist schon deshalb weitaus geringer als bei K4.

Der Fachmann konnte der Schrift K3 im Übrigen den Hinweis auf ein geeignetes Heißverbundverfahren entnehmen, wodurch ein textiles Trägermaterial (bzw. streitpatentgemäß eine gewebeartige Oberschicht) mit einem Überzug (bzw. streitpatentgemäß einer folienartigen Unterschicht) verbunden werden kann. Dabei wird die noch warme, zähe Unterschicht unmittelbar nach der Extrusion auf das Gewebematerial der Oberschicht aufgebracht (K3, Anspruch 11). In diesem Stadium ist die folienartige Unterschicht bereits etwas abgekühlt, d. h. die Oberschicht wird von der noch warmen Unterschicht nicht so stark erhitzt, dass die auf der anderen Seite der Oberschicht befindlichen Schlingen wegschmelzen könnten. Der Fachmann erkennt ohne weiteres, dass sich dieses Heißverbundverfahren auch zur Verbindung der in K2 vorgesehenen Schichten samt Monofil-Schlingen eignet, ohne dass die Gefahr eines Wegschmelzens der Schlingen besteht.

d) Somit konnte der Fachmann, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen, ausgehend von der Schrift K2 zu einer Verbundmatte mit sämtlichen gegenständlichen Merkmalen von Anspruch 1 des Streitpatents gelangen. Dabei war ihm auch bekannt, dass sich dabei die in Merkmal 1.5 genannte Wirkung der Gasundurchlässigkeit ohne weiteres einstellen würde. Der Anspruchsgegenstand war ihm daher insgesamt nahegelegt.

III.

Auch in den Fassungen gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 15 ist Anspruch 1 nicht patentfähig. Die in diesen Fassungen gegenüber der erteilten Anspruchsfassung zusätzlich enthaltenen Merkmale entstammen ausnahmslos den erteilten Unteransprüchen 2 bis 5 und sind auf reine Bemessungsangaben für die Verbundmatte nach Patentanspruch 1 gerichtet.

Nach dem erteilten Anspruch 2 soll die Oberschicht mit den Schlingen insgesamt eine Stärke von 10 bis 50 mm, insbesondere 20 bis 40 mm, und vorzugsweise 30 mm, besitzen. Die Bereitstellung von textilen Kunststoffbahnen mit entsprechenden Dicken liegt im Bereich fachmännischen Ermessens. Die Angaben bzgl. des Flächengewichts der Oberschicht (erteilter Anspruch 3), der Stärke der Unterschicht (erteilter Anspruch 4) und der Reißfestigkeit sowie Weiterreißfestigkeit der Unterschicht (erteilter Anspruch 5) waren dem Fachmann im Übrigen aus der Schrift K3 (dort Ansprüche 7 bis 9) bereits bekannt. Keines der Merkmale vermag dem Patentgegenstand somit einen erfinderischen Überschuss zu verleihen; dies gilt auch im Falle einer Kombination der genannten Merkmale.

IV.

Die nebengeordneten erteilten Ansprüche 6, 7, 8 und 9 haben ebenso keinen Bestand.

Das im erteilten Anspruch 6 beanspruchte Verfahren sieht vor, dass die aus Anspruch 1 bekannten Schichten vollflächig miteinander verbunden und dass die noch warme, zähe Folie der Unterschicht unmittelbar nach der Extrusion auf die Oberschicht aufgebracht wird. Bei der Vollflächigkeit der Verbindung handelt es sich um eine Selbstverständlichkeit. Im Übrigen war dem Fachmann das Verfahren bereits aus K3, Anspruch 11, bekannt.

Eine Verbindung der Verbundmatte mit Beton i. S. d. erteilten Anspruchs 7, wobei die Unterschicht der Matte nach außen weisen soll, war dem Fachmann bereits aus der Entgegenhaltung K2 bekannt (dort Anspruch 7). Entsprechendes gilt für das Verfahren zur Herstellung des genannten Verbundes gemäß erteiltem Anspruch 8 (wobei der Beton streng genommen nicht bereits „beim Verschalen“ in die schlingenförmigen Drähte oder Fäden der Oberschicht eindringt, sondern erst nach Fertigstellung der Schalung beim Eingießen des Betons).

Ebenso war dem Fachmann die Verwendung einer Verbundmatte in der Agrartechnik durch die Entgegenhaltung K2, bei der es ebenfalls um die Abdichtung von Betonoberflächen gegenüber aggressiven Flüssigkeiten und Gasen geht (vgl. z. B. Spalte 2, Zeile 32, wo Kanalisation als Verwendungsbeispiel angegeben ist), nahegelegt.

Somit erweist sich die Klage in vollem Umfang als begründet.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.

VI.

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.

Die Berufungsschrift muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht werden. Die Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufungsfrist kann nicht verlängert werden.

Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

Rauch Püschel Hildebrandt Großmann Richter Pr

Wir stellen das Dokument etwas schmaler dar, um die Lesbarkeit zu erhöhen.

Bitte nutzen Sie nur das Original für den Druck des Dokuments.

Werbung

Urheber dieses Dokuments ist das Bundespatentgericht. Nach § 5 UrhG geniessen Entscheidungen und Gesetze keinen urheberrechtlichen Schutz. Auflagen des Gerichts können aber die kommerzielle Verwertung einschränken. In Anlehnung an Creative Commons Lizenzen ist die Nutzung mit einer CC BY-NC-SA 3.0 DE Lizenz vergleichbar. Bitte beachten Sie, dass diese Entscheidung urheberrechtlich geschützte Abbildungen enthalten kann. Vor einer Nutzung - über die reine Wiedergabe der Entscheidung hinaus - sind in solchen Fällen entsprechende Nutzungsrechte bei den jeweiligen Rechteinhabern einzuholen.

▲ Anfang

Paragraphen in 7 Ni 31/14

Sortiert nach der Häufigkeit
Häufigkeit Paragraph
2 21 PatG
2 22 PatG
1 83 PatG
1 84 PatG
1 99 PatG
1 91 ZPO
1 709 ZPO

Die aufgeführten Paragraphen wurden durch eine ausgeklügelte Software ermittelt.

Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass dabei auch falsche Kombinationen aus Paragraph und Gesetz ermittelt werden können.

Sollte ein Gesetz in Gänze übersehen worden sein, dann teilen Sie uns diesen Umstand bitte mit.

Sortiert nach dem Alphabet
Häufigkeit Paragraph
2 21 PatG
2 22 PatG
1 83 PatG
1 84 PatG
1 99 PatG
1 91 ZPO
1 709 ZPO

Original von 7 Ni 31/14

Der nachfolgende Link führt Sie zum originalen Dokument. Aufgrund der technischen Natur des Internets ist es möglich, dass der Link zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr gültig ist. Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass wir nicht alle Links einer ständigen Prüfung unterziehen können.

Öffnen

Bitte nutzen Sie möglichst das Original für den Druck des Dokuments.

Teilen von 7 Ni 31/14

Wenn Sie in einer E-Mail auf diese Entscheidung hinweisen möchten, dann können Sie diese komfortabel erstellen lassen, wenn Ihr Mail-Programm diese Option unterstützt. Alternativ können Sie den nachfolgenden Link in Ihre E-Mails und Webseiten einbauen:

Bitte nutzen Sie den Link in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Google+.

Das ist ein wirksames Mittel um mehr Menschen auf unsere Dienste aufmerksam zu machen.

Eine Dienstleistung von caselaw.de | Diese Datensammlung unterliegt der Creative Commons Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 DE | Impressum