3 Ni 28/13 (EP)
BUNDESPATENTGERICHT Ni 28/13 (EP)
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Patentnichtigkeitssache …
BPatG 152ni_adler 07.12
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betreffend das europäische Patent 1 482 046 (DE 694 35 374)
hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 13. März 2015 unter Mitwirkung des Richters Kätker als Vorsitzender sowie der Richterinnen Martens und Dipl.-Chem. Univ. Dr. Münzberg beschlossen:
Der Antrag der Beklagten, das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Patentvindikationsklageverfahren 7 O 24771/13 auszusetzen, wird zurückgewiesen.
Gründe I.
Die Beklagte beantragt die Aussetzung des vorliegenden Nichtigkeitsverfahrens. Sie weist auf die vor dem Landgericht München anhängige Patentvindikationsklage (Az.: 7 O 24771/13) hin, mit der die Nichtigkeitsklägerin die Übertragung des Streitpatents auf sich verfolgt. Sie meint, das Vindikationsklageverfahren sei vorgreiflich i. S. d. § 148 ZPO (i. V. m. § 99 Abs. 1 PatG) für das Nichtigkeitsverfahren, da die Klägerin im Fall der Stattgabe der Vindikationsklage Inhaberin des Streitpatents werde und damit im Nichtigkeitsverfahren die Klagebefugnis verliere. Die sich nur auf die (Nicht-) Aussetzung des Erteilungsverfahrens und die Sondervorschrift des § 7 PatG beziehende Entscheidung BPatGE 24, 54 und die darauf Bezug nehmende Literatur (Schulte, Patentgesetz, 9. Aufl., Einl., Rn. 135) seien auf diese Fallgestaltung nicht anwendbar, ebensowenig wie Entscheidungen, die sich auf die Übertragung und Umschreibung des Streitpatents auf Dritte bezögen. Hier hingegen stehe - je nach Erfolg der Vindikationsklage - die Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage in Frage. Zudem verlange die Prozessökonomie eine Vermeidung von potentiell ins Leere gehendem Aufwand, wie er gerade im vorliegenden Nichtigkeitsverfahren bestehe.
Die Klägerin tritt dem Aussetzungsantrag entgegen. Sie hält das Vindikationsklageverfahren nicht für vorgreiflich. Die Frage des Bestands des Streitpatents sei völlig unabhängig von der Frage, wem es zustehe. Insbesondere bestehe nicht die Gefahr einer doppelten Befassung mit derselben Rechtsfrage. Eine Stattgabe der Vindikationsklage würde auch an der Parteirolle der (Nichtigkeits-) Beklagten nichts ändern, so dass kein unmittelbarer Einfluss auf das Nichtigkeitsverfahren vorliege. Zudem würde die rechtskräftige Nichtigerklärung des Streitpatents - andersherum - zu einer Erledigung des Vindikationsklageverfahrens führen. Im Übrigen habe das Landgericht Düsseldorf im erstinstanzlichen Verletzungsverfahren auch keine Veranlassung gesehen, das dortige Verfahren wegen des vorliegenden Nichtigkeitsverfahrens oder wegen der Vindikationsklage auszusetzen. Ergänzend weist die Klägerin darauf hin, dass das Landgericht München I seinen Verhandlungstermin im Vindikationsklageverfahren auf den 13. August 2015, also nach dem Verhandlungstermin des Bundespatentgerichts, terminiert habe.
II.
Nach § 148 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei. Diese Vorschrift ist nach § 99 Abs. 1 PatG im Verfahren vor dem Bundespatentgericht entsprechend anwendbar.
Zwar liegen hier - entgegen der Auffassung der Klägerin - die gesetzlichen Voraussetzungen des § 148 ZPO i. V. m. 99 Abs. 1 PatG für eine Aussetzung vor. Insbesondere ist in dem vorliegenden Sonderfall, in dem die Nichtigkeitsklägerin mit der Vindikationsklage die Übertragung des Streitpatents auf sich selbst begehrt, ausnahmsweise (trotz der Regelung des § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO) die Vorgreiflichkeit des im Vindikationsklageverfahren zu entscheidenden Rechtsverhältnisses für das vorliegende Nichtigkeitsverfahren gegeben. Denn im Fall des Erfolgs der Vindikationsklage würde die Klägerin, dann Inhaberin des Streitpatents, ihre Klagebefugnis verlieren (vgl. Benkard, Patentgesetz, 10. Aufl., § 22, Rn. 33; Busse, Patentgesetz, 7. Aufl., § 81, Rn. 51), so dass die Nichtigkeitsklage als unzulässig abzuweisen wäre. Die Entscheidung im Nichtigkeitsverfahren ist damit vom (Nicht-) Bestehen eines Rechtsverhältnisses abhängig, dessen Feststellung Gegenstand des anderen Prozesses ist (vgl. zur Vorgreiflichkeit auch bei der Klärung von Zulässigkeitsvoraussetzungen Prütting/Gehrlein, Zivilprozessordnung, 6. Aufl., § 148, Rdn. 15: Vorgreiflichkeit des anhängigen Betreuungsverfahrens bei streitiger Prozessfähigkeit des Klägers).
