12 W (pat) 60/14
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 60/14
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend die Patentanmeldung 10 2013 102 255.3 …
wegen Wiedereinsetzung hat der 12. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 13. November 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Schneider, der Richterin Bayer sowie der Richter Dipl.-Ing. Sandkämper und Dipl.-Ing. Univ. Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) Ausfelder BPatG 152 08.05 beschlossen:
I. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr wird abgelehnt.
II. Es wird festgestellt, dass die Beschwerde gegen den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B65D des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 17. Januar 2014 als nicht erhoben gilt.
Gründe I.
Mit Beschluss vom 17. Januar 2014 wies die Prüfungsstelle für Klasse B65D des Deutschen Patent- und Markenamts die Patentanmeldung 10 2013 102 255 betreffend ein „Tray zum Sterilisieren von Siegelschalen“ zurück, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht neu sei.
Dieser Beschluss wurde dem Bevollmächtigten der Patentanmelderin am 22. Januar 2014 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 23. Januar 2014, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt (im Folgenden: DPMA) am 25. Januar 2014, legte die Patentanmelderin, vertreten durch ihren Bevollmächtigten, Beschwerde gegen den Beschluss vom 17. Januar 2014 ein. Auf dem Beschwerdeschriftsatz steht, dass die Beschwerdegebühr mit beiliegender Einzugsermächtigung entrichtet werde. Am Ende des Schriftsatzes steht in der Akte neben „Anlage: Einzugsermächtigung“ ein roter Stempel mit dem Aufdruck „fehlt“.
Mit Schreiben der Rechtspflegerin des Bundespatentgerichts vom 8. September 2014, welches der Bevollmächtigte der Patentanmelderin am 9. September 2014 erhalten hat, wurde der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass die Einzugsermächtigung nicht beigefügt war und eine Nachfrage beim DPMA ergeben habe, dass bislang kein Eingang der Beschwerdegebühr erfolgt sei. Bei dieser Sachlage werde festzustellen sein, dass die Beschwerde nicht als eingelegt gelte.
Mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2014, beim DPMA am gleichen Tag per Fax eingegangen, hat die Beschwerdeführerin durch ihren Vertreter Wiedereinsetzung „in die Frist zur Beschwerde“ gegen den Beschluss vom 17. Januar 2014 beantragt.
Dieser trägt hierzu vor, dass zwar weder in der Erteilungsakte noch in den Akten der Buchführung eine Kopie einer derartigen Einzugsermächtigung aufzufinden sei. Allerdings würden alle Schreiben vor der Unterschrift seitens des Sekretariats wie auch danach anwaltsseitig auf Vollständigkeit überprüft und erst dann einschließlich der Anlagen unterschrieben. Im vorliegenden Fall sei das Diktat von einer langjährigen und zuverlässigen Schreibkraft ausgefertigt und zur Unterschrift dem Bevollmächtigten vorgelegt worden. Anwaltsseitig erfolge die Unterschrift gewohnheitsmäßig nach Überprüfung der Vollständigkeit des Schreibens. Wäre das Schreiben unvollständig gewesen, wäre die Unterschrift auf der Beschwerdeeingabe nicht erfolgt. Somit sei davon auszugehen, dass das Schreiben zum Zeitpunkt der Unterschrift vollständig und mit der als Anlage aufgeführten Einzugsermächtigung versehen gewesen sei. Es sei nicht nachvollziehbar, wie die Einzugsermächtigung habe abhandenkommen können. Vermutlich sei die Einzugsermächtigung beim Kopiervorgang (gemeinsam mit anderen Akten) versehentlich einem anderen Vorgang zugeordnet worden und sei jetzt nicht mehr auffindbar. Trotz der zur Vermeidung derartiger Versäumnisse eingerichteten Büroorganisation sei ausnahmsweise ein wichtiges Schriftstück aufgrund eines bürointernen Fehlers nicht beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht worden. Für das Fehlen der Einzugsermächtigung sei die Mitarbeiterin verantwortlich gewesen. Die Büroorganisation sehe vor, dass nicht vollständig ausgefertigte Unterlagen nicht unterschrieben würden. Da der Beschwerdeschriftsatz unterschrieben beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen sei, sei dies ein Indiz, dass auch die Einzugsermächtigung unterschrieben worden sei. Für den Postversand sei die Mitarbeiterin zuständig gewesen. Der Versand von Schriftstücken verlaufe im Wesentlichen wie folgt: Nachdem korrekt ausgeführte und vollständige Schreiben beginnend mit den Anlagen unterschrieben und die Schreiben in der Unterschriftenmappe an die jeweilige Sekretärin zurückgegeben werden, kopiere die Mitarbeiterin die Schreiben für die Akte und versende das Original entsprechend der Angabe in der Adresszeile. Die Sekretariatsaufgabe, ein unterzeichnetes Anschreiben mit Anlagen zu kopieren, in der Akte abzuheften und das Original per Post zu versenden, gehöre zu den standardmäßigen, einfachen Aufgaben des Sekretariats. Es seien hier keine erhöhten Anforderungen – wie z. B. eine Fristenüberwachung – zu stellen. Ein Hinweis des Deutschen Patent- und Markenamts, dass das Schreiben unvollständig gewesen sei, weil die Einzugsermächtigung fehlte, sei unterblieben.
