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III ZR 96/24

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES III ZR 96/24 Nachschlagewerk: ja BGHZ:

nein BGHR:

ja JNeu:

nein URTEIL in dem Rechtsstreit GVG § 198 Abs. 5 Satz 2; ZPO § 167, § 233 B a) Eine Partei, die sich für bedürftig halten darf und innerhalb der Klagefrist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG einen vollständigen Prozesskostenhilfeantrag stellt, kann die Rückwirkung des § 167 ZPO in Anspruch nehmen, wenn sie nach der von ihr nicht verzögerten (positiven oder negativen) Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag alles ihr Zumutbare für die alsbaldige Zustellung der Klage tut. Bei der Bestimmung der Zeit, innerhalb derer die Klageerhebung zu erfolgen hat, um noch "alsbald" zu sein, ist die Wertung des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG zu berücksichtigen. Entsprechend ist es der unbemittelten Partei grundsätzlich zumutbar, nach Abschluss des Prozesskostenhilfeverfahrens die Klageschrift spätestens innerhalb von sechs Monaten bei Gericht einzureichen, wobei nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls auch eine bedeutend kürzere Zeit angemessen sein kann (Fortführung der Senatsbeschlüsse vom 29. März 2018 - III ZB 135/17, NJW-RR 2018, 763 und vom 30. November 2006 - III ZB 22/06, BGHZ 170, 108 sowie III ZB 23/06, VersR 2007, 711).

b) § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG normiert eine prozessuale Ausschlussfrist, die eine besondere Zulässigkeitsvoraussetzung für die Entschädigungsklage darstellt.

c) Die Ausschlussfrist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG ist keine Frist im Sinne des § 233 ZPO, weshalb bei Versäumung der Frist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht kommt.

BGH, Urteil vom 4. September 2025 - III ZR 96/24 - OLG Nürnberg ECLI:DE:BGH:2025:040925UIIIZR96.24.0 Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 4. September 2025 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, die Richterin Dr. Böttcher, die Richter Prof. Dr. Kessen, Dr. Herr und Dr. Ostwaldt für Recht erkannt:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg - 15. Zivilsenat - vom 12. Juli 2024 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.

Von Rechts wegen Tatbestand Der Kläger begehrt von dem beklagten Freistaat eine Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG.

Der Kläger verbüßt in der Justizvollzugsanstalt Straubing eine lebenslange Freiheitsstrafe. Seinen Antrag vom 8. August 2017 auf Gewährung von Vollzugslockerungen lehnte die Justizvollzugsanstalt mit Bescheid vom 13. Dezember 2017 ab. Hiergegen stellte der Kläger einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG, der vor dem Land- und dem Oberlandesgericht ohne Erfolg blieb. Nachdem das Bundesverfassungsgericht aufgrund einer Verfassungsbeschwerde des Klägers die Entscheidungen beider Gerichte aufgehoben hatte, stellte die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 26. Juli 2022 fest,

dass der Ablehnungsbescheid vom 13. Dezember 2017 rechtswidrig gewesen sei und den Kläger in seinen Rechten verletzt habe. Zuvor hatte der Kläger eine Verzögerungsrüge erhoben.

Mit Schreiben vom 14. September 2022, eingegangen am Folgetag, hat der Kläger beim Oberlandesgericht für die Erhebung einer Entschädigungsklage nach §§ 198 ff GVG die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt. Diese ist ihm mit Beschluss vom 13. März 2023 bewilligt worden. Ihm ist zudem sein vorinstanzlicher Prozessbevollmächtigter beigeordnet worden, dem er im Revisionsverfahren den Streit verkündet hat. Mit Schriftsatz vom 24. März 2023 hat der Rechtsanwalt im Namen des Klägers Einsicht in die beigezogene Strafvollstreckungsakte beantragt, die daraufhin am 7. Juni 2023 an ihn übersandt worden und am 21. Juni 2023 bei ihm eingegangen ist. Die Klageschrift ist am 19. Februar 2024 beim Oberlandesgericht eingegangen. Darin hat der Kläger geltend gemacht, dass das Verfahren auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG im Umfang von vier Jahren und zwei Monaten unangemessen lange gedauert habe.

Das Oberlandesgericht hat die auf Zahlung einer Entschädigung für immaterielle Nachteile in Höhe von mindestens 5.000 € gerichtete Klage als unbegründet abgewiesen. Mit seiner von der Vorinstanz zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe Die zulässige Revision hat im Ergebnis keinen Erfolg. Sie wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage statt als unbegründet als unzulässig abgewiesen wird. Dies ist, wenngleich der Beklagte im Verhandlungstermin vor dem Senat trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten war, nicht durch Versäumnisurteil, sondern durch Endurteil (unechtes Versäumnisurteil) auszusprechen, da sich die Revision auf der Grundlage des vom Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei festgestellten Sachverhalts als unbegründet erweist (vgl. Senat, Urteil vom 13. Dezember 1990 - III ZR 268/89, juris Rn. 7; BGH, Urteil vom 11. April 2025 - V ZR 96/24, NJW 2025, 1504 Rn. 7; jew. mwN).

I.

Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Die Klage sei unbegründet, weil ein etwaiger Entschädigungsanspruch des Klägers infolge Versäumung der sechsmonatigen Ausschlussfrist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG erloschen sei. Die Frist sei durch den Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 26. Juli 2022, durch den das Ausgangsverfahren beendet worden sei, in Gang gesetzt worden und habe am 26. Januar 2023 geendet. Zu diesem Zeitpunkt sei die Entschädigungsklage noch nicht erhoben worden. Die Klageschrift sei erst am 19. Februar 2024 eingereicht und dem Beklagten am 7. März 2024 zugestellt worden. Eine Rückwirkung der Zustellung auf den Zeitpunkt des Eingangs des Prozesskostenhilfeantrags am 15. September 2022 komme nicht in Betracht, da der Kläger nicht alles ihm Zumutbare für eine alsbaldige Klagezustellung getan habe. Insbesondere habe er nicht alsbald nach der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag eine Klageschrift eingereicht. Der Schriftsatz vom 24. März 2023, der neben dem Gesuch auf Akteneinsicht auch Ausführungen in der Sache enthalte, stelle mangels eines bestimmten Antrags keine ordnungsgemäße Klageschrift dar. Die somit erst am 19. Februar erfolgte Klageeinreichung könne nicht mehr als "demnächst" beziehungsweise "alsbald" nach der durch Beschluss vom 13. März 2023 erfolgten Bewilligung von Prozesskostenhilfe angesehen werden. Das gelte auch unter Berücksichtigung des für die Einsicht in die Beiakte erforderlichen Zeitraums. Dabei könne dahinstehen, ob der für die Entscheidung über das Akteneinsichtsgesuch und die anschließende Übersendung der Beiakte benötigte Zeitraum eine nicht von dem Kläger verursachte Verzögerung darstelle. Denn jedenfalls sei kein Grund dafür erkennbar, dass sich an die Bewilligung und Gewährung der Akteneinsicht bis zur Einreichung der Klageschrift eine Verzögerung von weiteren siebeneinhalb Monaten angeschlossen habe. Die Fristversäumnis führe zur Abweisung der Klage als unbegründet. Bei der Klagefrist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG handele es sich nicht um eine prozessuale Frist, deren Versäumung zur Abweisung der Klage als unzulässig führe. Aus Gesetzesbegründung, -systematik und -zweck folge vielmehr, dass die Wahrung der Klagefrist eine materielle Klagevoraussetzung sei.

II.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

1. Die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) ist auf das gerichtliche Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG unmittelbar anwendbar (Senat, Urteil vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13, NJW 2014, 1183 Rn. 20 ff).

2. Das Oberlandesgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger die Klagefrist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG nicht eingehalten hat. Danach muss die Entschädigungsklage spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderweitigen Erledigung des Verfahrens erhoben werden.

a) Die Klagefrist endete im Streitfall mit Ablauf des 28. Februar 2023. Das Oberlandesgericht hat für den Fristbeginn zu Unrecht auf den Zeitpunkt des Beschlusses der Strafvollstreckungskammer vom 26. Juli 2022 abgestellt und damit das Fristende auf den 26. Januar 2023 berechnet.

Gemäß § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG beginnt die Frist mit Eintritt der Rechtskraft der verfahrensbeendenden Entscheidung, sofern diese der Rechtskraft fähig ist. Das ist bei gerichtlichen Entscheidungen nach § 115 StVollzG der Fall (vgl. Senat, Urteil vom 4. November 2004 - III ZR 361/03, BGHZ 161, 33, 34). Gemäß § 120 Abs. 1 Satz 2 StVollzG sind auf das gerichtliche Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG die Vorschriften der Strafprozessordnung entsprechend anzuwenden, soweit sich aus dem Strafvollzugsgesetz nichts anderes ergibt. Da die Strafprozessordnung keine allgemeine Regelung über den Eintritt der Rechtskraft von Entscheidungen enthält (KK-StPO/Schneider-Glockzin, 9. Aufl., § 34a Rn. 1), erwachsen strafgerichtliche Entscheidungen nach allgemeinen Grundsätzen in Rechtskraft, wenn sie nicht angefochten worden oder nicht weiter anfechtbar sind (Rappert in Radtke/Hohmann, StPO, 2. Aufl., § 34a Rn. 2).

Gerichtliche Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer können gemäß § 116 StVollzG mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden. Diese muss gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 StVollzG binnen eines Monats nach Zustellung der gerichtlichen Entscheidung bei dem Gericht eingelegt werden, dessen Entscheidung angefochten wird. Der Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 26. Juli 2022 wurde dem Beklagten ausweislich des in der Beiakte befindlichen Empfangsbekenntnisses am 28. Juli 2022 zugestellt, so dass er gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 StVollzG, § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG in Verbindung mit § 222 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2, § 193 BGB mit Ablauf des 29. August 2022 in Rechtskraft erwuchs. Die Zweiwochenfrist des § 321a Abs. 2 Satz 1 ZPO ist entgegen der Auffassung der Revision bei der Berechnung der Klagefrist nicht zu berücksichtigen, weil die Anhörungsrüge den Eintritt der formellen Rechtskraft nicht hemmt (Senat, Beschluss vom 24. Februar 2005 - III ZR 263/04, NJW 2005, 1432; BGH, Versäumnisurteil vom 10. Mai 2012 - IX ZR 143/11, NJW 2012, 3087 Rn. 13). Die Sechsmonatsfrist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG endete gemäß § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 und 3 BGB somit am 28. Februar 2023 um 24 Uhr.

