III ZB 42/21
BUNDESGERICHTSHOF III ZB 42/21 BESCHLUSS vom 2. Dezember 2021 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2021:021221BIIIZB42.21.0 Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. Dezember 2021 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, den Richter Dr. Remmert, die Richterinnen Dr. Arend und Dr. Böttcher sowie den Richter Dr. Kessen beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde der Nebenintervenientin wird der Beschluss des Oberlandesgerichts Rostock - 1. Zivilsenat - vom 15. April 2021 - 1 U 68/19 - aufgehoben.
Den Klägern wird gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert für die Rechtsbeschwerde wird auf 33.510,14 € festgesetzt.
Gründe:
I. 1 Die Kläger machen gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche aus Prospekthaftung geltend. Mit Urteil vom 28. Mai 2019 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Gegen das den Prozessbevollmächtigten der Kläger am 3. Juni 2019 zugestellte Urteil haben diese für die Kläger mit am selben Tag beim Berufungsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 3. Juli 2019 Berufung eingelegt. Die Frist zur Begründung der Berufung ist antragsgemäß bis zum 5. September 2019 verlängert worden. Am Tag des Fristablaufs hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers zwischen 17:00 und 19:45 Uhr mehrfach versucht, die Berufungsbegründung per Telefax an das Berufungsgericht zu übersenden. Dies gelang nicht, weil das Faxgerät der Wachtmeisterei des Gerichts seit dem Nachmittag des 5. September 2019 defekt war. Nachdem ein Justizwachtmeister des Berufungsgerichts der Prozessbevollmächtigten des Klägers kein anderes empfangsbereites Faxgerät nennen konnte, hat diese die eingescannte Berufungsbegründung per E-Mail am 5. September 2019 um 19:26 Uhr an das Verwaltungspostfach des Berufungsgerichts übersandt. Diese E-Mail ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts am 6. September 2019 vom Gericht ausgedruckt worden. Das Original der Berufungsbegründung ist am 9. September 2019 bei Gericht eingegangen.
Mit am selben Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 16. September 2019 haben die Prozessbevollmächtigten der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde der Nebenintervenientin, bei der es sich um die vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Kläger handelt.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Sie ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2, Alt. 2 ZPO). Der Beitritt der Nebenintervenientin ist gemäß § 66 Abs. 1 und 2 ZPO zulässig. Er genügt den Voraussetzungen des § 70 Abs. 1 und 2 ZPO. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei unbegründet, weil die Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung auf einem Verschulden der Prozessbevollmächtigten der Kläger beruhe, das diesen gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen sei.
Die mangelnde Funktionsfähigkeit des gerichtlichen Faxgeräts habe die Prozessbevollmächtigte der Kläger nicht davon befreit, alle noch möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen. Eine solche Maßnahme sei vorliegend die Versendung der Berufungsbegründungsschrift aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) gewesen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei es erwägenswert, auch einen anderen als den gewählten Übermittlungsweg als zumutbar zu erachten, wenn dieser Weg sich aufdränge und der hierfür erforderliche Aufwand geringfügig sei. Dabei komme bei einer gescheiterten Übermittlung mittels Fax eine Versendung über das beA in Betracht, wenn dieses von dem Prozessbevollmächtigten in der Vergangenheit bereits aktiv zum Versand von Schriftsätzen genutzt worden sei, er also mit seiner Nutzung vertraut sei (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Dezember 2020 - Ill ZB 31/20, NJW 2021, 390 Rn. 26).