Das ihm nach § 148 ZPO i. V. m. § 99 ZPO gewährte Ermessen übt der Senat jedoch dahin aus, dass er von einer Aussetzung des Nichtigkeitsverfahrens absieht. Bei der Ermessensausübung sind der Normzweck, d. h. die Einheitlichkeit von Entscheidungen und Vermeidung doppelter Befassung mit derselben Rechtsfrage (vgl. Musielak, Zivilprozessordnung, 4. Aufl., § 148, Rn. 1; Saenger, Zivilprozessordnung, 5. Aufl., § 148 ZPO, § 148, Rn. 1), weiter die Interessen der Parteien, die Prozessökonomie und die Gefahr der Verfahrensverschleppung bzw. die Gesamtdauer des Verfahrens gegeneinander abzuwägen (vgl. Musielak, a. a. O., Rn. 8).
Vorliegend besteht keine Gefahr einander widersprechender Entscheidungen, da im Nichtigkeitsverfahren und im Vindikationsklageverfahren nicht über dieselbe Rechtsfrage entschieden wird. Dementsprechend ist auch keine doppelte Befassung mit derselben Rechtsfrage zu befürchten. Für eine Aussetzung kann es allein auch nicht genügen, dass ein an sich entscheidungsreifer (Nichtigkeits-) Rechtsstreit durch den anderen Prozess gegenstandslos werden könnte (vgl. Thomas Putzo, ZPO, 35. Aufl., § 148, Rn. 3; Stein/Jonas, Zivilprozessordnung, 22. Aufl., § 148, Rn. 26).
Weiter war zu berücksichtigen, dass die Entscheidung im vorliegenden Nichtigkeitsverfahren wiederum auch Auswirkungen auf das Vindikationsklageverfahren haben kann, denn eine Nichtigerklärung des Streitpatents würde zu deren Erledigung führen, da das Ziel der parallelen Vindikationsklage, nämlich die Übertragung des Patents, nicht mehr erreicht werden könnte (vgl. Fitzner/Lutz/Bodewig, Patentgesetz, 4. Aufl., § 8 Rn. 5; Schulte, Patentgesetz, 9. Aufl., § 8, Rn. 24). Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass eines der beiden Verfahren, und ggf. welches von ihnen, aus prozessökonomischen Gründen vorrangig oder umgekehrt nachrangig zu betreiben ist.
Mit der Aussetzung wäre zudem die Gefahr verbunden, dass der Ausgang des Vindikationsklageverfahrens unter Umständen über mehrere Instanzen hinweg abgewartet werden müsste, und im Fall der Abweisung der Vindikationsklage wiederum eine längere Verfahrensdauer des Nichtigkeitsverfahrens, ggf. über mehrere Instanzen hinweg, abzuwarten ist, bis Klarheit über den Bestand des Streitpatents besteht.
Nach alledem können zwar die von der Beklagten angeführten Gründe der Verfahrensökonomie, insbesondere die Verhinderung überflüssiger Mehrarbeit (vgl. Thomas /Putzo, a. a. O., Rn. 2) nicht von der Hand gewiesen werden, sie vermögen unter Berücksichtigung aller für das Ermessen des Senats maßgebenden Gesichtspunkte jedoch nicht durchgreifend zugunsten einer Aussetzung zu sprechen, zumal bloße Gründe der Zweckmäßigkeit für eine Aussetzung nicht genügen (vgl. Stein/Jonas, a. a. O., Rn. 19) und § 148 ZPO auch gerade nicht dem Wunsch von Patentamt und -gericht dient, nach ihrem Belieben Verfahren prozessökonomisch zu gestalten (vgl. Schulte, a. a. O., Einleitung, Rn. 132, a. A. BPatGE 41, 134 = Mitt. 1999, 313 mit kr. Anm. Hamm).
Kätker Martens Dr. Münzberg Pr