Der Einwand der Revision, der Beginn der Klagefrist könne nicht mit Rechtskraft des Beschlusses der Strafvollstreckungskammer vom 26. Juli 2022 angesetzt werden, vielmehr sei § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG verfassungskonform dahin auszulegen, dass der Fristbeginn um die Zeit bis zur Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag sowie die für die Akteneinsicht und anschließende Ausarbeitung der Klageschrift erforderliche Zeit hinausgeschoben werde, da diese Zeiten unter Berücksichtigung von Treu und Glauben in die Frist nicht eingerechnet werden könnten, greift nicht durch. Den Interessen der unbemittelten Partei wird hinreichend dadurch Rechnung getragen, dass sie die Rückwirkung des § 167 ZPO in Anspruch nehmen kann, wenn sie innerhalb der Frist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG bei Gericht einen Prozesskostenhilfeantrag einreicht und nach Entscheidung hierüber alles ihr Zumutbare für die alsbaldige Zustellung der Klage tut (siehe dazu sogleich Buchst. b und c). Die für Akteneinsicht und Ausarbeitung der Klageschrift erforderliche Zeit kann im Rahmen der Würdigung, ob die Partei unter Berücksichtigung der Gesamtsituation alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan hat, berücksichtigt werden.

b) Der Kläger hat innerhalb der Klagefrist eine Entschädigungsklage nicht erhoben. Für die Erhebung der Klage kommt es gemäß § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG in Verbindung mit § 253 Abs. 1 ZPO auf deren Zustellung an. Soll durch die Zustellung - wie hier - eine Frist gewahrt werden, tritt diese Wirkung nach § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG in Verbindung mit § 167 ZPO bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung "demnächst" erfolgt. Ist dies der Fall, wirkt die Zustellung auf den Zeitpunkt des Eingangs des Antrags zurück. Die Zustellung der Entschädigungsklage des Klägers fand jedoch nicht mehr "demnächst" statt.

c) Ob eine Zustellung "demnächst" im Sinne von § 167 ZPO erfolgt ist, beurteilt sich nach dem Sinn und Zweck dieser Regelung. Danach soll die Partei bei der Zustellung von Amts wegen vor Nachteilen durch Zustellungsverzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs bewahrt werden. Dagegen sind der Partei die Verzögerungen zuzurechnen, die sie oder ihr Prozessbevollmächtigter (§ 85 Abs. 2 ZPO) bei gewissenhafter Prozessführung hätte vermeiden können. Eine Zustellung "demnächst" nach Eingang des Antrags oder der Erklärung bedeutet daher eine Zustellung innerhalb einer nach den Umständen angemessenen, selbst längeren Frist, wenn die Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter unter Berücksichtigung der Gesamtsituation alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan hat. Die Zustellung ist dagegen nicht mehr "demnächst" erfolgt, wenn die Partei, der die Fristwahrung obliegt, oder ihr Prozessbevollmächtigter durch nachlässiges - auch leicht fahrlässiges - Verhalten zu einer nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen hat (Senat, Urteil vom 3. September 2015 - III ZR 66/14, NJW 2015, 3101 Rn. 15; Beschlüsse vom 29. März 2018 - III ZB 135/17, NJW-RR 2018, 763 Rn. 16, vom 28. Februar 2008 - III ZB 76/07, BGHZ 175, 360 Rn. 11 sowie vom 30. November 2006 - III ZB 22/06, BGHZ 170, 108 Rn. 6 und III ZB 23/06, VersR 2007, 711 Rn. 6; jew. mwN). Dem Zustellungsveranlasser zuzurechnende Verzögerungen von bis zu 14 Tagen sind regelmäßig "geringfügig" und deshalb hinzunehmen. Das Merkmal "demnächst" wird dadurch nicht in Frage gestellt (Senatsurteil vom 3. September 2015 aaO; Senatsbeschlüsse vom 29. März 2018 aaO und vom 28. Februar 2008 aaO). Bei der Berechnung der vorwerfbaren Verzögerung ist unter Einräumung einer angemessenen Erledigungsfrist darauf abzustellen, um wie viele Tage sich der für die Zustellung der Klage ohnehin erforderliche Zeitraum infolge der Nachlässigkeit des Klägers verzögert hat (Senatsurteil vom 3. September 2015 aaO Rn. 19 sowie Senatsbeschluss vom 29. März 2018 aaO).

d) Auch eine unbemittelte Partei, die - wie hier der Kläger - innerhalb der Frist lediglich einen Prozesskostenhilfeantrag stellt, kann die Rückwirkung des § 167 ZPO in Anspruch nehmen, wenn sie alles ihr Zumutbare für die alsbaldige Zustellung der Klage tut (vgl. zB zu § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG Senatsbeschlüsse vom 29. März 2018 aaO Rn. 17 und vom 30. November 2006 - III ZB 22/06 aaO Rn. 12 sowie III ZB 23/06 aaO Rn. 10). Zwar genügen die Stellung eines Prozesskostenhilfeantrags und seine Übermittlung an die Gegenseite für sich gesehen nicht, eine Klagefrist zu wahren, weil es gemäß § 253 Abs. 1 ZPO insoweit auf die Zustellung der Klage ankommt. Die Einreichung der Klageschrift wahrt jedoch dann rückwirkend die Frist, wenn die Klage unverzüglich nach der vom Kläger nicht verzögerten (positiven oder negativen) Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zugestellt wird (Senat, Beschlüsse vom 29. März 2018 aaO sowie vom 30. November 2006 - III ZB 22/06 aaO und III ZB 23/06 aaO).

