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V ZB 21/17

BUNDESGERICHTSHOF V ZB 21/17 BESCHLUSS vom 22. Juni 2017 in der Abschiebungshaftsache Nachschlagewerk: ja BGHZ:

nein BGHR:

ja AufenthG § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 Der Haftgrund des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 AufenthG setzt ein Verhalten des Betroffenen voraus, mit dem er eine konkrete, auf seine Abschiebung aus dem Bundesgebiet gerichtete Maßnahme der deutschen Behörden vereitelt hat.

BGH, Beschluss vom 22. Juni 2017 - V ZB 21/17 - LG Osnabrück AG Nordhorn ECLI:DE:BGH:2017:220617BVZB21.17.0 Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Juni 2017 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterin Weinland und die Richter Dr. Kazele, Dr. Göbel und Dr. Hamdorf beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde wird der Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 20. Dezember 2016 aufgehoben und festgestellt, dass die Anordnung der Haft in dem Beschluss des Amtsgerichts Nordhorn vom 11. August 2016 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Kreis Höxter auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe:

I.

Der Betroffene ist georgischer Staatsangehöriger. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte seinen Asylantrag mit Bescheid vom 5. Mai 2015 als offensichtlich unbegründet ab und forderte ihn auf, die Bundesrepublik Deutschland binnen einer Woche zu verlassen. In der Folgezeit begab sich der Betroffene in die Niederlande und stellte dort einen Asylantrag. Am 11. August 2016 wurde er nach Deutschland rücküberstellt. Mit Beschluss vom gleichen Tag hat das Amtsgericht Haft zur Sicherung der Abschiebung bis längstens 21. September 2016 angeordnet. Am 16. September 2016 ist der Betroffene nach Georgien abgeschoben worden. Das Landgericht hat die auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung gerichtete Beschwerde des Betroffenen zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt er seinen Antrag weiter. Die beteiligte Behörde beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

II.

Nach Ansicht des Beschwerdegerichts dürften zwar die von dem Amtsgericht angenommenen Haftgründe nicht vorliegen. Die Haft könne aber auf § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 2 Abs. 14 Nr. 2 und Nr. 5 AufenthG gestützt werden. Der Betroffene habe bei seiner Anhörung vor dem Amtsgericht erklärt, er habe seinen Nachnamen bei Stellung seines Asylantrages bewusst falsch angegeben.

III.

Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

1. Die von dem Amtsgericht angenommenen Haftgründe des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 4 AufenthG liegen - wie das Beschwerdegericht zutreffend annimmt - nicht vor.

a) Der Haftgrund des nicht angezeigten Aufenthaltswechsels nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AufenthG setzt voraus, dass der erforderliche Hinweis auf die Folge einer Verletzung der Pflichten nach § 50 Abs. 4 AufenthG einem Betroffenen, der Deutsch nicht beherrscht, in seine Muttersprache oder eine andere Sprache übersetzt wird, die er beherrscht (Senat, Beschluss vom 14. Januar 2016 - V ZB 178/14, FGPrax 2016, 87 Rn. 9). Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts ist dies hier nicht geschehen.

b) Auch die Voraussetzungen des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 AufenthG, dass sich der Ausländer in sonstiger Weise der Abschiebung entzogen hat, liegen nicht vor. Dieser Haftgrund setzt ein Verhalten des Betroffenen voraus, mit dem er eine konkrete, auf seine Abschiebung gerichtete Maßnahme der Behörde vereitelt hat (vgl. LG Heidelberg, Beschluss vom 13. April 2017, 3 T 18/17, juris Rn. 7 ff.; LG Münster, Beschluss vom 22. Februar 2016, 5 T 42/16, juris, Rn. 11). Das folgt aus dem Wortlaut und der Systematik der Norm, die - anders als bei dem Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG, der die Formulierung „entziehen will“ verwendet - darauf abstellt, dass sich der Ausländer der Abschiebung „entzogen hat“. Die Verwendung der Vergangenheitsform macht deutlich, dass das Verhalten des Betroffenen einen Bezug zu einer konkreten Abschiebungsmaßnahme aufweisen muss.

Daran fehlt es hier. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts gab es keine Abschiebungsmaßnahmen der beteiligten Behörde, denen sich der Betroffene in der Vergangenheit entzogen hat. Unerheblich ist, ob er sich in den Niederlanden einem Rücküberstellungsversuch nach Deutschland entzogen hat; denn dies erfüllt nicht den Haftgrund nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 AufenthG, da die Vorschrift nur Abschiebungsversuche deutscher Behörden aus dem Bundesgebiet erfasst.

2. Ob das Verhalten des Betroffenen - wie das Beschwerdegericht annimmt - den Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 2 Abs. 14 Nr. 2 und Nr. 5 AufenthG erfüllt, kann dahinstehen. Denn das Beschwerdegericht durfte seine Entscheidung nicht auf einen neuen Haftgrund stützen, ohne den Betroffenen hierzu persönlich anzuhören (Senat, Beschluss vom 16. Februar 2017 - V ZB 10/16 Rn. 9; Beschluss vom 7. Juli 2016 - V ZB 21/16, FGPrax 2016, 278 Rn. 6).

Eine Anhörung durch das Beschwerdegericht war nicht deshalb entbehrlich, weil das Amtsgericht zur Begründung der Haftanordnung unter anderem ausgeführt hat, dass der Betroffene eingeräumt habe, gegenüber den Ausländerbehörden falsche Personalien angegeben zu haben, um einer Abschiebung zu entgehen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts hat das Amtsgericht dies für sich genommen nicht als ausreichende Grundlage für die Haftanordnung angesehen. Vielmehr handelte es sich lediglich um ein seine Argumentation, dass das Verhalten des Betroffenen die Voraussetzungen des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 AufenthG erfülle, verstärkendes Argument. Dass es darin zugleich ein die Fluchtgefahr begründendes Verhalten des Betroffenen sah, lässt sich dem Beschluss des Amtsgerichts nicht entnehmen. Indem das Beschwerdegericht allein auf die Äußerung des Betroffenen zu den falschen Personalien abstellt und darin - abweichend von dem Amtsgericht - den Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 2 Abs. 14 Nr. 2 und Nr. 5 AufenthG sieht, misst es den Angaben des Betroffenen ein völlig anderes Gewicht als das Amtsgericht bei; deshalb hätte es den Betroffenen vor der beabsichtigten Auswechselung des Haftgrundes erneut anhören müssen.

3. Eine Zurückverweisung an das Beschwerdegericht kommt nicht in Betracht, da die Anhörung des Betroffenen angesichts der erfolgten Abschiebung nicht mehr möglich ist.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 EMRK. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 36 Abs. 3 GNotKG.

Stresemann Weinland Kazele Göbel Hamdorf Vorinstanzen:

AG Nordhorn, Entscheidung vom 11.08.2016 - 11 XIV 5041 B LG Osnabrück, Entscheidung vom 20.12.2016 - 11 T 576/16 -

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