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XIII ZB 22/22

BUNDESGERICHTSHOF XIII ZB 22/22 BESCHLUSS vom 21. März 2023 in der Überstellungshaftsache ECLI:DE:BGH:2023:210323BXIIIZB22.22.0 Der XIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. März 2023 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kirchhoff, die Richterin Dr. Roloff, den Richter Dr. Tolkmitt sowie die Richterinnen Dr. Picker und Dr. Holzinger beschlossen:

Der Antrag des Betroffenen, ihm für die Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen wird zurückgewiesen, weil die Rechtsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht.

Gründe:

I. Der Betroffene, ein gambischer Staatsangehöriger, reiste am 20. November 2021 von Italien kommend ohne Pass oder Aufenthaltstitel über Österreich nach Deutschland ein. Am 21. November 2021 ordnete das Amtsgericht W. im Wege einer einstweiligen Anordnung Haft zur Sicherung der Rücküberstellung bis zum 17. Dezember 2021 an. Am 14. Dezember 2021 hat das Amtsgericht H. Rücküberstellungshaft bis zum 18. Januar 2022 angeordnet. Dagegen hat der Betroffene am gleichen Tag zu Protokoll des Amtsgerichts Beschwerde eingelegt. Am 16. Dezember 2021 wurde er aus der Haft entlassen, weil die Rücküberstellung scheiterte. Das Landgericht hat den sich in der Folge weiterhin in Deutschland aufhaltenden Betroffenen auf die Unzulässigkeit der Beschwerde und die Möglichkeit eines Feststellungsantrags hingewiesen und eine Frist zur Stellungnahme gesetzt. Eine Stellungnahme ist nicht erfolgt. Das Landgericht hat die Beschwerde verworfen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, für deren Begründung er Verfahrenskostenhilfe beantragt.

II. Die Rechtsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Es stellen sich auch keine zweifelhaften Rechts- oder Tatsachenfragen, die unter dem Gesichtspunkt der in Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verbürgten Rechtsschutzgleichheit die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe auch ohne Erfolgsaussicht im engeren Sinne gebieten würden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2020 - 1 BvR 631/19, FamRZ 2020, 1559 Rn. 18 mwN; BGH, Beschluss vom 20. Mai 2016 - V ZB 140/15, InfAuslR 2016, 381 Rn. 16).

1. Das Landgericht hat ausgeführt, durch die Haftentlassung sei Erledigung eingetreten. Der Betroffene sei daher nicht mehr beschwert und die Beschwerde unzulässig. Ein Antrag gemäß § 62 FamFG sei nicht gestellt.

2. Das hält rechtlicher Überprüfung stand. Der Einwand der Rechtsbeschwerde, das Beschwerdegericht hätte dafür Sorge tragen müssen, dass eine Belehrung über die Möglichkeit der Umstellung des Antrags dem Betroffenen in einer ihm verständlichen Sprache zugehe, greift nicht durch. Dabei kann dahinstehen, ob eine Belehrung im hier vorliegenden Freiheitsentziehungsverfahren gemäß §§ 415 ff. FamFG zur Wahrung des Grundsatzes des fairen Verfahrens grundsätzlich erforderlich ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. September 2015 - XII ZB 138/15, FamRZ 2015, 1959 Rn. 16; vom 20. Juni 2018 - XII ZB 489/17, FamRZ 2018, 1361 Rn. 19 zu Unterbringungssachen gemäß §§ 312 ff. FamFG). Denn ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens ist hier weder dargelegt noch ersichtlich.

a) Ein Anspruch des Betroffenen auf eine Belehrung in seiner Landessprache bestand nicht.

aa) Gemäß § 184 Satz 1 GVG ist die Gerichtssprache deutsch. Die Vorschrift erfasst alle schriftlichen Äußerungen des Gerichts. Sprachunkundige Verfahrensbeteiligte müssen sich selbst um eine Übersetzung kümmern (Jacobs in Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 23. Aufl., § 184 GVG Rn. 14; Lückemann in Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 184 Rn. 2; Pabst in MünchKommZPO, 6. Aufl., § 184 GVG Rn. 5).

bb) Soweit Art. 6 Abs. 3 EGMR in Verbindung mit § 187 GVG Ausnahmen von § 184 GVG begründet, gilt dies nur für das Strafverfahren und beansprucht auch dort keine umfassende Geltung (vgl. zur Übersetzung von Strafurteilen BGH, Beschluss vom 18. Februar 2020 - 3 StR 430/19, BGHSt 64, 283 Rn. 10).

cc) Ein entsprechender Anspruch folgt auch nicht aus den Besonderheiten des Freiheitsentziehungsverfahrens gemäß §§ 415 ff. FamFG.