Grundlage hierfür ist die Überlegung, dass es im Bereich der Verwirklichung des Rechtsschutzes der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gebietet, die prozessuale Stellung von Bemittelten und Unbemittelten weitgehend anzugleichen

(vgl. BVerfGE 81, 347, 356 f; Senat, Beschlüsse vom 30. November 2006 - III ZB 22/06 aaO Rn. 13 sowie III ZB 23/06 aaO Rn 11; jew. mwN). Eine Partei, die sich - wie vorliegend der Kläger - berechtigt für bedürftig halten darf, kann nicht allgemein darauf verwiesen werden, sie müsse bereits innerhalb der Frist eine Klage einreichen und einen Antrag nach § 14 Nr. 3 GKG stellen. Die Vorfinanzierung eines postulationsfähigen Prozessbevollmächtigten, der eine entsprechende Klage unterzeichnen müsste, kann im Hinblick auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der um Prozesskostenhilfe nachsuchenden Partei nicht verlangt werden (Senat, Beschluss vom 30. November 2006 - III ZB 22/06 aaO Rn. 14).

e) Die vorstehenden Grundsätze sind zur Wahrung des verfassungsrechtlichen Gebots der Rechtsschutzgleichheit bemittelter und unbemittelter Rechtsschutzsuchender auf die Ausschlussfrist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG zu übertragen (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 17. Januar 2022 - 4 EK 12/21, juris Rn. 41; OLG Frankfurt, Urteil vom 9. Juli 2014 - 16 EntV 3/12, juris Rn. 27; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 12. Februar 2020 - L 12 SF 39/17 EK AS, juris Rn. 27; LSG Hessen, Urteil vom 29. Mai 2019 - L 6 SF 54/17 EK SF, juris Rn. 29; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. Dezember 2014 - 6 S 2231/14, juris Rn. 5; BeckOGK/Braukmann, BGB [1. August 2025], § 839 Rn. 1352 f; Frehse, Die Kompensation der verlorenen Zeit, 2017, S. 1179; Heine, MDR 2013, 1081, 1082 f; ders. MDR 2012, 327, 328; Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, 2012, § 198 GVG Rn. 173; Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, § 198 GVG Rn. 258; ferner BSG, Urteil vom 7. September 2017 - B 10 ÜG 1/17 R, juris Rn. 24, 26 [Art. 23 Satz 6 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGRG) vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302)]). Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass bei Nichteinhaltung der Frist die Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht anwendbar sind, da die Ausschlussfrist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG keine Frist im Sinne des § 233 ZPO darstellt (OLG Hamm, FamRZ 2023, 974, 975; OLG Koblenz, Urteil vom 17. August 2017 - 1 EK 6/17, BeckRS 2017, 121480 Rn. 11; OLG Brandenburg, Urteil vom 30. März 2016 - 11 EK 4/14, juris Rn. 6; OLG Bremen, NJW 2013, 3109; OLG Karlsruhe, Urteil vom 1. Oktober 2013 - 23 SchH 13/12 EntV, juris Rn. 17; Heine, MDR 2014, 1008, 1009; ders. MDR 2013, 1081, 1083; Kissel/Mayer, GVG, 11. Aufl., § 198 Rn. 42; Lorenz, Die Dogmatik des Entschädigungsanspruches aus § 198 GVG, 2018, S. 260; Marx/Roderfeld aaO § 198 GVG Rn. 178; MüKo/Pabst, ZPO, 6. Aufl., § 198 GVG Rn. 75; Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott aaO Rn. 255; Zöller/Lückemann, ZPO, 35. Aufl., § 198 GVG Rn. 11; a.A. Frehse aaO S. 1175; Stein/Jonas/Jacobs, ZPO, 23. Aufl., § 198 GVG Rn. 73).

Da den Interessen der unbemittelten Partei hinreichend dadurch Rechnung getragen wird, dass sie die Rückwirkung des § 167 ZPO in Anspruch nehmen kann, wenn sie nach Stellung eines Prozesskostenhilfeantrags, der innerhalb der Frist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG bei Gericht eingehen muss, alles ihr Zumutbare für die alsbaldige Zustellung der Klage tut, bedarf es keines Rückgriffs auf die Wertung des § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB, wonach bereits die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zur Verjährungshemmung führt (vgl. Senat, Beschlüsse vom 29. März 2018 aaO und vom 30. November 2006 - III ZB 22/06 aaO Rn. 12 sowie III ZB 23/06 aaO Rn. 10 [jew. zu § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG]). Das gilt erst recht für die von der Revision erwähnte Vorschrift des § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB, deren entsprechende Anwendung die Frist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG und damit die Überlegungszeit für unbemittelte Parteien um bis zu sechs Monate verlängern würde, was zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Besserstellung gegenüber Parteien führte, die auf eigene Kosten prozessieren müssen (BSG aaO Rn. 25 [Art. 23 Satz 6 ÜGRG]).