Der Prozessbevollmächtigten der Kläger sei es ohne erheblichen Zeit- und Kostenaufwand möglich gewesen, die Berufungsbegründung über das beA an das Oberlandesgericht fristwahrend zu übermitteln. Die Kläger hätten es versäumt, rechtzeitig gemäß § 234 Abs. 1 Satz 2, § 236 Abs. 2 ZPO vorzutragen und glaubhaft zu machen, dass ihrer Prozessbevollmächtigten dies nicht zumutbar, insbesondere dass sie mit der aktiven Nutzung des beA nicht vertraut und es ihr daher nicht möglich gewesen sei, mit nur geringem Aufwand den Versand über das beA vorzunehmen. Der Senat habe die Kläger mit Verfügung vom 16. September 2020 darauf hingewiesen, dass glaubhaft zu machen sei, dass keinerlei zumutbare andere Übertragungsmöglichkeiten vorhanden gewesen seien, z.B. die Ermittlung weiterer Fax-Nummern des Oberlandesgerichts oder die Benutzung des beA. Diesem Hinweis sei zu entnehmen gewesen, dass der Senat eine Obliegenheit zur Nutzung des beA annehme und hierzu Vortrag binnen der gesetzten Frist erwarte. In ihren Schriftsätzen vom 16. und 21. Oktober 2019 hätten die Kläger indes allein vorgebracht, eine Pflicht zur Benutzung des beA habe nicht bestanden. Dass sie das beA nicht mit geringfügigem Aufwand habe benutzen können, habe die Prozessbevollmächtigte der Kläger nicht binnen der bis zum 23. Oktober 2019 laufenden Stellungnahmefrist vorgetragen und glaubhaft gemacht. Es komme hinzu, dass auch der Beklagtenvertreter auf die fehlenden Ausführungen der Klägervertreterin, weshalb ihr eine Übermittlung per beA nicht zumutbar gewesen sei, aufmerksam gemacht habe.
Erst mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2019 und damit verspätet hätten die Kläger vorgetragen, dass eine aktive Übermittlung mit Signatur mangels Vorliegens der dazu erforderlichen Voraussetzungen in der Kanzlei der Bevollmächtigten nicht möglich gewesen sei, und durch diese Aussage glaubhaft gemacht, dass ihrer Prozessbevollmächtigten die Funktionsweise einer aktiven Nutzung des beA unbekannt gewesen sei und sie sich daher in der Kürze der Zeit nur mit erhöhtem Aufwand mit diesem alternativen Übermittlungsweg habe vertraut machen können.
Die Berufung sei gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen, da die Berufungsbegründung erst nach Ablauf der (verlängerten) Frist des § 520 Abs. 2 ZPO eingegangen sei. Die als Anhang an eine E-Mail noch am Tag des Fristablaufs übersandte Datei mit der unterzeichneten und eingescannten Berufungsbegründung habe die Frist nicht wahren können, da die angehängte PDFDatei erst nach Fristablauf ausgedruckt worden sei. Zur Rechtzeitigkeit des Eingangs komme es auf den Ausdruck an.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Das Berufungsgericht hat allerdings zutreffend angenommen, dass die Berufungsbegründung erst nach Ablauf der bis zum 5. September 2019 verlängerten Berufungsbegründungsfrist eingegangen ist. Die als Anhang zur E-Mail der Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 5. September 2019 übersandte Berufungsbegründung ist erst am 6. September 2019 - wie erforderlich (§ 520 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 ZPO i.V.m. § 130 ZPO) - in schriftlicher Form eingegangen. Denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist sie an diesem Tag vom Gericht ausgedruckt worden (vgl. hierzu im Einzelnen Senat, Beschlüsse vom 17. Dezember 2020 aaO Rn. 7 ff und vom 25. Februar 2021 - III ZB 34/20, juris Rn. 11 zu zwei Parallelfällen).
b) Das Berufungsgericht hat jedoch zu Unrecht den Antrag der Kläger auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist abgelehnt. Ein den Klägern zuzurechnendes (§ 85 Abs. 2 ZPO) Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten liegt nicht vor.
aa) Der Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) verbietet es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren. Die Gerichte dürfen daher bei Auslegung der die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand regelnden Vorschriften die Anforderungen an das, was der Betroffene veranlasst haben muss, um Wiedereinsetzung zu erlangen, nicht überspannen. Allerdings sind die nach der jeweiligen prozessualen Lage gegebenen und zumutbaren Anstrengungen zur Wahrung des rechtlichen Gehörs zu verlangen. Etwaige Fristversäumnisse, die auf der Verzögerung der Entgegennahme von Schriftsätzen durch das Gericht beruhen, dürfen dem Bürger aber nicht angelastet werden (BVerfG, NJW 2001, 3473; NZA 2000, 789, 790; NJW 1996, 2857 mwN; Senat, Beschluss vom 17. Dezember 2020 aaO Rn. 16).