Zur Glaubhaftmachung wurde eine eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin des Sekretariats eingereicht, die für die Bearbeitung der Angelegenheit zuständig war. In der eidesstattlichen Versicherung erklärt die Mitarbeiterin, dass sie für die Patentanmeldung mit der Ausfertigung und Versendung des Schreibens vom 23. Januar 2014 beauftragt gewesen sei. Nach ihrer Erinnerung seien die Unterlagen vollständig zur Unterschrift vorgelegt worden und sie könne sich nicht erklären, wie die Anlage zum Schreiben habe verloren gehen können.
Für die Entrichtung der Beschwerdegebühr in Höhe von 200 EUR wurde am 2. Oktober 2014 eine Einzugsermächtigung beim DPMA eingereicht. Das weitere an das DPMA gerichtete Schreiben vom 2. Oktober 2014 mit dem Wiedereinsetzungsantrag ist dem Bundespatentgericht am 6. Oktober 2014 zur Kenntnis übersandt worden.
II.
Der von der Beschwerdeführerin gestellte Wiedereinsetzungsantrag ist als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Einzahlung der Beschwerdegebühr auszulegen, da der Beschwerdeschriftsatz selbst fristgemäß eingegangen ist.
Der Wiedereinsetzungsantrag ist zulässig, in der Sache bleibt ihm der Erfolg jedoch versagt.
Gegen die Versäumung der Frist zur Einzahlung der Gebühr für die Beschwerde der Patentanmelderin nach § 73 Abs. 1 und 2 Satz 1 PatG, §§ 6 Abs. 1 Satz 1, 2 Abs. 1 PatKostG in Verbindung mit der Anlage zu § 2 Abs. 1 PatKostG - GebVerzNr. 401 300 ist ein Antrag auf Wiedereinsetzung gemäß § 123 Abs. 1 PatG statthaft.
Die Frist des § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG von 2 Monaten ist eingehalten. Die Beschwerdeführerin hat am 9. September 2014 erfahren, dass die Einzugsermächtigung dem Beschwerdeschriftsatz nicht beilag. Da die Beschwerdeführerin erst zu diesem Zeitpunkt erfahren hatte, dass die Einzugsermächtigung dem Beschwerdeschriftsatz nicht beilag, ist erst zu diesem Zeitpunkt das Hindernis im Sinne von § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG weggefallen. Der Wiedereinsetzungsantrag vom 2. Oktober 2014 mit der Einzugsermächtigung über 200 Euro ging am 2. Oktober 2014 beim DPMA und am 6. Oktober 2014 bei Gericht ein.
Der Antrag ist jedoch unbegründet, denn die Voraussetzungen zur Gewährung der Wiedereinsetzung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 PatG sind nicht gegeben.