f) Nach den vorstehenden Maßgaben hat der Kläger die Zustellung der Klage nicht "demnächst" bewirkt, so dass eine Rückwirkung der Klagezustellung auf den Zeitpunkt des Eingangs des Prozesskostenhilfeantrags am 15. September 2022 ausscheidet. Er hat nach der Beendigung des Prozesskostenhilfeverfahrens nicht alles ihm Zumutbare für die alsbaldige Klagezustellung getan. Da dem Prozesskostenhilfeantrag vom 14. September 2022 ein Klageentwurf nicht beigefügt war, bedurfte es für eine ordnungsgemäße Klagezustellung als Mitwirkungshandlung des Klägers der Einreichung einer Klageschrift. Dies ist nicht alsbald nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfolgt, da die dem Kläger vorwerfbare Verzögerung mehr als 14 Tage beträgt.

aa) Das Oberlandesgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Schriftsatz vom 24. März 2023 keine ordnungsgemäße Klageschrift darstellte. Für die Wahrung der Ausschlussfrist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG ist zwar nicht die Zulässigkeit der Klage im Übrigen notwendig, sondern allein die Wirksamkeit der Klageerhebung. Jedoch setzt auch diese voraus, dass die Klage den wesentlichen Formerfordernissen des § 253 ZPO entspricht (Senat, Urteil vom 17. März 2016 - III ZR 200/15, NJW 2016, 2747 Rn. 18 [§ 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG]). Der Kläger behielt sich in seinem Schriftsatz vom 24. März 2023 die Einreichung einer Klageschrift indessen bis nach der Gewährung der beantragten Akteneinsicht vor.

bb) Die Einreichung der Klageschrift vom 19. Februar 2024 erfolgte nicht alsbald nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

(1) Allerdings war dem Kläger für die Anfertigung der Klageschrift eine ausreichende Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit zuzubilligen, die dem Umfang und der Schwierigkeit der Rechtssache angemessen Rechnung trug. Insoweit weist die Revision zwar zu Recht darauf hin, dass der dem Kläger vorinstanzlich beigeordnete Prozessbevollmächtigte mit dem Ausgangsverfahren vor der Strafvollstreckungskammer zuvor nicht befasst gewesen war und er daher vor Ausarbeitung der Klageschrift Akteneinsicht nehmen musste. Soweit sie allerdings geltend macht, dass es das Oberlandesgericht versäumt habe, die für die Einsichtnahme in die Verfahrensakte und in die beigezogenen Beiakten erforderliche Dauer zu bestimmen, dringt sie damit nicht durch. Das Oberlandesgericht brauchte die dem Kläger für die Anfertigung und Einreichung der Klageschrift zuzubilligende Zeitspanne vorliegend nicht genau zu bestimmen. Bei der Bestimmung der Zeit, innerhalb derer die Klageerhebung zu erfolgen hat, um noch "alsbald" zu sein, ist wiederum die Wertung des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG zu berücksichtigen. Danach ist der Kläger grundsätzlich gehalten, die Klageschrift innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten auszuarbeiten und bei Gericht einzureichen. Dadurch soll dem Fiskus ein alsbaldiger umfassender Überblick über die denkbaren Entschädigungspflichten und ein endgültiger Abschluss von Entschädigungsverfahren ermöglicht werden (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, BT-Drucks. 17/3802 S. 22). Überdies soll verhindert werden, dass der Berechtigte die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs unangemessen verzögern kann (vgl. Senat, Urteile vom 17. März 2016 aaO Rn. 29 [§ 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG]; vom 8. Juni 1989 - III ZR 82/88, BGHZ 108, 14, 19 [§ 12 StrEG] und vom 11. März 1976 - III ZR 113/74, BGHZ 66, 122, 130 [§§ 9, 12 StrEG]).

(2) Vor diesem Hintergrund kann der der bedürftigen Partei für die Klageerhebung zuzubilligende Zeitraum grundsätzlich jedenfalls nicht mehr als sechs Monate nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe betragen. Nach Abschluss des Prozesskostenhilfeverfahrens besteht kein Grund, die mittellose Partei an- ders als die bemittelte Partei zu behandeln. Der Partei, die die Kosten der Prozessführung selbst aufbringen kann, steht für die Einreichung der Klageschrift gemäß § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG ein Zeitraum von sechs Monaten nach Rechtskraft der verfahrensbeendenden Entscheidung oder der anderweitigen Beendigung des Ausgangsverfahrens zur Verfügung. Entsprechend ist es der unbemittelten Partei grundsätzlich zumutbar, nach Abschluss des Prozesskostenhilfeverfahrens die Klageschrift ebenfalls spätestens innerhalb von sechs Monaten bei Gericht einzureichen, wobei nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls auch eine bedeutend kürzere Zeit angemessen sein kann (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 29. März 2018 aaO Rn. 19: Überarbeitung eines bereits eingereichten Klageentwurfs binnen dreier Werktage).

(3) Ob im Streitfall zur Einreichung der Klageschrift ein Zeitraum von weniger als sechs Monaten nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe am 13. März 2023 angemessen gewesen wäre, kann auf sich beruhen. Denn bei Eingang der Klageschrift am 19. Februar 2024 waren seit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe bereits mehr als elf Monate vergangen. Da der Kläger die Klageschrift somit nicht innerhalb von sechs Monaten nach der spätestens am 14. März 2023 gegenüber dem ihm vorinstanzlich beigeordneten Prozessbevollmächtigten erfolgten Bekanntgabe des Prozesskostenhilfebeschlusses eingereicht hat, hat er nicht alles ihm Zumutbare für die alsbaldige Zustellung der Klage getan, und die ihm vorwerfbare Verzögerung beträgt mindestens fünf Monate.