Die Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax ist in allen Gerichtszweigen uneingeschränkt zulässig. Wird dieser Übermittlungsweg durch ein Gericht eröffnet, so dürfen die aus den technischen Gegebenheiten des Kommunikationsmittels herrührenden besonderen Risiken nicht auf den Nutzer dieses Mediums abgewälzt werden. Das gilt im Besonderen für Störungen des Empfangsgeräts im Gericht. In diesem Fall liegt die entscheidende Ursache für die Fristsäumnis in der Sphäre des Gerichts (BVerfG, NJW 2001, 3473; NZA 2000, 789, 790; NJW 1996, 2857; Senat, Beschluss vom 17. Dezember 2020 aaO Rn. 17; BGH, Beschlüsse vom 29. September 2021 - VII ZB 12/21, BeckRS 2021, 34468 Rn. 23; vom 27. Juni 2017 - II ZB 22/16, NJW-RR 2017, 1084 Rn. 12; vom 4. November 2014 aaO Rn. 19 und vom 5. September 2012 - VII ZB 25/12, NJW 2012, 3516 Rn. 10).
Von einem Rechtsanwalt, der sich und seine organisatorischen Vorkehrungen darauf eingerichtet hat, einen Schriftsatz weder selbst noch durch Boten oder per Post, sondern durch Telefax zu übermitteln, kann daher beim Scheitern der gewählten Übermittlung infolge eines Defekts des Empfangsgeräts oder wegen Leitungsstörungen nicht verlangt werden, dass er innerhalb kürzester Zeit eine andere als die gewählte, vom Gericht offiziell eröffnete Zugangsart sicherstellt (BVerfG, NJW 2001, 3473; NZA 2000, 789, 790; NJW 1996, 2857, 2858; BGH, Beschlüsse vom 28. April 2020 - X ZR 60/19, NJW 2020, 2194 Rn. 15; vom 4. November 2014 aaO und vom 5. September 2012 aaO; jew. mwN). Wenn er feststellt, dass das Empfangsgerät gestört ist, ist es aber zumutbar, jedenfalls im gewählten Übermittlungsweg nach Alternativen zu suchen, die sich aufdrängen (Senat, Beschluss vom 17. Dezember 2020 aaO Rn. 18; BGH, Beschlüsse vom 29. September 2021 aaO Rn. 25 und vom 27. Juni 2017 aaO Rn. 14 mwN; vgl. auch BGH, Beschluss vom 5. September 2012 aaO).
bb) Nach Maßgabe dieser Grundsätze liegt ein den Klägern zuzurechnendes Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten nicht vor. Es ist insbesondere nicht darin zu sehen, dass sie die Berufungsbegründung am 5. September 2019 nicht über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) an das Berufungsgericht gesandt hat, nachdem dies mittels Telefax nicht möglich war.
Im Fall eines bisher nicht aktiv genutzten besonderen elektronischen Anwaltspostfachs kann einem Rechtsanwalt nicht vorgehalten werden, dass er anstelle der Übermittlung per Telefax eine solche im elektronischen Rechtsverkehr hätte wählen müssen (vgl. im Einzelnen Senat, Beschlüsse vom 17. Dezember 2020 aaO Rn. 23 ff und vom 25. Februar 2021 aaO Rn. 15 ff). Zwar erscheint es erwägenswert, auch einen anderen als den gewählten Übermittlungsweg als zumutbar im vorgenannten Sinne zu erachten, wenn dieser Weg sich aufdrängt und der hierfür erforderliche Aufwand geringfügig ist. In diesem Rahmen kommt bei einer gescheiterten Übermittlung mittels Telefax eine Versendung über das besondere elektronische Anwaltspostfach in Betracht, wenn dieses von dem Prozessbevollmächtigten in der Vergangenheit bereits aktiv zum Versand von Schriftsätzen genutzt wurde, er also mit seiner Nutzung vertraut ist (Senat, Beschlüsse vom 17. Dezember 2020 aaO Rn. 26 und vom 25. Februar 2021 aaO Rn. 16; BGH, Beschluss vom 29. September 2021 aaO Rn. 31). Diese Frage bedarf indes auch vorliegend keiner Entscheidung. Denn die Benutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs nach gescheiterter Übermittlung per Telefax ist jedenfalls dann kein zumutbarer, nur geringfügigen Aufwand verursachender alternativer Übermittlungsweg in vorstehendem Sinne, wenn der Prozessbevollmächtigte der Partei das besondere elektronische Anwaltspostfach bisher nicht aktiv zum Versand von Schriftsätzen genutzt hat und mit seiner Nutzung nicht vertraut ist (Senat, Beschluss vom 17. Dezember 2020 aaO Rn. 27).
