26 W (pat) 73/19
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 73/19
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
ECLI:DE:BPatG:2019:281019B26Wpat73.19.0 betreffend die Marke 30 2015 005 705 hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 28. Oktober 2019 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der Richter Kätker und Schödel beschlossen:
1. Die Beschwerde gegen die Kostenentscheidungen im Beschluss der Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 5. Juli 2016 wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag des Widersprechenden, dem Inhaber der angegriffenen Marke die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.
3. Der Antrag des Inhabers der angegriffenen Marke, dem Widersprechenden die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.
Gründe I.
Gegen die am 12. Februar 2015 angemeldete und am 1. April 2015 unter der Nummer 30 2015 005 705 im Register des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) für Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 39 und 41 eingetragene Wortmarke „Racetaxi 99“, hat der Beschwerdeführer Widerspruch erhoben aus der geschäftlichen Bezeichnung „RACE TAXI 99“ unter Angabe des Zeitrangs
27. Juli 2008 und der Benutzungsmarke „RACE TAXI 99“ unter Angabe des Zeitrangs 21. Juni 2011, wobei er für beide Kennzeichen eine Benutzung für „Dienstleistungen im Bereich Motorsport, insbesondere Veranstaltungen und Mitfahrservice; Organisation und Durchführung von Veranstaltungen; Autovermietung“ angegeben hat. Zum Nachweis des Bestehens und des Übergangs der beiden Widerspruchskennzeichen auf ihn hat der Beschwerdeführer einen „Partner – Rahmenvertrag“ vom 1. April 2014, Kooperations- und Vermittlungsverträge seines Vertragspartners mit sogenannten Event-Anbietern über rennsportbezogene Erlebnisveranstaltungen sowie zahlreiche Screenshots mit Veröffentlichungen im sozialen Netzwerk Facebook eingereicht.
Mit Beschluss vom 5. Juli 2016 hat die Markenstelle für Klasse 39 des DPMA beide Widersprüche mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Widersprechende weder den Bestand noch den Zeitrang der beiden Widerspruchskennzeichen schlüssig dargelegt habe. In beiden Fällen hat die Markenstelle jeweils festgestellt, dass bei der gegebenen Sach- und Rechtslage kein Anlass für eine Kostenauferlegung gemäß § 63 Abs. 1 MarkenG bzw. für eine Kostenerstattung gemäß § 63 Abs. 2 MarkenG bestehe.
Hiergegen hat sich die Beschwerde des Widersprechenden gerichtet, im Rahmen derer er u. a. die Ansicht vertreten hat, durch die „bösgläubige“ Anmeldung der angegriffenen Marke habe der Beschwerdegegner die Aufnahme seines Geschäftsbetriebs gezielt beeinträchtigt. Denn dieser sei noch immer Geschäftspartner seines Vertragspartners und betreibe treu- und vertragswidrig unter der Streitmarke sein Geschäft.
Demgegenüber hat der Beschwerdegegner im Verfahren vor dem DPMA ausgeführt, der Widersprechende habe am 1. April 2014 nur das gesamte Kundenpotential zum Betrieb sogenannter Taxifahrten auf Rennstrecken käuflich erworben und zu keiner Zeit Interesse gehabt, unter der Bezeichnung „RACE TAXI 99“ tätig zu sein. Dies belege die E-Mail, die der Widersprechende am 21. Juli 2014 unter seinem Firmennamen EUROPEANRACEEVENTS von der E-Mail-Adresse booking@eu-race-events.de an eine Vielzahl von Kunden geschickt und in der er mitgeteilt habe, dass die Firma R … zum Anfang des Jahres den Betrieb eingestellt habe. Er habe die Bezeichnung RACE TAXI 99 auch nie benutzt, sondern unter der Kennzeichnung European Race Events weitergearbeitet.
Nach der mündlichen Verhandlung vom 26. Juni 2019 hat der Widersprechende am 24. Juli 2019 beide Widersprüche zurückgenommen.
Mit elektronisch am 8. August 2019 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz desselben Datums beantragt der Inhaber der angegriffenen Marke nunmehr,
„mit Blick auf die Rücknahme des Widerspruches des Beschwerdeführers … auszusprechen, dass der Beschwerdeführer die Verfahrenskosten zu tragen hat.“
Mit am 2. September 2019 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz desselben Datums beantragt der Widersprechende,
„im Hinblick auf die bösgläubige Eintragung … die Kosten ... dem Beschwerdegegner aufzuerlegen.“
Mit Schriftsatz vom 23. September 2019, elektronisch bei Gericht eingegangen am 24. September 2019, vertritt der Inhaber der angegriffenen Marke die Auffassung, mit der „Rücknahme der Beschwerde“ richte sich die Kostenfolge nach dem Gesetz, so dass der Widersprechende die Verfahrenskosten zu tragen habe. Da dem Widersprechenden der (Löschungs-)Anspruch nicht zugestanden habe, könne von einer bösgläubigen Eintragung nicht die Rede sein. Eine weitere Prüfung diesbezüglich sei allerdings durch die Rücknahme obsolet.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde des Widersprechenden gegen die beiden Kostenentscheidungen im Beschluss der Markenstelle für Klasse 39 des DPMA vom 5. Juli 2016 ist zulässig, aber unbegründet.