Selbst wenn zugunsten des Klägers die nahezu dreimonatige Dauer bis zur Gewährung der Einsichtnahme in die Strafvollstreckungsakte als ausschließlich der gerichtlichen Sphäre zuzurechnende Verzögerung berücksichtigt und der Beginn des Zeitraums von (maximal) sechs Monaten ausnahmsweise nicht mit Abschluss des Prozesskostenhilfeverfahrens, sondern erst mit Gewährung der Akteneinsicht am 21. Juni 2023 angesetzt wird, ändert das im Ergebnis nichts. Insoweit hat das Oberlandesgericht zu Recht festgestellt, dass der von dem Kläger für die Einreichung der Klageschrift benötigte Zeitraum in diesem Fall siebeneinhalb Monate beträgt. Mithin wäre der Zeitraum von sechs Monaten immer noch um rund sechs Wochen überschritten und die dem Kläger zurechenbare Verzögerung weiterhin nicht nur geringfügig.

g) Die Rüge der Revision, dass das Oberlandesgericht den Kläger mit Verfügung vom 29. April 2024 lediglich auf Bedenken hinsichtlich der Einhaltung der Frist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG hingewiesen habe, ein sachgerechter Hinweis nach § 139 ZPO hätte ihm vielmehr Gelegenheit geben müssen, zu den Gründen für die Überschreitung der Sechsmonatsfrist vorzutragen, greift nicht durch. Der erteilte Hinweis bot dem Kläger hinreichenden Anlass, zu etwaigen Entschuldigungsgründen für die Fristüberschreitung vorzutragen. Eines darüber hinausgehenden Hinweises bedurfte es nicht. Abgesehen davon legt die Revision nicht dar, welchen Vortrag der Kläger auf einen weiteren Hinweis des Oberlandesgerichts gehalten hätte.

3. Die Klage ist aufgrund der Versäumung der Frist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts nicht unbegründet, sondern unzulässig.

a) Die Rechtsnatur der Frist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG ist umstritten. Einer Ansicht nach handelt es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist mit der Folge, dass die Klagefrist als Teil der Begründetheit der Klage zu behandeln ist (OLG Hamm aaO; OLG Karlsruhe, ErbR 2021, 693, 699; OLG Koblenz aaO Rn. 9 f, 12; OLG Brandenburg aaO; OLG Düsseldorf, Urteil vom 3. Juni 2015 - I-18 EK 4/14, juris Rn. 14, 17; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. Mai 2025 - 22 D 104/24.EK, juris Rn. 15 f; BeckOK/Graf, GVG [15. Februar 2025],

§ 198 Rn. 33; Kämpfer, SchlHA 2011, 389, 391; Lorenz aaO S. 260; Marx/Roderfeld aaO Rn. 161 ff; Schenke, NVwZ 2012, 257, 263; Schmidt, NVwZ 2015, 1710, 1712; Stahnecker, Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, Rn. 168; Steinbeiß-Winkelmann/Naumann in Schoch/Schneider, VwGO [Februar 2025], § 173 Rn. 348; Zöller/Lückemann aaO; trotz Bezeichnung als "prozessuale Ausschlussfrist" der Sache nach auch Stein/Jonas/Jacobs aaO Rn. 72).

Das Bundessozialgericht, das Bundesverwaltungsgericht und Teile der Literatur gehen zwar ebenfalls von einer materiell-rechtlichen Ausschlussfrist aus, nach deren Ablauf eine Verwirkung des Entschädigungsanspruchs eintritt, erblicken in der Klagefrist aber zugleich eine besondere Zulässigkeitsvoraussetzung, so dass die Klage im Fall der Fristversäumnis als unzulässig abzuweisen ist (BSG, NZS 2025, 466 Rn. 21; BSGE 131, 153 Rn. 13, 16 und Urteil vom 7. September 2017 aaO Rn. 19, 22; BVerwG, NVwZ 2018, 909 Rn. 14 f und Beschluss vom 5. Dezember 2022 - 5 AV 2/22, juris Rn. 5; Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott aaO Rn. 255 f).

Nach anderer Auffassung normiert § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG eine prozessuale Ausschlussfrist mit der Folge, dass die Klagefrist als Teil der Zulässigkeit der Klage zu behandeln ist (OLG Braunschweig, Urteil vom 5. November 2021 - 4 EK 23/20, juris Rn. 152 ff; OLG Celle, NJW-RR 2017, 765 Rn. 3 f; BeckOGK/Braukmann aaO Rn. 1352; Frehse aaO S. 1166 ff; Heine, MDR 2013, 1081, 1082; ders. MDR 2012, 327 f; Kissel/Mayer aaO Rn. 43; Röhl in Schlegel/ Voelzke, jurisPK-SGG [18. Juni 2024], § 198 GVG Rn. 179; Prüfung der Klagefrist als Zulässigkeitsvoraussetzung ohne dogmatische Einordnung OLG Köln, medstra 2021, 258 Rn. 27, 29; OLG Frankfurt, Urteil vom 9. Juli 2014 aaO Rn. 24, 27).

