AnwZ (Brfg) 4/22
BUNDESGERICHTSHOF AnwZ (Brfg) 4/22 BESCHLUSS vom
25. Mai 2022 in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ECLI:DE:BGH:2022:250522BANWZ.BRFG.4.22.0 Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat am 25. Mai 2022 durch die Präsidentin des Bundesgerichtshofs Limperg, den Richter Dr. Remmert, die Richterin Dr. Liebert sowie die Rechtsanwältin Schäfer und den Rechtsanwalt Dr. Lauer beschlossen:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das am 25. November 2021 verkündete Urteil des I. Senats des Anwaltsgerichtshofs Berlin wird verworfen.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe: I.
Der Kläger ist seit dem Jahr 1996 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 3. November 2017 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Die hiergegen gerichtete Klage hat der Anwaltsgerichtshof Berlin mit Urteil vom 25. November 2021, dem Kläger zugestellt am 3. Dezember 2021, abgewiesen. Mit Schriftsatz vom 3. Januar 2021, eingegangen beim Anwaltsgerichtshof am selben Tag, hat der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil beantragt. Mit an den Anwaltsgerichtshof gerichtetem Schriftsatz vom 3. Februar 2022, dort eingegangen am selben Tag, hat der Kläger das Rechtsmittel begründet. Der Anwaltsgerichtshof hat die auch den Schriftsatz vom 3. Februar 2022 umfassenden Akten mit Schreiben vom 19. Februar 2022 dem Bundesgerichtshof übersandt, wo sie am 23. Februar 2022 eingegangen sind. Mit Verfügung vom 14. März 2022 hat der Senat darauf hingewiesen, dass Bedenken gegen die Zulässigkeit des Antrags auf Zulassung der Berufung bestünden, weil die Begründung nicht fristgerecht eingegangen sei. Die eingeräumte Möglichkeit zur Stellungnahme bis zum 31. März 2022 hat der Kläger nicht wahrgenommen.
II.
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist bereits unzulässig, weil entgegen § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO die Antragsbegründung nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bundesgerichtshof eingegangen ist. Die Zustellung des vollständigen Urteils ist am 3. Dezember 2021 erfolgt. Die Frist zur Einreichung der Antragsbegründung ist daher am 3. Februar 2022 abgelaufen (§112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Variante 1 BGB). Die Begründung hat den Bundesgerichtshof indes erst mit Vorlage der Akten am 23. Februar 2022 erreicht. Dass die Antragsbegründung innerhalb der Frist am 3. Februar 2022 den Anwaltsgerichtshof erreicht hat ist nicht ausreichend (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 Satz 5 VwGO; vgl. auch VGH München, NVwZ-RR 2006, 851; W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl., § 124a Rn. 48).
2. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wäre indes auch unbegründet. Der Kläger beruft sich zwar auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und des Verfahrensmangels (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3, 5 VwGO), hat aber keinen dieser Zulassungsgründe hinreichend dargelegt.
a) Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache liegt nicht vor (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschluss vom 29. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 53/16, NJW 2017, 1181 Rn. 21 mwN). Diese Voraussetzungen sind vom Beschwerdeführer darzulegen. Insbesondere muss begründet werden, warum ein korrigierendes Eingreifen des Bundesgerichtshofs erforderlich ist (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 39/16, juris Rn. 9 mwN; st. Rspr.). Der Kläger legt indes schon keine konkrete Rechtsfrage dar, deren Beantwortung er als notwendig erachtet. Soweit er mit Blick auf die Pandemielage allgemein mehr Augenmaß sowie ein Überdenken und Anpassen der Rechtsprechung verlangt, reicht dies zur Darlegung des Zulassungsgrundes nicht aus. Der Senat hat zudem bereits entschieden, dass auch die Pandemielage keinen Grund für eine Änderung der Rechtsprechung im Hinblick auf den gebundenen Widerruf der Zulassung nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 3. November 2021 - AnwZ (Brfg) 29/21, juris Rn. 10).
b) Soweit der Kläger einen Verfahrensmangel (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) geltend macht, fehlt jeglicher konkretisierender Tatsachenvortrag dazu, worin dieser Verfahrensmangel bestehen soll.
c) Auch der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), den der Kläger der Sache nach ebenfalls geltend macht, liegt nicht vor. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (BGH, Beschlüsse vom 29. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 36/16, juris Rn. 3 mwN; vom 15. Dezember 2017 - AnwZ (Brfg) 11/17, juris Rn. 3). Daran fehlt es hier. Das Urteil des Anwaltsgerichtshofs steht im Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats.
Insbesondere geht der Senat in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Ursache eines Vermögensverfalls für den Widerruf der Zulassung nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO unerheblich ist; insbesondere ist nicht erforderlich, dass der Rechtsanwalt den Vermögensverfall verschuldet hat (BGH, Beschluss vom 3. November 2021 - AnwZ (Brfg) 29/21, juris Rn. 10 mwN; st. Rspr.). Dass der Antragsteller vorträgt, mit Zahlungsausfällen, mangelnder Zahlungsmoral, bewusster Ausnutzung oder betrügerischer Absicht seiner Mandanten zu kämpfen gehabt zu haben, ist daher für die Frage des Vermögensverfalls unerheblich.
Ebenso ist unerheblich, dass der Kläger vorträgt, in der Lage gewesen zu sein, noch vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung den Großteil seiner Verpflichtungen zu erfüllen, sei es durch vollständiges Bezahlen oder den Abschluss von Vergleichen mit Teilsummen. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kommt es für die Beurteilung des Vermögensverfalls auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids oder - wenn ein Vorverfahren entbehrlich ist auf den Zeitpunkt des Ausspruchs der Widerrufsverfügung an; danach eingetretene Veränderungen bleiben einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (BGH, Beschluss vom 22. September 2021 - AnwZ (Brfg) 14/21, juris Rn. 4 mwN; st. Rspr.). Dass eine Konsolidierung bereits zum maßgeblichen Zeitpunkt des Ausspruchs der Widerrufsverfügung eingetreten sei, wird vom Kläger weder konkret behauptet noch belegt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Limperg Remmert Liebert Schäfer Lauer Vorinstanz: AGH Berlin, Entscheidung vom 25.11.2021 - I AGH 14/17 -