Von Letzterem ist - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - auch vorliegend auszugehen.
(a) Rechtsanwälte sind derzeit nur zur passiven Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs verpflichtet (§ 31a Abs. 6 BRAO). Bis zum Eintritt der aktiven Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs für Rechtsanwälte spätestens ab dem 1. Januar 2022 (vgl. § 130d ZPO in der ab dem 1. Januar 2022 geltenden Fassung) besteht für die Rechtsanwaltschaft keine allgemeine Pflicht, sich mit den Anforderungen und der Funktionsweise der Erstellung und des Versands elektronischer Dokumente auseinanderzusetzen. Dieser Übermittlungsweg stellt daher für einen Rechtsanwalt, der das besondere elektronische Anwaltspostfach bisher nicht aktiv genutzt und hierüber keine Doku- mente versandt hat, keine sich aufdrängende, mit geringfügigem Aufwand nutzbare Alternative dar, wenn am Tag des Fristablaufs die von ihm gewählte Übermittlung mittels Telefax aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen scheitert. Es ist ihm nicht zuzumuten, sich innerhalb kurzer Zeit vor Fristablauf erstmals mit den Voraussetzungen dieser für ihn neuen Zugangsart vertraut zu machen (Senat, Beschluss vom 17. Dezember 2020 aaO Rn. 28; BGH, Beschluss vom 29. September 2021 aaO Rn. 33). Dabei kann, solange im Hinblick auf das beA keine aktive Nutzungspflicht besteht, von einer seitens des Rechtanwalts dennoch bereits erfolgenden aktiven Nutzung des beA und einer daraus folgenden Zumutbarkeit seiner Nutzung in Fällen der vorliegenden Art nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Hierfür ist vielmehr erforderlich, dass eine aktive Nutzung des beA durch den Rechtsanwalt entweder gerichtsbekannt ist oder letzterer hierzu - im Rahmen der gebotenen gerichtlichen Aufklärung zu dieser Frage (§ 139 ZPO) - bejahend oder nicht vorgetragen hat.
(b) Vorliegend hat die Prozessbevollmächtigte der Kläger glaubhaft gemacht (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO), dass sie mit der aktiven Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs nicht vertraut ist und dieses bisher nicht zum Versand von Schriftsätzen verwendet hat.
(aa) Sie hat während des Rechtsstreits keine Schriftsätze über das besondere elektronische Anwaltspostfach eingereicht. Im Wiedereinsetzungsverfahren vor dem Berufungsgericht hat sie mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2019 vorgetragen, bei Nutzung des beA sei eine aktive Übermittlung mit Signatur mangels Vorliegen der dazu erforderlichen Voraussetzungen in ihrer Kanzlei nicht möglich gewesen. Das Berufungsgericht hat durch diese Ausführungen als glaubhaft gemacht angesehen, dass der Prozessbevollmächtigen der Kläger die Funktionsweise einer aktiven Nutzung des beA unbekannt gewesen ist und sie sich daher in der Kürze der Zeit nur mit erhöhtem Aufwand mit diesem alternativen Übermittlungsweg habe vertraut machen können (S. 10 f des angefochtenen Beschlusses). Das beA als alternativer Übermittlungsweg musste sich ihr in Anbetracht ihrer mangelnden diesbezüglichen Erfahrung weder aufdrängen noch konnte sie ihn mit geringfügigem Aufwand beschreiten (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Dezember 2020 aaO Rn. 32).