Der Bundesfinanzhof prüft die Einhaltung der Klagefrist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG ebenfalls im Rahmen der Zulässigkeit der Klage, hat deren dogmatische Einordnung bisher allerdings dahinstehen lassen (BFH, Urteil vom 14. April 2021 - X K 3/20, juris Rn. 20 ff und BFHE 263, 498 Rn. 39 ff).

b) Der Senat hat die Streitfrage bisher offengelassen (vgl. Senat, Beschluss vom 31. Januar 2019 - III ZA 41/18, juris Rn. 7). Er entscheidet sie nunmehr dahin, dass § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG eine prozessuale Ausschlussfrist normiert, die eine besondere Zulässigkeitsvoraussetzung für die Entschädigungsklage darstellt.

aa) Neben § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG gibt es zahlreiche weitere gesetzliche Bestimmungen, die die Klageerhebung vor einem Zivilgericht nur innerhalb einer Frist zulassen (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2020 - VIII ZR 355/18, NJW 2020, 1947 Rn. 20 ff; Stein/Roth, ZPO, 24. Aufl., Einleitung vor § 253 Rn. 168 ff). Wie die Regelungen in Art. 12 Abs. 3 des Gesetzes zum NATO-Truppenstatut und in § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG zeigen, sind insbesondere dem Entschädigungsrecht Klagefristen nicht fremd. Diese dienen dem öffentlichen Interesse an einem möglichst raschen endgültigen Abschluss von Entschädigungsverfahren (vgl. die Begründung zu Art. 11 des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zum NATOTruppenstatut und zu den Zusatzvereinbarungen, BT-Drucks. III/2146 S. 10 [Art. 12 Abs. 3 des Gesetzes zum NATO-Truppenstatut]; Senat, Urteil vom 17. März 2016 aaO Rn. 29 [§ 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG]; BT-Drucks. 17/3802 S. 22 [§ 198 Abs. 5 Satz 2 GVG]). Ob solche Klagefristen dem materiellen Recht oder dem Prozessrecht angehören, hängt in erster Linie von der Wirkung der jeweiligen Frist ab. Um materiell-rechtliche Ausschlussfristen handelt es sich, wenn der Ablauf der betreffenden Klagefrist zum Erlöschen des subjektiven Rechts führt, während der Ablauf einer prozessualen Klagefrist den Verlust des Klagerechts der Partei zur Folge hat (BGH, Urteil vom 29. April 2020 aaO Rn. 21; Stein/Roth aaO Rn. 172).

bb) Der Gesetzgeber hat darauf verzichtet, in § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG eine Rechtsfolge für die Nichteinhaltung der Frist zu normieren. Insbesondere hat er für diesen Fall - anders als etwa in § 562b Abs. 2 Satz 2 BGB (Erlöschen des Vermieterpfandrechts), § 864 Abs. 1 BGB (Erlöschen von Ansprüchen wegen Besitzentziehung oder -störung), § 977 Satz 2 BGB (Erlöschen des Bereicherungsanspruchs nach Rechtsverlust) oder § 1002 Abs. 1 BGB (Erlöschen von Verwendungsersatzansprüchen des Besitzers) - nicht das Erlöschen des Entschädigungsanspruchs oder - wie in § 10 Abs. 1 Satz 2 StrEG (vgl. dazu Senat, Urteil vom 11. März 1976 aaO S. 127 f) - den Ausschluss des Anspruchs angeordnet. Die Anknüpfung an die Klageerhebung weist vielmehr Parallelen zu prozessualen Klagefristen wie in § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 87 Abs. 1 SGG und § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO auf. Der Wortlaut der Vorschrift spricht somit für deren Einordnung als prozessuale Ausschlussfrist (BFHE 263, 498 Rn. 46; Frehse aaO S. 1167, 1170; Röhl in Schlegel/Voelzke aaO).

Dieses Ergebnis wird durch einen Vergleich mit anderen entschädigungsrechtlichen Klagefristen bestätigt. Bei der Klagefrist in Art. 23 Satz 6 ÜGRG, die für bei Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren am 3. Dezember 2011 bereits abgeschlossene Verfahren - ebenso wie § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG für erst nach Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossene Verfahren - eine (mindestens) sechsmonatige, an Art. 35 Abs. 1 EMRK angelehnte Überlegungsfrist normiert, handelt es sich ebenso um eine besondere Zulässigkeitsvoraussetzung für die Entschädigungsklage (Senat, Urteil vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, BGHZ 199, 190 Rn. 18) wie bei der in § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG geregelten Wartefrist

(Senat, Urteil vom 17. Juli 2014 - III ZR 228/13, NJW 2014, 2588 Rn. 17). Dasselbe gilt für die in den Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drucks. 17/3802 S. 22, 41) erwähnten Fristen in § 12 StrEG (Senat, Urteil vom 5. Dezember 2013 aaO) und § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG (Senat, Urteil vom 17. März 2016 aaO Rn. 16). Für die Klagefrist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG kann wegen des systematischen Zusammenhangs insbesondere mit den in Art. 23 Satz 6 ÜGRG und § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG geregelten Fristen nichts anderes gelten.