(1) Zwar leitet sich im Freiheitsentziehungsverfahren aus der Gewährleistung eines fairen Verfahrens (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG) und dem besonderen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 3 GG das Recht des der deutschen Sprache nicht mächtigen Betroffenen auf Übersetzung des Haftantrags durch einen Dolmetscher, Hinzuziehung des Dolmetschers in der Anhörung und Übersetzung des verkündeten Beschlusses nebst den wesentlichen Entscheidungsgründen und der Rechtsmittelbelehrung ab (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. August 2003 - 2 BvR 2032/01, NJW 2004, 50 [juris Rn. 16 ff.]; Göbel in Keidel, FamFG, 21. Aufl., § 418 Rn. 9 ff.).

(2) Das Recht auf ein faires Verfahren erfordert aber nicht die Übersetzung von schriftlich erteilten Belehrungen oder Hinweisen wegen eines (möglichen) Feststellungsverfahrens gemäß § 62 FamFG nach Entlassung des Betroffenen aus der Haft. Ein Betroffener ist nach seiner Entlassung in der Lage, sich selbst um eine Übersetzung zu kümmern, wie er dies grundsätzlich in Bezug auf sämtlichen Schriftverkehr mit deutschen Gerichten und Behörden - beispielsweise in ausländerrechtlichen Belangen - zu tun hat. Auch insoweit besteht ein Anspruch auf Übersetzung nur unter besonderen Voraussetzungen (vgl. etwa § 77 Abs. 3 AufenthG und BGH, Beschluss vom 5. April 2022 - XIII ZB 18/21, InfAuslR 2022, 329 Rn. 10). Der Betroffene weiß - nachdem ihm die gesamte Anhörung, der Beschluss und die Rechtsmittelbelehrung übersetzt werden müssen, er zudem eine Abschrift des Beschlusses erhält und selbst Beschwerde eingelegt hat -, dass ein Beschwerdeverfahren anhängig ist. Die Belehrung ist kurz und umfasst nur wenige Sätze. Außerdem lässt sich auch für einen der deutschen Sprache nicht Kundigen aus einem Schreiben mit Fristsetzung ohne weiteres entnehmen, dass es eine Fristsetzung enthält und daher möglicherweise von erheblicher Bedeutung sein kann.

(3) Ein anderes Ergebnis ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass das Interesse des Betroffenen an der Feststellung der Rechtslage wegen des tief greifenden Grundrechtseingriffs besonders schutzwürdig ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Dezember 2001 - 2 BvR 527/99, NJW 2002, 2456 [juris Rn. 38 ff.]). Das mag eine entsprechende Belehrungs- oder Hinweispflicht des Gerichts begründen. Es löst aber nach dem Ausgeführten keine Pflicht aus, einen Hinweis in der Landessprache des Betroffenen zu erteilen. Das ist im Hinblick auf die dem Betroffenen nach seiner Entlassung zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Rechtswahrung auch mit Blick auf das Erfordernis eines fairen Verfahrens und den besonderen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 3 GG nicht geboten (vgl. zur Übersetzung von Strafurteilen BGH, Beschluss vom 18. Februar 2020 - 3 StR 430/19, BGHSt 64, 283 Rn. 52 ff.).

b) Abgesehen davon, dass generell kein Anspruch auf eine Belehrung in der Landessprache des Betroffenen besteht, macht der Betroffene im vorliegenden Fall schon nicht geltend, dass er den Inhalt des Schreibens nicht habe zur Kenntnis nehmen können, obwohl er alles ihm Mögliche zur Erlangung einer Übersetzung getan habe. Das ist auch nicht ersichtlich. Der Betroffene sprach nicht nur seine Landessprache, sondern nach seinen eigenen Angaben in der Anhörung auch gut Italienisch. Er war ferner in der Lage, sich den angefochtenen Beschluss übersetzen zu lassen, da es sonst nicht zu dem hier zu beurteilenden Verfahrenskostenhilfeantrag gekommen wäre.

Kirchhoff Picker Roloff Tolkmitt Holzinger Vorinstanzen: AG Hof, Entscheidung vom 14.12.2021 - 25 XIV 123/21 (B) LG Hof, Entscheidung vom 28.01.2022 - 24 T 129/21 -

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Häufigkeit Paragraph
4 184 GVG
3 3 GG
2 62 FamFG
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2 20 GG
1 77 AufenthG
1 312 FamFG
1 2 GG
1 6 GVG
1 187 GVG

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