Die Patentinhaberin war nicht ohne Verschulden verhindert, die Frist zur Einzahlung der Beschwerdegebühr nach § 73 Abs. 1 und 2 Satz 1 PatG, §§ 6 Abs. 1 Satz 1, 2 Abs. 1 PatKostG in Verbindung mit der Anlage zu § 2 Abs. 1 PatKostG - GebVerzNr. 401 300 einzuhalten.
Die Beschwerdeführerin muss sich das Verschulden des Bevollmächtigten, das hier in einem Organisationsverschulden liegt, gemäß § 99 Abs. 1 PatG, § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen (BGH GRUR 2000, 1010 - Schaltmechanismus).
Ein Anwalt muss sein Büro so organisieren, dass Fristversäumnisse bei normalem Ablauf bei Beobachtung seiner Weisungen nicht vorkommen können (Schulte, Patentgesetz, 9. Aufl. § 123 Rdn. 93). So ist in den Fristenkalender auch die zu wahrende Frist für die Zahlung einer etwaigen Gebühr einzutragen und eine Löschung im Fristenkalender darf erst nach Erledigung der fristwahrenden Maßnahme und nicht bevor das Schriftstück postversandfertig ist, gestrichen werden (Schulte, Patentgesetz, 9. Aufl. § 123 Rdn. 94). Auch wenn das fristwahrende Schriftstück, hier also die Einzugsermächtigung für die Beschwerdegebühr, als Anlage zu einem anderen Schreiben, hier das Beschwerdeschreiben, versandt werden soll, muss durch organisatorische Maßnahmen sicher gestellt sein, dass normalerweise kein Fristversäumnis möglich ist, etwa durch eine zuverlässige Endkontrolle (Baumbach/Lauterbach, Zivilprozessordnung, 70. Aufl., § 233 Rdn. 100).
Auch wenn im vorliegenden Fall nach dem Vortrag der Beschwerdeführerin davon ausgegangen wird, dass die Einzugsermächtigung zusammen mit dem Beschwerdeschriftsatz unterschrieben worden ist, und die Mitarbeiterin beides zusammen versenden sollte, fehlt es an hinreichendem Vortrag, wie durch organisatorische Maßnahmen sicher gestellt wurde, dass auch die Anlage (Einzugsermächtigung), die eine fristgebundene Maßnahme betraf, rechtzeitig abgeschickt wird. Das Absenden unterzeichneter Schreiben ist zwar eine Routinearbeit, die einer Bürokraft überlassen werden darf, jedoch muss durch die Büroorganisation sicher gestellt werden, dass dies auch rechtzeitig geschieht. Insbesondere da zwischen der Unterschrift durch den Vertreter und dem Absenden der Schriftstücke z. B. durch das Kopieren der Schriftstücke für die Akten noch zusätzliche Arbeitsschritte liegen, muss durch organisatorische Maßnahmen dem vorgebeugt werden, dass Schriftstücke verloren gehen. Wie in der Kanzlei durch organisatorische Maßnahmen dafür gesorgt wurde, dass wichtige, fristgebundene Anlagen nicht nur unterschrieben, sondern auch rechtzeitig abgeschickt wurden, wurde nicht vorgetragen.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr hat daher keinen Erfolg.
Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung ergehen (BPatGE 41, 130, 134; Schulte, Patentgesetz, 9. Aufl. § 123 Rdn. 161).
Die Feststellung, dass die Beschwerde mangels vollständiger Zahlung der Beschwerdegebühr als nicht erhoben gilt (§ 6 Abs. 2 PatKostG), trifft zwar grundsätzlich der Rechtspfleger (§ 23 Abs. 1 Nr. 4 RpflG). Im vorliegenden Fall jedoch trifft im Hinblick auf den Wiedereinsetzungsantrag der Senat die entsprechende Feststellung (Tenor Ziffer II.) selbst.
Da die Beschwerde im Wege der gesetzlichen Fiktion als nicht vorgenommen gilt (Schulte, Patentgesetz, 9. Aufl., § 6 PatKostG Rdn. 10) ist die Beschwerdegebühr nicht angefallen, so dass der Betrag von 200 Euro auf der Einziehungsermächtigung vom 2. Oktober 2014 nicht einzuziehen ist.
III. Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.
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