Der Zweck der Klagefrist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG steht deren Einordnung als prozessuale Ausschlussfrist nicht entgegen. Das gesetzgeberische Ziel, dem Fiskus einen alsbaldigen umfassenden Überblick über die denkbaren Entschädigungspflichten und einen endgültigen Abschluss von Entschädigungsverfahren zu ermöglichen (BT-Drucks. 17/3802 S. 22), kann bei der Unzulässigkeit der Klage in gleicher Weise wie bei der Unbegründetheit der Klage erreicht werden. In beiden Fällen führt die Fristversäumnis dazu, dass der Kläger einen Entschädigungsanspruch nicht mehr geltend machen kann (vgl. Senat, Urteil vom 11. März 1976 aaO S. 128).

Schließlich steht der Einordnung der Klagefrist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG als besondere Zulässigkeitsvoraussetzung der Entschädigungsklage auch nicht der Wille des Gesetzgebers entgegen. Zwar lässt sich der Begründung des Regierungsentwurfs entnehmen, dass der Gesetzgeber bei Ablauf der Klagefrist von einer Verwirkung des Entschädigungsanspruchs und somit von einer materiell-rechtlichen Ausschlussfrist ausging (BT-Drucks. 17/3802 S. 22), weshalb die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung zu dem Vorschlag des Bundesrats, § 198 Abs. 5 GVG dahin zu ergänzen, dass die Klage bei Versäumung der darin geregelten Fristen als unzulässig abzuweisen sei (BT-Drucks. 17/3802 S. 35),

unter Hinweis auf die Begründung des Regierungsentwurfs die Meinung vertreten hat, dass eine zu spät erhobene Klage nicht unzulässig, sondern unbegründet sei (BT-Drucks. 17/3802 S. 41). Für die Auslegung einer Gesetzesbestimmung ist jedoch nur der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend, so wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist (BVerfGE 105, 135, 157; 59, 128, 153; 11, 126, 130 f mwN). Daher kann der Wille des Gesetzgebers bei der Gesetzesauslegung nur insoweit berücksichtigt werden, als er in dem Gesetz selbst einen hinreichend bestimmten Ausdruck gefunden hat (BVerfGE 59, 128, 153; 11, 126, 130 f). Vorliegend hat der Wille des Gesetzgebers in dem Wortlaut des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG indessen - wie dargelegt keinen Niederschlag gefunden. Daher kann dessen Meinungsbekundungen in den Gesetzesmaterialien bei der Auslegung von § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG keine maßgebliche Bedeutung beigemessen werden (OLG Braunschweig aaO Rn. 155; Frehse aaO S. 1171; vgl. auch BSG, Urteil vom 7. September 2017 aaO Rn. 21).

c) Eine Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes ist im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zur dogmatischen Einordnung der Klagefrist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG nicht veranlasst. Das wäre nur bei einer entscheidungserheblichen Divergenz der Fall (vgl. Senat, Urteil vom 26. November 2020 - III ZR 61/20, BGHZ 227, 377 Rn. 33), an der es vorliegend fehlt. Bundessozialgericht und Bundesverwaltungsgericht gelangen trotz der Annahme einer materiell-rechtlichen Ausschlussfrist bei Versäumung der Klagefrist zu einer Abweisung der Klage als unzulässig, so dass sich die abweichenden Auffassungen des erkennenden Senats einerseits und des Bundessozialgerichts sowie des Bundesverwaltungsgerichts andererseits nicht entscheidungserheblich auswirken.

4. Der Senat kann selbst auf die Unzulässigkeit der Klage erkennen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Wahrung der Klagefrist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG ist als besondere Prozessvoraussetzung auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu beachten (Senat, Urteile vom 17. Juli 2014 aaO [§ 198 Abs. 5 Satz 1 GVG] und vom 5. Dezember 2013 aaO mwN [Art. 23 Satz 6 ÜGRG]; Heine, MDR 2013, 1081, 1082; Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott aaO Rn. 256). Einer Abweisung der Klage als unzulässig statt - wie im angefochtenen Urteil ausgesprochen - als unbegründet stehen das verfahrensrechtliche Verschlechterungsverbot und der Umstand, dass nur der Kläger Revision eingelegt hat, nicht entgegen (Senat, Urteil vom 4. August 2022 - III ZR 228/20, NJW-RR 2022, 1288 Rn. 17 mwN).

Herrmann Herr Böttcher RiBGH Prof. Dr. Kessen ist wegen Krankheit verhindert zu signieren.

Herrmann Ostwaldt Vorinstanz: OLG Nürnberg, Entscheidung vom 12.07.2024 - 15 EK 2667/22 - Verkündet am: 4. September 2025 Uytterhaegen, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

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Häufigkeit Paragraph
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6 167 ZPO
5 109 StVollzG
4 12 StrEG
3 201 GVG
3 253 ZPO
2 187 BGB
2 188 BGB
2 204 BGB
2 233 ZPO
1 3 BGB
1 193 BGB
1 562 BGB
1 864 BGB
1 977 BGB
1 1002 BGB
1 35 EMRK
1 47 FGO
1 3 GG
1 20 GG
1 14 GKG
1 2 GVG
1 23 GVG
1 87 SGG
1 9 StrEG
1 10 StrEG
1 115 StVollzG
1 116 StVollzG
1 118 StVollzG
1 120 StVollzG
1 74 VwGO
1 85 ZPO
1 139 ZPO
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1 563 ZPO

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