a) Die Rücknahme der beiden Widersprüche durch den Beschwerdeführer hat zwar eine Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache herbeigeführt, im Kostenpunkt ist die Beschwerde jedoch anhängig geblieben und der Beschwerdeführer hat nach der Rücknahmeerklärung ausdrücklich beantragt, „im Hinblick auf die bösgläubige Eintragung … die Kosten ... dem Beschwerdegegner aufzuerlegen.“ Da er die Kosten nicht näher spezifiziert hat, ist sein Antrag dahingehend auszulegen, dass der Inhaber der angegriffenen Marke nicht nur die Kosten des Beschwerdeverfahrens, sondern unter gleichzeitiger Abänderung des angefochtenen Beschlusses auch die Kosten des patentamtlichen Widerspruchsverfahrens tragen soll.
b) Die Kostentscheidungen des DPMA, dass bei der gegebenen Sach- und Rechtslage kein Anlass für eine Kostenauferlegung gemäß § 63 Abs. 1 MarkenG bzw. für eine Kostenerstattung gemäß § 63 Abs. 2 MarkenG bestehe, sind jedoch nicht zu beanstanden.
aa) Maßgebliche Rechtsgrundlage für die Kostenentscheidung im patentamtlichen Verfahren ist § 63 Abs. 1 Satz 1 MarkenG, wonach das DPMA die Kosten des Verfahrens einem Beteiligten ganz oder teilweise auferlegen kann, wenn dies der Billigkeit entspricht.
bb) § 63 Abs. 1 Satz 3 MarkenG geht im Grundsatz davon aus, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt. Für ein Abweichen von diesem Grundsatz bedarf es stets besonderer Umstände (BGH GRUR 1972, 600, 601 – Lewapur; GRUR 1996, 399, 401 – Schutzverkleidung). Solche Umstände sind insbesondere dann gegeben, wenn ein Verhalten vorliegt, das mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist. Davon ist auszugehen, wenn ein Verfahrensbeteiligter in einer nach anerkannten Beurteilungsgesichtspunkten aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation sein Interesse am Erhalt oder Erlöschen des Markenschutzes durchzusetzen versucht und dadurch dem Verfahrensgegner vermeidbare Kosten aufbürdet (vgl. BGH a. a. O. – Lewapur; BPatG 29 W (pat) 504/15 – Vital You!®/VITAL/VITAL regional; 27 W (pat) 14/13 – SOLITUDE REVIVAL; 27 W (pat) 40/12 – mcpeople/ McDonald′s; BPatGE 12, 238, 240 – Valsette/Garsette). Dabei ist stets ein strenger Maßstab anzulegen, der dem Umstand Rechnung trägt, dass die Kostentragung aus Billigkeitsgründen nur ausnahmsweise bei einem sorgfaltswidrigen Verhalten in Betracht kommt. Demnach ist auch der Verfahrensausgang in der Hauptsache für sich genommen kein Grund, einem Beteiligten Kosten aufzuerlegen (BGH a. a. O. – Lewapur; a. a. O. – Schutzverkleidung).
cc) Besondere Umstände, die eine Auferlegung der patentamtlichen Kosten des Widerspruchsverfahrens zu Lasten des Inhabers der angegriffenen Marke rechtfertigen könnten, liegen hier nicht vor.
Da die Markenstelle beide Widersprüche zurückgewiesen hat, hat der Beschwerdegegner auch nicht ohne Aussicht auf Erfolg sein Interesse am Erhalt des Schutzes seiner Marke durchzusetzen versucht. Soweit der Widersprechende vorgetragen hat, dass die Anmeldung dieser Marke bösgläubig erfolgt sei, weil der Beschwerdegegner unter der identischen Kennzeichnung treu- und vertragswidrig entsprechende Dienstleistungen anbiete und damit seinen Geschäftsbetrieb gezielt beeinträchtige, ist darauf hinzuweisen, dass Widersprüche nur auf die in § 42 Abs. 2 MarkenG a. F. (§ 158 Abs. 3 MarkenG) abschließend aufgeführten relativen Schutzhindernisse gestützt werden können. Die Prüfung einer bösgläubigen Markenanmeldung im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG in der bis zum 13. Januar 2019 geltenden Fassung (§ 158 Abs. 7 MarkenG) ist nicht Gegenstand des Widerspruchsverfahrens, sondern kann ausschließlich in einem Löschungsverfahren beantragt werden, worauf die Markenstelle im angefochtenen Beschluss zu Recht hingewiesen hat (vgl. BPatG 26 W (pat) 2/14 – WEINHANDLUNG MÜLLER/Weinhandlung Müller). Eine Berücksichtigung dieses Vortrages ist daher auch nicht im Rahmen der Billigkeitsentscheidung über die Verfahrenskosten des patentamtlichen Kollisionsverfahrens möglich.