(bb) Die Kläger haben auch rechtzeitig glaubhaft gemacht, dass ihrer Prozessbevollmächtigten die Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs nicht zumutbar war. Zwar sind nach § 234 Abs. 1 Satz 2, § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO alle Tatsachen, die für die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Bedeutung sein können, innerhalb der einmonatigen Antragsfrist vorzutragen. Jedoch dürfen lediglich ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten gewesen wäre, noch nach Fristablauf vervollständigt werden (Senat, Beschlüsse vom 17. Dezember 2020 aaO Rn. 33 und vom 27. Juli 2017 - III ZB 76/16, NJW 2017, 3309 Rn. 9 mwN). Nichts anderes gilt für Tatsachenvortrag, dessen Notwendigkeit zur Erlangung der beantragten Wiedereinsetzung auf der Grundlage der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht erkennbar war.
So liegt der Fall hier. Die Prozessbevollmächtigte der Kläger durfte in ihrem rechtzeitig bei Gericht eingereichten Wiedereinsetzungsantrag vom 16. September 2019 davon ausgehen, dass sie auf der Grundlage der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung mit dem mehrfachen Versuch der Übermittlung der Berufungsbegründung mittels Telefax an das Empfangsgerät des Gerichts alles ihr Mögliche und Zumutbare unternommen hatte, so dass ein Verschulden ihrerseits ausgeschlossen und ein Wiedereinsetzungsgrund im Sinne von § 233 Abs. 1 Satz 1 ZPO gegeben war (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Dezember 2020 aaO Rn. 34). Zwar war für sie auf den Hinweis des Berufungsgerichts vom 16. September 2019 erkennbar, dass es eine Pflicht zur Einreichung der Berufungsbegründung im Wege der Nutzung des beA in Erwägung zog und hierzu vorzutragen war. Gleiches gilt im Hinblick auf den Schriftsatz des Beklagten vom 27. September 2019. Ein solcher Vortrag ist indes mit den Schriftsätzen der Prozessbevollmächtigen der Kläger vom 16. und 21. Oktober 2019 erfolgt, in denen sie auf eine noch nicht bestehende Pflicht zur Nutzung des beA hingewiesen hat.
Weiterer Vortrag, insbesondere zu einer durch sie bereits erfolgenden aktiven Nutzung des beA, war zu diesem Zeitpunkt nicht erforderlich. Für sie war weder aufgrund der bis dahin bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung noch aufgrund des Hinweises des Berufungsgerichts vom 16. September 2019 oder des Schriftsatzes des Beklagten vom 27. September 2019 hinreichend erkennbar, dass es im Hinblick auf die Zumutbarkeit der Nutzung des beA auf dieses Kriterium ankommen würde. Es handelt sich insoweit lediglich um ergänzungsbedürftige Angaben in vorstehendem Sinne, die - nach der gebotenen Aufklärung (§ 139 ZPO) - auch noch nach Ablauf der Frist gemäß § 234 Abs. 1 Satz 2, § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO vervollständigt werden können. Nachdem das Berufungsgericht mit Hinweis vom 3. Februar 2021 - nunmehr in Kenntnis des Senatsbeschlusses vom 17. Dezember 2020 - auf die Relevanz einer Vertrautheit der Prozessbevollmächtigten der Kläger mit der aktiven Nutzung des beA hingewiesen hatte, konnten die Kläger daher hierzu noch bis zum Ablauf der bis zum 11. März 2021 währenden Stellungnahmefrist vortragen. Dies war indes, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, bereits mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2019 geschehen und ist erneut mit Schriftsatz vom 4. März 2021 erfolgt.
Herrmann Remmert Arend Böttcher Kessen Vorinstanzen: LG Schwerin, Entscheidung vom 28.05.2019 - 5a O 55/17 OLG Rostock, Entscheidung vom 15.04.2021 - 1 U 68/19 -