2. Der Antrag des Widersprechenden, dem Inhaber der angegriffenen Marke die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, ist auch nach der Rücknahme der beiden Widersprüche zwar zulässig (§ 71 Abs. 4 MarkenG), hat aber ebenfalls keinen Erfolg.
a) Gemäß § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG gilt der Grundsatz, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt. Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG kann das Bundespatentgericht die Kosten des Verfahrens einem Beteiligten ganz oder teilweise auferlegen, wenn dies der Billigkeit entspricht. Hierzu bedarf es stets besonderer Umstände, wie dies bei § 63 MarkenG für das Verfahren vor dem DPMA bereits eingehend dargestellt worden ist.
b) Solche besonderen Umstände sind auch im Beschwerdeverfahren nicht ersichtlich. Der Senat hat in seinem Hinweis vom 17. August 2018 Zweifel sowohl am (Fort-)Bestehen als auch am Übergang der geltend gemachten Widerspruchskennzeichen auf den Widersprechenden geäußert. Im Übrigen wird auf die Ausführungen unter Ziffer 1. b) cc) Bezug genommen.
3. Der Kostenantrag des Inhabers der angegriffenen Marke ist zulässig, aber unbegründet.
a) Der Antrag, „mit Blick auf die Rücknahme des Widerspruches des Beschwerdeführers … auszusprechen, dass der Beschwerdeführer die Verfahrenskosten zu tragen hat“ ist dahin auszulegen, dass der Beschwerdegegner die Tragung der Kosten des Beschwerdeverfahrens durch den Widersprechenden gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG erstrebt. Trotz des Wortlauts „Verfahrenskosten“ kann sich der Antrag nicht zugleich auch auf die Kosten des patentamtlichen Widerspruchsverfahrens beziehen, weil der Beschluss des DPMA, mit dem keinem der Beteiligten Kosten auferlegt worden sind, von ihm nicht angegriffen worden ist.
b) Der Antrag kann auch nicht als eine auf die Kosten beschränkte Anschlussbeschwerde ausgelegt werden. Denn, wenn – wie hier – eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, hätte diese Anschlussbeschwerde nur noch bis zum Schluss dieser mündlichen Verhandlung eingelegt werden können. Da auch ein an Verkündungs Statt zugestellter Beschluss gemäß § 79 Abs. 1 Satz 3 MarkenG, wie er vom Senat vorliegend angekündigt worden ist, aufgrund der mündlichen Verhandlung ergeht, ist es den Beteiligten im Anschluss daran gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 296a Satz 1 ZPO verwehrt, weitere Angriffs- oder Verteidigungsmittel vorzubringen.
c) Zu der beantragten Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG besteht kein Anlass.
a) Soweit der Inhaber der angegriffenen Marke die Auffassung vertritt, mit der Rücknahme der „Beschwerde” – gemeint sind die beiden Widersprüche – habe der Widersprechende schon kraft Gesetzes die Kosten zu tragen, trifft dies nicht zu. Rücknahmeerklärungen, die zur Erledigung der Hauptsache führen, sind für sich gesehen nach ständiger Rechtsprechung kein Grund für eine Kostenauferlegung. Dies ergibt sich bereits aus der Vorschrift des § 71 Abs. 4 MarkenG und der dort enthaltenen Verweisung auf § 71 Abs. 1 bis 3 MarkenG (st. Rspr.: vgl. BPatG 28 W (pat) 17/15; 29 W (pat) 504/15; 24 W (pat) 518/16; 27 W (pat) 147/10; 26 W (pat) 19/12).
b) Dem Widersprechenden kann auch nicht vorgeworfen werden, dass er unter Verletzung prozessualer Sorgfaltspflichten in einer aussichtslosen Situation sein Interesse an der Löschung der angegriffenen Marke durchzusetzen versucht hat. Zum Beleg des Bestehens der geltend gemachten Widerspruchskennzeichen und seiner Rechtsnachfolge hat er zahlreiche Unterlagen eingereicht und hierzu unter Vorlage ergänzender Belege im Beschwerdeverfahren, insbesondere in der mündlichen Verhandlung vom 26. Juni 2019, vertiefend vorgetragen. Trotz der im Hinweis vom 17. August 2018 und in der mündlichen Verhandlung geäußerten Bedenken des Senats gegen den Erfolg der Beschwerde konnte der Widersprechende immerhin eine langjährige intensive Geschäftstätigkeit seines unter der Bezeichnung „R…“ auftretenden Vertragspartners belegen. Zudem hat das Landgericht Dresden in seinem Urteil vom 3. November 2015 – 3 O 846/15 (S. 9, letzter Absatz) ausgeführt, dass dieser dem Widersprechenden den „Namen „RaceTaxi99“ übertragen habe.
III. Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde nur gegeben, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht werden. Die Frist kann nicht verlängert werden.
Kortge Kätker Schödel Pr